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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 08.05.2007
Aktenzeichen: KZR 14/04 (1)
Rechtsgebiete: BGB, EG, VO (EG) Nr. 1400/2002


Vorschriften:

BGB § 306
EG Art. 81
VO (EG) Nr. 1400/2002 Art. 4
VO (EG) Nr. 1400/2002 Art. 10
1. Ein Kfz-Vertragshändlervertrag, der vor Geltung der Verordnung (EG) Nr. 1400/2002 geschlossen wurde und Kernbeschränkungen iSd. Art. 4 dieser Verordnung enthält, ist mit Ablauf der Übergangsfrist am 30. September 2003 unwirksam geworden.

2. Eine Pflicht, einen solchen Vertrag an die Vorgaben der Verordnung (EG) Nr. 1400/2002 anzupassen, besteht nicht.


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

KZR 14/04

Verkündet am: 8. Mai 2007

Kfz-Vertragshändler III

in dem Rechtsstreit

Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Mai 2007 durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofs Prof. Dr. Hirsch, den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und die Richter Dr. Raum, Prof. Dr. Meier-Beck und Dr. Strohn

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision gegen das Urteil des Kartellsenats des Oberlandesgerichts München vom 26. Februar 2004 wird auf Kosten der Klägerin mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die im Revisionsverfahren gestellten Hilfsanträge als unzulässig abgewiesen werden.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin ist eine ehemalige Vertragshändlerin der beklagten Kraftfahrzeugherstellerin. Der den Vertragsbeziehungen zugrunde liegende, nach einem einheitlich verwendeten Muster der Beklagten geschlossene Händlervertrag datiert aus dem Jahre 1996. Er enthält unter anderem folgende Bestimmungen:

11.3 Ordentliche Kündigung durch BMW

BMW kann den Vertrag mit einer Frist von 24 Monaten kündigen.

11.6 Kündigung wegen Umstrukturierung des Vertriebsnetzes

Falls sich die Notwendigkeit ergibt, das BMW Vertriebsnetz insgesamt oder zu einem wesentlichen Teil umzustrukturieren, ist BMW berechtigt, den Vertrag mit einer Frist von 12 Monaten zu kündigen.

Dies gilt auch für den Fall, daß sich die diesem Vertrag zugrundeliegenden rechtlichen Rahmenbedingungen in wesentlichen Bereichen ändern.

13.2 Unwirksamkeitsklausel

Die Unwirksamkeit einzelner Bestimmungen dieses Vertrages oder seiner Bestandteile läßt die Wirksamkeit der übrigen Regelungen unberührt. Die Vertragspartner sind im Rahmen des Zumutbaren nach Treu und Glauben verpflichtet, eine unwirksame Bestimmung durch eine ihr im wirtschaftlichen Erfolg gleichkommende wirksame Regelung zu ersetzen, sofern dadurch keine wesentliche Änderung des Vertragsinhalts herbeigeführt wird; das gleiche gilt, falls ein regelungsbedürftiger Sachverhalt nicht ausdrücklich geregelt ist.

Die Beklagte sprach im September 2002 die Kündigung sämtlicher Händlerverträge ihres europäischen Vertriebsnetzes zum 30. September 2003 aus. Sie begründete diesen Schritt damit, daß die am 1. Oktober 2002 mit einer Übergangsfrist für bestehende Händlerverträge bis zum 30. September 2003 in Kraft tretende Verordnung (EG) Nr. 1400/2002 der Kommission vom 31. Juli 2002 über die Anwendung von Art. 81 Abs. 3 des Vertrages auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Kraftfahrzeugsektor (ABl. EG Nr. L 203, S. 30) gravierende rechtliche und strukturelle Veränderungen für den Automobilvertrieb mit sich bringe, die auch eine wesentliche Umstrukturierung ihres Vertriebsnetzes erforderten. Mit dem Großteil ihrer bisherigen Händler schloss die Beklagte in der Folgezeit mit Wirkung vom 1. Oktober 2003 neue, an den Vorgaben der Verordnung (EG) Nr. 1400/2002 ausgerichtete Verträge ab.

