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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 19.05.2009
Aktenzeichen: IX ZR 37/06
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, AnfG


Vorschriften:

BGB § 400
ZPO § 850c Abs. 4
ZPO § 850e
AnfG § 3 Abs. 1
AnfG § 8 Abs. 1
a) Die vollstreckungsrechtliche Vorschrift über die Zusammenrechnung von Arbeitseinkommen und Ansprüchen auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch ist bei der Bestimmung des pfändbaren Betrages im Rahmen der Abtretung derartiger Forderungen entsprechend anzuwenden.

b) Ob die Parteien der Abtretungsvereinbarung die Zusammenrechnung von Arbeitseinkommen und Ansprüchen auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch gewollt haben, ob diese der Billigkeit entspricht und ob ein Unterhaltsberechtigter, der selbst über eigene Einkünfte verfügt, bei der Bestimmung des pfändbaren Einkommens im Rahmen einer Abtretung zu berücksichtigen ist, hat das Prozessgericht zu prüfen.

c) Anfechtungsrechtlich gilt die Abtretung von laufenden Rentenbezügen durch einen Rentenberechtigten, der das Rentenalter bereits erreicht hat, mit dem Wirksamwerden der Abtretung als vorgenommen, auf die späteren einzelnen Bezugszeitpunkte kommt es für die Anfechtbarkeit nicht mehr an.


Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat

auf die mündliche Verhandlung vom 23. April 2009

durch

den Vorsitzenden Richter Dr. Ganter,

die Richter Raebel, Vill, Dr. Fischer und Dr. Pape

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 19. Januar 2006 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin, ein Inkassounternehmen, verfügt über rechtskräftig titulierte Ansprüche in Höhe von 31.570,28 EUR gegen den Schuldner H. (nachfolgend Schuldner). Mit Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 25. Oktober 2004 hat sie angebliche Ansprüche des Schuldners aus ungerechtfertigter Bereicherung gegen die Beklagte als Drittschuldnerin pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen. Hieraus nimmt sie die Beklagte auf Zahlung von 30.000 EUR in Anspruch.

Die Beklagte hatte am 4. Juli 1993 eine Abtretungsvereinbarung mit dem Schuldner getroffen, in der dieser ihr einen erstrangigen Teilbetrag von 1.000 DM aus seiner Rente, die er von der Hilfskasse (nachfolgend Hilfskasse) bezog, abtrat. Aufgrund dieser Abtretung hat die Hilfskasse seither entsprechende Beträge an die Drittschuldnerin abgeführt. Die Klägerin ist der Auffassung, die Abtretungsvereinbarung sei unwirksam. Dies folge insbesonders aus der fehlenden Zusammenrechnung der Alterseinkünfte des Schuldners und der Nichtberücksichtigung seiner Ehefrau als Unterhaltsberechtigte ohne entsprechende Beschlüsse nach § 850e Nr. 2a und § 850c Abs. 4 ZPO. Wären die Alterseinkünfte nicht zusammengerechnet worden und hätte die Hilfskasse die bestehende Unterhaltspflicht des Schuldners gegenüber seiner Ehefrau berücksichtigt, hätte sich kein pfändbarer Betrag in Höhe von monatlich 1.000 DM ergeben.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, die Berufung hatte keinen Erfolg. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Anspruch weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Die Beklagte war im Termin zur mündlichen Verhandlung trotz dessen ordnungsgemäßer Bekanntgabe nicht erschienen. Es ist durch Versäumnisurteil zu erkennen. Das Urteil beruht aber nicht auf der Säumnis, sondern auf einer Sachprüfung (BGHZ 37, 79, 82) .

I.

Das Berufungsgericht meint, der von der Klägerin gepfändete Bereicherungsanspruch des Schuldners gegen die Beklagte auf Rückerstattung der seit dem 1. August 1993 geleisteten Zahlungen der Hilfskasse bestehe nicht, weil die Zahlungen mit Rechtsgrund erbracht worden seien. Die Abtretungsvereinbarung vom 4. Juli 1993 sei wirksam. Es sei davon auszugehen, dass der Schuldner in die Zusammenrechnung seiner Rentenbezüge und die Nichtberücksichtigung seiner Ehefrau als potentiell Unterhaltsberechtigter eingewilligt habe. Diese sei mit der Abtretungsvereinbarung einverstanden gewesen. Soweit die Klägerin ihren Anspruch auch auf eine Anfechtung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 AnfG gestützt habe, sei dies verfristet, weil die Anfechtung nicht innerhalb von zehn Jahren nach Annahme der Abtretung erfolgt sei.

II.

Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand.

