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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 09.02.2006
Aktenzeichen: IX ZR 98/04
Rechtsgebiete: InsO, BGB, GmbHG, EGBGB


Vorschriften:

InsO § 146 Abs. 1 a.F.
BGB § 187 Abs. 1
BGB § 187 Abs. 2
BGB § 188 Abs. 2 Fall 1
BGB § 188 Abs. 2 Fall 2
BGB § 204 Abs. 1 Nr. 1
GmbHG § 30
GmbHG § 31
GmbHG § 32a
GmbHG § 32b
GmbHG § 32b Satz 1 Halbs. 2
EGBGB Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES VERSÄUMNISURTEIL UND URTEIL

IX ZR 98/04

Verkündet am: 9. Februar 2006

in dem Rechtsstreit

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 9. Februar 2006 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Gero Fischer, die Richter Dr. Ganter, Cierniak, die Richterin Lohmann und den Richter Dr. Detlev Fischer

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 24. Zivilsenats in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 23. April 2004 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Das Urteil ist gegen den Beklagten zu 2 vorläufig vollstreckbar.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der A. GmbH ; der Beklagte zu 2 war geschäftsführender Gesellschafter der Schuldnerin. Die Schuldnerin kaufte im September und Oktober 1999 von der Beklagten zu 1 Jungbullen und akzeptierte im Gegenzug zwei Wechsel über 85.026,90 DM und 41.807,80 DM, die am 24. bzw. 28. März 2000 fällig wurden. Für die Wechselforderung über 41.807,80 DM übernahm der Beklagte zu 2 eine Wechselbürgschaft. Er löste zwei aus einem Verkaufsgeschäft stammende Verrechnungsschecks auf dem Konto einer L. GmbH ein, die wiederum den Gegenwert der Wechselforderungen an die Beklagte zu 1 zahlte.

Der Kläger macht gegen die Beklagten Ansprüche aus Insolvenzanfechtung und - gegen den Beklagten zu 2 - auch aus dem Gesichtspunkt einer eigenkapitalersetzenden Gesellschafterleistung geltend. Das Insolvenzverfahren war mit Beschluss des Amtsgerichts vom 31. Mai 2000 zum 1. Juni 2000 0.00 Uhr eröffnet worden. Die Klage ist am 1. Juni 2002 bei Gericht eingereicht und am 3. Juli 2002 zugestellt worden. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Ansprüche weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

I.

Das Berufungsgericht hat gemeint, die Anfechtungsansprüche seien gemäß § 146 Abs. 1 InsO a.F. verjährt, weil die Klage nicht binnen zwei Jahren seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erhoben worden sei. Die Frist berechne sich nach § 187 Abs. 2, § 188 Abs. 2 Fall 2 BGB, weshalb sie am 31. Mai 2002 abgelaufen sei. Das Gleiche gelte für Ansprüche des Klägers aus §§ 32a, 32b GmbHG. Auch Ansprüche des Klägers gemäß §§ 30, 31 GmbHG schieden aus.

II.

Die Verjährung ist gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB i.V.m. Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB rechtzeitig durch die Erhebung der Klage gehemmt worden.

Die Berechnung der Frist des § 146 Abs. 1 InsO a.F., hier auch in Verbindung mit § 32b Satz 1 Halbs. 2 GmbHG, erfolgt, wie der Senat mit Urteil vom 13. Januar 2005 (IX ZR 33/04, ZIP 2005, 310 f) nach Verkündung des Berufungsurteils entschieden hat, auch in dem hier gegebenen Fall nach § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 Fall 1 BGB.

Die Zustellung wirkte auf den Zeitpunkt der danach rechtzeitigen Einreichung der Klage am 1. Juni 2002 zurück (§ 167 ZPO). Der Kläger hat den Gerichtskostenvorschuss bereits am 7. Juni 2002 einbezahlt. Weitere vom Kläger verursachte Verzögerungen sind nicht ersichtlich. Die Zustellung ist daher demnächst erfolgt.

III.

Das Berufungsurteil ist sonach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist auch nicht im Prozessrechtsverhältnis des Klägers zum Beklagten zu 2 teilweise entscheidungsreif (§ 563 Abs. 3 ZPO). Denn das Berufungsgericht hat einen Anspruch gegen den Beklagten zu 2 nach den - neben den Vorschriften der §§ 32a, 32b GmbHG fortgeltenden (BGHZ 90, 370, 376 ff; 95, 188, 192; 123, 289, 294; BGH, Urt. v. 22. Dezember 2005 - IX ZR 190/02, z.V.b. in BGHZ) - §§ 30, 31 GmbHG in Verbindung mit den in der Rechtsprechung dazu aufgestellten Grundsätzen nach dem bisherigen Sach- und Streitstand mit Recht verneint. Voraussetzung eines solchen Anspruchs ist zum einen, dass die Leistung bei ihrer Hergabe oder bei ihrer Aufrechterhaltung Eigenkapitalcharakter hat, und zum anderen, dass ihre Rückgewähr zu Lasten des nach §§ 30, 31 GmbHG geschützten Stammkapitals geht (BGHZ 76, 326, 329).