Die Klägerin, der die Beklagte ebenso wie mehreren anderen ehemaligen Händlern keinen neuen Händlervertrag anbot, ist der Auffassung, die Kündigung der Beklagten habe nicht vor Ablauf der zweijährigen Frist für eine ordentliche Kündigung nach Nr. 11.3 des Händlervertrages am 30. September 2004 zur Beendigung ihres Händlervertrages geführt, weil die Voraussetzungen einer Strukturänderungskündigung nach Nr. 11.6 Abs. 1 des Händlervertrages nicht erfüllt seien und Nr. 11.6 Abs. 2 des Vertrages unwirksam sei. Sie hat deshalb Klage auf Feststellung erhoben, dass das Vertragshändlerverhältnis über den 30. September 2003 hinaus bis längstens 30. September 2004 fortbestehe.

Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen (OLG München BB 2004, 798). Mit der von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Feststellungsbegehren weiter. Hilfsweise beantragt sie festzustellen, dass die Beklagte zum Ersatz des Schadens verpflichtet sei, der dadurch entstanden sei, dass die Beklagte den Händlervertrag nicht zum 1. Oktober 2003 an die neue Gruppenfreistellungsverordnung angepasst habe, und sie daher auch verpflichtet sei, der Klägerin Auskunft über die im Marktbeobachtungsgebiet der Klägerin in der Zeit vom 1. März 2004 bis zum 30. September 2004 verkauften Fahrzeuge zu erteilen. Äußerst hilfsweise beantragt sie festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, den aus der Vertragsbeendigung entstandenen Schaden zu ersetzen und deshalb die vorerwähnte Auskunft zu erteilen.

Der Senat hat den Rechtsstreit ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt (Beschl. v. 26.7.2005, WuW/E DE-R 1551):

1. Ist Art. 5 Abs. 3 Satz 1 1. Spiegelstrich der Verordnung (EG) Nr. 1475/95 der Kommission vom 28. Juni 1995 über die Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von Vertriebs- und Kundendienstvereinbarungen über Kraftfahrzeuge (ABl. EG Nr. L 145, S. 25) dahin auszulegen, dass sich die Notwendigkeit, das Vertriebsnetz insgesamt oder zu einem wesentlichen Teil umzustrukturieren, und das davon abhängige Recht des Lieferanten, Verträge mit Händlern seines Vertriebsnetzes mit einer Frist von einem Jahr zu kündigen, auch daraus ergeben kann, dass mit dem Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 1400/2002 tiefgreifende Änderungen des von dem Lieferanten und seinen Händlern bis dahin praktizierten, an der Verordnung (EG) Nr. 1475/95 ausgerichteten und durch diese Verordnung freigestellten Vertriebssystems erforderlich wurden?

2. Falls die erste Frage zu verneinen ist:

Ist Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1400/2002 dahin auszulegen, daß die in einem Kraftfahrzeughändlervertrag enthaltenen wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen, die nach dieser Verordnung an sich Kernbeschränkungen ("schwarze Klauseln") darstellen, ausnahmsweise dann nicht mit Ablauf der einjährigen Übergangsfrist nach Art. 10 der Verordnung am 30. September 2003 zum Wegfall der Freistellung für sämtliche wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen des Vertrages vom Verbot des Art. 81 Abs. 1 EG geführt haben, wenn dieser Vertrag unter der Geltung der Verordnung (EG) Nr. 1475/95 abgeschlossen, an den Vorgaben dieser Verordnung ausgerichtet und durch diese Verordnung freigestellt worden ist?

Gilt dies jedenfalls dann, wenn die aus dem Gemeinschaftsrecht folgende Nichtigkeit aller wettbewerbsbeschränkenden Vertragsbestimmungen nach nationalem Recht die Gesamtnichtigkeit des Händlervertrages zur Folge hat?

