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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 14.05.2009
Aktenzeichen: IX ZR 93/08
Rechtsgebiete: InsO, KO


Vorschriften:

InsO § 60
KO § 82
Nach Beendigung des Konkursverfahrens ist der Gemeinschuldner nicht berechtigt, einen Gemeinschaftsschaden gegen den Konkursverwalter zu verfolgen, sofern der Schadensbetrag für die Befriedigung der Konkursgläubiger benötigt wird.
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat

...

durch

den Vorsitzenden Richter Dr. Ganter und

die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Vill, Dr. Fischer und Grupp

am 14. Mai 2009

beschlossen:

Tenor:

1. Der Kläger wird darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Revision gegen das Urteil des 27. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 15. April 2008 gemäß § 552a ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.

2. Dem Kläger wird Gelegenheit zur Stellungnahme binnen eines Monats ab Zustellung dieses Beschlusses gegeben.

3. Der auf den 2. Juli 2009 bestimmte Verhandlungstermin wird aufgehoben; gegebenenfalls wird ein neuer Termin bestimmt werden.

4. Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 511.291,88 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Der beklagte Rechtsanwalt war Verwalter in dem am 1. März 1985 über das Vermögen der TREUAG Treuhand-AG (nachfolgend: Gemeinschuldnerin) eröffneten Konkursverfahrens, das am 4. September 1997 aufgehoben wurde. Der Kläger war Gläubiger der Gemeinschuldnerin; zu seinen Gunsten wurden bevorrechtigte Forderungen über 116.071 DM und nicht bevorrechtigte Forderungen über 478.790,90 DM zur Konkurstabelle festgestellt.

Im Rahmen einer bei der Gemeinschuldnerin im Jahre 1982 durchgeführten Kapitalerhöhung hatte deren Hausbank, die National-Bank AG, unter ausdrücklicher Bezugnahme auf § 37 AktG den Eingang einer tatsächlich nicht von den Gesellschaftern bewirkten Zahlung in Höhe von 735.000 DM auf das erhöhte Kapital bestätigt. Der Kläger wirft dem Beklagten vor, den der Gemeinschuldnerin wegen der unrichtigen Bescheinigung gemäß § 37 Abs. 1 Satz 4 AktG gegen die National-Bank AG zustehenden, inzwischen verjährten Schadensersatzanspruch nicht verfolgt zu haben. Der von dem Kläger auf Schadensersatzleistung in Anspruch genommene Beklagte wurde in einem Vorprozess rechtskräftig zur Zahlung von 60.172,86 EUR verurteilt, weil der Kläger in dem Konkursverfahren der Gemeinschuldnerin bei Realisierung des gegen die National-Bank AG bestehenden Anspruchs eine entsprechend höhere Befriedigung erlangt hätte.

Die Gemeinschuldnerin erwirkte am 6. September 2000 gegen den Beklagten einen Mahnbescheid wegen Nichteinzugs der Ersatzforderung gegen die Nationalbank AG. Die Forderungen aus dem Mahnbescheid trat die Gemeinschuldnerin am 6. September 2002 an den Kläger ab, der dies anschließend dem Mahngericht mitteilte. Das Verfahren ist auf Antrag des Klägers an das Streitgericht abgegeben worden. Entsprechend der von ihm eingereichten Klagebegründung macht der Kläger den Anspruch in eigener Person geltend.

Nach teilweiser Klagerücknahme verlangt der Kläger von dem Beklagten Zahlung in Höhe von 511.291,86 EUR. Das Oberlandesgericht hat die vor dem Landgericht erfolgreiche Klage abgewiesen. Mit seiner von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des Urteils des Landgerichts.

II.

Ein Zulassungsgrund greift nicht durch, weil die hier zu entscheidende Rechtsfrage anhand bereits ergangener höchstrichterlicher Rechtsprechung beantwortet werden kann. Auch hat das Berufungsgericht jedenfalls im Ergebnis zutreffend entschieden (§ 552a ZPO). Ebenso wie der Gemeinschuldnerin als Zedentin fehlt dem Kläger als Zessionar der abgetretenen Forderung die Einziehungs- und Prozessführungsbefugnis für die Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs gegen den Beklagten. Ein zur Befriedigung der Konkursgläubiger dienender Anspruch auf Ersatz des Gemeinschafts- bzw. Gesamtschadens (vgl. Häsemeyer, Insolvenzrecht 4. Aufl. Rn. 6.38) kann nach Beendigung des Konkursverfahrens nur durch einen Sonderverwalter geltend gemacht werden. Mithin ist die von dem Oberlandesgericht als unbegründet erachtete Klage in Einklang mit dem Verbot der reformatio in peius (BGHZ 145, 316, 331) mangels Prozessführungsbefugnis als unzulässig abzuweisen.

