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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 14.07.2003
Aktenzeichen: NotSt (Brfg) 5/02
Rechtsgebiete: BeurkG, DONot, BNotO


Vorschriften:

BeurkG § 54b Abs. 1
DONot § 12 Abs. 2
BNotO § 50 Abs. 3 Satz 3

Entscheidung wurde am 01.12.2003 korrigiert: unter II. 2. a) 1. Satz muß es statt § 13a BeurkG richtig § 54b Abs. 1 BeurkG heißen, entsprechend ändern sich die Vorschriften
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

NotSt (Brfg) 5/02

Verkündet am: 14. Juli 2003

in dem Disziplinarverfahren

gegen

Der Bundesgerichtshof, Senat für Notarsachen, hat in der Sitzung vom 14. Juli 2003, an der teilgenommen haben:

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Vertreters der Einleitungsbehörde gegen das Urteil des Senats für Notarsachen bei dem Oberlandesgericht Celle vom 19. August 2002 wird verworfen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens und die dem Notar im Berufungsrechtszug entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Von Rechts wegen

Gründe:

I.

Das Oberlandesgericht hat den 1943 geborenen Notar eines vorsätzlich begangenen Dienstvergehens schuldig gesprochen und gegen ihn eine Geldbuße von 10.000 € verhängt.

Dagegen wendet sich der Vertreter der Einleitungsbehörde zu Ungunsten des Notars mit der Berufung. Er strebt die Entfernung des Notars aus dem Amt für die Dauer von drei Jahren an. Das Rechtsmittel ist unbegründet.

II.

1. Aufgrund der Berufungsverhandlung hat der Senat zu den persönlichen Verhältnissen und dem beruflichen Werdegang des Notars sowie zu den vorausgegangenen disziplinaren Ahndungen dieselben Feststellungen wie das Oberlandesgericht getroffen. Auf die Darstellung unter I der Gründe des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen.

2. Zu dem dem Notar zur Last gelegten Verhalten hat die Berufungsverhandlung im wesentlichen denselben Sachverhalt ergeben, wie er im angefochtenen Urteil festgehalten worden ist:

a) Wie der Notar einräumt, unterließ er es in den Jahren 1998 und 1999 in zehn Fällen im Zusammenhang mit von ihm beurkundeten Grundstückskaufverträgen, deren Abwicklung die treuhänderische Hinterlegung von Fremdgeldern erforderte, für die jeweiligen Verwahrungsmassen Notaranderkonten (vgl. § 54b Abs. 1 BeurkG; § 12 Abs. 2 DONot) einzurichten. Statt dessen vereinbarte er mit den Beteiligten jeweils die Abwicklung über ein Sonderkonto seiner Anwaltssozietät mit Rechtsanwalt R. bei der Sparkasse M. ; in einem Fall, in dem es allerdings nicht zu Zahlungen kam, richtete die Sparkasse M. zur Ansammlung von Zahlungen ein Termingeldkonto ein. In sieben der genannten zehn Fälle erfolgte auf diese Weise tatsächlich die Abwicklung der Kaufverträge; in drei Fällen kamen die Kaufverträge nicht zur Durchführung. Wegen der weiteren Einzelheiten siehe die Aufstellung unter III Ziffern 1-10 S. 6-8 des angefochtenen Urteils. Das besagte Sonderkonto Nr. 114.348 der Rechtsanwaltssozietät R. und H. bei der Sparkasse M. wurde im maßgeblichen Zeitraum überwiegend im Haben geführt, mehrfach allerdings auch im Soll. Bei Eingang des Kaufpreises von 340.000 DM in einem der genannten Fälle (Kaufvertrag D. /G. , UR-Nr. 496/99) wies das Sonderkonto einen Sollstand von 134.158,17 DM auf, wobei allerdings der Notar nach der Art der Geschäftsbeziehung zu der Sparkasse M. davon ausgehen durfte, daß die Sparkasse Verfügungen über eingegangene Fremdgelder auch bei Überziehungen des Kontos ausführen würde. Der Notar praktizierte die dargestellte Art der "Verwahrung" nach seiner unwiderlegten Darstellung nach einer grundsätzlichen Absprache mit der Sparkasse M. in Einzelfällen, um die Abwicklung von Verträgen kostengünstiger zu gestalten; anders sei er verfahren, wenn es sich abgezeichnet habe, daß die Abwicklung schwierig werden könnte, etwa, wenn auswärtige Kreditinstitute beteiligt gewesen seien.

