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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 16.07.2004
Aktenzeichen: IXa ZB 191/03
Rechtsgebiete: StVollzG, ZPO, BGB


Vorschriften:

StVollzG § 37
StVollzG § 43
StVollzG § 43 Abs. 1
StVollzG § 43 Abs. 2 Satz 1
StVollzG § 47
StVollzG § 47 Abs. 1
StVollzG § 49
StVollzG § 49 Abs. 1
StVollzG § 50
StVollzG § 50 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1
StVollzG § 51
StVollzG § 51 Abs. 1
StVollzG § 51 Abs. 4
StVollzG § 51 Abs. 4 Satz 1
StVollzG § 51 Abs. 4 Satz 2
StVollzG § 51 Abs. 4 Satz 3
StVollzG § 51 Abs. 5
StVollzG § 52
StVollzG § 83 Abs. 2 Satz 3
StVollzG § 93 Abs. 2
StVollzG § 198 Abs. 3
StVollzG § 199 Nr. 2
StVollzG § 199 Nr. 4
ZPO § 574 Abs. 1 Nr. 2
ZPO § 574 Abs. 3 Satz 2
ZPO § 811 Abs. 1 Nr. 8
ZPO § 811 Nr. 8
ZPO § 829
ZPO §§ 850 ff
ZPO § 850 Abs. 2
ZPO § 850c
ZPO § 850d Abs. 1 Satz 1
ZPO § 850e Nr. 3
ZPO § 850k
ZPO § 851
ZPO § 851 Abs. 1
BGB § 362 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

IXa ZB 191/03

vom 16. Juli 2004

in dem Zwangsvollstreckungsverfahren

Der IXa-Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Kreft, die Richter Raebel, Athing, Dr. Boetticher und die Richterin Dr. Kessal-Wulf

am 16. Juli 2004

beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß der 5. Zivilkammer des Landgerichts Saarbrücken vom 20. Mai 2003 wird auf Kosten des Schuldners zurückgewiesen.

Beschwerdewert: bis zu 1.200 €.

Gründe:

I.

1. Die Gläubigerin betreibt gegen den Schuldner, der zur Zeit eine Freiheitsstrafe verbüßt, aus einer vollstreckbaren Urkunde die Zwangsvollstreckung. Durch Pfändungs- und Überweisungsbeschluß des Amtsgerichts Saarbrücken vom 11. Juni 2002 wurde die Forderung des Schuldners gegen den Drittschuldner auf Auszahlung des dem Schuldner als Eigengeld bereits gutgeschriebenen und künftig noch gutzuschreibenden Geldes mit Ausnahme des nach § 51 Abs. 4 StVollzG unpfändbaren Teils in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen dem nach § 51 Abs. 1 StVollzG zu bildenden und dem tatsächlich vorhandenen Überbrückungsgeld gepfändet. Die hiergegen gerichtete Erinnerung des Schuldners wies das Amtsgericht zurück.

2. Die sofortige Beschwerde des Schuldners hat das Landgericht unter Zulassung der Rechtsbeschwerde mit der Begründung zurückgewiesen, eine unmittelbare Anwendung der §§ 850 ff ZPO scheide aus, weil das Eigengeld eines Gefangenen nicht in § 850 Abs. 2 ZPO als Arbeitseinkommen im Sinne dieser Vorschrift aufgeführt sei. Auch eine analoge Anwendung dieser Vorschriften komme nicht in Betracht, denn das aus dem Arbeitsentgelt gebildete Eigengeld eines Strafgefangenen unterliege lediglich den Pfändungsbeschränkungen des § 51 Abs. 4 StVollzG, nicht aber den Pfändungsschutzbestimmungen der §§ 850 ff ZPO. Die Situation eines Strafgefangenen sei mit der eines Arbeitnehmers, der Arbeitseinkommen beziehe, nicht vergleichbar. Der Lebensbedarf eines Strafgefangenen sei in der Vollzugsanstalt auch ohne das Eigengeld gedeckt. Einem Strafgefangenen stehe ebenso wie den vom Schutzbereich der §§ 850 ff ZPO erfaßten Vollstreckungsschuldnern ein Existenzminimum zur Verfügung, so daß eine entsprechende Anwendung der §§ 850 ff ZPO auf die Pfändung von Eigengeld zu einer Besserstellung des Strafgefangenen führen würde. Eine entsprechende Anwendung dieser Vorschriften vermöge auch der Hinweis des Schuldners auf seinen Familienstand und damit auf eventuelle Unterhaltspflichten gegenüber seinen minderjährigen Kindern nicht zu rechtfertigen, weil der Schutz der Unterhaltsberechtigten bereits durch die insoweit in § 49 Abs. 1 StVollzG getroffenen Regelungen gewährleistet sei.

