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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 19.07.2001
Aktenzeichen: IX ZR 411/00
Rechtsgebiete: AGBG


Vorschriften:

AGBG § 11 Nr. 14a
a) Ist in der über den Hauptvertrag aufgenommenen Urkunde die Bestimmung über die Eigenhaftung des Vertreters räumlich in den Text des Hauptvertrages integriert, fehlt es grundsätzlich an der gesetzlich geforderten gesonderten Erklärung.

b) Die fehlende räumliche Trennung ist nicht deshalb unschädlich, weil innerhalb der die Eigenhaftung des Vertreters betreffenden Formularbestimmung dessen Name handschriftlich eingesetzt ist und er eine auf die Mithaftung bezogene gesonderte Widerrufsbelehrung unterzeichnet hat.


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

IX ZR 411/00

Verkündet am: 19. Juli 2001

in dem Rechtsstreit

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 19. Juli 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Kreft und die Richter Kirchhof, Dr. Fischer, Dr. Zugehör und Dr. Ganter

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten zu 2) wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 29. September 2000 aufgehoben.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Gießen vom 8. Februar 2000 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Rechtsmittelzüge zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin schloß mit dem früheren Beklagten zu 1) einen schriftlichen "Mietkauf-Vertrag" über eine Sattelzugmaschine zum Preise von 50.000 DM, zahlbar in 36 monatlichen Raten von je 1.602 DM. Der "Mietkäufer" wurde durch die Beklagte zu 2) (nachfolgend: Beklagte) vertreten.

Die abschließende Ziffer 14 des Vertragsformulars trägt die Überschrift "selbstschuldnerischer Bürge:". Darunter befindet sich eine Leerzeile; dort sind Name und Adresse der Beklagten handschriftlich eingetragen. Darunter steht die vorgedruckte "Erklärung des Bürgen", wonach er für alle Ansprüche des Mietverkäufers gegen den Mietkäufer (Hauptschuldner) aus diesem Vertrag die selbstschuldnerische Bürgschaft übernimmt. Am Ende des Abschnitts Ziffer 14 befindet sich in einer Reihe der Platz für die Unterschriften des Mietkäufers, des Bürgen und der Klägerin. Dort hat die Beklagte in Vertretung des Mietkäufers gezeichnet und eine weitere Unterschrift als Bürge geleistet.

Der Hauptschuldner geriet in Zahlungsverzug. Die Klägerin hat den Vertrag fristlos gekündigt und vom Mietkäufer sowie der Beklagten als Bürgin Ersatz des ihr entstandenen Schadens von 11.713,01 DM verlangt. Das gegen den Beklagten zu 1) ergangene Versäumnisurteil ist rechtskräftig geworden. Dagegen hat das Landgericht die Klage gegen die Beklagte durch unechtes Versäumnisurteil abgewiesen, weil der Bürgschaftsvertrag gemäß § 11 Nr. 14a AGBG unwirksam sei. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Mit der zugelassenen Revision begehrt sie die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg. Der geltend gemachte Anspruch ist unbegründet, weil zwischen den Parteien ein Bürgschaftsvertrag nicht wirksam zustande gekommen ist.

I.

Das Berufungsgericht meint, die Beklagte habe sich rechtsgültig als Bürgin verpflichtet, und hat zur Begründung ausgeführt:

§ 11 Nr. 14a AGBG solle den Vertreter vor versteckten, möglicherweise unklaren und überraschenden Klauseln schützen. Im Streitfall seien die Warn- und Hinweisanforderungen dieser Vorschrift, obwohl die Bürgenverpflichtung im fortlaufenden Vertragstext stehe, dadurch erfüllt, daß die Überschrift "Selbstschuldnerischer Bürge" durch Fettdruck hervorgehoben sei und als letzte Vertragsbestimmung deutlich ins Auge falle. Zudem seien Name und Anschrift des Bürgen gesondert einzutragen. Dies wirke zusätzlich im Sinne der Warnfunktion, ebenso auch der Umstand, daß der Vertreter eine zweite Unterschrift an einer Stelle vorzunehmen habe, die gerade für den Bürgen vorgesehen sei.

II.

