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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 14.03.2003
Aktenzeichen: IXa ZB 27/03
Rechtsgebiete: RechtspflegerG, ZPO


Vorschriften:

RechtspflegerG § 10
ZPO § 42
Zur Ablehnung eines Rechtspflegers im Zwangsversteigerungsverfahren.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

IXa ZB 27/03

vom

14. März 2003

in dem Zwangsversteigerungsverfahren

Der IXa -Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Kreft, die Richter Raebel, Athing, von Lienen und die Richterin Dr. Kessal-Wulf

am 14. März 2003

beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde der Schuldner wird der Beschluß der 5. Zivilkammer des Landgerichts Tübingen vom 31. Juli 2002 aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Im Termin zur Zwangsversteigerung am 27. Februar 2002 lehnten die Schuldner den Rechtspfleger wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Das Amtsgericht wies das Befangenheitsgesuch mit Beschluß vom 21. März 2002 als unbegründet zurück. Die sofortige Beschwerde blieb ohne Erfolg. Gegen diese Beschwerdeentscheidung wenden sich die Schuldner mit ihrer zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

1. Das Landgericht hat über den von ihm angewandten Maßstab zur Beurteilung eines Ablehnungsgesuchs gegen einen Rechtspfleger im Zwangsvollstreckungsverfahren folgendes ausgeführt: Gegenüber dem Erkenntnisverfahren, in dem die Berechtigung streitiger Ansprüche im Mittelpunkt stehe, gebe es im Zwangsvollstreckungsverfahren, in dem es um die Realisierung titulierter Ansprüche gehe, deutlich eingeschränkte Prüfungspflichten und Prüfungsmöglichkeiten des Rechtspflegers. Deshalb seien jedenfalls keine strengeren, sondern tendenziell eher geringere Anforderungen an die Unparteilichkeit des Rechtspflegers und die Vermeidung des Scheins seiner Parteilichkeit zu stellen.

2. Diese Auffassung begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Sie läßt besorgen, daß das Landgericht bei der Bewertung der Ablehnungsgründe zu hohe Anforderungen an das Vorliegen der Befangenheit des Rechtspflegers gestellt hat.

Der Rechtspfleger, der kein Richter im Sinne von Art. 92 und 97 GG ist, entscheidet innerhalb des ihm nach § 3 RPflG übertragenen Aufgabenkreises. Das Prozeßgrundrecht auf eine Entscheidung durch einen unparteiischen Rechtspfleger folgt aus dem Grundsatz des fairen Verfahrens (BVerfGE 101, 397, 405 m.w.Nachw.; G. Vollkommer, Der ablehnbare Richter 2001 S. 37 ff), aus § 9 RpflG über die Unabhängigkeit des Rechtspfleger und insbesondere aus § 10 RpflG über Ausschluß und Ablehnung des Rechtspflegers. Nach § 10 Satz 1 RpflG sind für die Ablehnung des Rechtspflegers die für den Richter geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden (§§ 42 ff ZPO und §§ 24 ff StPO).

a) Die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit eines Richters/Rechtspflegers findet gemäß § 42 Abs. 2 ZPO nur statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen dessen Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dabei muß es sich um einen objektiven Grund handeln, der vom Standpunkt des Ablehnenden aus die Befürchtung erwecken kann, der Rechtspfleger stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber. Rein subjektive, unvernünftige Vorstellungen und Gedankengänge des Antragstellers scheiden als Ablehnungsgrund aus. Entscheidend ist, ob ein Prozeßbeteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlaß hat, an der Unvoreingenommenheit eines Rechtspflegers zu zweifeln (vgl. BVerfG NJW 1993, 2230 m.w.Nachw.; BGH, Beschl. v. 30. Januar 1986 - X ZR 70/84 - NJW-RR 1986, 738; st.Rspr.).

b) Dieser Maßstab gilt entgegen der Auffassung des Landgerichts auch im Zwangsversteigerungsverfahren, das dem Rechtspfleger nach § 3 Nr. 1 Buchst. i RpflG übertragen ist. Die Durchführung dieses Verfahrens, in dem der Staat durch den Hoheitsakt des Zuschlags Eigentum entzieht und auf den Meistbietenden überträgt, verlangt vom Rechtspfleger Unabhängigkeit, Neutralität und Distanz gegenüber den Verfahrensbeteiligten (vgl. für die Auseinandersetzungsversteigerung unter Eheleuten BVerfGE 42, 64, 75; für das FGG-Verfahren BVerfGE 21, 139, 146). Das Zwangesversteigerungsverfahren erfordert wegen seiner weitreichenden wirtschaftlichen Auswirkungen und seinen den Beteiligten zumeist nicht leicht zugänglichen rechtlichen Schwierigkeiten und strengen Formerfordernissen eine verantwortungsvolle Verfahrensgestaltung. Dem Rechtspfleger kommt die Aufgabe zu, durch die Beachtung der Verfahrensvorschriften im Spannungsfeld zwischen den Interessen des Gläubigers und des Schuldners als Träger des Eigentumsrechtes Rechtssicherheit bei gleichmäßiger Wahrung der unterschiedlichen Belange der Verfahrensbeteiligten zu schaffen (Stöber, ZVG 17. Aufl. Einl. Rdn. 5, 6). Zwar mögen in Zwangsversteigerungsverfahren Rechtspfleger gelegentlich nur deshalb abgelehnt werden, um die Zwangsversteigerung zu verzögern oder gar zu verhindern (Arnold, Rechtspflegergesetz 5. Aufl. § 10 Rdn. 21). Darin liegt indes kein hinreichender Grund, für die Zwangsversteigerung von den die Unparteilichkeit des Rechtpflegers sichernden Grundsätzen abzuweichen, die seit langem ein selbstverständlicher und unentbehrlicher Bestandteil der Gerichtsverfassung sind (BVerfGE 21, 139, 146).

3. Danach kann der Beschluß des Landgerichts keinen Bestand haben. Es ist nicht auszuschließen, daß das Landgericht insbesondere bei der Gesamtwürdigung der geltend gemachten Ablehnungsgründe - Bestimmung des Termins auf 7.00 Uhr morgens, obwohl die Verfahrensbevollmächtigten der Schuldner von Bad Homburg und Stuttgart nach Tübingen anreisen mußten; Verweigerung der Akteneinsicht; Verhängung eines Ordnungsgeldes gegen den Verfahrensbevollmächtigten der Schuldner; Frage an deren weitere Verfahrensbevollmächtigte, ob sie das Schreibwerkzeug des anderen Bevollmächtigten sei - bei Anwendung des zutreffenden Maßstabes zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre und eine Besorgnis der Befangenheit des Rechtspflegers bejaht hätte. Deshalb ist die Sache unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.

Ende der Entscheidung

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