b) Soweit der Notar angeschuldigt worden war, in einem der genannten Fälle (Angelegenheit D. /G. , UR-Nr. 497/99) den auf das Rechtsanwaltssonderkonto eingezahlten Kaufpreis von 340.000 DM nicht unverzüglich nach Auszahlungsreife an den Verkäufer weitergeleitet zu haben, hat das Oberlandesgericht den Vorwurf nicht als begründet angesehen, und die Berufung greift das Urteil insoweit nicht an.

c) Die Anschuldigungsschrift lastet dem Notar im Zusammenhang mit der besagten vorschriftswidrigen Durchführung der Verwahrung ihm anvertrauter Gelder in zehn Fällen darüber hinaus folgendes als Dienstvergehen an:

- Etwa gleichzeitig mit dem zunächst nur wegen eines Teils der genannten Handlungen in Gang gesetzten Disziplinarverfahren eröffnete die Aufsichtsbehörde dem Notar durch Bescheid vom 25. September 2000 gemäß § 50 Abs. 3 Satz 3 BNotO, daß seine Amtsenthebung nach § 50 Abs. 1 Nr. 8 BNotO in Aussicht genommen sei. In der auf den Antrag des Notars auf gerichtliche Entscheidung anberaumten Termin zur Verhandlung vor dem Notarsenat des Oberlandesgerichts am 19. Februar 2001, die zur Aufhebung des angefochtenen Bescheids führte, erklärte der Notar, über das besagte Sonderkonto der Rechtsanwaltssozietät seien notarielle Verwahrgeschäfte, "mit Ausnahme der beiden Geschäfte, die Gegenstand dieses Verfahrens sind" (nämlich D. /G. und F. /F. e.V.), nicht abgewickelt worden; diese Erklärung war, wie eine anschließende Sonderprüfung durch die Justizverwaltung ergab, objektiv unrichtig.

- Bei der im Anschluß an den Beschluß des Notarsenats des Oberlandesgerichts vom 19. Februar 2001 durch die Aufsichtsbehörde veranlaßten Sonderprüfung der Amtsführung des Notars am 14. März 2001 standen dessen Handakten zu UR-Nrn. 215/98, 979/98, 287/99, 455/99 und 539/99 nicht zur Verfügung, lediglich die Handakte zu UR-Nr. 539/99 reichte der Notar nach. Die restlichen Handakten waren und sind nach seinem Vortrag nicht auffindbar, während die Anschuldigungsschrift dem Notar vorwirft, diese Akten zur Behinderung der weiteren gegen ihn gerichteten Ermittlungen "zurückzuhalten".

Der Senat vermag zu beiden Vorgängen ebensowenig wie das Oberlandesgericht (weitere) dienstliche Verfehlungen des Notars festzustellen.

aa) Was die - allerdings objektiv wahrheitswidrige - Erklärung des Notars in der gerichtlichen Verhandlung vom 19. Februar 2001 angeht, kann der Senat ebenso wie das Oberlandesgericht, offenlassen, ob und in welchem Umfang der Notar in der damaligen - seine berufliche Existenz bedrohenden - Situation überhaupt der Wahrheitspflicht unterlag, wie dies allerdings überwiegend für vergleichbare Konfliktlagen von Beamten in Disziplinarverfahren - unter Verweisung auf ein gegebenenfalls in Betracht kommendes Aussageverweigerungsrecht - angenommen wird (vgl. BVerwGE 46, 116; 63, 64 <Beamtendisziplinarsenate>; abweichend jedoch die Wehrdienstsenate BVerwGE 33, 170; BVerwG NJW 1969, 1188; Köhler/Ratz BDO 2. Aufl. B II. 8 Rn. 9; Claussen/Janzen BDO 8. Aufl. Einl. C Rn. 41a f jeweils m.w.N.; auch Lemke, in: Schippel BNotO 7. Aufl. § 93 Rn. 3 meint, der Notar habe nur die Wahl, entweder gar nicht auszusagen oder aber wahrheitsgemäß).

Der Senat schließt sich jedenfalls dem Oberlandesgericht darin an, daß dem Notar nicht nachgewiesen werden kann, seinerzeit vorsätzlich (bewußt) falsche Angaben im Hinblick auf weitere Fälle, in denen er das Anwaltssonderkonto anstelle eines Notaranderkontos benutzte, gemacht zu haben.