Die Rechtsbeschwerde macht demgegenüber geltend, ein Strafgefangener erbringe seine Arbeitsleistung aufgrund eines - allerdings öffentlich-rechtlichen - Arbeitsverhältnisses. Demgemäß sei das Eigengeld eines Strafgefangenen, soweit es aus dem ihm zustehenden Arbeitsentgelt stamme, nur gemäß § 850c ZPO pfändbar. Dies folge aus einer am Willen des Gesetzgebers orientierten Auslegung dieser Vorschrift und des Strafvollzugsgesetzes, dessen Regelungen eine möglichst weitgehende Angleichung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, denen der Strafgefangene unterliege, an die außerhalb des Vollzugs gegebenen Bedingungen bezweckten. Soweit die Lebenssituation eines Gefangenen hinsichtlich der für seine Lebenshaltung aufzuwendenden Kosten nicht mit der eines Arbeitnehmers vergleichbar sei, könne dem durch die Anrechnung kostenloser Unterkunft und Versorgung bei der Bestimmung der Pfändungsfreigrenzen Rechnung getragen werden. Die in § 51 StVollzG normierten Pfändungsbeschränkungen seien lediglich als den einen allgemeinen Pfändungsschutz ergänzende Regelungen zu verstehen.

II.

Das gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und auch im übrigen zulässige Rechtsmittel ist unbegründet.

Das Beschwerdegericht hat richtig entschieden.

1. Das Eigengeld eines Strafgefangenen (§§ 52, 83 Abs. 2 Satz 2, 3 StVollzG) unterliegt nach Maßgabe der Pfändungsschutzvorschrift des § 51 Abs. 4 Satz 2 StVollzG der Pfändung. Es wird gemäß § 52 StVollzG aus den Bezügen des Gefangenen, soweit sie nicht nach den Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes für andere Zwecke, etwa als Hausgeld (§ 47 StVollzG) oder als Überbrückungsgeld (§ 51 StVollzG) in Anspruch genommen werden, aus dem bei Aufnahme in den Vollzug mitgebrachten Geld (§ 83 Abs. 2 Satz 2 StVollzG) und aus dem für den Gefangenen während des Vollzugs von Dritten eingezahlten Geld gebildet (vgl. Calliess/Müller-Dietz, StVollzG 9. Aufl. § 83 Rn. 4), und zwar durch Gutschrift auf dem Konto, das von der Anstaltszahlstelle oder einer für die Verwaltung des Gefangenengeldes eingerichteten Ein- und Auszahlungsstelle der zuständigen Kasse für den Gefangenen zu führen ist (vgl. Stöber, Forderungspfändung 13. Aufl. Rn. 134). Der Gefangene darf gemäß § 83 Abs. 2 Satz 3 StVollzG über sein Eigengeld grundsätzlich frei verfügen, soweit es nicht als Überbrückungsgeld notwendig ist. Er hat in diesem Umfang aus dem durch die Verwaltung des Gefangengeldes begründeten öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnis, das kein Verwahrungsverhältnis im eigentlichen Sinne ist (vgl. BGHZ 34, 349, 354; BGHR Verwaltungsrecht/Allgemeines, Grundsätze Verwahrung 4), gegen den Träger der Justizvollzugsanstalt einen Anspruch auf Auszahlung seines Eigengeldguthabens (vgl. BFH, Urt. v. 16. Dezember 2003 - VII R 24/02, DStrRE 2004, 421; AK-StVollzG/Brühl, 4. Aufl. § 83 Rn. 11, 12). Der Anspruch ist als Geldforderung (§ 700 Abs. 1 Satz 2, § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB analog; vgl. Stöber aaO Rn. 134) gemäß § 829 ZPO pfändbar, mit Ausnahme des gemäß § 51 Abs. 4 Satz 2 StVollzG unpfändbaren Teils des Eigengeldes in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen dem gemäß § 51 Abs. 1 StVollzG zu bildenden und dem tatsächlich vorhandenen Überbrückungsgeld. Das Pfändungsverbot des § 851 ZPO steht nicht entgegen, weil der Anspruch - soweit nicht § 51 Abs. 4 Satz 2 StVollzG eingreift - übertragbar ist (vgl. BFH aaO S. 422 m.N.).

