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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 23.10.2008
Aktenzeichen: IX ZR 202/07
Rechtsgebiete: AnfG


Vorschriften:

AnfG § 3 Abs. 1
AnfG § 11 Abs. 1
Hat der Schuldner seinen letzten werthaltigen Vermögensgegenstand veräußert und gleichzeitig mit dem Erwerber vereinbart, dass dieser den Kaufpreis durch Aufrechnung mit einem zu diesem Zweck vorzeitig fällig gestellten Gegenanspruch erbringt, kann ein Gläubiger diesen Vorgang jedenfalls dann, wenn andere Gläubiger zu keinem Zeitpunkt mit Aussicht auf Erfolg in die Kaufpreisforderung vollstrecken konnten, nur insgesamt, nicht auf die Verrechnungsabrede beschränkt, anfechten.
BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

IX ZR 202/07

Verkündet am: 23. Oktober 2008

in dem Rechtsstreit

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 25. September 2008 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Ganter und die Richter Raebel, Prof. Dr. Kayser, Dr. Pape und Grupp

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des 24. Zivilsenats in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 2. März 2007 und das Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 10. Februar 2006 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Kläger nehmen die Beklagten als Gesamtrechtsnachfolger des verstorbenen Architekten V. (künftig: Erblasser) auf Zahlung des Kaufpreises für zwei Eigentumswohnungen in Anspruch, die der Erblasser am 30. Juni 1999 von einer - damals schon im Liquidationsstadium befindlichen und am 17. November 2000 im Handelsregister gelöschten - Bauträgergesellschaft (künftig: Gesellschaft oder Schuldnerin) gekauft hat. Alleingesellschafterin und Geschäftsführerin der Schuldnerin war seine Ehefrau (die nunmehrige Beklagte zu 1). Faktisch wurden die Geschicke der Schuldnerin aber von dem Erblasser selbst bestimmt. Dieser hatte außerdem die Architektenleistungen für die von der Gesellschaft durchgeführten Bauvorhaben zu erbringen. In dem die streitgegenständlichen Eigentumswohnungen betreffenden Planungsvertrag vom 7. September 1996 heißt es:

"Der Auftragnehmer ist damit einverstanden, dass das Honorar erst mit Fertigstellung des BV bzw. den Verkauf der Wohnungen bezahlt wird."

Ob der Erblasser die ihm obliegenden Leistungen gemäß der Leistungsphasen 5 bis 8 erbracht hat, ist streitig. Zumindest die Leistungen der Phase 9 stehen aus.

Die Kaufvertragsurkunde enthält die Vereinbarung, dass der Kaufpreis von insgesamt 410.000 DM durch Verrechnung mit "fälligen Planungskosten gemäß Planungsvertrag vom 07.09.1996 in Höhe von DM 325.000 ... zzgl. Mehrwertsteuer sowie 8,5 % Zinsen seit dem 01.01.1998 beglichen" wird. Das Eigentum wurde am 12. Oktober 2000 auf den Erblasser umgeschrieben.

Die Kläger, die ihrerseits Wohnungen von der Gesellschaft gekauft hatten, haben am 25. August 2005 gegen diese wegen Baumängeln ein rechtskräftiges Urteil erwirkt. Sie haben die zwischen der Gesellschaft und dem Erblasser getroffene Verrechnungsvereinbarung gemäß § 3 AnfG wegen Gläubigerbenachteiligung angefochten. Gestützt auf den gegen die Gesellschaft erwirkten Titel, haben sie Teilbeträge von 34.246,33 € und 39.306,98 € aus der Kaufpreissumme pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen. Mit der vorliegenden Klage nehmen die Kläger die Beklagten als Drittschuldner auf Zahlung des Gesamtbetrages von 73.553,31 € in Anspruch. Sie machen geltend, da die Verrechnungsabrede wirksam angefochten worden sei, bestehe die Kaufpreisforderung noch, und diese stehe aufgrund der Pfändung und Überweisung ihnen zu.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und den Beklagten die Beschränkung ihrer Haftung auf den Nachlass vorbehalten. Die Berufung der Beklagten hatte nur hinsichtlich der Zinsen geringfügigen Erfolg. Dagegen wenden sich die Beklagten mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Abweisung der Klage.