1.

Nach bisherigem Sach- und Streitstand kann nicht abschließend beurteilt werden, ob die Klägerin den streitigen Betrag aufgrund der Pfändung und Überweisung des angeblichen Anspruchs des Schuldners aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 BGB) von der Beklagten herausverlangen kann.

a)

Die Abtretung einer Forderung oder eines Forderungsteils ist nach §§ 134, 400 BGB unwirksam, wenn der betreffende Betrag nicht abgetreten werden konnte, weil er nicht der Pfändung unterworfen war (BGH, Urt. v. 13. Mai 1997 - IX ZR 246/96, WM 1997, 1243, 1244). Ob Arbeitseinkommen des Schuldners, zu denen nach § 850 Abs. 2 ZPO auch Ruhegelder zählen, pfändbar sind, richtet sich gemäß § 850 Abs. 1 ZPO nach den §§ 850a bis 850i ZPO. Sind Forderungen in bestimmter Höhe unpfändbar, wie dies bei Arbeitseinkommen nach § 850c ZPO der Fall ist, ist der pfändbare Teil des Einkommens auch abtretbar, im Übrigen nicht (BAG NJW 2001, 1443; H.F. Müller in Prütting/Wegen/Weinreich, BGB 3. Aufl. § 400 Rn. 4; Staudinger/Busche, BGB Neubearb. 2005 § 400 Rn. 9).

b)

Hier waren die Altersbezüge des Schuldners im Umfang der Abtretung nur pfändbar, wenn sie zusammengerechnet werden konnten und seine Ehefrau, die als Apothekerin über eigene Einkünfte verfügte, unberücksichtigt bleiben konnte. Entscheidend ist deshalb zum einen, ob es im Rahmen der Abtretungsvereinbarung zulässig war, die verschiedenen Renteneinkünfte des Schuldners zusammenzurechnen, was sich nach dem zumindest entsprechend anwendbaren § 850e Nr. 2a ZPO beurteilt (vgl. Zöller/Stöber, ZPO 27. Aufl. § 850e Rn. 224; Hk-ZPO/Kemper, 2. Aufl. § 850e Rn. 14). Zum andern kommt es darauf an, ob vereinbart werden konnte, die unterhaltsberechtigte Ehefrau nicht zu berücksichtigen (§ 850c Abs. 4 ZPO).

aa)

Das Berufungsgericht hat die Abtretungsvereinbarung - revisionsrechtlich fehlerfrei - dahin ausgelegt, dass sowohl die Zusammenrechnung als auch die Nichtberücksichtigung der unterhaltsberechtigten Ehefrau dem Willen der Vertragsschließenden entsprochen hat.

bb)

Zu einer derartigen Auslegung war das Berufungsgericht auch befugt.

(1)

Für die Heraufsetzung der Pfändungsfreigrenzen nach § 850f Abs. 1 ZPO, die zu einer entsprechenden Erhöhung des unpfändbaren Betrages im Rahmen der Abtretung führt, entspricht es der überwiegend vertretenen Auffassung, dass eine solche Erhöhung auch im Verhältnis zwischen Zedent und Zessionar erfolgen kann, wenn sich der Schuldner auf einen entsprechenden Erhöhungstatbestand beruft. Über die Heraufsetzung des unpfändbaren Betrages soll dann nicht das nach § 850f ZPO im Rahmen der Zwangsvollstreckung zuständige Vollstreckungsgericht, sondern das Prozessgericht entscheiden (BGH, Beschl. v. 28. Mai 2003 - IXa ZB 51/03, NJW-RR 2003, 1367; OLG Köln NJW-RR 1998, 1689 ; H.F. Müller aaO Rn. 5; MünchKomm-BGB/Roth, 4. Aufl. § 400 Rn. 7; Staudinger/Busche, aaO § 400 Rn. 5; Zöller/Stöber, aaO § 850f Rn. 20; offen gelassen hinsichtlich der Zulässigkeit der entsprechenden Anwendung des § 850f Abs. 1 ZPO auf Lohnabtretungen von BAGE 67, 193; Kessal-Wulf in Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 4. Aufl. § 850f Rn. 1, 2).

