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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 12.11.1998
Aktenzeichen: IX ZR 199/97
Rechtsgebiete: KO


Vorschriften:

KO §§ 29 ff
KO §§ 29 ff

Schließt der spätere Gemeinschuldner mit einem Gläubiger in anfechtbarer Weise einen Kaufvertrag und rechnet der Gläubiger mit seiner Forderung gegen den Kaufpreisanspruch auf, so kann der Konkursverwalter die Wirkungen der Anfechtung nicht auf die Herstellung der Aufrechnungslage beschränken und den Kaufpreisanspruch gegen den Gläubiger geltend machen, sondern nur Rückgewähr des Kaufgegenstandes verlangen.

BGH, Urt. v. 12. November 1998 - IX ZR 199/97 - OLG Düsseldorf LG Düsseldorf


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

IX ZR 199/97

Verkündet am: 12. November 1998

Bürk Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 12. November 1998 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Paulusch und die Richter Dr. Kreft, Stodolkowitz, Kirchhof und Dr. Fischer

für Recht erkannt:

Die Revision gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 5. Juni 1997 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Der Kläger ist Verwalter in dem am 9. Februar 1994 eröffneten Konkursverfahren über das Vermögen des W. F. Im September 1993 gewährte der verklagte Vater des späteren Gemeinschuldners diesem ein Darlehen in Höhe von 150.000 DM, rückzahlbar bis zum 31. Dezember 1993. Am 14. und 18. Januar 1994 verkaufte und übertrug der Gemeinschuldner Geschäftsanteile zweier Gesellschaften mit beschränkter Haftung an den Beklagten zum Kaufpreis von jeweils 75.000 DM. Am 18. oder 19. Januar 1994 erklärte der Beklagte gegenüber dem Gemeinschuldner die Aufrechnung mit seiner Darlehensforderung.

Der Kläger hat die Aufrechnung mit am 9. Februar 1995 bei Gericht eingereichten Anträgen auf Erlaß zweier Mahnbescheide über je 75.000 DM nebst Zinsen nach §§ 30, 31 KO angefochten und die Auffassung vertreten, die Kaufpreisansprüche stünden ihm aus § 433 BGB i.V.m. §§ 1 und 6 KO zu. In zweiter Instanz hat er hilfsweise die Verurteilung des Beklagten zur Abtretung der ihm übertragenen Geschäftsanteile begehrt.

Das Oberlandesgericht hat die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Landgerichts zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Berufungsanträge weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

I.

Das Berufungsgericht hat die Auffassung vertreten, der Kläger könne die Aufrechnungserklärung des Beklagten nicht isoliert anfechten. Die Anfechtung des Gesamtvorgangs der Begründung der jeweiligen Aufrechnungslage führe dazu, daß dem Kläger ein Anspruch nicht auf Erfüllung der Kaufpreisforderungen, sondern allenfalls auf Rückgewähr der veräußerten Geschäftsanteile zustehe. Der darauf gerichtete Hilfsantrag bleibe ohne Erfolg, weil er erst nach Ablauf der Frist des § 41 Abs. 1 KO im Wege der Klageänderung geltend gemacht worden sei.

II.

Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Überprüfung stand.

1. Das Berufungsgericht hat die Abweisung des in erster Linie geltend gemachten Zahlungsantrags zu Recht insbesondere auf die Entscheidung des VIII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 26. Mai 1971 - VIII ZR 61/70, WM 1971, 908 f, gestützt. Danach ist in Fällen der vorliegenden Art eine anfechtbare Handlung allein in dem Abschluß des Kaufvertrags zu sehen, so daß nur dieser und nicht allein die Aufrechnungserklärung (oder eine - im Streitfall nicht vorliegende - Aufrechnungsvereinbarung) angefochten werden kann. Es geht nicht an, das Rechtsgeschäft unangefochten zu lassen und lediglich seine gesetzlichen Wirkungen - die Herbeiführung einer Aufrechnungslage - anfechten zu wollen. Vielmehr muß sich die Anfechtung zumindest auch gegen den Kaufvertrag richten mit der Folge, daß dem Konkursverwalter kein Anspruch auf Erfüllung der Kaufpreisforderung zusteht. Dies entspricht dem Sinn der Konkursanfechtung. Sie soll die Masse in die Lage versetzen, in welcher sie sich ohne das anfechtbare Verhalten befinden würde; nicht aber soll sie der Konkursmasse Vorteile verschaffen, die diese ohne das anfechtbare Rechtsgeschäft nicht erlangt hätte. Außerdem handelt es sich wirtschaftlich gesehen um die Hingabe des Kaufgegenstandes an Erfüllungs Statt. Hätten die Vertragspartner diese Rechtsfigur gewählt, hätte der Konkursverwalter ebenfalls nur Rückgewähr und Wertersatz, nicht aber Begleichung einer Kaufpreisforderung verlangen können.