Der Gerichtshof hat die Vorlagefragen mit Urteil vom 30. November 2006 (C-376/05 und C-377/05, NJW 2007, 201) wie folgt beantwortet:

1. Das Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 1400/2002 hat als solches keine Umstrukturierung des Vertriebssystems eines Lieferanten im Sinne von Art. 5 Abs. 3 Unterabs. 1 1. Spiegelstrich der Verordnung (EG) Nr. 1475/95 notwendig gemacht. Jedoch konnte dieses Inkrafttreten nach Maßgabe des spezifischen Aufbaus des Vertriebsnetzes des einzelnen Lieferanten Änderungen von solcher Bedeutung notwendig machen, dass sie eine echte Umstrukturierung dieses Netzes im Sinne dieser Bestimmung darstellen. Es ist Sache der nationalen Gerichte und der Schiedsgerichte, zu beurteilen, ob dies unter Berücksichtigung aller konkreten Gegebenheiten der Streitigkeit, mit der sie befasst sind, der Fall ist.

2. Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1400/2002 ist dahin auszulegen, dass die darin vorgesehene Gruppenfreistellung nach Ablauf der Übergangsfrist des Art. 10 dieser Verordnung unanwendbar ist auf Verträge, die die Voraussetzungen für die Freistellung gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1475/95 erfüllen und zumindest eine der Kernbeschränkungen im Sinne von Art. 4 zum Gegenstand haben, so dass alle in solchen Verträgen enthaltenen wettbewerbsbeschränkenden Vertragsbestimmungen nach Art. 81 Abs. 1 EG verboten sein konnten, wenn die Voraussetzungen einer Freistellung nach Art. 81 Abs. 3 EG nicht erfüllt waren.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist unbegründet.

I. Das Berufungsgericht hat die in Nr. 11.6 Abs. 1 des Händlervertrages getroffene Kündigungsregelung für wirksam und deren Voraussetzungen für gegeben erachtet. Nach seiner Auffassung hatten die aus dem Erlass der Verordnung (EG) Nr. 1400/2002 resultierenden Änderungen für den Automobilvertrieb die Notwendigkeit einer Umstrukturierung des Vertriebsnetzes der Beklagten zur Folge. Eine Reihe von Wettbewerbsbeschränkungen des Händlervertrages, die bis dahin durch die Verordnung (EG) Nr. 1475/95 freigestellt gewesen seien, stellten nach Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1400/2002 Kernbeschränkungen dar. Dies habe zur Folge, dass ohne die Kündigung zum 30. September 2003 in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft am 1. Oktober 2003 die Freistellung für sämtliche wettbewerbsbeschränkenden Klauseln der Händlerverträge der Beklagten entfallen wäre. Es sei der Beklagten nicht zumutbar, auch nur bis zum 30. September 2004, dem Ablauf der Frist für eine ordentliche Kündigung, einen Rechtszustand zu akzeptieren, der allenfalls in einem Vertragsrest ohne wettbewerbsbeschränkende Klauseln oder gar in einem - wegen Gesamtnichtigkeit nach nationalem Recht (§ 306 BGB) - vertragslosen Zustand bestünde. Die daraus folgende Notwendigkeit der Umstrukturierung des Vertriebsnetzes der Beklagten entfalle auch nicht im Hinblick auf die Ersetzungsklausel in Nr. 13.2 Satz 2 Halbs. 1 des Händlervertrages; deren Voraussetzungen seien nicht gegeben, weil den infolge des Inkrafttretens der Verordnung (EG) Nr. 1400/2002 notwendigen Änderungen im Automobilvertrieb nicht ohne eine wesentliche Änderung des Vertragsinhalts Rechnung getragen werden könne.

II. Diese Ausführungen halten im Ergebnis revisionsrechtlicher Überprüfung stand.

Auf die Frage, ob die Beklagte berechtigt war, den Händlervertrag mit der Klägerin aufgrund der Regelung in Nr. 11.6 des Vertrages mit einjähriger Frist zu kündigen, kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits allerdings nicht an. Sie kann daher offenbleiben. Das ergibt sich aus der Antwort des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften auf die zweite Vorlagefrage des Senats.

