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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 08.12.1998
Aktenzeichen: KZR 49/97
Rechtsgebiete: GWB


Vorschriften:

GWB § 26 Abs. 2
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

KZR 49/97

Verkündet am: 8. Dezember 1998

Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Kraft-Wärme-Kopplung II

GWB § 26 Abs. 2

Die von einem Energieversorgungsunternehmen zu zahlende Vergütung für den vom Betreiber einer Kraft-Wärme-Kopplung eingespeisten Strom richtet sich auch dann nach den konkret vermiedenen Kosten, wenn die Ersparnis beim aufnehmenden Unternehmen lediglich darin besteht, daß die eigene Stromerzeugung um die eingespeiste Menge geringer ausfällt.

BGH, Urt. v. 8. Dezember 1998 - KZR 49/97 - OLG Koblenz LG Mainz


Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 8. Dezember 1998 durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofes Geiß und die Richter Prof. Dr. Goette und Ball, die Richterin Dr. Tepperwien und den Richter Dr. Bornkamm

für Recht erkannt:

Die Revision gegen das Urteil des Kartellsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 20. November 1997 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Vergütung für die Einspeisung von Strom in den Jahren 1988 bis 1991.

Die Klägerin betreibt auf ihrem Betriebsgelände eine mit Ölverbrennungsmotoren arbeitende Anlage zur Stromerzeugung. Die Anlage kann im Wege der Kraft-Wärme-Kopplung betrieben werden, also gleichzeitig Strom und Wärme produzieren. Die Beklagte ist ein Energieversorgungsunternehmen (EVU). In ihrem Versorgungsgebiet, das auch den Sitz der Klägerin umfaßt, ist sie ohne Konkurrenz. Den von ihr gelieferten Strom erzeugt sie ganz überwiegend selbst.

Die Klägerin bezieht, soweit der in ihrer Anlage erzeugte Strom zur Deckung ihres Bedarfs nicht ausreicht, zusätzlich Strom von der Beklagten. Übersteigt der erzeugte Strom den Bedarf der Klägerin, speist sie ihn in das Niederspannungsnetz der Beklagten ein. Durch Vertrag vom 27. März/5. September 1985 verpflichtete sich die Klägerin, überschüssigen Strom aus der Eigenerzeugungsanlage ausschließlich an die Beklagte zu liefern, die sich ihrerseits verpflichtete, den Strom abzunehmen und dafür eine bestimmte Vergütung zu zahlen.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte habe den von ihr eingespeisten Strom unzureichend vergütet. Indem ihr ein Teil der angemessenen Vergütung für den in den Jahren 1988 bis 1991 eingespeisten Strom von der Beklagten vorenthalten werde, werde sie i.S. des § 26 Abs. 2 GWB unbillig behindert. Die Beklagte sei verpflichtet, diese kartellrechtswidrige Beeinträchtigung zu beseitigen und der Klägerin Schadensersatz zu leisten.

Das Landgericht hat die zunächst auf Zahlung von 2.803,47 DM gerichtete Klage abgewiesen. Im Berufungsrechtszug hat die Klägerin die Klage erweitert und die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 4.162,97 DM begehrt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen (ET 1998, 194). Mit der - zugelassenen - Revision verfolgt die Klägerin ihren zuletzt gestellten Klageantrag weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. Entscheidungsgründe:

Die Revision ist unbegründet.

I. Das Berufungsgericht hat einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung einer weiteren Vergütung für den in den Jahren 1988 bis 1991 in das Netz der Beklagten eingespeisten Strom verneint. Die Beklagte sei zwar als marktbeherrschende Nachfragerin gemäß § 35 i.V. mit § 26 Abs. 2 GWB verpflichtet gewesen, den in ihr Netz gespeisten Strom angemessen zu vergüten. Dieser Verpflichtung sei sie aber durch die geleisteten Zahlungen bereits nachgekommen.

Für die Bemessung der von der Beklagten geschuldeten Vergütung seien die bei der Beklagten infolge des von der Klägerin eingespeisten Stroms vermiedenen Kosten maßgeblich. Daher sei die Beklagte nicht verpflichtet, die Klägerin so zu behandeln, als speise sie ihren Überschußstrom bei einem von der Beklagten belieferten Verteilerunternehmen ein. Soweit die Klägerin dadurch schlechter stehe als andere, bei einem Verteilerunternehmen einspeisende Stromerzeuger handele es sich um einen von der Klägerin hinzunehmenden Standortnachteil. Was die Ermittlung der vermiedenen Kosten angehe, dürften die bei der Beklagten ohnehin anfallenden Fixkosten nicht berücksichtigt werden. Da die Klägerin nur relativ geringfügige Mengen an Strom eingespeist habe, seien bei der Beklagten lediglich Brennstoffkosten vermieden worden. Investitionen bei der Errichtung und Unterhaltung der Produktionsstätten und des Netzes habe die Beklagte durch die Einspeisung nicht erspart. Die Klägerin habe auch nicht dargelegt, daß die Summe des von Kleineinspeisern insgesamt gelieferten Stroms unter Berücksichtigung seiner Stetigkeit die Beklagte hätte veranlassen können, auf solche Investitionen zu verzichten. Die vermiedenen Kosten lägen daher deutlich unter der von der Beklagten bereits gezahlten Vergütung.