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Kaufpreisanspruch der Gesellschaft gegen den Erblasser sei im Zeitpunkt der durch die Pfändung bewirkten Beschlagnahme aufgrund der Verrechnung mit dem Honoraranspruch des Erblassers bereits erloschen gewesen. Zwar sei dieser Honoraranspruch unter Anwendung der gesetzlichen Regeln noch nicht fällig gewesen. Der Erblasser habe weder sämtliche ihm obliegende Architektenleistungen erbracht noch über die erbrachten Leistungen nach § 8 Abs. 2 HOAI abgerechnet gehabt. In Abweichung von der Gesetzeslage habe es den Parteien des Architektenvertrages aber freigestanden, die vorzeitige Fälligkeit des Architektenhonorars zu vereinbaren. Dies sei in dem Kaufvertrag vom 30. Juni 1999 geschehen. Da die fälligkeitsbegründende Verrechnungsvereinbarung vor der Beschlagnahme der Kaufpreisforderung getroffen worden sei, habe die Pfändung eine nachträgliche Verrechnung nicht gehindert (§ 392 BGB). Es könne deswegen dahinstehen, zu welchem genauen Zeitpunkt diese stattgefunden habe.

Indes hätten die Kläger die Fälligkeits- und Verrechnungsvereinbarung wirksam nach § 3 Abs. 1 AnfG angefochten. Durch die Veräußerung der Eigentumswohnungen an den Erblasser habe die Schuldnerin einen Wert von 410.000 DM weggegeben. In diesem Umfang seien für Gläubiger der Schuldnerin die Befriedigungsmöglichkeiten verringert worden, weil wegen der Verrechnungsvereinbarung kein äquivalenter Ausgleich in das Vermögen der Gesellschaft gelangt sei. Die Fälligkeits- und Verrechnungsvereinbarung sei inkongruent, weil ohne sie ein fälliger und durchsetzbarer Architektenhonoraranspruch nicht bestanden hätte. Die Schuldnerin habe durch den Abschluss dieser Vereinbarung, welche die Aufgabe ihres einzig verbliebenen Vermögenswerts - nämlich des Kaufpreisanspruchs - bedeutet habe, ihre Gläubiger vorsätzlich benachteiligt. Sie habe den Erblasser zum Nachteil der klagenden Gläubiger begünstigen wollen. Spätestens seit dem 9. März 1999 habe die Schuldnerin damit rechnen müssen, dass die Kläger gegen sie rechtlich vorgehen würden. Die an diesem Tage stattgefundene Eigentümerversammlung habe die Kontroverse zwischen der V. -Gruppe und den Klägern deutlich gemacht. Der Erblasser habe den Benachteiligungsvorsatz der Gesellschaft gekannt, habe er deren Geschäfte doch faktisch selbst geführt.

Infolge der Anfechtung sei der Kaufpreisanspruch der Gesellschaft gegen den Erblasser nicht erloschen. Er habe somit der Pfändung durch die Kläger unterlegen. Nach der Überweisung seien die Kläger zur Einziehung berechtigt.

II.

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung nicht Stand.

1. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Fälligkeits- und Verrechnungsvereinbarung in der Kaufvertragsurkunde vom 30. Juni 1999 habe die Schuldnerin mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz geschlossen und der Erblasser habe diesen Vorsatz gekannt, ist allerdings rechtlich nicht zu beanstanden. Auch die Revision nimmt diese Würdigung hin.

