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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 14.03.2003
Aktenzeichen: IXa ZB 46/03
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, ZVG


Vorschriften:

ZPO § 800
ZPO § 574 Abs. 1 Nr. 2
ZPO § 574 Abs. 3 Satz 2
ZPO § 737
ZPO § 771
BGB § 879
BGB § 1192 Abs. 1
BGB § 1147
BGB § 880 Abs. 1
BGB § 879 Abs. 3
BGB § 1051 ff.
BGB § 1086 S. 1
ZVG § 52 Abs. 1
ZVG § 91 Abs. 1
ZVG § 146
ZVG § 148 Abs. 2
ZVG § 150 Abs. 2
ZVG § 152 Abs. 1
ZVG § 161 Abs. 4
ZVG § 28
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

IXa ZB 46/03

vom

14. März 2003

in dem Zwangsverwaltungsverfahren

Der IXa-Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Kreft, die Richter Raebel, Athing, von Lienen und die Richterin Dr. Kessal-Wulf

am 14. März 2003

beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß der 5. Zivilkammer des Landgerichts Saarbrücken vom 28. Oktober 2002 wird auf Kosten der Gläubigerin zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 50.000 €

Gründe:

I. Die Schuldner sind in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts verbunden. Diese hält Miteigentumsanteile nebst Sondereigentum an einem Grundbesitz, der insgesamt vier Flurstücke umfaßt. Auf zwei Flurstücken lastet ein am 28. Februar 1977 in Abteilung II Nr. 9 eingetragenes Nießbrauchrecht. Zugunsten der Gläubigerin besteht in Abteilung III Nr. 1 eine gemäß § 800 ZPO vollstreckbare Buchgrundschuld über 6.550.000 DM (3.348.961,82 €). Aufgrund eines anläßlich der Grundschuldbestellung vom 21. Juli 1999 erklärten Rangrücktritts der Nießbraucherin wurde am 17. September 2001 der Vorrang des Grundpfandrechts vor dem Nießbrauchrecht in das Grundbuch eingetragen.

Die Gläubigerin hat die Anordnung der Zwangsverwaltung begehrt. Ihrem Antrag hat das Amtsgericht nur insoweit entsprochen, als die Rechte der Nießbraucherin, die durch Vermietung Nutzungen aus der Sache zieht, durch die Zwangsverwaltung nicht beeinträchtigt werden dürfen. Der hiergegen gerichteten Beschwerde der Gläubigerin hat das Amtsgericht nicht abgeholfen; das Landgericht hat sie zurückgewiesen. Mit ihrer zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt die Gläubigerin die uneingeschränkte Anordnung der Zwangsverwaltung.

II. Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und auch im übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

1. Nach Auffassung des Beschwerdegerichts kommt auch bei einem nachrangigen Nießbrauchrecht die unbeschränkte Anordnung der Zwangsverwaltung nur dann in Betracht, wenn der Nießbraucher zustimmt oder ein gegen ihn gerichteter Duldungstitel vorgelegt wird. Denn Besitz- und Nutzungsrechte des Nießbrauchers (§§ 1036, 1030 BGB) und des Zwangsverwalters (§§ 150 Abs. 2, 152 ZVG) schlössen einander aus. Einen Duldungstitel habe die Gläubigerin bislang nicht erwirkt. Mit ihrem Rangrücktritt habe die Nießbraucherin nicht zugleich das Einverständnis mit künftigen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen erklärt. Daher habe das Amtsgericht die Gläubigerin zutreffend auf eine lediglich beschränkte Zwangsverwaltung verwiesen.

2. Demgegenüber macht die Rechtsbeschwerde geltend, die Rangordnung dinglicher Rechte an Grundstücken ergebe sich unmittelbar aus § 879 BGB. Sie müsse nicht durch einen besonderen Titel geklärt werden. Die Bestimmung des § 737 ZPO verlange einen Duldungstitel nur bei Bestellung des Nießbrauchs an einem Vermögen (§ 1085 BGB), während es hier um den Nießbrauch an einer unbeweglichen Sache gehe. Die Nießbraucherin habe das Grundstück nicht in Besitz genommen. Nur für diesen Fall komme die Zwangsverwaltung ohne Zustimmung oder Duldungstitel einer verbotenen Eigenmacht gleich. Vom Standpunkt des Beschwerdegerichts aus müßte auch die Zwangsversteigerung von dem Bestehen eines Duldungstitels gegen den nachrangigen Nießbraucher abhängig gemacht werden. Das aber laufe den §§ 52 Abs. 1, 91 Abs. 1 ZVG zuwider.