1. Die Klägerin begehrt mit ihrem Hauptantrag die Feststellung, dass das zwischen ihr und der Beklagten bestehende Vertragsverhältnis über den 30. September 2003 hinaus bis längstens 30. September 2004 bestanden habe. Dieser Klageantrag ist - unabhängig von der Wirksamkeit der Kündigung - unbegründet, weil der Vertrag jedenfalls gemäß § 306 Abs. 3 BGB mit Ablauf des 30. September 2003 keinen Bestand mehr hatte.

Gemäß § 305 Abs. 1 BGB, Art. 229 § 5 EGBGB ist § 306 BGB auf den von der Beklagten nach einheitlichem Muster abgeschlossenen Händlervertrag anwendbar (inhaltsgleich die Vorgängerregelung des § 6 AGBG). Danach führt die Unwirksamkeit einzelner Geschäftsbedingungen dann zur Unwirksamkeit des gesamten Vertrages, wenn ein Festhalten am Vertrag auch unter Berücksichtigung der Ergänzungen durch dispositives Recht eine unzumutbare Härte für eine Vertragspartei darstellen würde. Diese Norm geht der allgemeineren Regel des § 139 BGB vor und gilt auch dann, wenn sich die Unwirksamkeit der Klausel nicht aus dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§§ 307 - 309 BGB), sondern aus anderen gesetzlichen Vorschriften ergibt (vgl. BGHZ 129, 297, 306 zu § 6 AGBG). Sie ist - ebenso wie § 139 BGB (Sen.Urt. v. 21.2.1989 - KZR 18/84, WuW/E BGH 2565, 2569 - Schaumstoffplatten; v. 8.2.1994 - KZR 2/93, WuW/E BGH 2909, 2913 - Pronuptia II) - auch anwendbar, wenn einzelne Klauseln aufgrund gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften unwirksam sind.

a) Diese Voraussetzung ist hier erfüllt.

aa) Der Händlervertrag der Parteien vom 1. Oktober 1996 enthält mit den Regelungen in Nr. 1.4, 2.3 und 2.4 wettbewerbsbeschränkende Bestimmungen, die zwar die Voraussetzungen der Verordnung (EG) Nr. 1475/95 erfüllten und damit gemäß Art. 81 Abs. 3 EG (vormals Art. 85 Abs. 3 EGV) vom Verbot des Art. 81 Abs. 1 EG (vormals Art. 85 Abs. 1 EGV) freigestellt waren, unter Geltung der Verordnung (EG) Nr. 1400/2002 aber zu den Kernbeschränkungen i.S. des Art. 4 der Verordnung zählen. Nach Nr. 1.4 ist es dem Händler nicht gestattet, Vertragsware an nicht von der Beklagten autorisierte Wiederverkäufer zu veräußern; Nr. 2.3 und 2.4 begrenzen den aktiven Verkauf der Vertragsware auf das jeweilige Vertragsgebiet. Diese Kombination von exklusivem und selektivem Vertriebssystem ist nach Art. 4 Ziffer 1 lit. b bis e der Verordnung (EG) Nr. 1400/2002 unzulässig. Damit sind die betreffenden Vertragsbestimmungen nicht nur ihrerseits nicht freigestellt, sondern führen als sogenannte schwarze Klauseln auch dazu, dass sämtliche wettbewerbsbeschränkenden Bestimmungen des Vertrages von der Freistellungswirkung der Verordnung nicht erfasst werden (Schütz in Gemeinschaftskommentar, 5. Aufl. Verordnung (EG) Nr. 1400/2002 Art. 4 Rdn. 1).

bb) Folglich sind alle wettbewerbsbeschränkenden Klauseln des Händlervertrages und diejenigen Vertragsbestimmungen, die sich davon nicht trennen lassen, gemäß Art. 81 Abs. 2 EG nichtig, soweit sie die Voraussetzungen des Art. 81 Abs. 1 EG erfüllen und nicht nach Art. 81 Abs. 3 EG freigestellt sind.