(2)

Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 31. Oktober 2003 (IXa ZB 194/03, WM 2003, 2483, 2484) findet auf die Abtretung von Forderungen, die unter die §§ 850 ff ZPO fallen, auch § 850e Nr. 2 ZPO entsprechende Anwendung. Zuständig sei auch insofern das Prozessgericht, das bei Meinungsverschiedenheiten über die Frage, ob und in welchem Umfang eine Zusammenrechnung mehrerer Arbeitseinkommen im Falle ihrer Abtretung an denselben Gläubiger gewollt sei, zu entscheiden habe. Die Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts komme demgegenüber nicht in Frage, weil dieses nicht darüber zu befinden habe, zu wessen Lasten im Fall mehrerer Abtretungen an unterschiedliche Gläubiger der pfändungsfreie Betrag gehe (anders Grunsky, ZIP 1983, 908, 910). Entsprechend anwendbar sei die Vorschrift über die Zusammenrechnung von Arbeitseinkommen, weil diese Regelung - anders als der gesetzliche Pfändungsschutz - abdingbar sei und damit der Vertragsfreiheit der Parteien unterliege. Ob eine Zusammenrechnung von den Parteien gewollt sei, könne durch Auslegung der Vereinbarungen ermittelt werden, die der Abtretung zugrunde liegen (BGH aaO; Kessal-Wulf, aaO § 850e Rn. 1).

(3)

Auch im Fall des § 850e Nr. 2a ZPO obliegt es den Prozessgerichten, im Wege der Auslegung der Abtretungserklärung zu entscheiden, ob eine Zusammenrechnung verschiedener Leistungsbezüge zugunsten des Zessionars gewollt ist. Zwar ist die Frage einer entsprechenden Anwendung des § 850e ZPO auf die Abtretung von Forderungen, die unter die §§ 850 ff ZPO fallen, auch weiterhin umstritten (dafür etwa BSGE 61, 274, 277 f = MDR 1987, 1053; AG Leck, MDR 1968, 57; Grunsky ZIP 1983, 908, 909 f; Hintzen WuB VI E. § 850e ZPO 1.97; Jungmann WuB VI E. § 850e ZPO 1.04; Eckardt, Anwaltkommentar BGB § 400 Rn. 9; [...] PK-BGB/Knerr, 3. Aufl. 2006 § 400 Rn. 10; Kimme in LPK-SGB I 2. Aufl. § 53 Rn. 15; Palandt/Grüneberg, BGB 68. Aufl. § 400 Rn. 4; Seewald in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, § 53 SGB I Rn. 26 f; Zöller/Stöber, aaO; wohl auch Denck, MDR 1979, 450, 452; dagegen LG Flensburg MDR 1968, 58 Anmerkung der Schriftleitung zu AG Leck; Wolff EWiR 1998, 287; Mrozynski, SGB I 3. Aufl. § 53 Rn. 38; ders. SGb 1989, 374, 382; wohl auch Stöber, Forderungspfändung, 14. Aufl. Rn. 1149, 1159; zur früheren Rechtslage vgl. die umfassenden Hinweise in BGH, Urt. v. 13. Mai 1997 - IX ZR 246/96, NJW 1997, 2823, 2824). Auch für § 850f Nr. 2a ZPO gilt jedoch, dass die Vorschrift nicht dem Schuldnerschutz dient und deshalb bei einer Abtretung abdingbar ist (vgl. BGH, Beschl. v. 31. Oktober 2003 aaO). Ist die Abtretungsvereinbarung der Parteien dahin auszulegen, dass die Einkünfte des Schuldners zusammengerechnet werden sollten, besteht keine Veranlassung, den Abtretungsgläubiger gegenüber dem Pfändungsgläubiger zu benachteiligen und nur diesem die Möglichkeit zu geben, eine Zusammenrechnung der Bezüge des Schuldners herbeizuführen.

(4)

Entsprechendes gilt für die Anwendung des § 850c Abs. 4 ZPO. Diese Vorschrift dient ebenfalls nicht dem Schuldnerschutz. Sie soll vielmehr dem Gläubiger die Möglichkeit eröffnen, die Pfändbarkeit des Einkommens des Schuldners zu erweitern, wenn ein Unterhaltsberechtigter über eigene Einkünfte verfügt. Entsprechend der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (SGb 1994, 80, 82 mit insoweit zustimmender Anmerkung Ebsen SGb 1994, 82, 84) ist auch diese Regelung auf die Forderungsabtretung analog anzuwenden. Hier kommt eine Entscheidung über Anträge nach § 850c Abs. 4 ZPO durch das Vollstreckungsgericht im Fall der Abtretung - mangels Vorliegens eines Vollstreckungsverfahrens - wiederum nicht in Betracht. Die Vereinbarung der Parteien ist vielmehr auszulegen. Soweit das Bundessozialgericht (aaO) entschieden hat, die Auslegung, ob eine unterhaltsberechtigte Person zu berücksichtigen sei, obliege den Sozialgerichten, macht dies die durch das Berufungsgericht vorgenommene Auslegung nicht unbeachtlich. Dieses hat sich voll umfänglich der zuvor vom Landessozialgericht vorgenommenen Auslegung angeschlossen, das seinerseits - in dem Parallelverfahren der Klägerin gegen die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte - die streitgegenständliche Abtretungserklärung im Lichte des § 850c Abs. 4 ZPO geprüft hatte und zu dem Ergebnis gekommen war, die Berücksichtigung der Ehefrau als unterhaltsberechtigte Person sei von den Beteiligten nicht gewollt gewesen.