II. Die Angriffe der Revision gegen diese Beurteilung bleiben ohne Erfolg. Das Berufungsgericht hat einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte aus §§ 35, 26 Abs. 2 GWB zu Recht verneint.

1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß das Stromeinspeisungsgesetz den geltend gemachten Ansprüchen aus § 35 i.V. mit § 26 Abs. 2 GWB nicht entgegensteht; denn dieses Gesetz findet auf eine Anlage mit Ölverbrennungsmotoren, die im Wege der Kraft-Wärme-Kopplung betrieben werden kann, keine Anwendung. Ebenfalls zutreffend hat das Berufungsgericht die Beklagte als Normadressatin angesehen; wegen ihres Gebietsmonopols kam nur sie als Nachfragerin des von der Klägerin erzeugten Überschußstroms in Betracht. Bei der Belieferung der Beklagten mit Strom handelt es sich des weiteren um einen Geschäftsverkehr, der gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich ist (vgl. BGHZ 119, 335, 338 - Stromeinspeisung I; 133, 177, 178 - Kraft-Wärme-Kopplung I).

2. Darin, daß die Beklagte der Klägerin für den eingespeisten Strom keine höhere Vergütung als geschehen gezahlt hat, liegt - wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat - keine unbillige Behinderung.

a) Ein marktbeherrschendes Energieversorgungsunternehmen behindert ein anderes Unternehmen, das im Wege der Kraft-Wärme-Kopplung gewonnenen Strom in sein Netz einspeist, dann unbillig, wenn es für diesen Strom nicht zumindest den Betrag vergütet, der den eigenen, durch die Einspeisung vermiedenen Kosten entspricht (vgl. BGHZ 133, 177, 179 - Kraft-Wärme-Kopplung I). Dies gilt nach der Rechtsprechung des Senats unabhängig davon, ob das Energieversorgungsunternehmen, in dessen Netz der vom Kleinerzeuger produzierte Strom eingespeist wird, sich im wesentlichen auf die Verteilung fremderzeugten Stroms beschränkt (vgl. BGHZ 119, 335, 341 - Stromeinspeisung I; 133, 177, 179 - Kraft-Wärme-Kopplung I) oder selbst in erheblichem Umfang Strom erzeugt (vgl. BGHZ 134, 1, 6 f. - Stromeinspeisung II; BGH, Urt. v. 22.10.1996 - KZR 18/95, WuW/E 3099, 3101 - Stromveredelung).

Die Revision macht demgegenüber geltend, die Vergütung sei so zu bemessen, als ob die Klägerin bei einem Energieversorgungsunternehmen eingespeist hätte, das fremderzeugten Strom verteile. Der in der Rechtsprechung entwickelte Grundsatz, wonach es infolge der Stromeinspeisung nicht zu einer Erhöhung der Strombeschaffungskosten des abnehmenden Energieversorgungsunternehmens kommen dürfe, müsse dem Prinzip der Gleichbehandlung weichen.

Dem kann nicht beigetreten werden. Eine abstrakte Berechnung - wie von der Revision geltend gemacht - findet in einem Fall wie dem vorliegenden in § 26 Abs. 2 GWB keine Grundlage. Sie würde dazu führen, daß die Beklagte infolge der Einspeisung des fremden Stroms, der zu vergüten wäre, als ob er bei einem anderen Stromlieferanten eingekauft worden wäre, mit Kosten belastet wäre, die ihr ohne die Fremdeinspeisung erspart geblieben wären. Ein Energieversorgungsunternehmen muß aber als Folge der Aufnahme eingespeisten Stroms keine Erhöhung seiner Strombeschaffungskosten hinnehmen (vgl. BGHZ 134, 1, 7 - Stromeinspeisung II). Auch dem marktbeherrschenden Unternehmen mutet § 26 Abs. 2 GWB ein solches Marktverhalten nicht zu. Die Schaffung einheitlicher Vergütungsmaßstäbe für Kleineinspeiser ist nicht Aufgabe dieser Bestimmung. Die dort angesprochenen Normadressaten sind nicht verpflichtet, zu einem gleichmäßigen Vergütungsniveau für Leistungen bestimmter Art und damit zu einem horizontalen Ausgleich zwischen den durch die Vorschrift geschützten Unternehmen beizutragen (vgl. BGHZ 119, 335, 343 - Stromeinspeisung I; 133, 177, 179 - Kraft-Wärme-Kopplung I).

b) Ist danach auf die jeweiligen Kosten abzustellen, die das aufnehmende Energieversorgungsunternehmen infolge der Fremdeinspeisung konkret - durch Fremdbezug oder Eigenproduktion - erspart, ist für die Berücksichtigung von Kosten kein Raum, die unabhängig von der in Rede stehenden Einspeisung entstehen. Dies bedeutet, daß bei einem stromerzeugenden Energieversorgungsunternehmen, das - wäre die Einspeisung unterblieben - die entsprechende Menge zusätzlich produziert hätte, in jedem Fall die variablen Kosten anzusetzen sind. Erspart sich das Unternehmen durch die Fremdeinspeisung das Vorhalten weiterer Produktionseinrichtungen, können darüber hinaus auch derartige langfristig ersparte Aufwendungen in die Berechnung einzubeziehen sein.

