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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 02.04.2009
Aktenzeichen: IX ZR 221/07
Rechtsgebiete: InsO, BGB


Vorschriften:

InsO § 96 Abs. 1
InsO § 134 Abs. 1
InsO § 143 Abs. 1
BGB § 814
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf das

am 20. Januar 2009

geschlossene schriftliche Verfahren

durch

den Vorsitzenden Richter Dr. Ganter und

die Richter Prof. Dr. Kayser, Prof. Dr. Gehrlein, Dr. Fischer und Grupp

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Weiden vom 21. November 2007 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Klägers erkannt worden ist.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 1.438,64 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 1.370,89 EUR seit dem 11. April 2006 und auf 67,75 EUR seit dem 13. Mai 2006 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Der Gegenstandswert des Revisionsverfahrens wird auf 1.438,64 EUR festgesetzt.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger ist Verwalter in dem auf Antrag vom 11. März 2005 am 1. Juli 2005 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der P. GmbH (fortan: Schuldnerin). Die Schuldnerin bot ihren Kunden die Möglichkeit an, am Erfolg oder Misserfolg von Optionsgeschäften teilzunehmen. Sie warb mit jährlich zu erzielenden Renditen zwischen 8,7 v.H. und 14,07 v.H. Die Beklagte erklärte am 1. Februar 2002 ihren Beitritt. Tatsächlich erlitt die Schuldnerin im Zeitraum der Beteiligung der Beklagten insgesamt Verluste. Um diese zu verschleiern, leitete sie den Anlegern Kontoauszüge zu, in denen frei erfundene Gewinne ausgewiesen waren. Die Gelder der Anleger wurden miteinander vermischt und nur zu einem geringen Teil, später überhaupt nicht mehr, in Termingeschäften angelegt. Die Einlagen von Neukunden verwendete die Schuldnerin in der Art eines "Schneeballsystems" für Aus- und Rückzahlungen an Altkunden. Die Beklagte leistete im Jahr 2002 eine Einlage von 10.000 EUR und ein Agio von 700 EUR. Sie erhielt am 13. April 2004 eine Auszahlung in Höhe von 12.119,01 EUR.

Mit seiner Klage verlangt der Kläger aus Insolvenzanfechtung den Differenzbetrag zwischen der an die Beklagte geleisteten Auszahlung und ihrer Einlage (2.119,01 EUR) zuzüglich vorgerichtlicher, auf die gerichtliche Verfahrensgebühr nicht anrechenbarer Rechtsanwaltskosten (135,34 EUR), jeweils zuzüglich Zinsen. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers führte zu einer Verurteilung in Höhe von 815,71 EUR. Mit seiner zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren in vollem Umfang weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision des Klägers hat Erfolg und führt zur vollständigen Verurteilung der Beklagten.

I.

Das Berufungsgericht hat gemeint, dem Kläger stehe ein Anspruch aus § 134 Abs. 1, § 143 Abs. 1 InsO zu. Da die Schuldnerin nur vorgespiegelt habe, aus Termingeschäften Gewinne erzielt zu haben, seien die Gewinne objektiv ohne Gegenleistung der Beklagten ausgezahlt worden. Etwaige tatsächlich erzielte Gewinne seien so gering gewesen, dass sie im Rahmen einer Gesamtbetrachtung nicht von Bedeutung seien. Die Beklagte sei jedoch trotz des gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO eingreifenden Aufrechnungsverbots so zu stellen, als könne sie mit einem Schadensersatzanspruch auf Rückzahlung des Agio und des entgangenen Gewinns aus einer versäumten anderweitigen Anlage des bei der Schuldnerin eingelegten Betrages aufrechnen. Dies habe der Bundesgerichtshof unter Geltung der Konkursordnung so entschieden (BGHZ 113, 98, 105 f) . Diese Rechtsprechung sei auf den vorliegenden Fall übertragbar.

II.

Dies hält rechtlicher Prüfung in einem entscheidenden Punkt nicht Stand.

1.

Noch zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, der Insolvenzverwalter könne die Auszahlung von in "Schneeballsystemen" erzielten Scheingewinnen durch den späteren Insolvenzschuldner als objektiv unentgeltliche Leistung nach § 134 Abs. 1 InsO anfechten. Dies entsprach schon der Rechtsprechung unter Geltung der Konkursordnung (BGHZ 113, 98, 101 ff ; BGH, Urt. v. 29. November 1990 - IX ZR 55/90, WM 1991, 331, 332 f), die der Senat im Anwendungsbereich der Insolvenzordnung fortgeführt hat (BGH, Urt. v. 13. März 2008 - IX ZR 117/07, ZIP 2008, 975 f Rn. 6 ff; v. 11. Dezember 2008 - IX ZR 195/07, WM 2009, 178, 179 f, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt). Die Anfechtbarkeit ausgezahlter Scheingewinne nach § 134 InsO zieht die Revisionserwiderung im Allgemeinen nicht in Zweifel. Auch die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, die von der Schuldnerin bei den anfangs noch in geringem Umfang getätigten Anlagen erzielten Gewinne seien geringfügig gewesen und durch die Verwaltungskosten aufgezehrt worden, so dass die Auszahlungen an die Anleger vollumfänglich in Form eines "Schneeballsystems" erbracht worden seien, wird von ihr nicht angegriffen.