2. Die Anfechtung hat jedoch nicht die Wirkung, die ihr vom Berufungsgericht beigemessen worden ist. Die Beklagten als Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers müssen sich nicht so behandeln lassen, als bestünde der - sodann von den Klägern gepfändete und ihnen zur Einziehung überwiesene - Kaufpreisanspruch noch. Eine isolierte Anfechtung der Fälligkeits- und Verrechnungsvereinbarung ist nicht möglich. Vielmehr kann nur die Übertragung der beiden Eigentumswohnungen im Ganzen angefochten werden, so dass die Kläger lediglich Duldung der Zwangsvollstreckung in das Eigentum an den Eigentumswohnungen verlangen können (§ 11 Abs. 1 Satz 1 AnfG).

a) Für ihre gegenteilige Auffassung können sich die Vorinstanzen nicht auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 2. Juni 1959 (VIII ZR 182/58, WM 1959, 888) beziehen. In dem damaligen Fall hatte die Klägerin eine Forderung gegen die Schuldnerin nicht realisieren können. Diese hatte ihrerseits eine Darlehensforderung gegen die spätere Anfechtungsgegnerin. Die Schuldnerin kaufte bei dieser Waren. Der Kaufpreis wurde mit der Darlehensforderung verrechnet. In der Herbeiführung der Aufrechnungslage sah der Bundesgerichtshof eine Gläubigerbenachteiligung (aaO S. 890 l. Sp.), weil die Schuldnerin ihren Darlehensanspruch aufgegeben und stattdessen Sachwerte erworben hatte, die der Klägerin als Zugriffsobjekt entzogen werden konnten (und auch tatsächlich entzogen wurden). Nach der damaligen Auffassung des Bundesgerichtshofs musste sich die Anfechtungsgegnerin so behandeln lassen, als bestehe die Darlehensforderung noch in der Höhe, die durch die Verrechnung getilgt worden war (BGH aaO S. 890 r. Sp.; vgl. ferner den ähnlichen Fall BGH, Urt. v. 16. Mai 1979 - VIII ZR 156/78, WM 1979, 776).

Der vorliegende Fall betrifft die umgekehrte Konstellation. Nicht die Schuldnerin hatte eine Forderung gegen den Erblasser, sondern dieser eine Forderung gegen die Schuldnerin, nämlich den - freilich noch nicht fälligen - Anspruch auf Architektenhonorar. Die Schuldnerin kaufte auch nichts, sondern sie verkaufte etwas, nämlich die zwei Wohnungen, und dadurch - in Verbindung mit der Fälligkeits- und Verrechnungsvereinbarung - wurde es dem Erblasser ermöglicht, seine Honorarforderung zu realisieren.

b) Auch der von der Revision bemühte Vergleich mit der Senatsentscheidung vom 19. November 1998 (IX ZR 116/97, WM 1999, 33) trägt nicht weit. Dort hatte die Schuldnerin gegenüber dem Anfechtungsgegner eine Darlehensschuld. Zur Begleichung dieser Schuld veräußerte die Schuldnerin einen Erbteil an den Anfechtungsgegner, wobei der von diesem zu zahlende Kaufpreis mit dessen Darlehensforderung verrechnet wurde. Diese Vereinbarung hat der Senat für anfechtbar erachtet. Bis hierher sind die Fälle vergleichbar. Unterschiede bestehen jedoch in Folgendem: In dem Fall des Urteils vom 19. November 1998 wurde die Erbteilsveräußerung angefochten. Gegenstand des Anfechtungsbegehrens war demgemäß die Duldung der Zwangsvollstreckung in den weggegebenen Erbteil. Im vorliegenden Fall wird nicht die Veräußerung der Wohnungen angefochten. Die Kläger machen vielmehr als Pfändungspfandgläubiger den Kaufpreisanspruch geltend, akzeptieren also die Veräußerung, und bekämpfen nur den von den Beklagten erhobenen Einwand der (durch Verrechnung bewirkten) Erfüllung mit der Anfechtung der Verrechnungsabrede.

c) Die sonach streitentscheidende, bisher noch ungeklärte Frage, ob die Verrechnungsabrede außerhalb der Insolvenz isoliert angefochten werden kann, ist zu verneinen.

aa) Ginge es um eine Insolvenzanfechtung, wäre die Möglichkeit der isolierten Anfechtung nicht zweifelhaft.