Das Oberlandesgericht hat hierzu unter anderem ausgeführt:

"Der Senat hält die Darstellung des Notars, die weiteren Fälle, in denen er das Rechtsanwaltssonderkonto benutzt habe, am 19. Februar 2001 derartig verdrängt zu haben, daß er sich im Sinne einer Panikreaktion dazu habe hinreißen lassen, weitere Vorfälle der gleichen Art zu leugnen, für nicht zu widerlegen. Der Notar hat anschaulich geschildert, in was für eine Situation er sich aufgrund des laufenden Amtsenthebungsverfahrens befand und wie sehr er durch die Ermittlungen belastet war. Daß sich der Notar seinerzeit in einer ihn ganz ungewöhnlich belastenden Situation befand, in der es zu Fehlreaktionen wie einem "blackout" kommen kann, steht fest. Denn das damalige Amtsenthebungsverfahren bedeutete für den Notar die akute Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz. Im Termin vom 19. Februar 2001 befand sich der Notar in der Lage, daß die Aufsichtsbehörde die Nutzung des Rechtsanwaltssonderkontos als so schwerwiegend gewichtete, daß nicht nur ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren mit einer Durchsuchung seiner Kanzleiräume ausgelöst worden war, sondern eben dies zum Antrag auf Amtsenthebung gemacht worden war. Daß bei objektiver Betrachtung nach Einschätzung des Senats der von der Aufsichtsbehörde gemachte Vorwurf dann doch nicht so schwer wog, konnte der Notar bei seiner Anhörung vor dem Senat nicht wissen. Um es pointiert bildhaft auszudrücken: Der Notar befand sich in der sprichwörtlichen Situation des Spatzes, auf den mit einer Kanone geschossen wird. Eine solche Situation ist geeignet, jemandem "Angst zu machen" mit der Folge, daß die ruhige und klare Überlegung beeinträchtigt wird und damit auch Detailwissen nicht ins Bewußtsein gelangt, an welches man bei ruhiger Überlegung gedacht hätte. Nach der sicheren Erinnerung aller Senatsmitglieder, die bereits an der Verhandlung am 19. Februar 2001 beteiligt waren, konnte es für den Notar ferner aufgrund der Erörterungen vor der Frage nach weiteren Vorfällen, in denen er auf die Einrichtung eines Notaranderkontos verzichtet hatte, gar keinen Zweifel daran geben, daß die Dienstaufsichtsbehörde weitere Aufklärungsmaßnahmen ergreifen würde. Das voraussehbare weitere Vorgehen der Behörde war dem Notar durch den Vorsitzenden eindringlich vor Augen geführt worden, die Konsequenzen einer falschen Einlassung waren für den Notar ohne jeden Zweifel absehbar. Daß der Notar, der wußte, daß er sich mit ... falschen Angaben in weitere, noch größere Schwierigkeiten bringen würde, gleichwohl die Frage nach weiteren ähnlich gelagerten Vorfällen verneint hat, kann nach der Überzeugung des Senats nicht nur auf die in der Verhandlung auch erörterte Verhaltensweise, immer nur das zuzugeben, was sich nach der Beweislage schlechterdings nicht mehr bestreiten läßt, sondern jedenfalls im Sinne einer nicht mit letzter Sicherheit auszuschließenden Möglichkeit auch auf den vom Notar dargestellten "blackout" zurückzuführen sei. Die Hoffnung, die Nachforschungen würden auf sich beruhen und eine weitere Untersuchung fände nicht statt, konnte der Notar in der mündlichen Verhandlung vom 19. Februar 2001 nicht haben. Eine Verbesserung seiner Situation hätte er allenfalls durch das Eingeständnis weiterer Pflichtwidrigkeiten erreichen können. Daß der Notar gleichwohl die Frage des Senats verneint und nicht einmal von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hat, läßt es als nicht widerlegbar in Betracht kommen, daß er aufgrund der bestehenden Ausnahmesituation die weiteren Verstöße tatsächlich derart verdrängt hat, daß ihm der Vorwurf von Falschangaben nicht gemacht werden kann."