Diesen Erwägungen folgt der Senat nicht. Die Erklärung der Beklagten, die Haftung als Bürge zu übernehmen, ist unwirksam, weil die entsprechende Klausel in dem von der Klägerin verwendeten Vertragsformular den Anforderungen des § 11 Nr. 14a AGBG an eine "gesonderte Erklärung" nicht entspricht.

1. Nach der genannten Vorschrift ist eine Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, die einem Vertreter, der den Vertrag für den anderen Vertragsteil abschließt, eine eigene Haftung oder Einstandspflicht ohne hierauf gerichtete ausdrückliche und gesonderte Erklärung auferlegt. Den Begriff der "gesonderten Erklärung" oder der "gesonderten Unterschrift" hat der Gesetzgeber in einer Reihe von - meist jüngeren - Gesetzen verwendet (vgl. § 11 Nr. 15 Satz 2 AGBG; § 1b Abs. 2 Satz 3 AbzG; § 2 Abs. 1 Satz 3 HWiG a.F.; § 7 Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG a.F.; nunmehr § 361a Abs. 1 Satz 4 BGB). Diese Begriffe sind in allen Gesetzen einheitlich auszulegen, weil damit jeweils eine erhöhte Aufmerksamkeit des Kunden für den Inhalt des Formulars bewirkt und ihm auf diese Weise Inhalt und Bedeutung des Rechtsgeschäfts klar vor Augen geführt werden sollen (BGHZ 119, 283, 295 f; BGH, Urt. v. 7. Mai 1986 - I ZR 95/84, NJW 1987, 125, 126; Hensen, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG 9. Aufl. § 11 Nr. 14 Rn. 9). Die mit der Vorschrift des § 11 Nr. 14a AGBG bezweckte Warnung des Abschlußvertreters erfordert es zwar nicht, daß die Erklärung zur eigenen Haftung in einer vom Hauptvertrag getrennten Urkunde erteilt wird (BGHZ 104, 232, 237; vgl. auch BGHZ 133, 71, 73). Jedoch muß der Text der Haftungserklärung sowie die sich darauf beziehende Unterschrift deutlich von dem Wortlaut des Vertrages abgesetzt sein, um dem Vertreter Inhalt und Wirkung seiner eigenen Erklärung deutlich zu machen (vgl. BGHZ 119, 283, 296; 126, 56, 60 f; BGH, Urt. v. 7. Mai 1986, aaO; v. 25. April 1996 - X ZR 139/94, NJW 1996, 1964, 1965). Die Urkunde ist demnach äußerlich so zu gestalten, daß sie dem Vertreter die Rechtslage unübersehbar vor Augen führt. Für den Verbraucher muß schon aus dem äußeren Aufbau der Urkunde der Doppelcharakter seiner Verpflichtung klar hervortreten.

2. Das von der Klägerin verwendete Formular entspricht diesen gesetzlichen Erfordernissen nicht.

a) Die Bürgschaft des Vertreters ist dem äußeren Bild nach vollkommen in die für den "Mietkauf-Vertrag" verwendete Urkunde eingegliedert. Diese besteht aus insgesamt vierzehn Positionen und ist jeweils nach den Ziffern 2, 9, 10, 11, 12 und 13 durch über die ganze Seite verlaufende dünne Querstriche gegliedert. An den letzten Strich schließt die den Bürgschaftstext enthaltende Ziffer 14 unmittelbar an. Sie ist weder räumlich noch ihrem Schriftbild nach vom übrigen Vertragstext abgesetzt. Druckstärke und Schriftgröße von Überschrift und Inhalt entsprechen genau der Gestaltung der übrigen Ziffern. Der äußere Anschein eines einheitlichen Vertrages wird dadurch zusätzlich verstärkt, daß sich unmittelbar unter dem Bürgschaftstext - ohne weitere Abgrenzung - die zwei Zeilen für die Angaben von Ort und Datum des Vertragsschlusses sowie für die Unterschriften der beteiligten Personen befinden. Die Urkunde sieht am unteren Rand auf gleicher Höhe die Unterschrift des "Mietkäufers", des Bürgen sowie der Leasinggesellschaft vor. Nach dem äußeren Erscheinungsbild beziehen sich damit alle Unterschriften in gleicher Weise auf den gesamten Text des Vertragsformulars.