1.

Mindert der Konkursverwalter durch ein pflichtwidriges Verhalten die Konkursmasse, handelt es sich um einen Gesamtschaden (vgl. nunmehr § 92 InsO) der Gemeinschaft der Gläubiger. Der Schaden ist von dem hierfür gemäß § 82 KO verantwortlichen Konkursverwalter durch Zahlung an die Konkursmasse auszugleichen. Der Gemeinschaftsschaden kann nicht durch einen der betroffenen Masse- oder Konkursgläubiger verfolgt werden; vielmehr obliegt die Durchsetzung während des Konkursverfahrens einem Sonderverwalter oder neu bestellten Konkursverwalter (BGHZ 159, 25, 26 ; BGH, Urt. v. 5. Oktober 1989 - IX ZR 233/87, WM 1989, 1781, 1783; Urt. v. 28. Oktober 1993 - IX ZR 21/93, NJW 1994, 323 f, insoweit bei BGHZ 124, 27 nicht abgedruckt).

2.

Die pflichtwidrige Verringerung der Konkursmasse bedingt neben dem Gemeinschaftsschaden notwendigerweise zugleich eine Schmälerung der Befriedigungsquote der einzelnen Konkursgläubiger. Als Bestandteil des Gemeinschaftsschadens verwirklicht sich mithin ein Einzelschaden der Konkursgläubiger (BGHZ 159, 25, 29) . Diesen Quotenverringerungsschaden des einzelnen Konkursgläubigers kann während des Konkursverfahrens nur der Konkursverwalter gerichtlich einklagen; dem jeweils betroffenen Konkursgläubiger fehlt die Einziehungs- und Prozessführungsbefugnis (BGHZ 159, 25, 28) . Hingegen sind die einzelnen Konkursgläubiger nach Beendigung des Verfahrens - wie der hiesige Kläger in dem Vorprozess - berechtigt, den auf sie entfallenden Einzelschaden gegen den Konkursverwalter zu verfolgen (BGHZ 159, 25, 29 ; BGH, Urt. v. 22. Februar 1973 - VI ZR 165/71, NJW 1973, 1198). Diese Rechtsprechung zur Geltendmachung des Gemeinschaftsschadens und des Quotenverringerungsschadens ist in die Regelung des § 92 InsO eingeflossen (BGHZ 159, 25, 29) , so dass die nachfolgenden Ausführungen auch für das Recht der Insolvenzordnung Geltung beanspruchen.

3.

Die von dem Bundesgerichtshof wiederholt betonte (BGHZ 159, 25, 27 ; BGH, Urt. v. 5. Oktober 1989, aaO S. 1784) Notwendigkeit einer sachgemäßen Verknüpfung beider Ansprüche führt zu dem Ergebnis, dass nach der Beendigung des Konkursverfahrens nur noch die Einzelansprüche der Konkursgläubiger erhoben werden können (vgl. MünchKomm-InsO/Brandes, 2. Aufl. §§ 60, 61 Rn. 117; Lüke in Kübler/Prütting/Bork, InsO § 60 Rn. 30), solange nicht im Rahmen einer Nachtragsverteilung ein Sonderverwalter zwecks Durchsetzung des Gesamtschadens bestellt wird (vgl. MünchKomm-InsO/ Brandes, aaO §§ 60, 61 Rn. 116). Dem Gemeinschuldner fehlt nach Verfahrensbeendigung jedenfalls die Prozessführungsbefugnis zur Geltendmachung eines Anspruchs auf Ersatz des Gesamtschadens, sofern die Konkursgläubiger noch nicht vollständig befriedigt sind.

a)

Den dargestellten Rechtsprechungsgrundsätzen ist zu entnehmen, dass der Anspruch auf Erstattung des Gemeinschaftsschadens und die Ansprüche auf Ersatz des Einzelschadens aus prozessualen Gründen nicht gleichzeitig geltend gemacht werden können.

