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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 22.11.2000
Aktenzeichen: LwZR 12/00
Rechtsgebiete: LwVG


Vorschriften:

LwVG § 48 Abs. 1
LwVG § 48 Abs. 1

Über ein Rechtsmittel gegen eine im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ergangene Entscheidung des Landwirtschaftsgerichts in einer Landpachtsache im Sinn von § 1 Nr. 1a LwVG ist nach den Vorschriften der Zivilprozeßordnung zu entscheiden.

BGH, Urt. v. 22. November 2000 - LwZR 12/00 - OLG Oldenburg AG Oldenburg


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

LwZR 12/00

Verkündet am: 22. November 2000

Kanik, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der Bundesgerichtshof, Senat für Landwirtschaftssachen, hat auf die mündliche Verhandlung vom 22. November 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die Richter Prof. Dr. Krüger und Dr. Klein sowie die ehrenamtlichen Richter Ehlers und Böhme

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin wird der Beschluß des 10. Zivilsenats - Senat für Landwirtschaftssachen - des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 16. Dezember 1999 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin und ihr 1996 aus Altersgründen aus dem Erwerbsleben ausgeschiedener Ehemann pachteten mit Vertrag vom 14. Dezember 1972 vom Beklagten dessen Hof "S. ". Nach Vertragsablauf vereinbarten sie mit Vertrag vom 8. August 1985 ein Anschlußpachtverhältnis für die Dauer vom 1. Januar 1985 bis 31. Dezember 1997. Die Pächter betrieben auf dem Hof sowie auf eigenen und hinzugepachteten Flächen Milchwirtschaft. Für den Gesamtbetrieb war im Juni 1984 eine Milchquote von 144.991 kg und im April 1987 nach Teilstillegung noch eine Quote von 132.309 kg zugeteilt.

Mit schriftlichem Zusatzvertrag vom 14. August 1985 trafen die Pächter mit dem Beklagten u.a. folgende Regelung:

"Auf diesem Hof und den weiter dazugepachteten Flächen erwirtschaftete der Pächter die ihm zugeteilte Milchquote von .... (hier sollte die später bescheinigte Menge eingetragen werden) kg. Sollte sich bis zum Ablauf des Pachtvertrages im Jahre 1997 die MGVO, BGBl. 1/84 S. 1434 dahingehend ändern, daß das Bewirtschafterprinzip angewendet werden kann, so bin ich, H. M. , bereit, Herrn E. B. beim Abzug vom Hof die Mitnahme von 100.000 kg ohne irgendwelche Auflagen zu bewilligen."

Dazu behauptet die Klägerin, man sei sich darüber einig gewesen, daß den Pächtern der wirtschaftliche Vorteil aus dem Aufbau der Milchquote zustehen solle. Dies sei Vorausssetzung des neuen Vertrages gewesen. Der Beklagte habe die Regelung akzeptiert, weil er gewußt habe, daß allein die Klägerin und ihr Ehemann in den Jahren 1972 bis 1984 die Milchproduktion aufgebaut hätten. Der Quotenübergang sei in der Zusatzvereinbarung vereinbart worden, weil die Vertragsparteien aufgrund einer Beratung durch die Mitarbeiter des Landvolkverbandes davon ausgegangen seien, daß in naher Zukunft die Flächenbindung der Quote zugunsten des Bewirtschafterprinzips aufgegeben werde.

Nach Beendigung des Pachtvertrages wurde der Klägerin entsprechend der Flächenaufteilung eine Milchquote von 40.303 kg bescheinigt, die sie wegen Aufgabe der landwirtschaftlichen Tätigkeit verkaufte. Dem Beklagten wurde mit Bescheid vom 12. November 1997 ein Referenzmengenübergang von 91.974 kg bestätigt. Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein, nahm diesen jedoch im März 1998 zurück.