cc)

Das Berufungsgericht hat jedoch nicht beachtet, dass im vorliegenden Fall noch § 850e Nr. 2a ZPO in der vor Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Sozialgesetzbuchs vom 13. Juni 1994 (BGBl. I 1229, 1251) geltenden Fassung anzuwenden ist. Nach dieser Regelung, mit welcher der Gesetzgeber sozialpolitische Zwecke verfolgte, war eine Billigkeitsprüfung des Vollstreckungsgerichts bei der Zusammenrechnung vorgesehen. Ansprüche auf laufende Geldleistungen nach dem Sozialgesetzbuch konnten - auf Antrag - mit Ansprüchen auf Arbeitslohn zusammengerechnet werden, soweit dies nach den Umständen des Falles, insbesondere nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Leistungsberechtigten, der Art des beizutreibenden Anspruches sowie der Höhe und der Zweckbestimmung der Geldleistung der Billigkeit entsprach. Eine dahingehende Prüfung war auch dann nicht entbehrlich, wenn sich die Parteien des Abtretungsvertrages über die Zusammenrechnung einig waren (BGH, Urt. v. 13. Mai 1997 aaO; Kamprad SozVers 1987, 291, 292 f). Diese Regelung ist erst durch die am 18. Juni 1998 - also nach den hier zu beurteilenden Vorgängen - in Kraft getretene Neufassung entfallen.

(1)

Allerdings kann nunmehr auch das Prozessgericht - im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Pfändungsgläubiger und dem Zessionar, der sich auf eine vorrangige Abtretung beruft - die Billigkeitsprüfung vornehmen. Der Senat hält an seiner früheren Rechtsprechung zu § 850e Nr. 2a ZPO a.F. insoweit nicht fest, als er dort diese Prüfung dem Vollstreckungsgericht, den Sozialleistungsträgern oder dem Sozialgericht vorbehalten hat. Da der Zedent und der Zessionar bei Abschluss des Abtretungsvertrages eine Entscheidung des Vollstreckungsgerichts, des Sozialversicherungsträgers oder des Sozialgerichts über die Zulässigkeit der Zusammenrechnung nicht herbeiführen können, weil es sowohl an einem Zwangsvollstreckungsverfahren als auch einem sozialrechtlichen Verfahren fehlt, kann die erforderliche Klärung nur durch das Prozessgericht erfolgen, das über die Wirksamkeit der Abtretung zu entscheiden hat. Andernfalls käme man zu einem Verbot der Zusammenrechnung im Falle der Abtretung, weil es keine Stelle gäbe, welche die Prüfung der Billigkeit der Zusammenrechnung vornehmen könnte. Es wäre indes sowohl systematisch als auch nach Sinn und Zweck der Regelung nicht zu rechtfertigen, wenn im Fall des § 850e Nr. 2 eine Zusammenrechnung auch im Fall der Abtretung erfolgen könnte, bei Einkünften im Sinne des § 850e Nr. 2a aber nicht.

(2)

Im vorliegenden Fall ist die Billigkeitsprüfung bisher unterblieben. Deshalb kann das Berufungsurteil nicht bestehen bleiben.

2.

Die von der Klägerin erklärte Anfechtung der Abtretungsvereinbarung gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 AnfG n.F., der hier nach der Übergangsvorschrift des § 20 Abs. 1 AnfG anzuwenden ist, greift nicht durch. Der Anspruch aus § 11 Abs. 1 AnfG besteht nicht, weil die Anfechtung nicht innerhalb der 10-Jahresfrist des § 3 Abs. 1 Satz 1 AnfG erklärt worden ist. Die anfechtbare Rechtshandlung ist bereits in dem Zeitpunkt vorgenommen worden, als die Abtretung wirksam wurde. Dies war der Fall, als der Anfechtungsgegner die Abtretungserklärung annahm (§ 398 Satz 2 BGB), also spätestens mit der erstmaligen Geltendmachung der Abtretung gegenüber der Hilfskasse. Wird der pfändbare Teil von Rentenbezügen eines Schuldners, der das Rentenalter bereits erreicht hat, für die Zukunft an einen Gläubiger abgetreten, so ist für den Zeitpunkt der Anfechtung das Wirksamwerden der Abtretungserklärung maßgeblich. Auf die späteren Zeitpunkte der Abführung der jeweiligen Monatsbeträge kommt es dagegen nicht an.