3. Das vermag nicht zu überzeugen. Die Gläubigerin kann die Anordnung einer unbeschränkten Zwangsverwaltung nur mit Zustimmung der Nießbraucherin oder nach Vorlage eines gegen diese gerichteten Titels erreichen. Beides hat sie nicht beigebracht, so daß die angefochtene Entscheidung zu Recht ergangen ist.

a) Bei der Zwangsverwaltung wird der die Zwangsvollstreckung aus dem Grundpfandrecht betreibende Gläubiger aus den Erträgnissen des Grundstücks befriedigt. Dazu muß sich der vom Vollstreckungsgericht bestellte Zwangsverwalter den Besitz verschaffen (§§ 146, 150 Abs. 2, 152 Abs. 1 ZVG). Nach dem Gesetz steht aber auch dem Nießbraucher das Recht zu, den Gegenstand zu besitzen (§ 1036 BGB) und die Nutzungen aus ihm zu ziehen (§ 1030 BGB). Insbesondere ist er befugt, die Sache - wie hier - zu vermieten (vgl. BGHZ 109, 111, 115) und den erzielten Mietzins zu vereinnahmen; einen unmittelbaren Besitz des Nießbrauchers setzen Bestellung und Ausübung des Nießbrauchs nicht voraus (Soergel/Stürner, BGB 13. Aufl. § 1036 Rdn. 2).

Da sowohl der Nießbraucher als auch der Grundpfandgläubiger Inhaber auf demselben Grundstück lastender dinglicher Rechte sind, richtet sich ihr Rangverhältnis nach § 879 BGB (RGZ 81, 146, 150; Erman/F. Wenzel, BGB 10. Aufl. § 1124 Rdn. 3; RGRK/Mattern, BGB 12. Aufl. § 1124 Rdn. 15; MünchKomm/Eickmann, BGB 3. Aufl. § 1124 Rdn. 44). Danach ist grundsätzlich die Reihenfolge der Eintragungen maßgeblich (§ 879 Abs. 1 BGB), wenn nicht eine davon abweichende Bestimmung in das Grundbuch eingetragen ist (§ 879 Abs. 3 BGB). Zu einer solchen Rangänderung ist es zwischen der Nießbraucherin und der Rechtsvorgängerin der Gläubigerin bei Bestellung der Grundschuld gekommen (§ 880 Abs. 2 Satz 1 BGB). Die Nießbraucherin hat daher die Zwangsvollstreckung in das Grundstück zu dulden (vgl. KG OLGE 20, 390 f.); das als vorrangig eingetragene Grundpfandrecht verdrängt das aufgrund des Rangrücktritts nachrangige Nießbrauchrecht.

b) Dennoch kann der Ansicht nicht gefolgt werden, es bedürfe keines Duldungstitels gegen den Nießbraucher, um die Zwangsverwaltung uneingeschränkt durchzuführen, weil dem Nießbraucher kein erst noch zu überwindendes Recht zustehe, das bei einer entsprechenden Klage aus § 771 ZPO Erfolg verspreche (vgl. MünchKomm/Eickmann, aaO Rdn. 45; Muth, in: Dassler/Schiffhauer/Gerhardt, ZVG 12. Aufl. vor § 146 Rdn. 9; Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen, Zwangsverwaltung 2. Aufl. § 146 ZVG Rdn. 12; RGZ 81, 146, 150 zur Pfändung von Mietzinsforderungen durch Hypothekengläubiger; offen hingegen RGZ 101, 5, 10). Denn der materiell-rechtliche Anspruch der Grundschuldgläubigerin gegen die Nießbraucherin aus §§ 1192 Abs. 1, 1147, 880 Abs. 1, 879 Abs. 3 BGB, die Zwangsvollstreckung in das Grundstück zu dulden, macht diese für sich allein noch nicht zur Vollstreckungsschuldnerin (vgl. Rostock OLGE 35, 188, 189). Ohne einen entsprechenden Titel ist der Anspruch vollstreckungsrechtlich nicht durchsetzbar; die Nießbraucherin muß Besitz und Nutzung des Grundstücks durch den Zwangsverwalter nicht hinnehmen.

Die Zwangsvollstreckung kann nur gegen denjenigen betrieben werden, der im Titel oder in der Klausel (§ 727 ZPO) als Vollstreckungsschuldner namentlich benannt ist (so schon Littmann, JW 1932, 3169). Allein diesem werden gemäß § 148 Abs. 2 ZVG Verwaltung und Benutzung durch die Beschlagnahme des Grundstücks entzogen. Vorliegend betrifft dies aufgrund der in der Grundschuldbestellungsurkunde enthaltenen Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks, nicht hingegen die Nießbraucherin. Folgerichtig hat das Vollstreckungsgericht den Zwangsverwalter gemäß den §§ 150 Abs. 2, 152 Abs. 1 ZVG lediglich in die (mittelbare) Besitzposition und in die Rechte eingewiesen, die dem Schuldner als Eigentümer des Grundstücks gegenüber dem Nießbraucher zustehen. Dem Zwangsverwalter kommt statt des Eigentümers die Befugnis zu, die Rechtsausübung des Nutzungsberechtigten zu überwachen, um gegebenenfalls nach den §§ 1051 ff. BGB gegen ihn vorzugehen (vgl. RGZ 56, 388, 389; Steiner/Eickmann/Hagemann/Storz/Teufel, Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung 9. Aufl. § 146 ZVG Rdn. 79; Dempewolf, Anm. zu OLG Köln NJW 1957, 1769, 1780; Muth, Zwangsversteigerungspraxis S. 540 Rdn. 22). Der vom Gläubiger vorgelegte, auf den jeweiligen Grundstückseigentümer lautende Titel berechtigt jedoch nicht dazu, auch die Nießbraucherin aus ihrem Besitz zu setzen und an ihrer Stelle den Mietzins zu vereinnahmen (§ 152 Abs. 1, 2 ZVG). Nichts anders folgt aus § 737 ZPO. Die Vorschrift setzt lediglich eine bestimmte, sich aus § 1086 S. 1 BGB ergebende Rechtslage vollstreckungsrechtlich um (Musielak/Lackmann, ZPO 3. Aufl. § 737 Rn. 3), ohne daß daraus der Schluß gezogen werden kann, in allen anderen Fällen sei ein Vollstreckungstitel gegen den Nießbraucher entbehrlich. Die Rechtsbeschwerde übersieht zudem, daß durch die Vermietung eine Inbesitznahme des Grundstücks durch die Nießbraucherin erfolgt ist. Daß es sich hierbei um mittelbaren Besitz (§§ 871, 868 BGB; dazu BGHZ 109, aaO) handelt, steht dem nicht entgegen.