Dieser rechtlich möglichen Beurteilung der subjektiven Seite des Verhaltens des Notars in der gerichtlichen Verhandlung vom 19. Februar 2001 vermag sich der Senat als Berufungsinstanz schon deshalb nicht zu entziehen, weil in diese Würdigung in dem angefochtenen Urteil in erheblichem Umfang auch die unmittelbaren Eindrücke eben derselben Mitglieder des Notarsenats des Oberlandesgerichts aus jener Verhandlung vom 19. Februar 2001 eingeflossen sind. Die insoweit jedenfalls zugunsten des Notars vom Oberlandesgericht aufgezeigten Zweifel lassen sich auch nicht durch das Berufungsvorbringen des Vertreters der Einleitungsbehörde beseitigen.

bb) Letzteres gilt auch, soweit das Oberlandesgericht auch die Einlassung des Notars, die von ihm im Ermittlungsverfahren nicht vorgelegten Handakten seien nicht mehr auffindbar, ohne daß er etwas dafür könne, als nicht widerlegt angesehen hat. Auf die diesbezüglichen Ausführungen in dem angefochtenen Urteil (S. 11, 12) nimmt der Senat Bezug. Das hiergegen gerichtete Vorbringen der Berufung mag geeignet sein, Unzulänglichkeiten des Vortrags des Notars, mit dem dieser das Verschwinden der Akten erklärt hat, aufzudecken. Daß der Notar die in Rede stehenden Handakten vorsätzlich hat "verschwinden" lassen, läßt sich gleichwohl nicht beweisen, zumal nach dem Vorbringen der Berufung nicht alle diese Handakten Geschäftsvorgänge betreffen, die die erörterten - ohnehin nachgewiesenen - Pflichtverstöße des Notars bei der Hinterlegung von Fremdgeldern festhalten.

III.

Das danach verbleibende Dienstvergehen des Notars durch die mehrfachen vorsätzlichen Verstöße gegen die Pflicht, Fremdgelder auf einem Notaranderkonto zu hinterlegen, ist nach Auffassung des Senats, der sich auch hinsichtlich der erforderlichen Disziplinarmaßnahme der gründlichen Abwägung des Oberlandesgerichts anschließt, mit einer empfindlichen Geldbuße ausreichend geahndet.

Das objektive Gewicht der Pflichtverletzung, die als schwerwiegend einzustufen ist, kann jedoch deshalb in einem milderen Licht gesehen werden, weil durch die unkorrekte Verfahrensweise des Notars Beteiligte weder geschädigt noch ihre Vermögensinteressen konkret ernsthaft gefährdet wurden. Soweit der Berufungsführer dem entgegenhält, der Notar habe sich jedenfalls bei der Abwicklung der Kaufvertragsangelegenheit D. /G. (UR-Nr. 496/99) persönlich "bereichert", indem er durch die Einzahlung von Mandantengeldern die Überziehung des Rechtsanwaltskontos in Höhe von 134.158,17 DM zurückgeführt und so Kreditzinsen erspart habe, so mag diese Erwägung bei rückblickender Betrachtung der damaligen Ein- und Ausgänge auf dem Rechtsanwaltsonderkonto in objektiver Hinsicht - allerdings ohne daß nähere Berechnungen vorliegen - im Kern zutreffen. Die gegen den Notar geführten Ermittlungen haben jedoch keine Anhaltspunkte dafür ergeben, daß die Verfahrensweise des Notars in dem genannten (Einzel-)Fall darauf abzielte, der Rechtsanwaltspraxis Zinsgewinne zu erbringen oder Zinsverluste zu ersparen. Bereits in dem Beschluß des Oberlandesgerichts vom 19. Februar 2001 ist - unwiderlegt - ausgeführt worden, es sei nicht zu erkennen, daß der Notar mit dem Vorschlag, die Zahlung über ein Anwaltssonderkonto laufen zu lassen, den Sollstand dieses Kontos habe ausgleichen wollen.

Mit dem Oberlandesgericht ist der Senat der Auffassung, daß eine Entfernung des Notars aus dem Dienst - was auch bei einer zeitlichen Begrenzung für den jetzt 60jährigen Notar praktisch den Verlust seines Notariats auf Dauer bedeuten würde - außer Verhältnis zu den vorliegenden Amtspflichtverstößen stünde. Andererseits bestand für den Senat angesichts der konkreten verfahrensrechtlichen Konstellation - des von der Einleitungsbehörde ausschließlich verfolgten Verfahrensziels einer dreijährigen Entfernung des Notars aus dem Amt - keine Veranlassung, die vom Oberlandesgericht in vertretbarer Weise verhängte Sanktion einer Geldbuße, die allerdings an der untersten Grenze liegt, zu verschärfen.

Ende der Entscheidung

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