(1) Nach Art. 81 Abs. 1 EG sind Vereinbarungen zwischen Unternehmen verboten, die eine spürbare Einschränkung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken und geeignet sind, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen (EuGH, Urt. v. 30.4.1998 - C-230/96, Slg. 1998, I-2055, Rdn. 48 - Cabour SA und Nord Distribution Automobile SA ./. Arnor "SOCO" SARL). Das Berufungsgericht ist davon ersichtlich ausgegangen. Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

(2) Ob die Voraussetzungen einer (Einzel-)Freistellung nach Art. 81 Abs. 3 EG erfüllt sind, braucht dagegen nicht entschieden zu werden (vgl. Sen.Urt. v. 13.7.2004 - KZR 10/03, WuW/E DE-R 1335, 1347 - Citroën, Tz. 105 ff.). Auch unter Geltung der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 sind nämlich Vereinbarungen, die nach Art. 4 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 17/62 hätten angemeldet werden müssen, aber nicht angemeldet worden sind, jedenfalls für die Zeit vor Geltung der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 nichtig (Wagner WRP 2003, 1369, 1385 ff.; Sura in Langen/Bunte, Kartellrecht, 10. Aufl., VO Nr. 1/2003 Art. 34 Rdn. 9; weitergehend Lampert/Niejahr/Kübler/Weidenbach, EG-Kartell-VO, Rdn. 604 f.). Das folgt aus den Geboten der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes Dritter, die sich auf die Nichtigkeit der Vereinbarung berufen. Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 2 iVm. Art. 4 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 17/62 konnte nach dem Verständnis des Art. 81 EG als eines Verbots mit Erlaubnisvorbehalt eine Vereinbarung, die die Voraussetzungen des Art. 81 Abs. 1 EG (vormals Art. 85 Abs. 1 EGV) erfüllte, grundsätzlich nur bis zum Tage der Anmeldung rückwirkend freigestellt werden. Für die Zeit vor der Anmeldung war sie dagegen - vorbehaltlich der Wirkungen einer Bestätigung nach § 141 BGB - unheilbar nichtig. Nach der an die Stelle der Verordnung (EWG) Nr. 17/62 getretenen Verordnung (EG) Nr. 1/2003 und dem damit geänderten Verständnis des Art. 81 EG als eines Verbots mit Legalausnahme bedarf es zwar keiner Anmeldung mehr, um in den Genuss einer Freistellung nach Art. 81 Abs. 3 EG zu kommen. Nach Art. 34 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 verlieren bereits erfolgte Anmeldungen vielmehr ihre Wirkung. Die damit gegebenenfalls eintretende - automatische - Wirksamkeit einer die Voraussetzungen des Art. 81 Abs. 3 EG erfüllenden Vereinbarung kann aber jedenfalls nicht auf die Zeit zurückwirken, in der kein Freistellungsantrag gestellt worden ist und für die daher nach der alten Rechtslage die Vereinbarung nicht nur schwebend, sondern unbedingt nichtig war (vgl. Sen.Urt. v. 2.2.1999 - KZR 51/97, WuW/E DE-R 261 - Coverdisk; v. 11.12.2001 - KZR 13/00, WuW/E DE-R 912 - Sabet/Massa; BGH, Urt. v. 5.7.2005 - X ZR 14/03, WuW/E DE-R 1537, 1540 - Abgasreinigungsvorrichtung, jeweils zur Unwirksamkeit einer Vereinbarung gemäß § 134 BGB, § 34 GWB nach Aufhebung des § 34 GWB).

