Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 29.04.2008
Aktenzeichen: KVZ 45/07
Rechtsgebiete: GWB, VwGO, ZPO


Vorschriften:

GWB § 36 Abs. 1
GWB § 41 Abs. 3
GWB § 42
GWB § 61
GWB § 61 Abs. 1
GWB § 63 Abs. 1
GWB § 74 Abs. 2
GWB § 78
GWB § 78 Satz 1
VwGO § 161 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 91a Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

KVZ 45/07

vom 29. April 2008

in der Kartellverwaltungssache

Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. April 2008 durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofs Prof. Dr. Tolksdorf, den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm sowie die Richter Dr. Raum, Prof. Dr. Meier-Beck und Dr. Strohn

beschlossen:

Tenor:

1. Die Beteiligten tragen die Kosten des Verfahrens und die dem Bundeskartellamt entstandenen notwendigen Auslagen.

2. Der Wert des Verfahrensgegenstandes beträgt bis zu den übereinstimmenden Erklärungen der Erledigung der Hauptsache 13 Mio. Euro.

Gründe:

I.

Die Beteiligte zu 2 erwarb von der Beteiligten zu 1 Ende des Jahres 2001 Anteile in Höhe von 19,3 % an der Z. Gruppe O. (ZGO) sowie in Höhe von 10,4 % an deren Besitzgesellschaft, der Arbeitsgemeinschaft O. (ARGE). Der Erwerb der Anteile wurde nicht beim Bundeskartellamt angemeldet. Die Beteiligte zu 1 hatte vorher zwischen 1999 und 2001 jeweils mehr als 25 % der Anteile an der ZGO und an der ARGE erworben und gleichfalls nicht angemeldet.

In einem 51 Seiten langen Schreiben vom 18. Dezember 2006, das der Vorsitzende der 6. Beschlussabteilung an beide Beteiligte richtete, teilte er mit, dass die Beschlussabteilung auf der Grundlage der bisherigen Tatsachenerkenntnisse und Erwägungen zu dem Ergebnis gelangt sei, dass die vorgenannten Erwerbsvorgänge die Untersagungsvoraussetzungen nach § 36 Abs. 1 GWB erfüllten und deshalb nach § 41 Abs. 3 GWB aufzulösen seien, wenn keine Ministererlaubnis gemäß § 42 GWB erteilt werde. Die im Wesentlichen gleichlautenden Schreiben enthalten unter der Überschrift: "A. Untersagungsvoraussetzungen nach § 36 Abs. 1 GWB" eine eingehende an den Tatbestandsmerkmalen des § 36 Abs. 1 GWB orientierte Sachverhaltsdarstellung. Ab Seite 40 befasst sich das Schreiben unter der Überschrift: "B. Auflösungsverpflichtung und Auflösungsanordnung" mit der möglichen Umsetzung einer Auflösung. Unter der Überschrift: "C. weiteres Verfahren" findet sich auf der letzten Seite ein Schlusssatz mit folgendem Wortlaut: "Hiermit gebe ich Ihnen Gelegenheit, bis zum 12. Januar 2007 zu den dargelegten Erwägungen der Beschlussabteilung Stellung zu nehmen". Den Schreiben ist keine Rechtsmittelbelehrung beigefügt.

Gegen dieses Schreiben haben die Beteiligten zu 1 und 2 Beschwerde eingelegt. Sie sehen es als kartellbehördliche Verfügung an. Dem ist das Bundeskartellamt mit der Begründung entgegengetreten, auch aus der Sicht der beiden Beteiligten sei erkennbar gewesen, dass es sich um ein Abmahnschreiben zur Gewährung rechtlichen Gehörs gehandelt habe. Das Beschwerdegericht hat die Anträge als nicht statthaft zurückgewiesen, weil das angegriffene Schreiben keine anfechtbare Verfügung im Sinne des § 61 GWB darstelle. Die Rechtsbeschwerde hat das Beschwerdegericht nicht zugelassen. Hiergegen haben sich beide Beteiligten mit ihren Nichtzulassungsbeschwerden gewandt. Im Verlaufe des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens haben die beiden Beteiligten und das Bundeskartellamt das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt, nachdem der Zusammenschluss mittlerweile einverständlich entflochten worden war. Die Beteiligten und das Bundeskartellamt stellen wechselseitige Kostenanträge.

