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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 10.01.2008
Aktenzeichen: IX ZR 53/06
Rechtsgebiete: StBerG, AO


Vorschriften:

StBerG § 68 a.F.
AO § 179
AO § 180 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a)
Beruht der Schadensersatzanspruch des Mandanten auf falscher Auskunft des Steuerberaters über die Höhe der nach einer Betriebsprüfung gesondert und einheitlich festzustellenden Gewinne, so beginnt der Lauf der Verjährung mit der ersten Bekanntgabe des hierauf ergehenden Feststellungsbescheides, ohne dass es darauf ankommt, ob dieser Bescheid gleichzeitig oder später auch dem geschädigten Mandanten bekannt gegeben wird.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

IX ZR 53/06

Verkündet am: 10. Januar 2008

in dem Rechtsstreit

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 10. Januar 2008 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Fischer, die Richter Raebel, Dr. Kayser, Vill und die Richterin Lohmann

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 21. Februar 2006 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Beklagte war bis 1996 langjähriger Steuerberater der Klägerin und der W. GmbH & Co. , an welcher die Klägerin als Kommanditistin und mittelbar als geschäftsführende Gesellschafterin der Komplementärin beteiligt war. Die Klägerin verhandelte 1996 und 1997 mit ihren Söhnen über einen Verkauf ihrer Gesellschaftsanteile und ihres Erbteils in der Erbengemeinschaft nach ihrem Ehemann. Bei diesen Verhandlungen war die Klägerin bestrebt, mögliche Steuernachzahlungen aus den gewerblichen Einkünften ihrer Beteiligungen bis zum Ende 1996 finanziell von sich abzuwälzen. Der Beklagte erteilte als verantwortlicher Berater dieser Zeit Auskunft über die Höhe des genannten Risikos. Für die Veranlagungszeiträume 1995 und 1996 wurde eine vertragliche Lösung im Sinne der Klägerin gefunden. Das Risiko von Steuernachzahlungen für den weiter zurückliegenden Zeitraum nahm die Klägerin angesichts des schwierigen Verhandlungsverlaufs in Kauf, nachdem der Beklagte, wie sie behauptet, ihrem anwaltlichen Berater den Betrag drohender Nachzahlungen aus den Jahren 1994 und davor mit höchstens 20.000 DM bis 30.000 DM bezeichnet hatte. Aufgrund einer Betriebsprüfung setzte das Finanzamt später jedoch für diesen Zeitraum zu Lasten der Klägerin Mehrsteuern von nahezu 280.000 DM fest. Die Klägerin hat den Beklagten daher auf Schadensersatz in Höhe von 106.563,96 € in Anspruch genommen.

Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Das Oberlandesgericht hat die Klage wegen Verjährung abgewiesen und die Revision zugelassen, mit welcher die Klägerin beantragt, das erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist unbegründet.

I.

Das Berufungsgericht hat angenommen, der geltend gemachte Schadensersatzanspruch sei nach § 68 StBerG a.F. bereits vor Einreichung der Klage am 6. November 2002 verjährt gewesen. Die dreijährige Verjährungsfrist habe mit Bekanntgabe des für die Veranlagung der Klägerin bindenden Gewinnfeststellungsbescheids für die Gesellschafter der W. GmbH & Co. vom 18. März 1998 an die Sozietät H. begonnen. Die Klägerin sei bis zu ihrem Ausscheiden aus den Gesellschaften infolge des Vertrages vom 26. Juni 1997 Geschäftsführerin der Komplementärin und der Kommanditgesellschaft gewesen, die seit 1996 Zustellungsvollmacht gehabt habe. Nach Maßgabe des § 183 Abs. 1 AO sei davon auszugehen, dass die Kanzlei H. gemeinsame Empfangsbevollmächtigte für den Feststellungsbescheid vom 18. März 1998 gewesen sei. Dies müsse die Klägerin gemäß § 183 Abs. 3 AO auch nach ihrem Ausscheiden aus den Gesellschaften gegen sich gelten lassen.

