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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 22.11.2000
Aktenzeichen: LwZR 23/99
Rechtsgebiete: VZOG, BGB


Vorschriften:

VZOG § 7 a
BGB § 315 Abs. 3 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

LwZR 23/99

Verkündet am: 22. November 2000

Kanik, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der Bundesgerichtshof, Senat für Landwirtschaftssachen, hat auf die mündliche Verhandlung vom 22. November 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die Richter Prof. Dr. Krüger und Dr. Klein sowie die ehrenamtlichen Richter Ehlers und Böhme

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision gegen das Schlußurteil des Landwirtschaftssenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 21. Oktober 1999 wird auf Kosten der Beklagen zu 2 zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten zu 2 (im folgenden: Beklagte) zum Abschluß eines Pachtvertrages über landwirtschaftliche Nutzflächen.

Durch Vertrag vom 8. Februar 1994 verpachtete die Beklagte dem Kläger in den Gemarkungen D. und Da. für den Zeitraum vom 1. Oktober 1993 bis zum 30. September 2005 landwirtschaftliche Nutzflächen. Im Hinblick auf die Möglichkeit der Geltendmachung von Rückübertragungsansprüchen wegen der verpachteten Grundstücke trafen die Parteien im Pachtvertrag folgende Regelungen:

"§ 2

Zusätzliche Vereinbarungen zur Pachtsache

1. Die Vertragsparteien sind sich darüber einig, daß unter den verpachteten Flächen auch solche sein können, die Gegenstand angemeldeter Rückübertragungsansprüche nach dem Vermögensgesetz sind und deshalb der Anmelder unter den Voraussetzungen des Vermögensgesetzes deren Rückübertragung verlangen kann. ...

2. ...

3. Sind Ansprüche auf Rückübertragung bestimmter Flächen zugunsten des Anmelders entschieden, steht diesem vom Zeitpunkt der Bestandskraft der Entscheidung ab ein außerordentliches Kündigungsrecht zum Ende des laufenden Pachtjahres zu. Das Kündigungsrecht kann nur mit einer Frist von 3 Monaten zum Ende des laufenden Pachtjahres ausgeübt werden.

4. Nach Maßgabe des ihr Möglichen und Zulässigen wird die Verpächterin dem Pächter Flächen zum Ersatz anbieten, die den dem Anmelder zurückzuübertragenden nach Qualität und Umfang vergleichbar sind. Weitergehende Rechte stehen dem Pächter nicht zu.

5. Kann die Verpächterin dem Pächter keine Flächen nach Maßgabe des Absatzes 4 anbieten und ist dem Pächter die Erhaltung seines Betriebes mit den ihm nach der Rückübertragung an den Anmelder verbleibenden verpachteten Flächen nicht möglich, steht ihm innerhalb einer Frist von 2 Monaten ein außerordentliches Recht zur Kündigung dieses Vertrages zum Ende des laufenden Pachtjahres zu.

6. ...

7. ...

§ 2a

Zusätzliche Vereinbarungen zur Pachtsache

im Falle des Vorliegens von Restitutionsansprüchen der Länder,

Kommunen und sonstiger Körperschaften des öffentlichen Rechts

1. Die Vertragsparteien sind sich auch darüber einig, daß unter den verpachteten Flächen solche sein können, die dem Zentralstaat unentgeltlich zur Verfügung gestellt wurden und somit nach Art. 21 Absatz 3 Halbsatz 1 des Einigungsvertrages und Artikel 22 Absatz 1 Satz 7 in Verbindung mit Artikel 21 Absatz 3 Halbsatz 1 des Einigungsvertrages Gegenstand von Restitutionsansprüchen von Ländern, Kommunen und sonstigen Körperschaften des öffentlichen Rechts sind.

2. Sind Ansprüche auf Rückübertragung bestimmter Flächen zugunsten eines Landes, einer Kommune oder einer sonstigen Körperschaft des öffentlichen Rechts entschieden, steht diesen vom Zeitpunkt der Bestandskraft der Entscheidung ab ein außerordentliches Kündigungsrecht entsprechend § 2 Abs. 3 dann zu, wenn und soweit die von Restitutionsansprüchen betroffenen verpachteten Flächen nicht der Sicherung oder Schaffung von Arbeitsplätzen oder der Wiederherstellung oder Schaffung von Wohnraum dienen und deshalb die Inanspruchnahme der Flächen durch den Pächter nicht erforderlich ist.

3. § 2 Abs. 4 und 5 gelten entsprechend."