II.

Nach der übereinstimmenden Erledigungserklärung entscheidet der Senat nur noch über die Verfahrenskosten. Diese Entscheidung im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde ergeht ohne mündliche Verhandlung (§ 75 Abs. 2 Satz 2 GWB). Es entspricht der Billigkeit, die Beteiligten umfassend mit den Kosten des Verfahrens zu belasten.

1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs richtet sich die nach § 78 GWB zu treffende Entscheidung über die Kostenlast grundsätzlich nach dem Ausgang des Verfahrens.

Allerdings ist eine Überbürdung der Kosten auf die beiden Beteiligten nicht schon deshalb gerechtfertigt, weil sie den im Schreiben vom 18. Dezember 2006 niedergelegten Vorstellungen des Bundeskartellamts nachgekommen sind und den Zusammenschluss entflochten haben. Anders als bei der Kostenentscheidung im Falle der Rücknahme ist es bei der übereinstimmenden Erledigungserklärung nicht von Belang, dass sich die Beteiligten durch Befolgung der Auffassung des Bundeskartellamts in die Rolle der Unterlegenen begeben haben (BGH, Beschl. v. 16. November 1999 - KVR 10/98, WuW/E DE-R 420, 421 - Erledigte Beschwerde). Bei der übereinstimmenden Erledigungserklärung sind nach § 78 GWB i.V. mit § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO, § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO für die Kostenverteilung allein die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels entscheidend, die in einem summarischen Verfahren zu prüfen sind (BGH, Beschl. v. 31. Mai 2006 - KVR 1/05, WuW/E DE-R 1783, 1784 - Call-Option). Maßstab der Prüfung der Erfolgsaussicht ist dabei, ob der Rechtsmittelführer unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes mit seinem Antragsziel obsiegt hätte. Tritt die Erledigung schon im Verfahren über die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde ein, ist im summarischen Verfahren grundsätzlich eine doppelte Prüfung vorzunehmen. Der Rechtsmittelführer hätte nämlich nur dann obsiegt, wenn er sowohl die Zulassung der Rechtsbeschwerde erreicht hätte als auch in der Hauptsache selbst erfolgreich gewesen wäre.

Der Senat kann es dahinstehen lassen, ob ein Grund für die Zulassung der Rechtsbeschwerden im Sinne des § 74 Abs. 2 GWB vorläge. Die Rechtsbeschwerden wären hier jedenfalls im Ergebnis erfolglos geblieben, weil das Beschwerdegericht zu Recht im Schreiben vom 18. Dezember 2006 keine Verfügung der Kartellbehörde im Sinne des § 63 Abs. 1 GWB erblickt hat. Der Begriff der Verfügung im Sinne des § 63 Abs. 1 bzw. des § 61 Abs. 1 GWB ist identisch mit dem Begriff des Verwaltungsakts (BGHZ 172, 368 Tz. 22 - Auskunftsverlangen), weil nur endgültige Regelungen im Außenverhältnis einer gerichtlichen Kontrolle unterzogen werden sollen. Ob die behördliche Maßnahme als Verwaltungsakt zu qualifizieren ist, richtet sich danach, wie der Empfänger diese Maßnahme nach ihrem objektiven Erklärungswert verstehen muss. Danach liegt ein Verwaltungsakt vor, wenn die Behörde eine für den Betroffenen verbindliche, zur Rechtsbeständigkeit führende Regelung treffen will (BVerwGE 99, 101, 103; vgl. auch BVerwGE 57, 26, 29 f.; 100, 206, 207). Diese Voraussetzung erfüllen die beiden inhaltsgleichen streitgegenständlichen Schreiben nicht.