Nach den tatrichterlichen Feststellungen ist davon auszugehen, dass der Erblasser die Wohnungen nur gekauft hat, weil zugleich vereinbart wurde, er müsse den Kaufpreis nicht bezahlen, sondern könne diesen mit seinem Architektenhonorar verrechnen, und dieser vorzeitig fällig gestellt wurde. Damit haben die Vertragsparteien zweierlei erreicht: Erstens wurden die beiden Wohnungen, bei denen es sich um die letzten Vermögensgegenstände der Schuldnerin handelte, der Familie des Erblassers erhalten, was dieser um so wichtiger war, als bereits der Zugriff der Gläubiger drohte. Und zweitens bekam der Erblasser für seine nicht voll werthaltige und auch noch nicht fällige Honorarforderung einen Gegenwert.

Obwohl also aus der Sicht der Vertragsparteien Verkauf und Aufrechnung - jedenfalls bei wirtschaftlicher Betrachtung - eine Einheit darstellten, hätte sich die Unwirksamkeit nach § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO auf die Aufrechnung beschränkt (vgl. BGH, Urt. v. 9. Oktober 2003 - IX ZR 28/03, ZIP 2003, 2370, 2371 l. Sp.). Schon unter der Geltung der Konkursordnung und der Gesamtvollstreckungsordnung brauchte der Gläubiger die Herstellung der Aufrechnungslage durch das Kaufgeschäft nicht anzufechten; die "Rückgewähr" der Aufrechnungslage erfolgte in der Durchsetzung der Kaufpreisforderung unabhängig von der Gegenforderung (BGHZ 145, 245, 255; 147, 233, 236; BGH, Urt. v. 4. Oktober 2001 - IX ZR 207/00, ZIP 2001, 2055, 2056 f; v. 2. Juni 2005 - IX ZR 263/03, NZI 2005, 553 f). Kauft der Gläubiger von dem Schuldner Gegenstände und vereinbaren die Kaufvertragsparteien, dass der - dem Wert des Kaufgegenstands entsprechende - Kaufpreis durch Verrechnung mit den bestehenden Forderungen des Gläubigers beglichen wird, kann dieser nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners gegenüber dem anfechtenden Insolvenzverwalter nicht einwenden, er habe nur gekauft, um einen Gegenwert für die sonst uneinbringliche Forderung hereinzuholen. Vielmehr muss er den Kaufpreis zahlen (BGH, Urt. v. 22. Juli 2004 - IX ZR 270/03, ZIP 2004, 1912, 1914 r. Sp.).

Auch in anderen als Aufrechnungsfällen entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass mehrere Rechtshandlungen anfechtungsrechtlich selbst dann selbstständig zu behandeln sind, wenn sie gleichzeitig vorgenommen wurden oder sich wirtschaftlich ergänzten. Der Eintritt der Gläubigerbenachteiligung wird isoliert mit Bezug auf die konkret angefochtene Minderung des Aktivvermögens oder die Vermehrung der Passiva des Schuldners beurteilt, und eine Vorteilsausgleichung findet nicht statt (BGH, Urt. v. 7. Februar 2002 - IX ZR 115/99, NZI 2002, 255, 256; v. 9. Oktober 2003 - IX ZR 28/03, NZI 2004, 82, 83; v. 2. Juni 2005 - IX ZR 263/03, aaO S. 554; v. 20. Juli 2006 - IX ZR 226/03, NZI 2006, 583, 584; v. 12. Juli 2007 - IX ZR 235/03, NZI 2007, 718 f; v. 16. November 2007 - IX ZR 194/04, WM 2008, 173, 175, z.V.b. in BGHZ 174, 228).

bb) Auf die Anfechtung außerhalb der Insolvenz sind diese Grundsätze nicht übertragbar. Dies ergibt sich aus der unterschiedlichen Zwecksetzung.

