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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 16.11.1999
Aktenzeichen: KVR 10/98
Rechtsgebiete: GWB


Vorschriften:

GWB § 78
GWB § 78

Erledigte Beschwerde

Zur Verteilung der Kosten nach Erledigung der Beschwerde im Kartellverwaltungsverfahren.

BGH, Beschl. v. 16. November 1999 - KVR 10/98 - Kammergericht


BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

KVR 10/98

vom

16. November 1999

in der Kartellverwaltungssache

Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofes hat am 16. November 1999 durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofes Geiß und die Richter Dr. Melullis, Ball, die Richterin Dr. Tepperwien und den Richter Dr. Bornkamm

beschlossen:

Tenor:

1. Die Gerichtskosten des Verfahrens tragen der Rechtsbeschwerdeführer und die Rechtsbeschwerdegegnerin je zur Hälfte. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

2. Der Wert des Verfahrensgegenstandes beträgt bis zur übereinstimmenden Erklärung der Erledigung in der Hauptsache

50 Millionen DM.

Gründe:

I. Das Ende 1994 angemeldete Vorhaben der Betroffenen, ihre Beteiligung an der Verfahrensbeteiligten zu 1 durch den Erwerb weiterer Anteile von 20 % auf 35 % aufzustocken, hat das Bundeskartellamt mit Beschluß vom 24. Januar 1995 untersagt (WuW/E BKartA 2729). Diese Entscheidung hat das Kammergericht auf Beschwerde der Betroffenen mit Beschluß vom 18. März 1998 aufgehoben (WuW/E DE-R 94). Das Bundeskartellamt hat hiergegen Rechtsbeschwerde mit dem Ziel eingelegt, die Beschwerde unter Aufhebung des Beschlusses zurückzuweisen. In der Folge hat die Betroffene das angemeldete Vorhaben aufgegeben und daraufhin das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt; das Bundeskartellamt hat sich dieser Erklärung angeschlossen. Die Parteien haben beantragt, jeweils der Gegenseite die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Die Betroffene bittet hilfsweise weiter darum, dem Bundeskartellamt die Hälfte der Gerichtskosten und ihrer außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen.

II. Nachdem die Parteien das Verfahren in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, hat der Senat nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Diese Entscheidung kann im schriftlichen Verfahren ergehen, nachdem die Parteien hierzu ihr Einverständnis erklärt haben (§§ 69 Abs. 1, 76 Abs. 5 Satz 1 GWB). Insoweit entspricht es der Billigkeit, die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufzuheben.

1. Nach der Rechtsprechung des Senats zu § 77 GWB a.F. richtet sich die Entscheidung über die Kostenlast grundsätzlich nach dem Ausgang des Verfahrens (vgl. Sen.Beschl. v. 29.6.1982 - KVR 5/81, WuW/E 1947, 1948 - Stuttgarter Wochenblatt; v. 20.3.1984 - KVR 7/83, WuW/E 2084 u. v. 29.10.1985 - KVR 4/83, WuW/E 2207, 2208 - Lufthansa-f.i.r.s.t. Reisebüro; s. auch Kollmorgen in Langen/Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, 8. Aufl., § 77 GWB Rdn. 6 m.w.N.). Wegen der außergerichtlichen Kosten bestimmt § 78 Satz 1 GWB (§ 77 Satz 1 GWB a.F.), daß das Gericht deren Erstattung anordnen kann, wenn dies der Billigkeit entspricht. Für die danach gebotene Abwägung ist grundsätzlich auf alle Umstände des jeweiligen Einzelfalls abzustellen, unter denen dem Ausgang des Verfahrens wesentliche Bedeutung zukommt (vgl. BVerfGE 74, 78, 94 f.; s.a. Kollmorgen aaO m.w.N. insbesondere aus der Rechtsprechung des Kammergerichts). Der Ausgang des Verfahrens kann allerdings dann, wenn die Parteien das Verfahren - wie hier - in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, nur ausschlaggebend Berücksichtigung finden, wenn er bei der hiernach allein angezeigten summarischen Prüfung nach dem bisherigen Sach- und Streitstand mit hinreichender Sicherheit festzustellen ist. Steht allein noch die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens in Betracht, ist das Gericht - ähnlich wie bei der Kostenentscheidung nach § 91a ZPO (vgl. dazu BGHZ 67, 343, 346; Zöller/Vollkommer, ZPO, 21. Aufl. § 91a Rdn. 24) - nicht gehalten, einem rechtlich oder tatsächlich schwierigen Sachverhalt in allen aufgeworfenen Fragen nachzugehen; eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten kann insoweit genügen. Das Verfahren über die Verteilung der Kosten dient im Kartellverwaltungsprozeß ebensowenig der abschließenden Klärung von Rechtsfragen wie im Zivilprozeß; es soll lediglich zu einer dem jeweiligen Sach- und Streitstand entsprechenden Kostenverteilung führen. Vor diesem Hintergrund widerspräche eine abschließende Prüfung und Entscheidung der rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten, die kartellverwaltungsrechtliche Verfahren regelmäßig aufweisen, dem Grundsatz der Prozeßökonomie; sie ist in diesem Verfahren nicht geboten. Ist der Verfahrensausgang danach offen, sind im Regelfall die Gerichtskosten hälftig zu teilen; eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten findet nicht statt. Soweit der Senat in der Vergangenheit die Auffassung vertreten hat, daß die Gerichtskosten bei offenem Ausgang des Verfahrens dem Rechtsbeschwerdeführer aufzuerlegen sind (Beschl. v. 29.10.1985 aaO), hält er hieran nicht fest.