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung eines Wertausgleichs für die ihm bescheinigte Milchquote auf der Grundlage eines behaupteten Verkaufswerts von 1,60 DM/kg in Anspruch. Sie hat mit einer zum Landwirtschaftsgericht erhobenen Klage beantragt, den Beklagten zur Zahlung von 147.158,40 DM nebst Zinsen zu verurteilen. Der Beklagte hat u.a. die Einrede der Verjährung erhoben.

Das Landwirtschaftsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht durch Beschluß zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der zugelassenen "Rechtsbeschwerde".

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht meint, über das nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung als Berufung zulässige Rechtsmittel der Klägerin habe durch Beschluß im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit entschieden werden müssen, weil diese ihren Anspruch auch auf § 591 BGB gestützt habe. Daran ändere sich auch nichts dadurch, daß sie im Berufungsverfahren nur noch auf einen vertraglich begründeten Wertausgleichsanspruch abstelle.

Es bestehe nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kein gesetzlicher (außervertraglicher) Anspruch der Klägerin. Nach dem unter Beweis gestellten Klagevortrag komme aber möglicherweise aufgrund ergänzender Vertragsauslegung ein vertraglicher Wertausgleichsanspruch in Betracht. Dieser sei aber nach § 591 b BGB verjährt, weil das Pachtverhältnis am 31. Oktober 1997 beendet und die Klage erst am 19. Januar 1999 eingereicht worden sei.

II.

Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand.

1. Das Berufungsgericht ist zu Unrecht in das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit übergegangen und hat eine Entscheidung durch Beschluß getroffen. Mit der Senatsentscheidung BGHZ 115, 162 ff läßt sich der vorliegende Fall nicht vergleichen. Die Klägerin hat keinen verwendungsbedingten Mehrwert in unmittelbarer oder entsprechender Anwendung von § 591 Abs. 1 BGB verlangt, sondern von Anfang an auf die besondere vertragliche Regelung (und deren ergänzende Auslegung) abgestellt. Dabei hat sie sogar auf die genannte Senatsentscheidung (= AgrarR 1991, 343) hingewiesen und dazu ausgeführt, es gehe hier gerade nicht um den entschiedenen Fall, auf den die gesetzliche Regelung Anwendung finde, sondern um eine davon abweichende vertragliche Vereinbarung. Hilfsweise hat sie einen Bereicherungsanspruch für gegeben erachtet. Dementsprechend fehlt auch jeder Tatsachenvortrag zu einem verbleibenden Mehrwert der Pachtsache; die Klägerin berechnet die Höhe ihrer Forderung vielmehr nach dem Verkaufswert der Referenzmenge. Soweit das Landwirtschaftsgericht einen Anspruch der Klägerin nach § 591 Abs. 1 BGB unter Hinweis auf die Senatsrechtsprechung verneint hat, war dies zwar zutreffend, aber durch den Klagevortrag nicht veranlaßt.

Das Berufungsgericht führt zwar aus, die Klägerin habe sich in "erster Instanz ausdrücklich auf eine Anwendung des § 591 BGB gestützt". Dies hat jedoch keine den Senat bindende Tatbestandswirkung (§§ 314, 561 Abs. 1 ZPO; vom Ausgangspunkt des Berufungsgerichts aus vgl. auch § 27 Abs. 2 LwVG). Insoweit maßgeblich wäre der Tatbestand des Ersturteils (vgl. BGH, Urt. v. 10. November 1995, V ZR 179/94, BGHR ZPO § 314, Unrichtigkeit 6), der eine solche Feststellung gerade nicht enthält. Im übrigen wäre der Tatbestand des Berufungsgerichts im hier maßgeblichen Punkt auch deshalb ohne Bindungswirkung, weil er zu dem Referat des Vortrags der Klägerin in Widerspruch steht (vgl. z.B. BGH, Urt. v. 15. April 1997, XI ZR 105/96, WM 1997, 1092, 1093 m.w.N.).