(1) Das Anfechtungsrecht der Insolvenzordnung hat die Aufgabe, den Bestand des den Gläubigern haftenden Schuldnervermögens dadurch wiederherzustellen, dass bestimmte, als ungerechtfertigt gewertete Vermögensverschiebungen rückgängig gemacht werden, die insbesondere in der Zeit der Krise vor Verfahrenseröffnung zum Nachteil der Gläubigergesamtheit vorgenommen wurden. Die Anfechtung soll mithin bereits für eine gewisse Zeit vor Insolvenzeröffnung die Gleichbehandlung der Gläubiger durchsetzen (RegE-InsO BT-Drucks. 12/2443 S. 156; vgl. zur KO BGHZ 58, 240, 242 f). Zugleich soll die Masse angereichert werden (RegE-InsO aaO S. 82, 85; Jaeger/Henckel, InsO § 129 Rn. 2; MünchKomm-InsO/Kirchhof, 2. Aufl. vor §§ 129 bis 147 Rn. 3). Demgemäß muss, was durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben wurde, "zur Insolvenzmasse zurückgewährt" werden (§ 143 Abs. 1 Satz 1 InsO).

Die Anfechtung nach dem Anfechtungsgesetz soll zwar ebenfalls Vermögensverschiebungen rückgängig machen (BGHZ 128, 184, 191). Die Gleichbehandlung der Gläubiger ist jedoch nicht ihr Ziel. Die Rückgängigmachung der Vermögensverschiebung soll vielmehr einem bestimmten Gläubiger - dem Anfechtungskläger - den Vollstreckungszugriff wieder ermöglichen, der durch die angefochtene Rechtshandlung vereitelt wurde (§ 2 AnfG), und ihm somit den Vorsprung vor anderen Gläubigern, den er einmal hatte, wieder verschaffen (Huber, AnfG 10. Aufl. Einf. Rn. 9; Kübler/Prütting/Paulus, InsO Anh. I § 1 AnfG Rn. 2 f). Demgemäß besteht die Rechtsfolge hier lediglich in der Beseitigung des Hindernisses, das dem Zugriff des Gläubigers bereitet wurde. Der Anfechtungsgegner hat sich im Verhältnis zum anfechtenden Gläubiger so behandeln zu lassen, als gehöre der weggegebene Gegenstand noch dem Schuldner; er hat gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 AnfG das Weggegebene dem zwangsweisen Zugriff "zur Verfügung zu stellen", also die Zwangsvollstreckung in den weggegebenen Gegenstand zu dulden (Huber, aaO Rn. 20, § 11 Rn. 16 f).

(2) Die unterschiedliche Zielsetzung der Einzelgläubigeranfechtung schlägt sich auch in der Beurteilung des Begriffs der "Rechtshandlung" (§ 1 Abs. 1 AnfG) nieder. Da die Einzelgläubigeranfechtung lediglich die Wiedererschließung der Zugriffslage für einen einzelnen Gläubiger - nicht das Zusammenhalten einer "Masse" - bezweckt, kann die Rechtshandlung nicht für sich betrachtet werden, sondern nur im Rahmen des Gesamtvorganges, der die Weggabe des Gegenstandes aus dem Schuldnervermögen und damit die Vereitelung einer Zugriffsmöglichkeit betrifft. Gegenstand der Anfechtung ist also der gesamte, diesen Rechtserfolg auslösende Vorgang (Huber, aaO § 1 Rn. 12 f; Kübler/Prütting/Paulus, aaO § 1 AnfG Rn. 7, § 11 AnfG Rn. 11; Zeuner, Die Anfechtung in der Insolvenz 2. Aufl. Rn. 377). Verkauft der Schuldner Vermögensgegenstände an einen Gläubiger mit der Abrede, der Kaufpreis solle von dem Gläubiger durch Verrechnung mit seiner Forderung beglichen werden, kann die Verrechnungsabrede (einzel-)anfechtungsrechtlich nicht von dem Gesamtvorgang isoliert werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn andere Gläubiger zu keinem Zeitpunkt mit Aussicht auf Erfolg in die Kaufpreisforderung vollstrecken konnten.