Verpachtet war u.a. das 13,77 ha große Flurstück 26 der Flur 2 der Gemarkung D. (im folgenden: Grundstück). Das Eigentum an diesem Grundstück war durch Bescheid vom 1. Dezember 1993 gemäß § 7 a VZOG (1992) der Gemeinde D. zugeordnet worden. Mit Schreiben vom 9. Mai 1995 ließ die Beklagte den Kläger hiervon unterrichten und bat wegen der Zuordnung um Änderung des Pachtvertrages. Dieser Bitte kam der Kläger nach. Als Anlage zu seinem Schreiben vom 27. Dezember 1995 übersandte er eine Vertragsurkunde, aufgrund deren das Grundstück aus der Pachtfläche mit Beginn des Wirtschaftsjahres 1994/1995 herausgenommen wurde. Nach seinem Anschreiben "erwartete" er im Hinblick auf die Verminderung der Pachtfläche Ausgleich gemäß §§ 2, 2 a des Pachtvertrages vom 8. Februar 1994. Der Änderungsvertrag wurde für die Beklagte gegengezeichnet und auf den 16. Januar 1996 datiert.

Der Kläger hat behauptet, die Beklagte verfüge im Bereich von D. über umfangreiche unverpachtete landwirtschaftliche Nutzflächen, die der Qualität des Grundstücks entsprächen. Er hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 13,77 ha landwirtschaftliche Nutzfläche mit durchschnittlich 50 Bodenpunkten pro Hektar bis zum 30. September 2005 in der Gemarkung D. oder einer benachbarten Gemarkung zu ihren üblichen Bedingungen an ihn zu verpachten. Das Landwirtschaftsgericht hat die Klage abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihm bis zum 30. September 2005 13,77 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche mit durchschnittlich 50 Bodenpunkten pro Hektar in den Gemarkungen D. oder L. oder in einer benachbarten Gemarkung zu den Bedingungen des Vertrages vom 8. Februar 1994 zu ihren bzw. der Beklagten zu 1 aktuellen Pachtzinssätzen zu verpachten.

Das Oberlandesgericht hat der Berufung teilweise stattgegeben. Es hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger ab Rechtskraft 7,5335 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche mit durchschnittlich bis zu 47 Bodenpunkten pro Hektar in den bezeichneten Gemarkungen zu den Bedingungen des Pachtvertrags vom 8. Februar 1995 zu ihren aktuellen Pachtzinssätzen bzw. den aktuellen Pachtzinssätzen der Beklagten zu 1 zu verpachten. Hiergegen wendet sich die zugelassene Revision der Beklagten. Sie erstrebt die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht hält die Beklagte zum Abschluß eines Pachtvertrages mit dem Kläger für verpflichtet. Es führt aus: Die im Pachtvertrag vom 8. Februar 1994 für den Fall der Restitution getroffenen Regelungen seien auf die zuvor erfolgte Zuordnung des Grundstücks an die Gemeinde D. entsprechend anzuwenden. Durch den Abschluß des Änderungsvertrages vom 16. Januar 1996 habe der Kläger nicht auf seine wegen der Zuordnung des Grundstücks an die Gemeinde nach dem Vertrag vom 8. Februar 1994 begründeten Ansprüche verzichtet. Soweit die Beklagte über landwirtschaftlich genutzte Flächen entsprechender Qualität verfüge, habe sie diese an den Kläger zu verpachten. Ohne Bedeutung sei insoweit, daß es sich hierbei um Splitterflächen handele.

Die zugelassene Revision hat keinen Erfolg.

II.

1. Die Klage ist zulässig. Der Kläger verlangt von der Beklagten den Abschluß eines Pachtvertrages über landwirtschaftliche Nutzflächen. Die Klage ist auf die Abgabe einer Willenserklärung gerichtet, nämlich auf die Abgabe eines Angebots auf Abschluß eines Pachtvertrages. Der Antrag ist auch ohne konkrete Bezeichnung der Ersatzgrundstücke bestimmt genug, weil er eine Bestimmung durch Urteil gemäß § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB für den Fall mit umfaßt, daß die Beklagte die grundsätzlich ihr überlassene Bestimmung nicht noch vornimmt. Da die Beklagte diese unterlassen hat, hat das Berufungsgericht die Grundstücke zulässigerweise in den Entscheidungsgründen bestimmt. Dies ist zur Auslegung des Tenors mit heranzuziehen, so daß das Urteil vollstreckungsfähig ist. Zur Höhe der Pacht verweisen Klageantrag und Tenor zulässig auf die von den Beklagten allgemein für die Verpachtung landwirtschaftlicher Nutzflächen verlangten Sätze.