Während der Dauer des Konkursverfahrens kann der Gemeinschaftsschaden durch einen Sonderverwalter oder einen neu bestellten Verwalter gegen den pflichtwidrig handelnden Konkursverwalter durchgesetzt werden. Erst nach Beendigung des Konkursverfahrens sind die Konkursgläubiger berechtigt, ihren Einzelschaden gegen den Konkursverwalter klageweise beizutreiben. Können die Konkursgläubiger ihren Einzelschaden nur nach Verfahrensbeendigung verfolgen, ergibt sich daraus im Umkehrschluss, dass in dieser Phase der Gemeinschaftsschaden von dem Gemeinschuldner als Träger des Anspruchs (vgl. BGH, Urt. v. 5. Oktober 1989, aaO S. 1783) nicht erhoben werden kann. Da der Gemeinschaftsschaden und der Einzelschaden eigenständige Ansprüche bilden (BGHZ 159, 25, 26 ; BGH, Urt. v. 5. Oktober 1989, aaO S. 1784) und mithin eine Gesamtgläubigerschaft (§ 428 BGB) ausscheidet, führt diese Handhabung zu dem allein sachgerechten Ergebnis, dass der haftende Konkursverwalter entweder einem Anspruch wegen des Gemeinschaftsschadens oder Ansprüchen wegen des Einzelschadens, aber nicht gleichzeitig beiden Ansprüchen ausgesetzt ist. Schon zur Vermeidung divergierender Entscheidungen muss sichergestellt werden, dass nicht gleichzeitig Ansprüche auf den Einzelschaden und der Anspruch auf den Gemeinschaftsschaden einer gerichtlichen Entscheidung unterbreitet werden (BGHZ 159, 25, 28) .

b)

Der Gemeinschuldner ist nach Verfahrensbeendigung auch deswegen nicht berechtigt, den Gemeinschaftsschaden zu liquidieren, weil der Schutzzweck der dem pflichtwidrig handelnden Konkursverwalter auferlegten Ersatzpflicht vornehmlich auf die Belange der im Konkursverfahren nicht vollständig befriedigten Konkursgläubiger ausgerichtet ist und dem Gemeinschuldner folglich die Befugnis zur Einziehung des deren Vermögenssphäre zuzuordnenden Schadens fehlt.

aa)

Durch die Pflichtverletzung des Konkursverwalters werden sowohl der Gemeinschuldner als auch die Konkursgläubiger geschädigt. Infolge der Verkürzung der Konkursmasse wird zugleich die Dividende eines jeden Konkursgläubigers geschmälert (BGHZ 159, 25, 26) ; der Quotenverringerungsschaden ist damit Teil des Gesamtschadens, der sich aus der Summe der Quotenverringerungsschäden zusammensetzt (BGHZ 159, 25, 27) . Erleiden durch die Pflichtwidrigkeit des Konkursverwalters - wie im Streitfall infolge der versäumten Beitreibung einer die ordnungsgemäße Kapitalaufbringung sichernden Forderung (vgl. MünchKomm-InsO/Brandes, aaO §§ 60, 61 Rn. 14) - die Konkursgläubiger und der Gemeinschuldner einen Vermögensnachteil, verbleibt die von dem haftenden Konkursverwalter geschuldete Schadensersatzleistung nicht im Vermögen des Gemeinschuldners, sondern ist zur gleichmäßigen Befriedigung der Konkursgläubiger zu verwenden (vgl. BGHZ 159, 25, 26) . Damit erweist sich der Ersatzanspruch aus § 82 KO als Bestandteil der Masse (Kuhn/Uhlenbruck, KO 11. Aufl. § 82 Rn. 5; vgl. MünchKomm-InsO/Brandes, aaO §§ 60, 61 Rn. 116). Diese vermögensrechtliche Zuweisung des Anspruchs an die Konkursgläubiger wirkt auch nach Verfahrensbeendigung fort, weil der Ersatzanspruch auf einer von dem Konkursverwalter während des Verfahrens begangenen Pflichtverletzung beruht (Laukemann ZInsO 2006, 415, 417). Dies schließt es aus, dass der Gemeinschuldner den Ersatzanspruch nach Verfahrensbeendigung gerichtlich beitreibt und damit frei verfügbares Vermögen in die Hand bekommt (Laukemann, aaO; Häsemeyer , aaO Rn. 12.07 Fn. 20).