2. Soweit das gepfändete Eigengeld - wie hier - durch Gutschriften von Arbeitsentgelt gebildet worden ist, das der arbeitspflichtige (§ 41 StVollzG) Gefangene gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 StVollzG für die Ausübung der ihm gemäß § 37 StVollzG zugewiesenen Arbeit erhält (vgl. dazu Arloth/Lückemann StVollzG § 43 Rn. 10; Calliess/Müller-Dietz aaO § 43 Rn. 1), finden die Pfändungsgrenzen des § 850c ZPO entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde weder unmittelbar noch entsprechend Anwendung.

Ob das aus Arbeitsentgelt eines Gefangenen gebildete Eigengeld den Pfändungsbeschränkungen der §§ 850 ff ZPO unterliegt, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten (vgl. Stöber aaO Rn. 137; Calliess/Müller-Dietz aaO § 43 Rn. 10, jeweils m.N. zu der umfangreichen instanzgerichtlichen Rechtsprechung). Soweit die Auffassung vertreten wird, das Eigengeld unterliege insoweit dem Pfändungsschutz des Arbeitseinkommens gemäß § 850c ZPO (vgl. nur OLG Frankfurt a.M. NStZ 1993, 559, 560; Calliess/Müller-Dietz aaO Rn. 10, jeweils m.w.N.), werden überwiegend bei Berechnung des pfändbaren Einkommens in entsprechender Anwendung des § 850e Nr. 3 ZPO neben dem Arbeitsentgelt auch die Naturalleistungen der Vollzugsbehörde nach Maßgabe der fiktiven Haftkostenbeiträge berücksichtigt (vgl. OLG Frankfurt a.M. aaO; insoweit a.A. Calliess/Müller-Dietz aaO).

Richtigerweise ist das Beschwerdegericht der nunmehr auch vom Bundesfinanzhof (Urt. v. 16. Dezember 2003 aaO) vertretenen, verfassungsrechtlich unbedenklichen (vgl. BVerfG [Vorprüfungsausschuß], NJW 1982, 1583) Auffassung gefolgt, daß die Pfändungsfreigrenzen des § 850c ZPO nach Sinn und Zweck dieser Vorschrift weder unmittelbar noch entsprechend Anwendung finden (vgl. OLG Karlsruhe Rpfleger 1994, 370; OLG Schleswig Rpfleger 1995, 29; Arloth/Lückemann aaO § 52 Rn. 4; Stöber aaO, jeweils m.w.N.), und hat zutreffend auch die (entsprechende) Anwendbarkeit des § 850k ZPO verneint.

a) Die Pfändungsgrenzen des § 850c ZPO gelten nur für die Pfändung des in Geld zahlbaren Arbeitseinkommens selbst (§ 850 Abs. 1 ZPO). Gepfändet ist aber der Anspruch des Schuldners auf Auszahlung seines Eigengeldes und nicht sein Anspruch auf Arbeitsentgelt aus § 43 Abs. 2 Satz 1 StVollzG. Denn dieser nicht auf Barauszahlung, sondern nach Maßgabe des § 52 StVollzG insgesamt auf Gutschrift auf den für den Gefangenen zu führenden Konten gerichtete Anspruch (h.M., vgl. OLG Schleswig Rpfleger 1995, 29, 30; Arloth/Lückemann aaO § 43 Rn. 10; Calliess/Müller-Dietz aaO § 43 Rn. 1) ist mit der Erteilung der Gutschriften erfüllt und damit erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB analog; vgl. OLG Hamm aaO; OLG Schleswig aaO; Fluhr ZfStrVo 1989, 103, 106). Der Pfändungsschutz des § 850c ZPO erstreckt sich jedoch nicht auf das zur Bewirkung der geschuldeten Leistung ausbezahlte oder auf ein Konto überwiesene Geld. Vielmehr erlischt mit der als Arbeitseinkommen geschuldeten Forderung auch der bis dahin für diese Forderung bestehende Pfändungsschutz (vgl. OLG Hamm NStZ 1988, 479, 480; OLG Schleswig Rpfleger 1995, 29, 30; Zöller/Stöber ZPO 24. Aufl. § 850k Rn. 1).