Dieses Urteil entspricht einer langen Rechtstradition (vgl. RGZ 26, 81, 84 f; RG JW 1895, 82; Jaeger/Lent, KO 8. Aufl. § 30 Anm. 51; § 53 Anm. 27; Kilger/K. Schmidt, Insolvenzgesetze 17. Aufl. § 30 KO Anm. 19 b; Kuhn/Uhlenbruck, KO 11. Aufl. § 30 Rdn. 19a, 42, 47; vgl. auch OLG Braunschweig Nds. Rechtspflege 1952, 165; Skrotzki KTS 1961, 6, 7). Es besteht kein deutlich überwiegender oder gar zwingender Grund (vgl. BGHZ 84, 64, 66), von ihm abzuweichen.

Die entgegen der herrschenden Meinung von Henckel (Jaeger/Henckel, KO 9. Aufl. § 30 Rdn. 279 - 289, insb. 284 ff) vertretene Auffassung, es sei möglich, die Rechtsfolgen der Anfechtung des Kaufvertrages als der Handlung, welche die Aufrechnungslage begründet habe, auf diese Wirkung zu beschränken, wenn allein darin die Gläubigerbenachteiligung liege, berücksichtigt nicht hinreichend, daß der Masse durch eine Anfechtung nur dasjenige wieder zugeführt werden soll, was ihr ohne die anfechtbare Rechtshandlung - den Abschluß des Kaufvertrags - verblieben wäre. Ferner wird der ebenfalls bereits in der Entscheidung vom 26. Mai 1971 aaO aufgezeigte Gesichtspunkt nicht genügend gewürdigt, daß die Veräußerung des Kaufgegenstandes (hier: der Geschäftsanteile) bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise als eine Befriedigung der Forderung des Beklagten an Erfüllungs Statt (§ 364 Abs. 1 BGB) zu werten ist, die dem Konkursverwalter ebenfalls nur einen Anspruch auf Rückgewähr oder Wertersatz des Hingegebenen verleiht. Schließlich kann die Meinung Henckels zu erheblichen praktischen Schwierigkeiten führen. In den Fällen, in denen der Kaufpreis gegenüber dem Wert der von dem späteren Gemeinschuldner verkauften Sache unangemessen niedrig ist oder der Anfechtungsgegner gar nicht ernsthaft kaufen wollte, sondern nur an der Aufrechnungslage interessiert war, soll die Anfechtung den gesamten Kaufvertrag erfassen (Jaeger/Henckel aaO § 30 Rdn. 285 - 288). Entsprechende Behauptungen des Anfechtungsgegners gegenüber einer Kaufpreisklage des Konkursverwalters könnten mithin langwierige Beweisaufnahmen und nicht unerhebliche Verzögerungen von Anfechtungsprozessen zur Folge haben. Diese werden vermieden, wenn man mit der überkommenen Rechtsmeinung die Möglichkeit einer isolierten Anfechtung der Aufrechnungslage verneint und dem Konkursverwalter lediglich einen Anspruch auf Rückgewähr des Kaufgegenstandes oder Wertersatz einräumt.

2. Auch die Abweisung des Hilfsantrags auf Rückgewähr der Geschäftsanteile läßt Rechtsfehler nicht erkennen.

Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, daß insoweit die Anfechtungsfrist des § 41 Abs. 1 Satz 1 KO versäumt ist. In dem nach Ablauf dieser Frist gestellten Hilfsantrag liegt die Einführung eines neuen Streitgegenstandes, weil mit diesem Antrag ein anderer Gegenstand als mit dem Hauptantrag begehrt wird (vgl. BGHZ 117, 1, 5; auch BGH, Urt. v. 20. März 1997 - IX ZR 71/96, WM 1997, 831, 833, z.V.b. in BGHZ 135, 140). Demzufolge haben die Anträge auf Erlaß von Mahnbescheiden über die Kaufpreisansprüche die Frist für die Geltendmachung des Anspruchs auf Rückgewähr der Geschäftsanteile nicht gewahrt (vgl. Jaeger/Henckel aaO § 41 Rdn. 23). Dies war zudem deshalb nicht möglich, weil sich die Rückgabe der Geschäftsanteile im Wege des Mahnbescheids nicht erreichen ließ (§ 688 ZPO). Schon aus diesem Grund steht der Umstand, daß die rechtzeitige Geltendmachung eines Rückgewähranspruchs in Natur zugleich die Frist für einen Wertersatzanspruch wahrt (vgl. BGHZ 89, 189, 197; BGH, Urt. v. 19. Oktober 1983 - VIII ZR 156/82, WM 1983, 1313, 1315; Jaeger/Henckel aaO § 41 Rdn. 18), der hier vertretenen Auffassung nicht entgegen. Aber auch im übrigen ist die Einführung eines neuen Streitgegenstandes durch Änderung des Klageantrags dem gemäß § 264 Nr. 3 ZPO nicht als Klageänderung zu wertenden Übergang von einem Antrag auf Rückgewähr in Natur auf einen Wertersatzanspruch (vgl. Zöller/Greger, ZPO 20. Aufl. § 264 Rdn. 5) nicht gleichzuachten.

Ende der Entscheidung

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