bb)

Da das Vermögen des Gemeinschuldners auch nach Verfahrensbeendigung der Verwertung zugunsten seiner Konkursgläubiger unterliegt (§ 164 Abs. 1 KO, ebenso § 201 Abs. 1 InsO), ist bei wertender Betrachtung die Gemeinschaft der Konkursgläubiger als Geschädigte anzusehen (vgl. BGH, Urt. v. 5. Oktober 1989, aaO S. 1784). Will der Gemeinschuldner den Gesamtschaden als mithin mehreren Berechtigten gemeinschaftlich entstandenen Schaden geltend machen, bedarf er hierfür einer besonderen gesetzlichen Befugnis (BGH, Urt. v. 5. Oktober 1989, aaO S. 1783). Mangels Schaffung einer entsprechenden gesetzlichen Grundlage ist die nach Verfahrensbeendigung erhobene Klage des Gemeinschuldners auf Ersatz des Gemeinschaftsschadens als unzulässig zu erachten. Anders - und zwar im Sinne einer Einziehungsbefugnis des Gemeinschuldners - verhält es sich nur in dem höchst seltenen Ausnahmefall, in dem feststeht, dass den Gläubigern nach Verfahrensbeendigung keine weiteren Ansprüche gegen den Gemeinschuldner zustehen (vgl. RGZ 78, 186, 189).

cc)

Der Gemeinschaftsschaden kann nach Beendigung des Konkursverfahrens nur im Rahmen einer Nachtragsverteilung (§ 166 Abs. 2 KO, ebenso § 203 Abs. 1 Nr. 3 InsO) verfolgt werden, für deren Durchführung wegen des gegen den früheren Verwalter gerichteten Ersatzanspruchs ein neuer Konkursverwalter zu bestellen ist. Durch die Nachtragsverteilung wird die Verwaltung den insolvenzrechtlichen Grundsätzen unterstellt. Dies bedeutet, dass der Gesamtschadensanspruch von dem Konkursverwalter einzuziehen und der Schadensbetrag auf die Konkursgläubiger zu verteilen ist (K. Schmidt KTS 1976, 191, 208; MünchKomm-InsO/Brandes, aaO [§§ 60, 61 Rn. 116]; HK-InsO/ Lohmann, 5. Aufl. § 60 Rn. 51; Jaeger/Gerhardt, aaO § 60 Rn. 135). Bei Anordnung einer Nachtragsverteilung verlieren die Konkursgläubiger die Befugnis, den ihnen erwachsenen Einzelschaden gegen den Konkursverwalter geltend zu machen (MünchKomm-InsO/Brandes, aaO [§§ 60, 61 Rn. 116]). Den Belangen des an der Einziehung des Gesamtschadensanspruchs interessierten Gemeinschuldners wird durch die Möglichkeit Rechnung getragen, eine Nachtragsverteilung anzuregen. Es liegt nahe, dass - wie das Berufungsgericht annimmt (ebenso Laukemann, aaO S. 417) - ein Anspruch des Gemeinschuldners gegen den Konkursverwalter auf Befreiung von den Nachforderungsansprüchen der Konkursgläubiger anzuerkennen ist. Dies kann vorliegend dahin stehen, weil ein solcher Anspruch nicht den Gegenstand der Klage bildet.

4.

Nach diesen Grundsätzen ist die hier erhobene Klage als unzulässig abzuweisen. Der Kläger ist als Zessionar der Gemeinschuldnerin nach Verfahrensbeendigung nicht berechtigt, den Anspruch auf Ersatz des Gesamtschadens zu verfolgen. Eine Nachtragsverteilung, die den insoweit bestellten Verwalter zur Geltendmachung des Gesamtschadens berechtigt, ist nicht angeordnet worden. Folglich sind lediglich die Konkursgläubiger befugt, ihren jeweiligen Quotenverringerungsschaden geltend zu machen.

Ende der Entscheidung

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