2. In Anwendung des danach allein gebotenen Prüfungsmaßstabs ist im vorliegenden Fall der voraussichtliche Ausgang des Verfahrens nicht mit hinreichender Sicherheit festzustellen.

a) Der Auffassung des Kammergerichts, die Verfügung des Bundeskartellamts sei bereits aus formellen Gründen aufzuheben, weil die Untersagungsverfügung verspätet ergangen sei, kann nicht beigetreten werden. Seine Würdigung hat das Beschwerdegericht allein darauf gestützt, daß die Verfügung erst nach Ablauf von mehr als vier Monaten nach der Anmeldung des Zusammenschlußvorhabens zugestellt worden sei, ohne daß der Verlängerung der Untersagungsfrist neben den übrigen Verfahrensbeteiligten auch der Veräußerer der Geschäftsanteile zugestimmt habe. Einer solchen Zustimmung bedurfte es indessen hier nicht; vielmehr genügte das vorliegende Einverständnis der Betroffenen und der Verfahrensbeteiligten zu 1.

Jedenfalls bei einem Zusammenschlußvorhaben nach § 23 Abs. 2 Nr. 2 GWB a.F., wie es der Verfügung des Bundeskartellamts nach seinen tatsächlichen Ermittlungen zugrunde gelegen hat, gehört der Veräußerer der Anteile nicht zu den beteiligten Unternehmen im Sinne dieser Vorschrift (vgl. dazu auch KG WuW/E OLG 2113 - Steinkohlenstromerzeuger; WuW/E OLG 2202 - Stadtwerke Leverkusen; Ruppelt in Langen/Bunte aaO § 23 GWB Rdn. 80 m.w.N.). Das wird bestätigt durch die ausdrückliche Erwähnung des Veräußerers in § 23 Abs. 4 Nr. 2 lit. b u. § 51 Abs. 2 Nr. 5 GWB a.F. Der dort geregelten ausdrücklichen Verpflichtung zur Beteiligung auch des Veräußerers hätte es nicht bedurft, wenn dieser bereits als beteiligtes Unternehmen im Sinne des § 23 Abs. 2 Nr. 2 GWB a.F. allgemein in das Verfahren einbezogen wäre. Das Fehlen einer entsprechenden Regelung in § 24 a Abs. 2 Satz 2 GWB a.F. erklärt sich auch daraus, daß dem Veräußerer in den §§ 23 Abs. 4 Nr. 2 lit. b u. 51 Abs. 2 Nr. 5 GWB a.F. nur die Möglichkeit einer Teilnahme am Verfahren und damit eine verfahrensrechtliche Stellung eingeräumt wird, die es nicht gebietet, etwaige Verlängerungen der gesetzlichen Fristen auch von seiner Zustimmung abhängig zu machen. Die besonderen Gründe, die bei dem Zusammenschluß in Form eines Erwerbs von Unternehmen oder Unternehmensteilen vom Veräußerer selbst dazu führen, daß bei diesem eine notwendige Beteiligung angenommen wird (vgl. dazu Ruppelt aaO Rdn. 79), greifen hier nicht ein. Der Veräußerer wird dort notwendig in das Verfahren einbezogen, weil er auch an den gebildeten Gemeinschaftsunternehmen beteiligt ist.

b) Der Erfolg des Rechtsmittels hängt im vorliegenden Fall damit maßgeblich davon ab, ob durch die angemeldete Erhöhung der Beteiligung der Betroffenen an der Verfahrensbeteiligten zu 1 eine marktbeherrschende Stellung entstanden wäre. Insoweit sind die Erfolgsaussichten der Rechtsbeschwerde offen, da der Sachverhalt eine Reihe schwieriger Fragen hinsichtlich der Abgrenzung des relevanten Marktes und des Einflusses verschiedener Faktoren auf die Marktverhältnisse aufwirft, die im Rahmen der hier gebotenen summarischen Prüfung nicht abschließend geklärt werden können.

c) Ist der vermutliche Verfahrensausgang offen, sind die Gerichtskosten hälftig zu teilen. Ihre außergerichtlichen Kosten haben die Beteiligten jeweils selbst zu tragen. Sonstige Gesichtspunkte, die im Rahmen der Billigkeitserwägung zu einer abweichenden Kostenverteilung führen könnten, sind nicht ersichtlich.

Entgegen der Auffassung des Bundeskartellamts führt die Aufgabe des Zusammenschlußvorhabens durch die Betroffene nicht dazu, daß sie mit den gesamten Verfahrenskosten zu belasten ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und des Kammergerichts kann eine solche Aufgabe auch nicht unter dem Gesichtspunkt berücksichtigt werden, daß sich die beteiligten Unternehmen freiwillig in die Rolle des Unterlegenen begeben hätten (vgl. Sen.Beschl. WuW/E 2207 f. - Lufthansa-f.i.r.s.t Reisebüro; KG WuW/E OLG 4405).

Soweit die Betroffene darauf verweist, daß sie aufgrund des einseitigen Anwaltszwangs im Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahren mit höheren außergerichtlichen Kosten belastet sei als das Bundeskartellamt, ist dies nicht geeignet, ihrem Hilfsantrag zum Erfolg zu verhelfen (vgl. BVerfG, BB 1976, 946; BVerfGE 74, 78, 93)

Ende der Entscheidung

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