(3) So verhielt es sich hier. Der Gesamtvorgang, der die Weggabe des Gegenstandes aus dem Schuldnervermögen betrifft, war der Abschluss des Kaufvertrages mit allen Nebenabreden. Vor dem 30. Juni 1999 konnten die Kläger nur auf das Eigentum der Schuldnerin an den beiden Wohnungen zugreifen. Den Kaufpreisanspruch gab es nicht, somit auch nicht als Zugriffsobjekt. Er entstand erst mit Abschluss des Kaufvertrages am 30. Juni 1999, aber dann auch bereits mit der Verrechnungsabrede. Dass die Verrechnung noch nicht gleich erfolgte, sondern erst später, ist unwesentlich. Denn eine erfolgreiche Einzelvollstreckung in den Kaufpreisanspruch war zu keinem Zeitpunkt möglich. Vor der Verrechnung, die den Anspruch zum Erlöschen brachte, konnte dieser zwar gepfändet werden. Der Drittschuldner konnte dem Pfändungspfandgläubiger indes einredeweise analog §§ 412, 404 BGB entgegenhalten (vgl. BGHZ 93, 71, 78; BAG Betrieb 1994, 2295, 2297), dass die Forderung im Wege der Verrechnung getilgt werden sollte (vgl. MünchKomm-BGB/Roth, 5. Aufl. § 404 Rn. 5), und sodann gegenüber den Klägern aufrechnen. Da in dem Kaufvertrag die vorzeitige Fälligkeit vereinbart wurde, standen auch §§ 392, 406 BGB der Erhebung der Einrede und der nachfolgenden Aufrechnung nicht entgegen.

Da nur die Wohnungen, nicht die Kaufpreisforderung, in einer die Zwangsvollstreckung durch die Kläger vereitelnden Weise aus dem Schuldnervermögen weggegeben wurden, ist es den Klägern verwehrt, den Kaufvertrag bestehen zu lassen und nur die Verrechnungsabrede anzufechten.

cc) Dem anfechtenden Gläubiger wird - jedenfalls so lange, als der Anfechtungsgegner ihm den vom Schuldner weggegebenen Vermögensgegenstand zur Verfügung stellen kann - vom Gesetz nicht die Möglichkeit eröffnet, stattdessen auf ein rechtsgeschäftliches Surrogat zuzugreifen.

Nach der Rechtsprechung zu § 37 KO galt dies selbst dann, wenn der vom Schuldner weggegebene Vermögensgegenstand untergegangen oder vom Empfänger an einen Dritten weiterveräußert worden war (RGZ 27, 21, 23 f; 56, 194, 196; 70, 226, 233). Auch zu § 143 InsO und § 11 AnfG entspricht dies der herrschenden Meinung im Schrifttum. Danach hat der Anfechtungsgegner in einem solchen Fall Wertersatz zu leisten (§ 11 Abs. 1 Satz 2 AnfG, § 819 Abs. 1, § 818 Abs. 3, §§ 292, 897 ff BGB). Im Falle der Weiterveräußerung an einen Dritten, der nach § 15 AnfG anfechtbar ist, kann der Gläubiger wählen, ob er gegen den Dritten mit dem Primäranspruch oder gegen den Veräußerer mit dem Wertersatzanspruch vorgeht (Kübler/Prütting/Paulus, § 11 AnfG Rn. 13; ders., InsO § 143 Rn. 56). Auf den Veräußerungserlös - also das rechtsgeschäftliche Surrogat - soll er nicht zugreifen können (so zur Insolvenzanfechtung Jaeger/Henckel, aaO § 143 Rn. 151, 158; HK-InsO/Kreft, 4. Aufl. § 143 Rn. 21; Kübler/Prütting/Paulus, InsO § 143 Fn. 168; HmbKomm-InsO/Rogge, 2. Aufl. § 143 Rn. 56; Nerlich/Römermann, InsO § 143 Rn. 28; zur Gläubigeranfechtung Kübler/Prütting/Paulus, § 11 AnfG Fn. 3; Gerhardt, Die systematische Einordnung der Gläubigeranfechtung 1969 S. 280 f; a.A. MünchKomm-InsO/Kirchhof, aaO § 143 Rn. 72; Uhlenbruck/Hirte, InsO 12. Aufl. § 143 Rn. 31; FK-InsO/Dauernheim, 4. Aufl. § 143 Rn. 15; Braun/Riggert, InsO 3. Aufl. § 143 Rn. 11). Diese Frage bedarf hier keiner Vertiefung.