2. Die Auslegung der vertraglichen Vereinbarungen durch das Berufungsgericht läßt keinen Fehler erkennen. Die für die Fälle der Restitution und Zuordnung getroffenen Regelungen erfassen nach ihrem Wortlaut den Fall nicht, daß die Restitution oder die Zuordnung eines verpachteten Grundstücks schon vor Abschluß des Pachtvertrages erfolgt ist. Das Berufungsgericht legt den Vertrag jedoch zu Recht ergänzend dahin aus, daß die für die Restitution oder Zuordnung nach Abschluß des Vertrages vereinbarten Regelungen auch den Fall erfassen, daß die Zuordnung schon vorher erfolgt ist. Ohne Bedeutung ist dabei, ob der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag von den Beklagten im Sinne Allgemeiner Geschäftsbedingungen vorformuliert ist.

Die Regelungslücke durch Heranziehung der Grundsätze über die Leistungsstörung zu schließen, widerspräche dem mutmaßlichen Parteiwillen, weil eine Schadensersatzverpflichtung der Beklagten mit ihrem Auftrag, die Grundstücke auch bei unübersichtlichen Eigentumsverhältnissen zu verpachten, nicht vereinbar wäre. Die ergänzende Auslegung der für den Fall nachträglicher Restitution oder Zuordnung vereinbarten Regelungen bewahrt die Beklagte hiervor und gewährt dem Kläger zum Ausgleich einen Anspruch auf das Angebot von Ersatzflächen.

Dies ist interessengerecht, weil die Beklagte zum Angebot von Ersatzflächen nur insoweit verpflichtet ist, als die Verpachtung der Ersatzflächen mit ihren Pflichten und ihrem Privatisierungsauftrag zu vereinbaren ist. Soweit sie über keine in diesem Sinne freien Flächen verfügt, ist sie auch nicht verpflichtet. Die Beklagte hat im Verlauf des Berufungsverfahrens die in den Gründen des Berufungsurteils bezeichneten Grundstücke als der Verpachtung zugänglich benannt. Konkrete Umstände aus ihrem Aufgabenbereich, die deren Verpachtung an den Kläger entgegen stehen, hat sie nicht dargelegt. Ihrer Verpflichtung, dem Kläger einen Pachtvertrag über diese Grundstücke anzubieten, steht auch nicht entgegen, daß sie im Hinblick auf den derzeitigen Pachtbesitz des Klägers Splitterflächen sind. Der Kläger ist nicht verpflichtet, das Angebot der Beklagten anzunehmen. Es ist ihm überlassen abzuwägen, ob der Abschluß eines Pachtvertrages über die anzubietenden Grundstücke trotz ihrer Eigenschaft als Splitterflächen für ihn sinnvoll ist.

4. Ein Teil der von der Beklagten benannten Grundstücke war bis zum 30. September 2000 anderweit verpachtet. Das steht der Aufrechterhaltung des Berufungsurteils schon deshalb nicht entgegen, weil die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger diese Grundstücke zur Pacht anzubieten, nach dem Tenor des Berufungsurteils - im Hinblick auf die Zulassung der Revision - an den Eintritt der Rechtskraft des Urteils geknüpft und der 30. September 2000 inzwischen verstrichen ist.

5. Eine zeitliche Beschränkung, innerhalb derer der Anspruch auf das Angebot von Ersatzland gerichtlich geltend zu machen wäre, ist Wortlaut und Sinn der getroffenen Regelung entgegen der Meinung der Revision nicht zu entnehmen. Die Beendigung des Besitzrechts an einzelnen Grundstücken aufgrund Rückübertragung oder Zuordnung kann dazu führen, daß die verbleibenden Flächen nicht hinreichen, den Betrieb des Pächters zu ermöglichen. In diesem Fall hat er nach der vertraglichen Vereinbarung das Recht, den Pachtvertrag außerordentlich zu kündigen. Der Anspruch auf das Angebot von Ersatzflächen entfällt nur, wenn der Pachtvertrag aus diesem Grund vom Pächter gekündigt wird.

6. Die Revision hat auch insoweit keinen Erfolg, als sie geltend macht, der Kläger habe auf die Verpflichtung zum Angebot von Ersatzflächen verzichtet. Aus dem Schreiben des Klägers vom 27. Dezember 1995 ergibt sich, daß das Einverständnis des Klägers, das der Gemeinde zugeordnete Grundstück aus dem Pachtvertrag zu entlassen, gerade nicht bedeutete, auf den Anspruch auf das Angebot von Ersatzflächen zu verzichten. Im Hinblick auf dieses Schreiben kann ein derartiger Verzicht auch nicht der Tatsache entnommen werden, daß er die Erstattung der auf dieses Grundstück in der Vergangenheit entfallenden Pacht entgegengenommen hat.

Ende der Entscheidung

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