Im Streitfall kommt es unter diesen Umständen allein darauf an, ob die nach den Verhältnissen der Beklagten durch die Einspeisung des überschüssigen Stroms aus der Erzeugungsanlage der Klägerin vermiedenen Kosten die von der Beklagten gezahlte Vergütung übersteigen. Die Beklagte benötigt für die Erzeugung von Strom eine bestimmte Menge an Primärenergie. Die dadurch verursachten Kosten werden insbesondere von dem jeweiligen aktuellen Strombedarf der Kunden bestimmt (variable Kosten). Die Beklagte ist jedoch als Energieversorgungsunternehmen gehalten, Kapazitäten zur Erzeugung und Verteilung von Strom bereitzustellen, die eine Stromversorgung insgesamt, auch zu Spitzenlastzeiten, sichern. Das Bereithalten dieser Kapazitäten ist mit Kosten verbunden, die grundsätzlich unabhängig vom jeweiligen Bedarf der Kunden der Beklagten entstehen (Fixkosten).

Die Einspeisung von Strom in das Netz eines Energieversorgungsunternehmens, das den von ihm zu verteilenden Strom überwiegend selbst erzeugt, führt bei diesem zur Einsparung von Primärenergie und damit zur Verringerung der variablen Kosten. Nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin liegen die auf diese Weise vermiedenen Kosten aber unter der aufgrund des Vertrags von der Beklagten geleisteten Vergütung. Ob darüber hinaus auch Fixkosten vermieden wurden, bestimmt sich nach den konkreten Umständen. Dabei sind auch die Menge und die elektrizitätswirtschaftliche Wertigkeit des eingespeisten Stroms zu berücksichtigen (BGHZ 134, 1, 7 - Stromeinspeisung II; BGH WuW/E 3099, 3102 - Stromveredelung).

Nach den getroffenen Feststellungen konnte die Stromeinspeisung der Klägerin die Beklagte nicht veranlassen, die von ihr vorgehaltenen Kapazitäten zu verringern und auf diese Weise die Fixkosten zu senken. Die Klägerin speiste nur zeitweise und nur geringe Strommengen in das Netz der Beklagten ein. Nach ihrem eigenen Vortrag hatte sie ein Regelungssystem installiert, um wegen der - nach ihrer Auffassung - zu niedrigen Vergütung die Stromlieferungen an die Beklagte so gering wie möglich zu halten. Aufgrund dessen erfüllte sie in dem in Rede stehenden Zeitraum niemals auch nur annähernd die vertraglich vorgesehenen Voraussetzungen für die Zahlung einer Stetigkeitsprämie. Wann und in welchem Umfang die Klägerin einspeiste, hing nicht vom Bedarf der Beklagten, sondern allein davon ab, ob die Klägerin den von ihr erzeugten Strom für ihren eigenen Betrieb benötigte oder nicht. Nach dem unbestrittenen Vorbringen der Beklagten hatte sie - anders als bei den von ihr selbst vorgehaltenen Kraftwerkskapazitäten - zudem keine Möglichkeit, die Einspeisung durch die Klägerin zu steuern. Damit fehlte es an einer langfristigen Verläßlichkeit und Verfügbarkeit der Stromlieferungen der Klägerin.

Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, die Beklagte könne jedenfalls durch die Gesamtheit der Stromlieferungen von Kleineinspeisern Fixkosten vermeiden. Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung darüber, unter welchen Bedingungen ein Energieversorgungsunternehmen, das den Strom ganz oder teilweise selbst erzeugt, aufgrund von hinreichend stetigen Stromlieferungen einer großen Zahl von Kleineinspeisern seine eigenen Erzeugungskapazitäten verringern kann, wie weit die Darlegungslast des Energieversorgungsunternehmens reicht (vgl. dazu BGHZ 134, 1, 9 - Stromeinspeisung II) und unter welchen Umständen eine anteilige Berücksichtigung der dadurch vermiedenen Fixkosten bei der Ermittlung der dem einzelnen Kleineinspeiser zustehenden angemessenen Vergütung geboten ist. Denn Voraussetzung für eine solche - anteilige - Berücksichtigung vermiedener Fixkosten bei der Ermittlung der angemessenen Vergütung muß jedenfalls ein Mindestmaß an Verläßlichkeit und Verfügbarkeit des Beitrags des einzelnen Kleineinspeisers sein. Daß die Klägerin, die in erster Linie für den eigenen Bedarf erzeugt und als Überschußeinspeiser nur eine geringe Gewähr für Stetigkeit bietet, diese Voraussetzungen - für sich genommen oder zusammen mit anderen Einspeisern - erfüllt, läßt sich den getroffenen Feststellungen nicht entnehmen.

III. Danach ist die Revision mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Ende der Entscheidung

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