a)

Eine Rechtshandlung gilt in dem Zeitpunkt als vorgenommen, in dem ihre rechtlichen Wirkungen eingetreten sind (§ 8 Abs. 1 AnfG). Dies bedeutet für die Vorausabtretung von künftigen Forderungen, dass es auf die Entstehung der Forderung ankommt (BGHZ 30, 238, 240 ; BGHZ 64, 312, 313 ; BGHZ 170, 196, 200 f Rn. 12; BGHZ 174, 297, 300 Rn. 13; Urt. v. 16. März 1995 - IX ZR 72/94, WM 1995, 995, 999; v. 6. April 2000 - IX ZR 122/99, ZIP 2000, 932 Rn. 24; Huber, AnfG 10. Aufl. § 8 Rn. 7; Ehricke in Kübler/Prütting/Bork, § 140 Rn. 5; HK-InsO/Kreft, 5. Aufl., § 140 Rn. 4; MünchKomm-InsO/Kirchhof, 2. Aufl. § 140 Rn. 9b).

b)

Bei der Abtretung von laufenden Rentenbezügen durch einen Rentenberechtigten, der das Rentenalter bereits erreicht hat, geht es nicht um künftige Forderungen, sondern ausschließlich um einen Rentenanspruch, der bereits entstanden war.

aa)

Allerdings entstehen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Ansprüche auf Mietzinszahlungen befristet erst mit Beginn des jeweiligen Nutzungszeitraums (BGHZ 170 aaO), so dass die Abtretung der Forderung auf künftigen Mietzins auch erst mit Beginn des jeweiligen Nutzungszeitraums wirksam wird (vgl. BGH, Urt. v. 30. Januar 1997 - IX ZR 89/96, ZIP 1997, 513 Rn. 9, 10; HK-InsO/Kreft, aaO Rn. 14; MünchKomm-InsO/Kirchhof, aaO),

bb)

Entgegen der Ansicht der Revision sind diese Grundsätze auf die Abtretung von Rentenbezügen jedoch nicht übertragbar. Hier geht es - anders als bei der Abtretung laufender Mietzahlungen - nicht um die Dauer eines Nutzungsrechtes; eine Vertragskündigung ist bei gesetzlichen Rentenbezügen nicht möglich, und Störungen der Vertragsabwicklung aufgrund von Leistungsstörungen usw. kommen nicht in Betracht. Von derartigen Unwägbarkeiten, die für die Annahme befristeter Zahlungen im Fall der Abtretung von Mieten entscheidend sind, hängt die Zahlung der Altersbezüge nicht ab. Sie ist - jedenfalls nach Eintritt ins Rentenalter - nicht von einer Gegenleistung abhängig, sondern nur dadurch "bedingt", dass der Berechtigte den jeweiligen Zeitraum erlebt. Hierbei handelt es sich um eine Rechtsbedingung, die nicht unter § 8 Abs. 3 AnfG fällt. Bei normalem Verlauf der Abwicklung des Leistungsbezugs sind bis zum Tod des Rentenberechtigten keine Störungen und Unterbrechungen des Leistungsbezugs zu erwarten. Die von der Revision aufgeführten Beispiele der Unterbrechung oder Änderung des Leistungsverhältnisses, etwa durch Erlangung von anrechenbaren Bezügen, Ablehnung einer erneuten Berufung in ein Beamtenverhältnis, Durchführung eines Versorgungsausgleichs oder strafrechtliche Verurteilung sind mit den Unwägbarkeiten, die im Rahmen eines fortdauernden Austauschvertrages eintreten können, nicht vergleichbar. Der gesamte Rentenanspruch war zum Zeitpunkt der Annahme der Abtretung bereits entstanden.

III.

Das angefochtene Urteil ist somit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil sie noch nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). In dem wiederholten Berufungsverfahren wird der Klägerin, die sich auf die fehlende Wirksamkeit der Zusammenrechnungsvereinbarung beruft, Gelegenheit zu geben sein, zur Unbilligkeit der Zusammenrechnung der Altersbezüge des Schuldners weiter vor zutragen. Aufgrund dieses Vortrags wird das Berufungsgericht zu entscheiden haben, ob die von den Parteien der Abtretungsvereinbarung gewollte Zusammenrechnung der Billigkeit entsprach.

Ende der Entscheidung

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