a) Zwar hat die Bürgschaft eines Gesellschafters dann eigenkapitalersetzenden Charakter, wenn ein Gesellschafter sie zugunsten der GmbH in einem Zeitpunkt übernimmt oder aufrechterhält, in dem diese bereits ihre Kreditfähigkeit verloren hatte und ohne die Finanzierungsleistung hätte liquidiert werden müssen (BGHZ 67, 171, 182; 81, 252, 255 f; BGH, Urt. v. 25. November 1985 - II ZR 93/85, WM 1986, 447, 448). Auch sind Kreditrückzahlungen, die eine notleidende Gesellschaft an einen Fremdgläubiger geleistet hat, als Einlagerückgewähr an einen Gesellschafter zu betrachten, wenn dieser sich für den Kredit in einer Lage verbürgt hat, in der ein unmittelbar von ihm gewährtes Darlehen als Kapitalersatz zu behandeln gewesen wäre (BGHZ 81, 252, 260; BGH, Urt. v. 14. März 2005 - II ZR 129/03, ZIP 2005, 659, 660). Der - darlegungs- und beweisbelastete (vgl. BGH, Urt. v. 7. März 2005 - II ZR 138/03, ZIP 2005, 807) - Kläger hat aber, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei ausführt, nicht substantiiert dargelegt, dass die Schuldnerin bereits zum Zeitpunkt der Übernahme der Wechselbürgschaft von dritter Seite zu marktüblichen Bedingungen keinen Kredit mehr hätte erhalten können und deshalb ohne die Leistung hätte liquidiert werden müssen (vgl. BGHZ 76, 326, 330).

b) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus einer späteren Aufrechterhaltung der Bürgschaft. Zwar kann eine solche Gesellschafterleistung als Kapitalersatz gelten, wenn der bürgende Gesellschafter dem Unternehmen in einer Krise wirtschaftlichen Beistand leistet, die es sonst ohne Zufuhr von neuem Eigenkapital aus eigener Kraft - in Ermangelung genügender Kreditaussichten - nicht mehr hätte bewältigen können (BGHZ 76, 326, 330 f; 81, 252, 256 f; BGH, Urt. v. 25. November 1985, aaO).

Diese Voraussetzungen lassen sich aber dem Vortrag des Klägers nicht entnehmen: Die besicherte Wechselverbindlichkeit ist am 28. März 2000 abgelöst worden. Nach dem Vorbringen des Klägers ist die Schuldnerin "jedenfalls Ende März 2000", also möglicherweise nach der Kreditrückzahlung, zahlungsunfähig geworden. Bereits dies steht einer Umqualifizierung einer Gesellschafterbürgschaft in Eigenkapitalersatz entgegen (vgl. BGHZ 76, 326, 334; 81, 252, 260). Zudem ergibt der klägerische Vortrag nicht, dass dem Beklagten zu 2 nach Eintritt der Krise noch die erforderliche Überlegungsfrist verblieb, bevor der Eröffnungsantrag am 29. März 2000 gestellt wurde (vgl. BGH, Urt. v. 24. September 1990 - II ZR 174/89, ZIP 1990, 1467, 1468; v. 18. November 1991 - II ZR 258/90, ZIP 1992, 177, 179; OLG Düsseldorf WM 1994, 1292, 1293). Auch lässt sich dem Vortrag des Klägers nicht entnehmen, ob die Wechselbürgschaft von vornherein als Krisenfinanzierung gedacht gewesen war. Hierzu ist erforderlich, dass der Eintritt der Kreditunwürdigkeit schon bei Abgabe der Bürgschaftserklärung abzusehen gewesen ist, die Bürgschaft mithin gerade auch für diesen Fall abgegeben worden ist (vgl. BGH, Urt. v. 18. November 1991, aaO; v. 9. März 1992 - II ZR 168/91, NJW 1992, 1763, 1764; v. 28. Juni 1999 - II ZR 272/98, NJW 1999, 2809, 2810).

c) Aus dem Klagevortrag geht des Weiteren nicht hervor, dass und inwieweit die mit der Rückzahlung verbundene Rückgewähr zu Lasten des geschützten Eigenkapitals gegangen ist.

IV.

Der Rechtsstreit ist deshalb an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Dieses wird nunmehr die Voraussetzungen der zu Unrecht für verjährt gehaltenen Ansprüche zu prüfen haben.

Ende der Entscheidung

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