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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 08.07.2005
Aktenzeichen: IX ZR 230/01 (1)
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 284 n.F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

IX ZR 230/01

vom 8. Juli 2005

in dem Rechtsstreit

Gründe:

I.

Der Senat schlägt nach Beratung der Sache den Parteien vor, sich wie folgt zu vergleichen:

1. Der Beklagte zahlt bis zum ... an den Kläger zur Abgeltung aller gegenseitigen Verbindlichkeiten den Betrag von 10.000,00 €.

2. Ab dem ... ist die Forderung mit 5 % zu verzinsen.

3. Von den Kosten der ersten Instanz trägt der Kläger 95 %. Von den Kosten zweiter Instanz 85 %, von den Kosten des Revisionsverfahrens und dieses Vergleichs 80 %. Die restlichen Kosten fallen dem Beklagten zur Last.

II.

Bei diesem Vorschlag läßt sich der Senat von folgenden Erwägungen leiten:

1. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, daß der Kläger die Kosten für die Anmietung einer Ersatzwohnung für Februar/März 1995 in Höhe von 5.300,00 DM unter dem Gesichtspunkt des Verzuges hätte geltend machen können, falls der Kaufvertrag wirksam gewesen wäre. Es hat jedoch gemeint, daß der Kläger auch dann im Vorprozeß insoweit hätte unterliegen müssen, weil er den Ersatzanspruch nicht substantiiert dargelegt habe. Dabei dürfte das Berufungsgericht die Anforderungen an einen schlüssigen Vortrag überspannt haben.

2. Bei der vollständigen Abweisung des Anspruchs auf Ersatz der Kosten für die Einrichtung der Wohnung, die der Kläger auf 26.446,93 DM beziffert hat, könnte es möglicherweise ebenfalls nicht bleiben.

Die Frage, ob "frustrierte" Aufwendungen für Einrichtungsgegenstände, die für die gekaufte Wohnung passend angeschafft wurden und von dem Kläger nach seinem Auszug nicht mehr verwendet werden können, ohne den Notarfehler im Verhältnis zu dem Bauträger erstattungsfähig gewesen wären, ist mit den bisher in Rechtsprechung und Literatur entwickelten Maßstäben kaum zu lösen (vgl. BGHZ 143, 41, 48; Staudinger/Otto, BGB Bearbeitung 2001 § 325 a.F. Rn. 87 und Neubearbeitung 2004 § 284 Rn. 3; MünchKomm-BGB/Ernst, 4. Aufl. § 284 Rn. 4). Die erst seit 1. Januar 2002 geltende Vorschrift des § 284 BGB n.F. ist im vorliegenden Fall noch nicht anwendbar. Wegen der ungeklärten rechtlichen Grundsatzfrage, die möglicherweise Anlaß für eine - freilich auslaufendes Recht betreffende - Rechtsfortbildung gibt, besteht insofern für beide Parteien ein erhebliches rechtliches Risiko.

Im übrigen gibt es auch tatsächliche Schwierigkeiten. Diese fußen zunächst einmal darin, daß der Kläger keinesfalls Zug um Zug gegen Überlassung der Einrichtungsgegenstände deren Anschaffungspreis von dem Beklagten verlangen kann. Damit würde er das Risiko, in welchem Zustand sich die Gegenstände jetzt befinden und welchen Erlös ihre Verwertung ergibt, dem Beklagten zuschieben. Selbst wenn die Gegenstände noch neu wären, also niemals in der streitgegenständlichen Wohnung genutzt worden wären, könnte der Kläger - die Erstattungsfähigkeit "frustrierter" Aufwendungen unterstellt - seinen Schaden nur in der Weise berechnen, daß er die nunmehr für ihn nutzlosen Gegenstände verwertet. Die Differenz zwischen dem Anschaffungspreis und dem Verwertungserlös bildete dann die Obergrenze seines Schadens. Im vorliegenden Fall kommt zweierlei hinzu: Der Kläger hat diese Gegenstände ca. 42 Monate lang im Gebrauch gehabt, also ihren Wert zu einem noch zu ermittelnden Teil "abgewohnt". Außerdem hat er nach seinem Auszug die Gegenstände nicht sogleich verwertet, sondern angeblich in einem Keller aufbewahrt. Ein dadurch etwa zusätzlich entstandener Wertverlust könnte schwerlich dem Beklagten überbürdet werden. Diese Fragen könnten ohne Sachverständigengutachten kaum beantwortet werden.

3. Soweit das Berufungsgericht eine Saldierung der dem Kläger zugesprochenen 53.872,03 DM mit aus dem unwirksamen Vertrag zugeflossenen Vorteilen - insbesondere Nutzungsvorteilen - für möglich gehalten hat, dürfte dies zwar im Grundsatz nicht zu beanstanden sein. Prozessuale Gründe dürften der Vorteilsausgleichung nicht entgegenstehen. Insbesondere ist die Streitverkündung im Vorprozeß wohl kaum ein Grund, eine Saldierung im vorliegenden Regreßprozeß zu unterlassen. Denn im Vorprozeß hat das Oberlandesgericht den aufgerechneten Anspruch nicht verneint, sondern die Aufrechnung lediglich für unzulässig - weil treuwidrig - erklärt. Wird die Aufrechnung materiell-rechtlich für unzulässig angesehen, ist über die Gegenforderung nicht rechtskräftig entschieden (BGH, Urt. v. 30. März 1994 - VIII ZR 132/92, NJW 1994, 2769, 2770; v. 5. Dezember 1996 -IX ZR 67/96, NJW 1997, 743; Beschl. v. 31. Juli 2001 - XI ZR 217/01, NJW 2001, 3616).

Der Ansicht des Berufungsgerichts, der Zinsschaden werde der Höhe nach von den Nutzungsvorteilen vollständig aufgewogen, kann jedoch mit der gegebenen Begründung schwerlich gefolgt werden. Seine Erwägung, der Nutzungswert einer Wohnung entspreche dem Betrag, den der Nutzer "gerade zum Zwecke des Gebrauchs der Sache" eingesetzt habe, und im vorliegenden Fall habe der Kläger eben die Finanzierungszinsen (und das Wohngeld) eingesetzt (BU 37), ist nicht tragfähig.

Folglich müßten die genannten Vorteile und die Nachteile nach einer Zurückverweisung ins Verhältnis gesetzt werden. Dazu müßte der Tatrichter die Nutzungsvorteile neu bewerten. Auch dazu würde er wohl sachverständige Hilfe benötigen.

Ob die Neubewertung im Endergebnis wesentlich von dem Berufungsurteil abweichen wird, erscheint fraglich.

4. Der zeitliche und finanzielle Aufwand bei einer Fortführung des Prozesses lohnt schwerlich den erwartbaren Ertrag.

Der Senat setzt zu Vergleichszwecken folgende Beträge ein:

aus 1 (Anmietung der Ersatzwohnung): 5.300 DM = 2.709,85 € aus 2 ("frustrierte" Aufwendungen): 50 % = 6.700,00 € aus 3 (Saldierung): 600,00 € gerundet 10.000,00 €

III.

Die Parteien erhalten Gelegenheit, sich bis zum 31. Juli 2005 zu diesem Vorschlag zu äußern.

Ende der Entscheidung

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