2.

Hingegen bestehen durchgreifende Bedenken gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte sei jedenfalls so zu stellen, als könne sie mit ihrem gegen die Schuldnerin begründeten Schadensersatzanspruch gegen den aus der Anfechtung gemäß § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO folgenden Rückgewähranspruch aufrechnen. Die Vorinstanz hat sich hierbei auf eine noch unter Geltung der Konkursordnung ergangene Rechtsprechung des Senats gestützt (BGHZ 113, 98, 105 f) , die im Anwendungsbereich der Insolvenzordnung jedoch nicht fortzuführen ist (vgl. BGH, Urt. v. 11. Dezember 2008, aaO S. 179 Rn. 7). Das jüngst ergangene Senatsurteil betrifft ein Parallelverfahren zu dem vorliegenden Rechtsstreit; auf die dort niedergelegten Gründe wird verwiesen. Insbesondere wird - anders als noch im Anwendungsbereich der Konkursordnung - durch § 814 BGB ein Normwiderspruch nicht mehr hervorgerufen. Auch wenn es diese Vorschrift nicht gäbe und sich bereits vor Insolvenzeröffnung ein Bereicherungsanspruch der Schuldnerin und der Schadensersatzanspruch der Beklagten gegenübergestanden hätten, wäre eine wirksame Aufrechnung wegen § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO nicht in Betracht gekommen (vgl. BGH, Urt. v. 11. Dezember 2008, aaO S. 179 Rn. 8 ff).

Der Normzweck des § 814 BGB fordert auch aus anderen Gründen als dem durch die Insolvenzordnung beseitigten Wertungswiderspruch keine Einschränkung des aus § 143 Abs. 1 InsO folgenden Rückgewähranspruchs. Auf die Ausführungen in der Parallelsache wird auch insoweit Bezug genommen (BGH, Urt. v. 11. Dezember 2008, aaO S. 180 f Rn. 14 ff).

3.

Das Berufungsurteil erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO).

a)

Der Anspruch scheitert nicht an einem Wegfall der Bereicherung (§ 143 Abs. 2 Satz 1 InsO). Das Berufungsgericht hat die tatsächlichen Voraussetzungen einer Entreicherung verneint; die Revisionserwiderung zeigt nicht auf, dass dabei Tatsachenvortrag der Beklagten übergangen worden sei.

Zu Unrecht meint die Beklagte, sie sei nicht bereichert, weil ihr in Höhe der Klageforderung ein Schadensersatzanspruch gegen die Schuldnerin zugestanden habe. Die Auszahlung ist nicht auf einen Schadensersatzanspruch der Beklagten, sondern nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen auf die angeblich erzielten Gewinne sowie die Einlage erfolgt. Damit hat die Schuldnerin die Zahlung einem bestimmten (fiktiven) Schuldverhältnis zugeordnet. Eine andere Sicht verbietet sich insbesondere im Hinblick auf den mit den Zahlungen verfolgten Zweck, der dahin ging, die Machenschaften der Schuldnerin zu verdecken (vgl. BGH, Urt. v. 11. Dezember 2008, aaO S. 181 Rn. 19).

Soweit die Beklagte meint, sie dürfe die Einlage als Aufwand für den Erwerb des Anspruchs auf Zinsen abziehen, übersieht sie, dass die Einlage bereits bei der Berechnung der Klageforderung berücksichtigt worden ist und nicht doppelt in Abzug gebracht werden darf.

b)

Treu und Glauben (§ 242 BGB) stehen dem Rückgewähranspruch nicht entgegen. Es gibt keinen Grund, die Beklagte gegenüber anderen getäuschten Anlegern besser zu stellen (vgl. auch hierzu BGH, Urt. v. 11. Dezember 2008, aaO Rn. 21).

III.

1.

Das angefochtene Urteil kann damit nicht bestehen bleiben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Aufhebung nur wegen einer Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf den festgestellten Sachverhalt erfolgt und die Sache nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat eine ersetzende Sachentscheidung getroffen (§ 563 Abs. 3 ZPO).

2.

Der Zinsanspruch auf die Hauptforderung ist in der begehrten Höhe ab der Eröffnung des Insolvenzverfahrens berechtigt (§ 143 Abs. 1 Satz 2 InsO, § 819 Abs. 1, § 818 Abs. 4 BGB, § 291 ZPO; BGHZ 171, 38, 43 Rn. 13 ff). Da die Zinsen erst ab einem Zeitpunkt nach der Eröffnung begehrt werden, ist für den Zinsbeginn jener maßgeblich (§ 308 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Die Nebenforderung auf Ersatz der außergerichtlich angefallenen Anwaltsgebühren ist aus dem Gesichtspunkt des Verzuges begründet.

Ende der Entscheidung

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