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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 28.06.2005
Aktenzeichen: KVZ 34/04
Rechtsgebiete: GWB


Vorschriften:

GWB § 36 Abs. 1
GWB § 40 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

KVZ 34/04

vom 28. Juni 2005

in der Kartellverwaltungssache

Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. Juni 2005 durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofs Prof. Dr. Hirsch, den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Ball, Prof. Dr. Bornkamm und Prof. Dr. Meier-Beck

beschlossen:

Tenor:

Die Nichtzulassungsbeschwerde gegen den Beschluß des Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 7. Oktober 2004 wird auf Kosten der Beschwerdeführerin zurückgewiesen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 250.000 € festgesetzt.

Gründe:

I. Die Beschwerdeführerin (im folgenden: Ampere) ist ein Energiebroker. Sie hat von ihren Kunden das Mandat, bestehende Energielieferverträge zu kündigen und neue - kostengünstigere - Verträge abzuschließen. Nach ihrer eigenen Darstellung übersteigt der von ihr betreute Energiepool 3 Mrd. Kilowattstunden, wovon etwa zwei Drittel auf Gaslieferverträge entfallen. Die Beschwerdeführerin ist für ihr auf einer Bündelung der Endkundennachfrage beruhendes Geschäftsmodell auf einen möglichst diskriminierungsfreien Zugang zu den Strom- und Gasnetzen angewiesen. Sie wendet sich gegen die Freigabe eines Zusammenschlußvorhabens, das auf einen Zusammenschluß der Beteiligten zu 1 (im folgenden: EWE) mit der Beteiligten zu 2 (im folgenden: VNG) hinausläuft. VNG ist ein Ferngasunternehmen, das den größten Teil der neuen Bundesländer über ein eigenes Netz mit Gas versorgt. EWE ist als regionaler Gebietsversorger für Strom und Gas im Ems-Weser-Elbe-Gebiet sowie im östlichen Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg einer der Abnehmer der VNG. Das Zusammenschlußvorhaben war dadurch ausgelöst worden, daß im Zuge der Ministererlaubnis für das Zusammenschlußvorhaben E.ON/Ruhrgas den dort beteiligten Unternehmen auferlegt worden war, sich von ihren Beteiligungen an VNG und EWE zu trennen.

Das Zusammenschlußvorhaben VNG/EWE wurde beim Bundeskartellamt mit Schreiben vom 9. Dezember 2003 angemeldet. Am 19. Dezember 2003 beantragte die Beschwerdeführerin ihre Beiladung zu diesem Fusionskontrollverfahren. Am 23. Dezember 2003 beschloß die zuständige Beschlußabteilung des Bundeskartellamts, den angemeldeten Zusammenschluß VNG/EWE nicht zu untersagen. Dieser Beschluß beruhte auf der Annahme, daß der angemeldete Zusammenschluß zwar zur Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung von VNG und EWE führe, daß aber fusionsbedingte Verbesserungen der Wettbewerbsbedingungen die wettbewerbsschädlichen Wirkungen überwögen. Am selben Tag teilte das Bundeskartellamt den Zusammenschlußbeteiligten mit, daß das angemeldete Vorhaben die Untersagungsvoraussetzungen des § 36 Abs. 1 GWB nicht erfülle; es könne vollzogen werden. Die Beschwerdeführerin wurde hiervon unterrichtet. Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Beiladung wurde mit Beschluß des Amtes vom 8. Januar 2004 mit der Begründung abgelehnt, daß das Verfahren der Zusammenschlußkontrolle bereits mit der Mitteilung der Freigabe im Schreiben vom 23. Dezember 2003 innerhalb der Monatsfrist des § 40 Abs. 1 GWB abgeschlossen und eine Beiladung daher nicht mehr möglich sei. Im übrigen habe das Bundeskartellamt sein Ermessen in der Weise ausgeübt, daß von einer Beiladung abzusehen sei.

Die Beschwerdeführerin hat sowohl gegen die Ablehnung des Beiladungsantrags als auch gegen die Freigabeverfügung vom 23. Dezember 2003 Beschwerde eingelegt. Das Oberlandesgericht hat beide Beschwerden zurückgewiesen. In der hier angegriffenen, die Freigabe betreffenden Entscheidung hat es die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Mit Recht hat das Oberlandesgericht die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen.

Die Sache wirft weder Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (§ 74 Abs. 2 GWB). Die im Streitfall entscheidungserheblichen Rechtsfragen sind geklärt. Mit Recht ist das Oberlandesgericht davon ausgegangen, daß die Beschwerde, mit der sich die Beschwerdeführerin gegen die Freigabe wendet, nicht statthaft ist. Dabei kann offenbleiben, ob die Beschwerdeführerin schon deswegen an der Einlegung einer zulässigen Beschwerde gehindert ist, weil sie im Verwaltungsverfahren nicht beigeladen worden und sie daher nach § 63 Abs. 2 i.V. mit § 54 Abs. 2 Nr. 3 GWB nicht beschwerdebefugt ist, oder ob dieses Hindernis dadurch überwunden werden kann, daß die Beiladung zu Unrecht abgelehnt worden ist. Denn die Beschwerde richtet sich gegen eine im Grundsatz gerichtlich nicht anfechtbare Entscheidung, durch die die Wirkungen vorweggenommen worden sind, die das Gesetz in § 40 Abs. 1 Satz 1 GWB für den Fall vorsieht, daß die dort bestimmte Monatsfrist abläuft, ohne daß das Bundeskartellamt eine Mitteilung über die Einleitung des Hauptprüfverfahrens gemacht hat. Läuft die Monatsfrist ab, ohne daß eine solche Mitteilung erfolgt ist, bedeutet dies, daß das Zusammenschlußvorhaben - von den in § 40 Abs. 2 GWB geregelten Ausnahmefällen abgesehen - nicht mehr untersagt werden darf (vgl. Mestmäcker/Veelken in Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl., § 40 Rdn. 22 u. 84; Wiedemann/Richter, Handbuch des Kartellrechts, § 21 Rdn. 77; Bechtold, Kartellrecht, 3. Aufl., § 40 Rdn. 6; Begründung 6. GWB-Novelle BT-Drucks. 13/9720, S. 44). Zwar wird damit dem Bundeskartellamt die Möglichkeit eingeräumt, die Anfechtung einer Freigabe auch in Fällen, in denen an sich die Durchführung eines Hauptprüfverfahrens erforderlich gewesen wäre (§ 40 Abs. 1 Satz 2 GWB), dadurch zu vereiteln, daß die Freigabe bereits innerhalb der Monatsfrist bewirkt wird. Der verfassungsrechtlich garantierte Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) wird dadurch aber nur in den - eher seltenen - Fällen tangiert, in denen die Freigabe ein subjektives öffentliches Recht eines Dritten verletzt. Ob und gegebenenfalls wie in einem solchen Fall ausnahmsweise eine Rechtsschutzmöglichkeit eröffnet werden kann (vgl. etwa die Vorschläge von Dormann, Drittklagen im Recht der Zusammenschlußkontrolle, 2000, S. 50 ff.), bedarf im Streitfall keiner Klärung. Die Beschwerdeführerin mag durch die Freigabe des Zusammenschlusses in ihren rechtlich geschützten Interessen berührt sein, weil der Zusammenschluß für sie nicht unerhebliche wirtschaftliche Nachteile erwarten läßt; dagegen kann sie nicht mit Erfolg geltend machen, die Freigabe des Zusammenschlußvorhabens verletze sie in eigenen Rechten (vgl. BGHZ 155, 214, 217 - HABET/Lekkerland).

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 Satz 2 GWB.

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