Ein Schuldner kann für Arbeitseinkommen, das auf sein Konto überwiesen worden ist, lediglich Pfändungsschutz gemäß § 850k ZPO beantragen (vgl. Zöller/Stöber aaO). Auf die Pfändung des Eigengeldguthabens kann § 850k ZPO aber keine Anwendung finden, denn die kontoführende Stelle, die das Gefangenengeld bis zur Entlassung des Gefangenen verwaltet, ist kein Geldinstitut im Sinne dieser Vorschrift (vgl. OLG Schleswig aaO; Musielak/Becker, ZPO 3. Aufl. § 850k Rn. 2; Kenter Rpfleger 1991, 488, 490).

b) Das Beschwerdegericht hat zu Recht die §§ 850c und 850k ZPO auch nicht entsprechend angewendet.

Eine Analogie ist nur zulässig, wenn das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält (vgl. BGHZ 149, 165, 174 m.w.N.) und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht soweit mit dem Tatbestand vergleichbar ist, den der Gesetzgeber geregelt hat, daß angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie beim Erlaß der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen (vgl. BGH, Urt. v. 13. März 2003 - I ZR 290/00, NJW 2003, 1932, 1933 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind nach den die Bezüge eines Gefangenen regelnden Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes weder für § 850c ZPO noch für § 850k ZPO gegeben.

aa) Einer Erstreckung der Pfändungsschutzvorschrift des § 850c ZPO auf das aus Arbeitsentgelt gebildete Eigengeld (vgl. OLG Frankfurt a.M. NStZ 1993, 559, 560; Calliess/Müller-Dietz aaO Rn. 10, jeweils m.w.N.) steht schon der Regelungszusammenhang dieser Norm mit § 811 Nr. 8, § 850k ZPO entgegen, die den Schutz des in Geld zahlbaren Arbeitseinkommens nach Erfüllung der Geldforderung regeln. Dementsprechend wurde hier nicht der - ohnehin wegen seiner Zweckbindung (vgl. Stöber aaO Rn. 137) und seiner Richtung auf eine hoheitliche Vollzugsmaßnahme gemäß § 52 StVollzG nicht übertragbare und damit gemäß § 851 Abs. 1 ZPO unpfändbare (vgl. OLG Schleswig Rpfleger 1995, 29, 31; Arloth/Lückemann aaO § 43 Rn. 10; Stöber aaO) - Anspruch auf Arbeitsentgelt gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 StVollzG selbst gepfändet ist, sondern der Anspruch auf Auszahlung des Eigengeldguthabens. Somit ist allenfalls eine entsprechende Anwendung des § 850k ZPO in Betracht zu ziehen (vgl. OLG Schleswig aaO). Auch insoweit fehlt es jedoch an einer planwidrigen Regelungslücke. Denn § 850k ZPO wurde erst durch Gesetz vom 28. Februar 1978 (BGBl. I S. 333), mithin nach der Neuregelung der Gefangenenarbeit und ihres Entgeltes im Strafvollzugsgesetz vom 16. März 1976 (BGBl. I S. 581) eingefügt und erfaßt gleichwohl nur Kontoguthaben bei Geldinstituten mit dem alleinigen Ziel, eine Lücke im Pfändungsschutz für Arbeitseinkommen zu schließen (vgl. Zöller/Karch, ZPO 12. Aufl. § 850k Anm. 1).

bb) Einer entsprechenden Anwendung der §§ 850c und 850k ZPO steht zudem entgegen, daß das Schutzbedürfnis eines Schuldners, der in Freiheit lebt und ein Arbeitseinkommen hat, mit dem eines Schuldners, der in Strafhaft gemäß § 43 StVollzG Arbeitsentgelt bezieht, nicht vergleichbar ist (vgl. BFH aaO S. 422; OLG Schleswig aaO S. 30 f.; OLG Karlsruhe aaO). Die Vollstreckungsschutzvorschriften dienen aus sozialen Gründen und im öffentlichen Interesse dem Schutz des Schuldners vor Kahlpfändung (vgl. BGHZ 137, 193, 197). Da der Einsatz der Arbeitskraft Vorrang hat vor dem Anspruch auf soziale Leistung, wird dem Schuldner, in dessen Arbeitseinkommen vollstreckt wird, in den Grenzen der §§ 850c, 850k ZPO ein Teil seines Einkommens pfandfrei belassen (Musielak/Becker aaO § 850 Rn. 1; Zöller/Stöber aaO § 850 Rn. 1). Den Maßstab für die Bemessung der für die Existenz des Schuldners und für den Erhalt seiner Arbeitsfähigkeit erforderlichen Mittel bilden die Bedürfnisse eines in Freiheit lebenden und arbeitenden Menschen (vgl. BVerfG NJW 1982, 1583).