Die Parteien haben keinen Freistellungsantrag gestellt. Der hier streitige Zeitraum bis zum 30. September 2003 lag vor dem Beginn der Geltung der Verordnung (EG) Nr. 1/2003. Der Händlervertrag war auch nicht gemäß Art. 4 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 17/62 vom Anwendungsbereich des Art. 4 Abs. 1 der Verordnung ausgenommen. Damit kam unter Geltung der Verordnung (EWG) Nr. 17/62 eine (Einzel-)Freistellung nicht rückwirkend in Betracht, so dass der Händlervertrag ohne Rücksicht auf die Frage, ob er die Voraussetzungen des Art. 81 Abs. 3 EG erfüllt hat, gemäß Art. 81 Abs. 2 EG nichtig ist.

b) Die Rechtsfolge der Nichtigkeit trat bereits am 1. Oktober 2003 ein. Nach der Übergangsregelung des Art. 10 der Verordnung (EG) Nr. 1400/2002 waren nämlich Vereinbarungen, die am 30. September 2002 bereits in Kraft waren und die Voraussetzungen der Verordnung (EG) Nr. 1475/95, nicht aber diejenigen der Verordnung (EG) Nr. 1400/2002 erfüllten, nur bis zum 30. September 2003 von dem Verbot des Art. 81 Abs. 1 EG freigestellt. Das gilt nach dem auf die Vorlage des Senats ergangenen Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 30. November 2006 ohne Ausnahme.

c) Eine Ersetzung der unwirksamen Klauseln durch gesetzliche Vorschriften nach § 306 Abs. 2 BGB kommt nicht in Betracht. Für Vertragshändlerverträge gilt grundsätzlich das Handelsvertreterrecht des Handelsgesetzbuchs analog (BGHZ 68, 340, 344; Löwisch in Ebenroth/Boujong/Joost, HGB § 84 Rdn. 75 f.). Dieses Recht sieht keine den unwirksamen Vertragsbestimmungen vergleichbare Regelungen vor.

d) Die durch die Unwirksamkeit der wettbewerbsbeschränkenden Vertragsbestimmungen entstandenen Lücken lassen sich auch nicht durch eine ergänzende Vertragsauslegung (BGHZ 90, 69, 74 ff.; 137, 153, 157) schließen. Es lässt sich nämlich nicht feststellen, was die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten, wenn sie den von ihnen nicht geregelten Fall bedacht hätten (vgl. BGHZ 9, 273, 278; 23, 282, 285; 84, 1, 7; 111, 214, 218).

Die Verordnung (EG) Nr. 1400/2002 hat einen erheblichen Änderungsbedarf für die in Europa praktizierten Automobilvertriebssysteme mit sich gebracht. Die bis dahin zulässige Kombination von exklusivem und selektivem Vertrieb ist unter ihrer Geltung nicht mehr vom Verbot des Art. 81 Abs. 1 EG freigestellt. Die Kraftfahrzeughersteller mussten sich für eines der beiden Vertriebssysteme entscheiden, was in der Praxis zur Folge hat, dass im Rahmen des nahezu ausnahmslos gewählten selektiven Vertriebssystems Gebietsbeschränkungen und Gebietsschutz der Händler nicht mehr freigestellt sind. Um in den Genuss der Gruppenfreistellung zu kommen, mussten ferner Verkauf und Kundendienst, bis zum Inkrafttreten der neuen Gruppenfreistellungsverordnung zwangsweise kombiniert, entkoppelt und markenunabhängige Werkstätten als Servicewerkstätten zugelassen werden, sofern sie bestimmte Standards erfüllten. Die neue Gruppenfreistellungsverordnung ermöglicht zudem weitergehend den Mehrmarkenvertrieb.