c) Der Senat schließt sich damit der Meinung an, die für die Zulässigkeit von Zwangsverwaltungsmaßnahmen gegen den Nießbraucher einen Titel gegen den Eigentümer allein nicht genügen läßt (Mohrbutter/Drischler/Radtke/Tiedemann, Die Zwangsversteigerungs- und Zwangsverwaltungspraxis 7. Aufl. Muster 151 S. 862; Staudinger/Frank, BGB 13. Bearb. [2002] Vorbem. zu §§ 1030 ff. Rdn. 84 ff.; Littmann, aaO; Jäckel/Güthe, ZVG 7. Aufl. § 146 Rdn. 5; Stöber, ZVG 17. Aufl. § 146 Rdn. 10.2; ders. ZVG Handbuch 7. Aufl. Rdn. 584; RGZ 93, 122, 124, zur Pfändung von Mietzinsforderungen durch den Hypothekengläubiger). Der auf den Nießbraucher lautende Titel muß dabei schon zu Beginn der Zwangsvollstreckung vorliegen. Er ist vollstreckungsrechtliches Verfahrenserfordernis für die Durchsetzung des Anspruchs des Grundpfandgläubigers gegen den Nießbraucher. Die Zwangsverwaltung darf daher nicht zunächst - auch ohne Duldungstitel gegen den Nießbraucher - unbeschränkt angeordnet und erst dann als beschränkte Zwangsverwaltung fortgeführt werden, wenn der Nießbraucher die Einräumung des (unmittelbaren oder mittelbaren) Besitzes verweigert und der Gläubiger - nach einstweiliger Einstellung der unbeschränkten Zwangsverwaltung gemäß §§ 161 Abs. 4, 28 ZVG - binnen der vom Vollstreckungsgericht gesetzten Frist keinen Duldungstitel vorgelegt hat (so aber Steiner/Eickmann/Hagemann/Storz/Teufel, aaO Rdn. 82; MünchKomm/Petzold, BGB 3. Aufl. vor § 1030 Rdn. 33; Soergel/Stürner, aaO vor § 1030 Rdn. 20; Böttcher, ZVG 3. Aufl. § 146 Rdn. 49; Korintenberg-Wenz, ZVG 6. Aufl. S. 567; ferner Muth, aaO S. 539 Rdn. 19; KG JW 1933, 2348, 2349; LG Bielefeld Rechtspfleger 1991, 74, 75 mit zustimmender Anmerkung Meyer-Stolte). Im übrigen hat die Nießbraucherin in ihrem an das Beschwerdegericht gerichteten Schreiben vom 1. November 2002 geltend gemacht, auf die Mieteinnahmen, die sie aus der dem Nießbrauch unterliegenden Sache erziele, zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts angewiesen zu sein. Darin kommt mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck, daß sie sich dagegen wendet, die Zwangsverwaltung auch auf ihre Rechte als Nießbraucherin zu erstrecken. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte die Anordnung einer unbeschränkten Zwangsverwaltung nicht mehr aufrechterhalten werden können.

d) Wenn die Rechtsbeschwerde darauf verweist, es sei widersprüchlich, bei der Zwangsverwaltung einen Duldungstitel gegen den Nießbraucher zu verlangen, ihn hingegen bei der Zwangsversteigerung als entbehrlich anzusehen, so greift dies nicht durch. Das Zwangsversteigerungsverfahren folgt anderen Regeln als das Zwangsverwaltungsverfahren. Ein dem Anspruch des betreibenden Gläubigers vorgehendes Nießbrauchrecht bleibt von der Zwangsversteigerung unberührt (§§ 44 Abs. 1, 52 Abs. 1 Satz 1 ZVG), während das rangschlechtere kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung (§§ 52 Abs. 1 Satz 2, 91 Abs. 1 ZVG) mit dem Zuschlag erlischt. Dem Nießbraucher verbleibt dann lediglich ein - nachrangiger - Anspruch auf eine aus dem Versteigerungserlös zu zahlende Geldrente (§§ 92 Abs. 2, 121 Abs. 1 ZVG).



Ende der Entscheidung

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