Bei einem Gefangenen, der gemäß § 43 StVollzG Arbeitsentgelt bezieht, liegen die Verhältnisse anders (vgl. BVerfG aaO; BFH aaO; OLG Karlsruhe Rpfleger 1994, 370; OLG Schleswig Rpfleger 1995, 29, 31). Sein Lebensunterhalt ist auch ohne Rückgriff auf sein aus Arbeitsentgelt gebildetes Eigengeld gedeckt. Ihm werden Unterkunft, Verpflegung, notwendige Kleidung (vgl. §§ 10, 20 f StVollzG) sowie Gesundheitsfürsorge (§§ 56 ff StVollzG) von der Justizvollzugsanstalt gewährt. Ein Haftkostenbeitrag wird von dem Pflichtarbeit leistenden Gefangenen gemäß § 50 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StVollzG nicht erhoben. Für seine darüber hinausgehenden privaten Bedürfnisse stehen ihm gemäß § 47 Abs. 1 StVollzG i.d.F. der Übergangsbestimmung des § 199 Nr. 2 StVollzG monatlich drei Siebtel seines Arbeitsentgelts als Hausgeld zur Verfügung. Dieses Hausgeld, das unterhaltsrechtlich bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit eines unterhaltspflichtigen Gefangenen nicht berücksichtigt wird (BGH, Urt. v. 21. April 1982 - IVb ZR 696/80, NJW 1982, 1812 und Urt. v. 9. Juni 1982 - IVb 704/80, NJW 1982, 2491), kann von der Vollzugsbehörde nur ausnahmsweise nach Maßgabe des § 93 Abs. 2 StVollzG i.d.F. des § 199 Nr. 4 StVollzG in Anspruch genommen werden (vgl. BGH, Beschl. v. 17. Januar 1989 - 5 AR VollzG 26/88, NJW 1989, 992). Die streitige Frage, ob das Hausgeld nur nach Maßgabe des entsprechend anzuwendenden § 811 Abs. 1 Nr. 8 ZPO (so Stöber aaO Rn. 140) oder ob es, was wegen seiner Zweckbindung als Beitrag zum notwendigen Unterhalt des Gefangenen nahe liegt (vgl. den Entwurf BT-Drucks. 7/918 S. 69), insgesamt unpfändbar ist (so mit unterschiedlichen Begründungen BFH aaO; OLG Schleswig Rpfleger 1995, 29, 31; OLG Hamm MDR 2001, 235, jeweils m.w.N.), kann hier dahinstehen. Dem Gefangenen steht bei seiner Entlassung schließlich das gemäß § 51 Abs. 1 StVollzG unter anderem aus seinem Arbeitsentgelt gebildete Überbrückungsgeld zur Verfügung, das seinen notwendigen Lebensunterhalt und den seiner Unterhaltsberechtigten für die ersten vier Wochen nach seiner Entlassung sichern soll (vgl. BVerwG NJW 1991, 189) und deshalb - auch nach der Auszahlung - nach Maßgabe des § 51 Abs. 4 Satz 1, 3 StVollzG unpfändbar ist.