Im Streitfall ist das von der Schuldnerin an den Erblasser veräußerte Wohnungseigentum weder untergegangen noch ist vorgetragen worden, es sei im Nachlass nicht mehr vorhanden gewesen oder von den Erben - den nunmehrigen Beklagten - zwischenzeitlich veräußert worden. In einem solchen Fall kann der Anfechtungsgläubiger nicht einmal vom Primäranspruch auf einen Wertersatzanspruch ausweichen (MünchKomm-InsO/Kirchhof, aaO § 143 Rn. 71; Uhlenbruck/Hirte, aaO § 143 Rn. 26; Gottwald/Huber, Insolvenzrechts-Handbuch 3. Aufl. § 52 Rn. 13; Braun/Riggert, aaO). Umso weniger kann er ein rechtsgeschäftliches Surrogat verlangen. Hier kommt hinzu, dass sich dieses nicht etwa im Vermögen des Anfechtungsgegners befindet. Es ist vielmehr bei der Schuldnerin selbst angefallen. Durch eine Anfechtung gegenüber den Beklagten erschließen sich die Kläger keine Zugriffsmöglichkeit gegen die Schuldnerin.

3. Nicht gefolgt werden kann ferner der Ansicht der Revisionserwiderung, falls die Kläger von den Beklagten die Duldung der Zwangsvollstreckung in die beiden Wohnungen verlangen könnten, entfalle deswegen nicht die Anfechtbarkeit der Verrechnungsabrede. Die Kläger können nicht sowohl in das Wohnungseigentum vollstrecken als auch den Kaufpreis einziehen. Denn dadurch würden ihre Vollstreckungsmöglichkeiten - verglichen mit dem Zustand vor der anfechtbaren Rechtshandlung - verdoppelt.

4. Ob für die Insolvenzanfechtung dann, wenn für die Gläubiger zu keinem Zeitpunkt eine Vollstreckungsmöglichkeit in die Kaufpreisforderung bestand, an der Einzelbetrachtung (die zur Folge hat, dass der Anfechtungsgegner den Kaufpreis zahlen muss, obwohl dieser nie gezahlt werden sollte) festgehalten werden kann, ist im vorliegenden Fall nicht zu entscheiden.

III.

Das Berufungsurteil ist somit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil diese zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Mit der von ihnen erhobenen Drittschuldnerklage auf Zahlung des Kaufpreises können die Kläger nicht durchdringen. Erfolg versprechend wäre unter Umständen eine auf Anfechtung des Kaufvertrages gestützte Klage auf Duldung der Zwangsvollstreckung in das von der Schuldnerin veräußerte Grundeigentum. Eine solche Klage ist nicht erhoben. Klageziel (Antrag) und Klagegrund unterscheiden sich wesentlich. Den Klägern muss nicht durch Zurückverweisung Gelegenheit gegeben werden, ihre Klage auf Duldung der Zwangsvollstreckung in das Grundeigentum umzustellen. Dies liefe auf eine Klageänderung hinaus. Zwar sind die Kläger bisher nicht darauf hingewiesen worden, dass die von ihnen erhobene Klage ungeeignet ist. Gerichtliche Hinweise, die einem neuen, wesentlich veränderten Prozessziel dienen, sind aber nach § 139 ZPO nicht geboten (vgl. BGHZ 24, 269, 278 f; BGH, Urt. v. 9. Oktober 2003 - I ZR 17/01, NJW-RR 2004, 495, 496; v. 27. September 2006 - VIII ZR 19/04, NJW 2007, 2414, 2416 Rn. 22; OLG Koblenz, Beschl. v. 10. April 2007 - 10 U 487/06 zit. nach juris; OLG Köln OLGR 2008, 181 Rn. 23; Musielak/Stadler, ZPO 6. Aufl. § 139 Rn. 13; Zöller/Greger, ZPO 26. Aufl. § 139 Rn. 15).



Ende der Entscheidung

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