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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 16.12.2004
Aktenzeichen: IX ZR 36/04
Rechtsgebiete: BEG, ZPO


Vorschriften:

BEG § 29 Nr. 6
BEG § 41
BEG § 189 Abs. 1
BEG § 189 Abs. 3
BEG § 209 Abs. 3 Satz 2
ZPO § 234
ZPO § 236 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

IX ZR 36/04

Verkündet am: 16. Dezember 2004

in dem Rechtsstreit

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat ohne mündliche Verhandlung gemäß § 209 Abs. 3 Satz 2 BEG durch den Vorsitzenden Richter Dr. Fischer, die Richter Raebel, Vill, Cierniak und die Richterin Lohmann

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 5. Zivilsenats - Entschädigungssenat - des Oberlandesgerichts Koblenz vom 23. Oktober 2003 wird zurückgewiesen.

Die außergerichtlichen Kosten der Revision hat die Klägerin zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die in Israel lebende Klägerin beansprucht Hinterbliebenenrente als Witwe eines rentenberechtigten Verfolgten, der am 16. Dezember 2000 verstarb. Die Entschädigungsbehörde machte mit Schreiben vom 5. April 2001 die Hinterbliebenen des Verfolgten darauf aufmerksam, daß ihnen im Hinblick auf den Todesfall möglicherweise eigene Rentenansprüche zustehen könnten. Ein Antrag der Klägerin auf Witwenrente ging am 17. September 2001 bei der Entschädigungsbehörde ein. Diese lehnte den Antrag mit Bescheid vom 26. Februar 2002 ab, weil die Klägerin Wiedereinsetzung in die abgelaufene Antragsfrist nicht innerhalb einer angemessenen Frist von sechs Monaten beantragt habe.

Gegen den am 7. März 2002 zugegangenen Bescheid erhob die Antragstellerin Klage, die dem in Anspruch genommenen Land am 25. Juli 2002 zugestellt wurde. Land- und Oberlandesgericht haben sich der Rechtsauffassung der Entschädigungsbehörde angeschlossen. Hiergegen wendet sich die zugelassene Revision der Klägerin.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist unbegründet.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unterliegen Ansprüche gemäß § 29 Nr. 6, § 41 BEG trotz Art. VIII Abs. 1 Satz 2 BEG-SchlußG der Anmeldefrist des § 189 Abs. 1 BEG. Folglich bedürfen Hinterbliebene mit ihren rechtlich selbständigen Ansprüchen von vornherein einer Wiedereinsetzung in die abgelaufene Anmeldefrist, wenn der auf die Verfolgung zurückgeführte Tod des Angehörigen nach dem 1. April 1958 eingetreten ist. Aus Art. VIII Abs. 1 Satz 2 BEG-SchlußG geht hervor, daß die auch für Wiedereinsetzungsgesuche geltende Ausschlußfrist bis zum 31. Dezember 1969 (vgl. BGH, Urt. v. 7. Mai 1981 - IX ZR 43/79, RzW 1981, 93) in den Fällen der Heilfürsorge und Hinterbliebenenversorgung nicht eingreift (vgl. BGH, Urt. v. 4. Juni 1970 - IX ZR 260/67, RzW 1970, 409; v. 20. April 1978 - IX ZR 42/73, RzW 1978, 173; Beschl. v. 3. Juni 1980 - IX ZB 54/78, n.v.).

2. Das Berufungsgericht hat angenommen, daß die Klägerin Wiedereinsetzung in die abgelaufene Anmeldefrist nicht rechtzeitig beantragt habe. Das ist rechtlich nicht zu beanstanden und hat zur Folge, daß der verspätet angemeldete Anspruch auf Witwenrente erlischt.

a) Eine besondere Antrags- und Nachholungsfrist entsprechend den §§ 234, 236 Abs. 2 ZPO kennen die hier anwendbaren Vorschriften des § 189 Abs. 3 BEG nicht. Wiedereinsetzung stand der Klägerin daher zu, wenn sie den Anspruch auf Witwenrente innerhalb einer angemessenen Frist nach Kenntnis von dem Tod ihres Ehemannes erhob (vgl. BGH RzW 1970, 409). Das Gesetz erwartet damit, daß ein Hinterbliebener seinen Rentenantrag stellt, sobald ihm das nach Eintritt des anspruchsbegründenden Ereignisses im Zuge einer normalen Geschäftsabwicklung, welche die Ordnung des Nachlasses und der eigenen Verhältnisse in den veränderten Lebensumständen einschließt, möglich ist. Eine grundlose Hinausschiebung des Hinterbliebenenantrags um Monate rechtfertigt es, daß die Entschädigungsbehörde die notwendige Wiedereinsetzung in die abgelaufene Anmeldefrist ablehnt. Läßt ein Hinterbliebener bis zur Anmeldung seiner Hinterbliebenenansprüche längere Zeit verstreichen, so muß er genau erläutern, warum der Antrag so spät eingereicht wird. Dazu gehört die Darstellung des Hindernisses, das einer früheren Einreichung des Gesuchs entgegenstand, sowie des Vorgangs, der dieses Hindernis beseitigt hat (vgl. BGH, Urt. v. 1. April 1971 - IX ZR 104/68, RzW 1971, 510, 511; v. 5. Juni 1975 - IX ZR 193/72, RzW 1975, 274, 275). Solche Anforderungen an den Inhalt eines Wiedereinsetzungsgesuches sind nach § 189 Abs. 3 BEG im Hinblick auf den Wiedergutmachungszweck auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BVerfG NJW 1984, 2148, 2149).

b) Die Würdigung des Sachverhaltes durch das Berufungsgericht (siehe Berufungsurteil S. 5 und 6 unter II. 2. b) entspricht den obigen, zutreffend herangezogenen Rechtsgrundsätzen und läßt Subsumtionsfehler nicht erkennen. Das greift auch die Revision nicht an. Sie wendet sich lediglich gegen die Richtigkeit der vorstehend behandelten Wiedereinsetzungsgrundsätze bei Hinterbliebenenanträgen. Hierbei hätte im Ergebnis auch schon berücksichtigt werden müssen, in welchem Maße das Hinweisschreiben der Entschädigungsbehörde vom 5. April 2001 nebst Merkblatt, zu dessen Inhalt in den Tatsacheninstanzen allerdings keine Feststellungen getroffen worden sind, der Rechtsverfolgung den Boden entzog.

Ende der Entscheidung

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