Das alles gilt auch für das Vertragsverhältnis der Parteien. In welcher Art und Weise die Beklagte aus Anlass dieser Veränderungen ihr europaweites Vertriebssystem neu würde ausrichten wollen, lässt sich auf der Grundlage des Händlervertrages vom 1. Oktober 1996 nicht entscheiden. Die Beklagte war vielmehr aufgrund der ihr zustehenden Organisationsmacht berechtigt, unabhängig von den bestehenden Händlerverträgen ihr Vertriebsnetz auf eine neue vertragliche Grundlage zu stellen.

e) Ebenso wenig kommt eine Anpassung des Vertragsinhalts gemäß Nr. 13.2 Satz 2 des Vertrages in Betracht. Zwar kann sich die Beklagte als die Verwenderin des Mustervertrages nicht darauf berufen, dass diese salvatorische Ersetzungsklausel nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam ist (BGH, Urt. v. 4.12.1997 - VII ZR 187/96, WM 1998, 767, 768), weil sie das Risiko der Unwirksamkeit des gesamten Vertrages in unangemessener Weise auf den Vertragspartner des Verwenders abwälzt (vgl. BGH, Urt. v. 22.11.2001 - VII ZR 208/00, WM 2002, 133, 134). Die Klausel ist aber deshalb nicht anwendbar, weil sie eine Anpassung, die zu einer wesentlichen Änderung des Vertragsinhalts führt, ausdrücklich ausschließt. Die hier erforderliche Anpassung des Vertrages an die Vorgaben der neuen Gruppenfreistellungsverordnung würde diese Voraussetzung erfüllen.

f) Aus diesem Grund würde auch ein Festhalten an dem Händlervertrag ohne die wettbewerbsbeschränkenden Regelungen für die Beklagte eine unzumutbare Härte iSd. § 306 Abs. 3 BGB darstellen. Aufgrund der Unwirksamkeit sämtlicher wettbewerbsbeschränkender Klauseln verblieb am 1. Oktober 2003 nur noch ein Vertragstorso. Ein Festhalten daran hätte für die Beklagte dazu geführt, dass die betreffenden Händler nicht mehr gehindert gewesen wären, BMW-Neufahrzeuge an nicht autorisierte Wiederverkäufer abzugeben. Innerhalb des Vertriebsnetzes der Beklagten hätte zweierlei Recht gegolten mit einer deutlich freieren Stellung derjenigen Händler, die nicht bereit gewesen wären, einer Anpassung des Händlervertrages an die Vorgaben der neuen Gruppenfreistellungsverordnung zuzustimmen. Der Senat ist mit dem Berufungsgericht der Auffassung, dass einem Automobilhersteller derart ungeordnete Verhältnisse innerhalb seines Vertriebsnetzes auch für die Dauer eines Jahres nicht zumutbar sind.

2. Unzulässig sind die Hilfsanträge der Klägerin. Sie sind erstmals im Revisionsverfahren gestellt worden, was grundsätzlich nicht statthaft ist. Eine Ausnahme von diesem Verbot (s. MünchKommZPO/Wenzel, 2. Aufl. § 561 Rdn. 20; Musielak/Ball, ZPO 5. Aufl. § 559 Rdn. 4 f.) greift hier nicht ein. Insbesondere kann eine Schadensersatzpflicht der Beklagten nur beurteilt werden, wenn neuer, vom Berufungsgericht nicht festgestellter Sachverhalt berücksichtigt wird.

Im Übrigen wären die Hilfsanträge aber auch unbegründet. Für die Beklagte bestand unter den gegebenen Umständen keine Pflicht, den mit der Klägerin bestehenden Händlervertrag an die neue Rechtslage anzupassen. Die Ersetzungsklausel in Nr. 13.2 des Händlervertrages konnte eine solche Pflicht nicht begründen (siehe oben II. 1 e), und eine andere Rechtsgrundlage ist nicht ersichtlich. Ebenso wenig ist die Beklagte verpflichtet, der Klägerin den aus der Vertragsbeendigung entstandenen Schaden zu ersetzen. Die Nichtigkeit des Vertrages beruht nicht auf einem pflichtwidrigen und schuldhaften Verhalten der Beklagten, wie es für eine Haftung nach § 280 BGB Voraussetzung ist.

Ende der Entscheidung

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