Mit dieser Gestaltung weicht die von der Klägerin gestellte Urkunde deutlich von denjenigen ab, die den Urteilen BGHZ 104, 232 und 133, 71 zugrunde lagen. Dort folgte die Mithaftungserklärung jeweils erst im Anschluß an die Unterschriftszeile für die Partner des Leasingvertrages und war außerdem räumlich deutlich vom Text des Hauptvertrages getrennt worden.

b) Das von der Klägerin verwendete Formular warnt den Vertreter vor den Wirkungen seiner Erklärung nicht in einer Weise, wie sie § 11 Nr. 14a AGBG sicherstellen soll. Das Ziel, den Vertreter vor einer Erklärung zu schützen, die die persönliche Haftung begründet, ohne deutlich von dem Teil der Urkunde abgesetzt zu sein, der den Hauptvertrag betrifft, wird grundsätzlich verfehlt, wenn die Haftungsklausel nach dem äußeren Erscheinungsbild der Urkunde in den Text des Hauptvertrages eingegliedert ist (vgl. BGHZ 126, 56, 61). Eine solche Gestaltung ist geeignet, dem Kunden die Tatsache, daß die Urkunde zwei selbständige Verträge enthält, zu verschleiern. Ohne klare räumliche Trennung vom Text des Hauptvertrages entspricht daher die Formularbestimmung, die zur eigenen Haftung des Vertreters führen soll, grundsätzlich nicht den Anforderungen, die § 11 Nr. 14a AGBG an eine "gesonderte Erklärung" stellt. Im Streitfall kommt noch hinzu, daß die Klägerin ein gleichartiges, sich nicht vom übrigen Urkundentext abhebendes Schriftbild für die Bürgschaftserklärung gewählt hat.

c) Die Revisionserwiderung verweist darauf, daß sich unter der Überschrift von Ziffer 14 eine Leerzeile zur Bezeichnung der Person des Bürgen befindet. Dort sind Name und Adresse der Beklagten zu 2) handschriftlich eingesetzt. Diese Einfügung bildet lediglich eine unselbständige, nicht individuell ausgehandelte Ergänzung der Klausel und ändert nichts an der Anwendung der Vorschriften des AGB-Gesetzes (vgl. BGH, Urt. v. 2. Juli 1998 - IX ZR 255/97, WM 1998, 1675 m.w.N.).

Dadurch allein wurde auch keine räumlich unübersehbare Abgrenzung zum übrigen Inhalt der Urkunde hergestellt. Die Notwendigkeit der handschriftlichen Eintragung des Namens der haftenden Person reicht nicht aus, um den bereits auf den ersten Blick hervorgerufenen Anschein, die Urkunde betreffe nur den Abschluß eines Mietkaufvertrages, alsbald nachhaltig zu beseitigen. Die von Ziffer 14 des Formulars beabsichtigte Rechtsfolge der Erklärung für die unterzeichnende Person tritt dadurch nicht schon mit der gesetzlich geforderten Deutlichkeit hervor. Daher ist es rechtlich unerheblich, ob - wie die Beklagte behauptet - die handschriftliche Eintragung noch fehlte, als sie die Unterschrift leistete.

3. Die Beklagte hat außer dem Vertrag eine auf die Bürgschaft bezogene Widerrufsbelehrung unterzeichnet. Dies hat auf die rechtliche Beurteilung keinen Einfluß.

Die gesetzliche Regelung verlangt, daß die Verpflichtungserklärung selbst in einer gesonderten Erklärung erfolgt. Die Bestimmungen über die Widerrufsbelehrung sollen dem Kunden einen zusätzlichen Schutz gewähren und setzen eine gültige, auf den Abschluß des Rechtsgeschäfts gerichtete Willenserklärung voraus. Selbst eine, isoliert gesehen, den gesetzlichen Bestimmungen entsprechende Widerrufsbelehrung besagt daher nichts darüber, ob die für die vertragliche Verpflichtung selbst gebotenen gesetzlichen Anforderungen erfüllt sind. Im Rahmen der Prüfung, ob die Verpflichtungserklärung des Kunden den Geboten des AGB-Gesetzes genügt, kommt der Widerrufsbelehrung daher nicht die "Brückenfunktion" zu, die die Revisionserwiderung ihr einräumen möchte.

III.

Da eine weitere Tatsachenaufklärung aus Rechtsgründen nicht in Betracht kommt, hat der Senat in der Sache selbst zu entscheiden und das klageabweisende erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).

Ende der Entscheidung

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