Die Klägerin habe die erteilte Empfangsvollmacht der Sozietät H. auch durch Mitteilung des Vertrages vom 26. Juni 1997 an die Finanzverwaltung nicht widerrufen, die der Urkundsnotar im Juli 1997 veranlasst habe. Wann die Klägerin erstmals persönliche Kenntnis von den Gewinnfeststellungsbescheiden erhalten habe, sei für den Verjährungslauf unerheblich. Der verjährungsrechtliche Sekundäranspruch komme der Klägerin gleichfalls nicht zugute, weil sie jedenfalls seit November 1999 durch ihren vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten in der Regressfrage gegen den Beklagten beraten worden sei.

II.

Das Berufungsurteil hält rechtlicher Prüfung jedenfalls im Ergebnis stand.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beginnt die Verjährung des Ersatzanspruchs gegen einen Steuerberater, der steuerliche Nachteile seines Mandanten verschuldet hat, nach der hier gemäß Art. 229 § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13, § 6 Abs. 1 EGBGB noch anwendbaren Vorschrift des § 68 StBerG in der Regel mit der Bekanntgabe des belastenden Steuerbescheides gemäß § 122 Abs. 1, § 155 Abs. 1 Satz 2 AO (BGHZ 119, 69, 73; 129, 386, 388; BGH, Urt. v. 26. Mai 1994 - IX ZR 57/93, WM 1994, 1848 f; v. 3. November 2005 - IX ZR 208/04, WM 2006, 590, 591). Das gilt auch, wenn der Bescheid noch keine Steuerfestsetzung enthält, sondern Besteuerungsgrundlagen selbständig feststellt, welche für die nachfolgende Steuerfestsetzung gemäß § 182 Abs. 1 AO bindend sind (BGHZ 119, 69, 73; BGH, Urt. v. 3. Juni 1993 - IX ZR 173/92, WM 1993, 1677, 1680 unter III. 2. a am Ende).

Wenn der Steuerberater für anderweitige Vermögensschäden haftet, weil er durch unrichtige Steuerauskunft den Mandanten zu einem schadensstiftenden Verhalten bestimmt hat (vgl. dazu BGH, Urt. v. 18. Januar 2007 - IX ZR 122/04, WM 2007, 567 zum Aufschub eines Wertpapierverkaufs infolge unrichtiger Steuerauskunft mit der Folge von Kursverlusten), kommt die Anknüpfung der Verjährung an einen Steuerbescheid freilich nicht stets in Frage. Sie ist jedoch dann geboten, wenn eine zivilrechtliche Vertragsgestaltung nach dem Willen des Mandanten von dem voraussichtlichen Ergebnis eines oder mehrerer Besteuerungsverfahren abhängig ist und der Berater eine unrichtige Auskunft zu der steuerlichen Vorfrage erteilt (BGH, Urt. v. 13. Dezember 2007 - IX ZR 130/06, z.V.b.). Das steuerliche Feststellungs- und Beurteilungsrisiko des Mandanten, dessen Einschätzung sein rechtsgeschäftliches Handeln bestimmt, verdichtet sich dann wie in den Fällen vermeidbarer Steuerlasten erst mit der Bekanntgabe des ihm ungünstigen Festsetzungs- oder Feststellungsbescheids zu einem Schaden, den der Vertragsabschluss allein noch nicht bewirkt. Von einer solchen Sachlage ist nach dem revisionsrechtlich zu unterstellenden Klagevortrag auch hier auszugehen.

2. Die Revision beanstandet ohne Erfolg, dass der Klägerin der Feststellungsbescheid vom 18. März 1998 über die Gewinne der Kommanditgesellschaft in den Veranlagungszeiträumen 1991 bis 1994 jedenfalls nicht vor dem 6. November 1999 in verjährungserheblicher Weise bekannt gegeben worden sei. Sie weist dazu auf die Rechtsprechung des Senats hin, dass gerade die Bekanntgabe des nachteiligen Steuerbescheides dem Mandanten Anlass zu der Prüfung gebe, ob ein Steuernachteil auf einem Fehler des Steuerberaters beruhe (vgl. BGHZ 129, 386, 390; BGH, Urt. v. 26. Mai 1994 - IX ZR 57/93, WM 1994, 1848, 1850).