Bei einer entsprechenden Anwendung der Pfändungsgrenzen des § 850c ZPO wäre auch dieser Teil des Eigengeldes grundsätzlich unpfändbar, weil selbst das höchste Arbeitsentgelt (§ 43 StVollzG) auch bei Hinzurechnung des nicht erhobenen Haftkostenbeitrages entsprechend § 850e Nr. 3 ZPO deutlich unter der Pfändungsgrenze von mindestens 930 € liegt (vgl. Arloth/Lückemann aaO § 43 Rn. 10). Eine so weitgehende Beschränkung des Zugriffs der Gläubiger ist aber dem gesetzlichen Konzept der Resozialisierung durch Pflichtarbeit (vgl. dazu BVerfGE 98, 169, 202) allein noch nicht zu entnehmen. Die Entlohnung dieser Arbeit nach dem Mischkonzept des § 43 Abs. 1 StVollzG (vgl. Calliess NJW 2001, 1692, 1693) durch die Zahlung von Arbeitsentgelt und Freistellung von der Arbeit, die auch als Urlaub aus der Haft genutzt oder auf den Entlassungszeitpunkt angerechnet werden kann, soll dem Gefangenen den Sinn seiner Arbeit vor Augen führen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Entlohnung monetärer Art ist und dem Gefangenen unter anderem ermöglicht, seine Schulden zu tilgen, seinen gesetzlichen Unterhaltsverpflichtungen zu entsprechen und die Wiedergutmachung des durch die Straftat angerichteten Schadens anzustreben (vgl. BVerfG NJW 2002, 2023, 2025;siehe auch § 46a StGB). Zwar wird dem Gefangenen durch die Pfändung die Möglichkeit genommen, mit dem aus seinem Arbeitsentgelt gebildeten Eigengeld andere Gläubiger zu befriedigen. Dies zu gewährleisten, ist aber nicht der Zweck der §§ 850c und 850k ZPO. Eine gleichmäßige Schuldenregulierung kann ein Schuldner gegebenenfalls dadurch herbeiführen, daß er die die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Restschuldbefreiung (§§ 286 ff InsO) beantragt.

Auch unter Berücksichtigung des allgemeinen Vollzugsziels der Resozialisierung (§ 2 Abs. 1 Satz 1 StVollzG), auf die der Gefangene einen grundrechtlichen Anspruch hat (vgl. BVerfGE 98, 169, 200) und des für die Gestaltung des Vollzuges geltenden Angleichungsgrundsatzes (§ 3 Abs. 1 StVollzG) ist ein über § 51 Abs. 4 Satz 2 StVollzG hinausgehender Pfändungsschutz des aus Arbeitsentgelt gebildeten Eigengeldes aus dem geltenden Recht nicht herzuleiten (vgl. BFH aaO; OLG Karlsruhe Rpfleger 1994, 370, 371). Bisher ist auch der Gesetzgeber davon ausgegangen, daß Arbeitsentgelt, das nicht nach den Vorschriften der §§ 47, 50, 51 StVollzG für andere Zwecke in Anspruch genommen wird, "als Eigengeld sowohl der Verfügung des Gefangenen als auch dem Zugriff seiner Gläubiger offensteht" (BT-Drucks. 7/918 S. 71).

Es muß daher dem Gesetzgeber überlassen bleiben zu entscheiden, ob er die Rechtsstellung des Gefangenen gegenüber Vollstreckungszugriffen von Gläubigern verbessern will, etwa durch vollzugsspezifische Pfändungsschutzvorschriften oder durch eine Erhöhung des pfändungsfreien Hausgeldes.

cc) Soweit der Schuldner geltend macht, er beabsichtige, mit dem aus Arbeitsentgelt gebildeten Eigengeld Unterhaltsverpflichtungen gegenüber seinen Kindern zu erfüllen, führt dies auch unter Berücksichtigung des Umstands, daß § 49 StVollzG, der es dem Gefangen ermöglichen soll, unmittelbar aus seinen Bezügen einen Unterhaltsbetrag zu zahlen, bisher nicht gemäß § 198 Abs. 3 StVollzG durch Bundesgesetz in Kraft gesetzt ist, zu keiner anderen Beurteilung. Den Interessen Unterhaltsberechtigter trägt nach der bisherigen Rechtslage die in § 51 Abs. 5 StVollzG getroffenen Regelung Rechnung. Nach Maßgabe dieser Vorschrift ist bei einer Pfändung wegen der in § 850d Abs. 1 Satz 1 ZPO bezeichneten Unterhaltsansprüche der Anspruch auf Auszahlung des Eigengeldes - ebenso wie der Anspruch auf Auszahlung des Überbrückungsgeldes - abweichend von § 51 Abs. 4 StVollZG pfändbar. Einem Gefangenen bleibt es zudem unbenommen, seinen Anspruch auf Auszahlung des künftig aus seinen Bezügen zu bildenden Eigengeldes, sofern der Anspruch nicht bereits gepfändet ist, an einen Unterhaltsberechtigten abzutreten.

Ende der Entscheidung

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