Gegen die Einordnung dieser Schreiben als Verwaltungsakt spricht schon ihr äußeres Erscheinungsbild, weil sie mit einer Anrede versehen und nicht als Bescheid gefasst sind. Dies wäre ebenso untypisch für eine verbindliche Entscheidung einer Beschlussabteilung des Bundeskartellamts wie die Verwendung eines Briefkopfs, der als Verfasser nur den Vorsitzenden der Beschlussabteilung ausweist. Den fehlenden unmittelbaren Regelungscharakter verdeutlicht weiter der Einleitungssatz. Dort wird ein Bezug auf den bisherigen Erkenntnisstand und auf die insoweit naturgemäß vorläufigen Erwägungen hergestellt. Das lässt erkennen, dass das Bundeskartellamt keine abschließende Entscheidung treffen, sondern den Beteiligten nur das Zwischenergebnis nach seinen bisherigen Ermittlungen mitteilen wollte. Insbesondere lässt aber das Ende des Schreibens keinen Zweifel mehr zu, dass es sich nicht um eine endgültige und verbindliche Regelung durch das Bundeskartellamt gehandelt hat. Im Schlusssatz ist von "dargelegten Erwägungen" der Beschlussabteilung die Rede, und den Beteiligten wird eine Stellungnahmefrist bis 12. Januar 2007 eingeräumt. Eine solche Stellungnahmefrist hätte keinen Sinn, wenn es sich bei dem Schreiben schon um eine endgültige Regelung durch das Bundeskartellamt gehandelt hätte. Dies war schon für einen juristischen Laien und mehr noch für die wirtschaftlich erfahrenen organschaftlichen Vertreter der Beteiligten ohne weiteres erkennbar. Damit stellt sich das Schreiben aus der maßgeblichen Sicht des Erklärungsempfängers nicht als eine Verfügung dar, aus der sich unmittelbare Entflechtungspflichten ergeben konnten, sondern - worauf das Beschwerdegericht zu Recht abgestellt hat - als ein Abmahnschreiben, das Betroffenen durch das Bundeskartellamt regelmäßig vor Erlass einer Verfügung zur Gewährung rechtlichen Gehörs zugestellt wird.

2. Für die Anordnung einer Auslagenerstattung zugunsten der Beteiligten besteht kein Anlass. Eine Auslagenerstattung nach § 78 Satz 1 GWB erfolgt, wenn diese der Billigkeit entspricht. Eine Auslagenerstattung wäre im vorliegenden Fall schon deshalb unbillig, weil die Beteiligten ohne weiteres ein aufwendiges gerichtliches Verfahren über zwei Instanzen hätten vermeiden können. Sie hätten zunächst beim Bundeskartellamt nachfragen können. Zumindest bestand aber nach der ersten Stellungnahme des Bundeskartellamts im Beschwerdeverfahren keine Veranlassung mehr, den Rechtsbehelf weiterzuverfolgen. Spätestens ab diesem Zeitpunkt musste auch jedwede Befürchtung entfallen sein, dass diese Schreiben in irgendeiner Form noch die Grundlage für Vollstreckungsmaßnahmen sein könnten.

Hingegen entspricht es der Billigkeit, die Beteiligten mit den außergerichtlichen Auslagen des Bundeskartellamts zu belasten.

III.

Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird - in Übereinstimmung mit dem Beschwerdegericht - auf 13 Mio. Euro festgesetzt. Das Beschwerdegericht hat in seiner Entscheidung über die Gegenvorstellung zutreffend auf den (Wiederverkaufs-)Wert der Anteile abgestellt. Eine weitere Reduzierung dieses Betrags kommt entgegen der Auffassung der Beteiligten nicht in Betracht.

Ende der Entscheidung

Zurück