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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 23.09.2004
Aktenzeichen: IX ZR 25/03
Rechtsgebiete: InsO


Vorschriften:

InsO § 166
InsO § 170
InsO § 171
InsO §§ 129 ff
Hat der in der Insolvenz absonderungsberechtigte Gläubiger vor Insolvenzeröffnung sicherungsübereignete Gegenstände in Besitz genommen und verwertet, kann die Inbesitznahme nicht mit der Begründung angefochten werden, der Masse sei die Feststellungskostenpauschale entgangen (Fortführung von BGH, Urt. v. 20. November 2003 - IX ZR 259/02, ZIP 2004, 42 ff).
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

IX ZR 25/03

Verkündet am: 23. September 2004

in dem Insolvenzverfahren

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 23. September 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Fischer, die Richter Raebel, Neskovic, Vill und die Richterin Lohmann

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision gegen das Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 28. Januar 2003 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger ist Verwalter in dem am 26. März 2001 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der A. S. GmbH (nachfolgend: Schuldnerin).

Die Schuldnerin hatte der Beklagten mehrere PKW's zur Sicherheit übereignet. Nach Ziffer 10 des mit der Schuldnerin geschlossenen Rahmenvertrages vom 16. Februar/24. Mai 1995 war die Beklagte befugt, die Herausgabe des Sicherungsgutes zu verlangen, wenn Umstände vorlagen, die sie zur fristlosen Darlehenskündigung berechtigten. Mit Schreiben vom 31. Dezember 2000 teilte die Schuldnerin der Beklagten mit, daß sie zahlungsunfähig sei, und bat um Abholung der sicherungsübereigneten Fahrzeuge. Am 2. Januar 2001 beantragte sie die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Die Beklagte kündigte mit Schreiben vom 3. Januar 2001 die Finanzierungsverträge und verwertete am 22. Januar und 5. Februar 2001 die PKW's.

Mit Schreiben vom 9. April 2001 hat der Kläger die Inbesitznahme der Fahrzeuge mit der Begründung angefochten, daß er diese nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß § 166 InsO hätte verwerten und zumindest gemäß § 171 Abs. 1 InsO einen Kostenbeitrag in Höhe von 4 % des Bruttoerlöses hätte erzielen können. Er hat daher von der Beklagten auf der Grundlage des angegebenen Bruttoerlöses in Höhe von 149.600 DM die Zahlung von 3.059,57 € nebst Zinsen verlangt.

Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist nicht begründet.

I.

Das Berufungsgericht hat die Klagabweisung auf folgende Erwägungen gestützt:

Eine Anfechtung unter dem Gesichtspunkt der inkongruenten Deckung nach § 131 Abs. 1 InsO scheide aus, weil die Schuldnerin mit der Besitzübertragung auf die Beklagte nur den fälligen Herausgabeanspruch nach Ziffer 10 des Rahmenvertrages vom 16. Februar/24. Mai 1995 erfüllt habe. Der Anfechtungstatbestand der kongruenten Deckung nach § 130 Abs. 1 InsO liege ebenfalls nicht vor, weil die Beklagte in ihrer besonderen Rechtsstellung als Inhaberin eines auf Sicherungseigentum gestützten Herausgabeanspruches nicht Insolvenzgläubigerin sei. Trotz Kenntnis der Beklagten von der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit habe der Kläger auch kein Anfechtungsrecht nach § 132 Abs. 2 InsO i.V.m. § 132 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Allein daraus, daß die Herausgabe des Sicherungsgutes an die Beklagte die Entstehung des Verwertungsrechts des Klägers und damit die Belastung der Beklagten mit Feststellungs- und eventuell auch Verwertungskosten nach den §§ 170, 171 InsO verhindert habe, ergebe sich keine mit dieser Rechtshandlung verbundene unmittelbare Benachteiligung der Insolvenzgläubiger im Sinne des § 132 InsO. Für eine Anfechtung nach § 133 InsO habe der Kläger nicht einmal ansatzweise vorgetragen.

II.

Die gegen diese Erwägungen erhobenen Revisionsrügen greifen nicht durch; dem Berufungsgericht ist jedenfalls im Ergebnis zuzustimmen.

Dem Kläger steht wegen der vor Insolvenzeröffnung verwerteten Fahrzeuge kein aus Insolvenzanfechtung herrührender Schadensersatzanspruch gemäß § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO i.V.m. § 819 Abs. 1, § 818 Abs. 4, § 292 Abs. 1, § 989 BGB zu.

1. Der Senat hat in seinem Urteil vom 20. November 2003 - IX ZR 259/02, ZIP 2004, 42 ff entschieden, daß die nach Aufdeckung der Abtretung vor Insolvenzeröffnung durch den absonderungsberechtigten Gläubiger vorgenommene Einziehung einer Forderung nicht mit der Begründung angefochten werden kann, der Masse sei die Verwertungspauschale entgangen. Zur Begründung hat der Senat darauf verwiesen, daß es keine insolvenzrechtliche - insbesondere keine anfechtungsrechtliche - Norm gibt, die den Sicherungsnehmer bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens an der Ausübung seiner Rechte hindert. Deshalb sind insoweit Ansprüche der Masse auf eine Feststellungs- oder Verwertungspauschale zu verneinen (vgl. BGHZ 154, 72). Diese Ausgestaltung der Rechte des Sicherungsnehmers in der Insolvenz des Sicherungsgebers schließt es aus, vor der Eröffnung des Verfahrens Forderungseinziehungen, die auch aus insolvenzrechtlicher Betrachtung rechtmäßig vorgenommen worden sind, mit Blick auf die nur für die Verwertung nach Verfahrenseröffnung geltenden Regeln der §§ 170, 171 InsO den Anfechtungsregeln der §§ 129 ff InsO zu unterwerfen.

Darüber hinaus hat der Senat die Anwendung der Anfechtungsregeln auch deshalb abgelehnt, weil der Umstand, daß der Masse durch die Entziehung der Forderungen im Eröffnungsverfahren der Anspruch auf die Verwertungspauschale entgeht, keine Gläubigerbenachteiligung im Sinne des § 129 InsO darstellt. Dies folgt aus dem - in einer früheren Entscheidung (vgl. BGH, Urt. v. 9. Oktober 2003 - IX ZR 28/03, ZIP 2003, 2370, 2372) - bereits im einzelnen dargestellten Kostenerstattungsprinzip.

2. Diese Überlegungen gelten auch für den Streitfall, wenn - wie vom Berufungsgericht zutreffend angenommen - der Gläubiger vom Schuldner die Herausgabe der sicherungsübereigneten Fahrzeuge zum Zwecke der Verwertung verlangen kann und diese vor Insolvenzeröffnung verwertet, obwohl hier Gegenstand des Absonderungsrechts keine Forderung ist und es um die Feststellungs- und nicht um die Verwertungspauschale geht. Gründe für eine abweichende Beurteilung sind indes nicht ersichtlich. Die Erwägungen des Senats in seiner Entscheidung vom 20. November 2003 finden ihren Ausgangspunkt nicht in den Unterschieden zwischen Verwertungs- und Feststellungspauschale oder zwischen Absonderungsrechten an Forderungen und beweglichen Gegenständen, sondern in dem Verwertungszeitpunkt der vom Absonderungsrecht betroffenen Gegenstände und dem Fehlen einer Gläubigerbenachteiligung im Sinne des § 129 InsO. Hierfür ist die Art der Pauschale bzw. der Gegenstand des Absonderungsrechts ohne Bedeutung.

Ende der Entscheidung

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