a) Hierzu hat das Berufungsgericht allerdings keine klaren Feststellungen getroffen. War die W. GmbH & Co. "Zustellungsbevollmächtigte", so konnte die Sozietät H. nicht mehr gemeinsame Empfangsbevollmächtigte der Gesellschafter sein und ihre Vollmacht dabei von der GmbH & Co. KG herleiten. Die Bevollmächtigung der Sozietät H. gemäß § 183 Abs. 1 Satz 1 AO durch die Gesellschafter hat der Beklagte zwar behauptet und unter Beweis gestellt, die Klägerin hat diesen Vortrag aber bestritten und das Berufungsgericht ist dem Beweisantritt nicht nachgegangen. Haltbar wären seine Ausführungen daher nur, wenn man sie abweichend vom Parteivortrag und unter Vertauschung der verwendeten Begriffe nach der Lebenserfahrung dahin verstünde, dass die GmbH & Co. KG gemäß § 183 Abs. 1 Satz 1 AO als gemeinsame Empfangsbevollmächtigte ihrer Gesellschafter bestellt war und dazu ihrer Steuerberaterin, der Sozietät H. , im Rahmen des erteilten Mandates auch insoweit Zustellungsvollmacht erteilt hat. Ob auf diese Weise der Feststellungsbescheid vom 18. März 1998 gemäß § 183 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 AO wirksam auch der Klägerin bekannt gegeben worden ist, bedarf jedoch keiner Entscheidung, weil es hierauf nicht ankommt.

b) Aus der angeführten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist auch in wertender Betrachtung nicht zu folgern, dass der Mandant für den Verjährungsbeginn der Beraterhaftung stets persönliche Kenntnis von dem gegen ihn ergangenen Festsetzungs- oder Feststellungsbescheid haben muss (BGHZ 119, 69, 71 m.w.N.). Auf diese Kenntnis kann es erst nach Aufhebung von § 68 StBerG a.F. zum 15. Dezember 2004 durch Art. 16 Nr. 2 des Gesetzes zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 9. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3214) im Rahmen des nunmehr einschlägigen § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB ankommen. Für die nach § 68 StBerG a.F. zum Beginn der Verjährung nur erforderliche Entstehung des Schadensersatzanspruchs genügt die finanzverfahrensrechtliche Bekanntgabe, durch die der Steuerbescheid, welcher die Richtigkeit einer haftungsbegründenden Auskunft widerlegt, nach § 124 Abs. 1, § 181 Abs. 1 Satz 1 AO wirksam wird. Darauf verweist die Revisionserwiderung mit Recht.

Der Senat hat deshalb auch für eine schadensstiftende Steuerfestsetzung auf die Bekanntgabe der Bescheide nach den Vorschriften der Abgabenordnung abgestellt (BGHZ 129, 386, 388). Seine früheren Ausführungen sind vor dem Hintergrund zu verstehen, dass die Regressverjährung noch nicht mit dem Erlass des ungünstigen Steuerbescheides beginnt, der mangels Bekanntgabe vorläufig nicht wirksam ist, andererseits aber auch nicht die Bestandskraft des Bescheides voraussetzt, weil schon die Bekanntgabe im typischen Fall dem Mandanten den Prüfungsanlass gibt, der eine realistische Chance begründet, einen etwaigen Ersatzanspruch gegen Steuerberater durchzusetzen.

Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung handelt es sich bei der gesonderten Feststellung der steuerpflichtigen Einkünfte mehrerer Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft gemäß §§ 179, 180 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a), § 183 AO um einen verfahrensrechtlichen Sonderfall, mit dem sich die bisherige Auslegung von § 68 StBerG a.F. noch nicht befasst hat. Der einheitliche Gewinnfeststellungsbescheid kann auch anderen Beteiligten gegenüber nicht mehr frei geändert werden, wenn er einzelnen Beteiligten bekannt gegeben und damit nach § 181 Abs. 1, § 155 Abs. 1 Satz 2, § 122 Abs. 1, § 124 Abs. 1 AO wirksam geworden ist (vgl. BFH BStBl II 1978, 600, 602 = BFHE 125, 332, noch zu § 92 RAO, wonach Steuerbescheide bereits mit ihrer abschließenden Zeichnung entstanden waren; BFH BStBl 1994, 381, 385 = BFHE 170, 336). Zwar wird mit der Bekanntgabe des Bescheids die Einspruchsfrist nicht für andere Beteiligte in Lauf gesetzt, denen gegenüber die Bekanntgabe mangels eines gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten gesondert erfolgen muss. Vom Zeitpunkt der ersten Bekanntgabe an kann der Feststellungsbescheid aber bereits von allen Beteiligten angegriffen werden, für die er bestimmt ist, gleichgültig ob für den Einspruchsführer die Rechtsbehelfsfrist bereits läuft (BFH BStBl II 1981, 33, 35 = BFHE 131, 278; BFH BStBl II 1986, 509, 511 = BFHE 146, 215).

Daraus ergibt sich, dass die Verjährungsfrist für den Schadensersatzanspruch eines Mandanten gegen den Steuerberater nach § 68 StBerG a.F., der auf falscher Auskunft über die Höhe der in einem solchen Bescheid allenfalls feststellbaren Gewinne beruht, bereits mit seiner ersten Bekanntgabe an einen Feststellungsbeteiligten läuft, ohne dass die Bekanntgabe an den geschädigten Mandanten gleichfalls schon zu diesem Zeitpunkt oder überhaupt erfolgt sein muss. Das Feststellungs- und Beurteilungsrisiko des Mandanten in einem Besteuerungsverfahren, welches mangels ausreichender Konkretisierung des abstrakt entstandenen Steueranspruchs sich noch zu keinem Schaden verdichtet hat, solange das Verfahren nicht mit einem Steuerbescheid abgeschlossen ist, erfährt diese Verdichtung auch, wenn im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellung ein solcher Bescheid nur einem Beteiligten gegenüber bekannt gegeben wird. Das Finanzamt hat damit die Aufklärung des Sachverhaltes erkennbar beendet und sich in der rechtlichen Beurteilung des Tatbestandes gegenüber allen Beteiligten festgelegt, für die der Bescheid bestimmt ist. Damit ist der Schaden und der Schadensersatzanspruch auch für den betroffenen Mandanten entstanden.

c) Die Verjährung ist entgegen der Ansicht der Revision auch nicht nach § 242 BGB durch die Regulierungsgespräche des anwaltlichen Vertreters der Klägerin mit der Haftpflichtversicherung und dem früheren Sozius des Beklagten gehemmt worden. Das für eine Hemmung der Verjährung vorausgesetzte Vertrauen, der Beklagte werde der erhobenen Regressforderung nur mit sachlichen Einwänden und nicht mit der Einrede der Verjährung begegnen (vgl. BGHZ 93, 64, 66), haben die Gesprächspartner des klägerischen Anwaltes nicht begründet.

3. Die Revision versucht letztlich, die Verjährungseinrede des Beklagten mit dem Vorwurf eines selbständigen Informationsverschuldens zu bekämpfen, indem sie behauptet, der Beklagte habe den ihm von der Sozietät H. zugeleiteten Feststellungsbescheid vom 18. März 1998 der Klägerin pflichtwidrig bis zum 6. November 1999 vorenthalten. Das greift revisionsrechtlich nicht durch, weil hierfür nach § 559 Abs. 1 ZPO maßgebliches Parteivorbringen als Grundlage dieses Vorwurfs weder ersichtlich ist noch von der Revision aufgezeigt wird. Der alleinige Umstand, dass die Klägerin vor dem 6. November 1999 keine Kenntnis der Gewinnfeststellungen vom 18. März 1998 gehabt haben will, legt noch nicht den Tatbestand einer nachvertraglichen Pflichtverletzung des Beklagten als Ursache dieses Informationsrückstandes dar. Es bedarf an dieser Stelle keines Eingehens darauf, in welchem Rahmen eine solche Pflichtverletzung hier rechtlich überhaupt in Betracht käme.

Ende der Entscheidung

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