Auch in der Berufungsinstanz hat die Klägerin allein auf einen vertraglich begründeten Wertausgleichsanspruch abgehoben. Damit war und blieb der Rechtsstreit ein Verfahren nach § 1 Nr. 1 a LwVG in Verbindung mit § 48 LwVG und mußte mithin nach den Vorschriften der Zivilprozeßordnung behandelt werden, ohne daß es noch darauf ankommt, wie in Fällen verfahren werden muß, in denen neben einem Anspruch nach § 591 Abs. 1 BGB auch konkurrierende Ansprüche geltend gemacht werden.

Das gegen den oberlandesgerichtlichen Beschluß eingelegte Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde war nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung zulässig. Das Verfahren hat der Senat so weiter zu betreiben, wie dies bei richtiger Entscheidungsform durch die Vorinstanz und dem danach gegebenen Rechtsmittel, nämlich der Revision, geschehen wäre (BGHZ 115, 162, 165).

2. Der vom Berufungsgericht unterstellte Anspruch ist nicht verjährt.

a) Eine Verjährung des geltend gemachten Anspruchs nach § 591 b BGB kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil der Verjährung nach dieser Vorschrift nur Ansprüche unterliegen, die bei der Beendigung des Pachtverhältnisses bestehen (vgl. für die gleichlautende Vorschrift des § 558 BGB BGH, Urt. v. 12. Juni 1991, XII ZR 17/90, NJW 1991, 3031, 3032 m.w.N.). Dies folgt daraus, daß Ansprüche nicht verjähren können, bevor sie entstanden sind (§ 198 Satz 1 BGB).

Hieran fehlt es. Nach der Zusatzvereinbarung der Vertragsparteien vom 14. August 1985 war der Verpächter bei geänderter Rechtslage (Umstellung auf Bewirtschafterprinzip) bereit, dem Pächter die "Mitnahme" einer Referenzmenge von 100.000 kg "beim Abzug vom Hof" zu bewilligen. Unter Berücksichtigung der Tatsache, daß sich der Referenzmengenübergang erst mit Rückgabe der Pachtsache vollzieht (vgl. BVerwGE 84, 140), folgt daraus, daß der vom Berufungsgericht in Betracht gezogene vertragliche Anspruch über die Beendigung des Pachtverhältnisses hinaus auch den "Abzug vom Hof" zur Voraussetzung hatte. Zuvor war er nicht entstanden.

b) § 591 b Abs. 1 BGB betrifft u.a. den Anspruch des Pächters auf Ersatz von Verwendungen. Das Berufungsgericht geht selbst von der Rechtsprechung des Senats aus, wonach der Übergang der auf der Grundlage der Pächterproduktion zugeteilten Referenzmenge auf den Verpächter weder in unmittelbarer noch in rechtsanaloger Anwendung von § 591 BGB einen Anspruch des Pächters auf Zahlung des hierdurch bewirkten Mehrwerts auslöst (BGHZ 115, 162). Als die Vertragsparteien 1985 die Zusatzvereinbarung abschlossen, war § 591 BGB noch nicht in Kraft (vgl. Gesetz zur Neuordnung des landwirtschaftlichen Pachtrechts vom 8. November 1985, BGB I, 2065 ff), die Entscheidung des Senats war noch nicht ergangen. Wäre durch die Vereinbarung ein Anspruch auf Wertausgleich für die auf den Verpächter übergegangene Referenzmenge begründet worden, könnte daraus nicht zugleich hergeleitet werden, die Vertragsparteien hätten - wie das Berufungsgericht meint - "die Quote als Wertverbesserung und damit wie eine mehrwertschaffende Verwendung behandeln wollen". Nur aufgrund dieser Annahme gelangt das Berufungsgericht aber zu dem Ergebnis, der hier geltend gemachte Anspruch sei "wie ein Verwendungsersatzanspruch" zu behandeln.

3. Die Sache ist nicht zu einer Endentscheidung reif. Das Berufungsgericht wird sich mit der Frage befassen müssen, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe der Klägerin ein vertraglicher Wertausgleichsanspruch zusteht.

Ende der Entscheidung

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