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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 22.03.2004
Aktenzeichen: NotZ 19/03
Rechtsgebiete: BRAO, BNotO, AVNot


Vorschriften:

BRAO § 42 Abs. 4
BNotO § 6 Abs. 3 Satz 1
BNotO § 6 Abs. 3 Satz 3
BNotO § 111 Abs. 4
AVNot § 17 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

NotZ 19/03

Verkündet am: 22. März 2004

in dem Verfahren

wegen Übertragung einer Notarstelle

Der Bundesgerichtshof, Senat für Notarsachen, hat auf die mündliche Verhandlung vom 22. März 2004 durch den Vorsitzenden Richter Schlick, die Richter Streck und Wendt sowie die Notare Dr. Doyé und Justizrat Dr. Bauer

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Senats für Notarsachen des Oberlandesgerichts Köln vom 19. August 2003 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und die der Antragsgegnerin und der weiteren Beteiligten zu 1 im Beschwerderechtszug entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen schrieb im Justizministerialblatt vom 1. November 2001 (mit einer Bewerbungsfrist bis zum 1. Dezember 2001) eine Notarstelle in E. zur Wiederbesetzung aus. Seit dem 1. April 2002 ist die Antragsgegnerin ...............................) zuständig. Die Antragsgegnerin brach das Bewerbungsverfahren am 3. Juli 2002 im Hinblick darauf ab, daß keine Bewerbungen von Notarassessoren aus dem Anwärterdienst des Landes Nordrhein-Westfalen (mehr) vorlagen, führte das Verfahren aber sodann mit Verfügung vom 19. November 2002 mit den verbliebenen Bewerbern fort.

Dies sind:

- Der (jetzt) 37 Jahre alte Antragsteller, der 1991 die Erste juristische Staatsprüfung mit "vollbefriedigend" (10,62 P.) und 1994 die Zweite juristische Staatsprüfung mit "vollbefriedigend" (9,54 P.) bestand, nach einer 31/2-jährigen Tätigkeit als Rechtsanwalt vom 1. November 1997 bis zum 31. März 2002 im notariellen Anwärterdienst des Landes Sachsen-Anhalt - ab 1. Januar 2000 abgeordnet zum Deutschen Notarinstitut - angestellt war, am 1. April 2002 zum Professor an der Fachhochschule W. unter anderem für Steuern und Wirtschaftsprivatrecht ernannt worden und mittlerweile auch Steuerberater ist.

- Die (jetzt) 34 Jahre alte weitere Beteiligte zu 1. Sie bestand 1995 das Erste juristische Staatsexamen "vollbefriedigend" (10,50 P.) und 1997 die Zweite juristische Staatsprüfung mit "vollbefriedigend" (10,87 P.) und war seit dem 1. März 1998 als Notarassessorin in Bayern angestellt. Am 1. Dezember 2002 wurde sie Notarin in A. ; dieses Amt hat sie wegen der Erziehung eines zwischenzeitlich geborenen Kindes vorübergehend niedergelegt.

- Der (jetzt) 49 Jahre alte weitere Beteiligte zu 2, der 1980 die Erste juristische Staatsprüfung mit "ausreichend" (4,38 P.) und 1983 die Zweite juristische Staatsprüfung mit "vollbefriedigend" (9,60 P.) bestand, vom 19. September 1984 bis zum 4. Juni 1985 als Rechtsanwalt und vom 5. Juni 1985 bis zum 31. Januar 1994 im Justizdienst des Landes Nordrhein-Westfalen (unter Ernennung zum Richter auf Lebenszeit am 31. Mai 1988) tätig war und seit dem 1. Februar 1994 Notar in W. (Sachsen) ist.

- Der (jetzt) 39 Jahre alte weitere Beteiligte zu 3, der 1991 die Erste juristische Staatsprüfung mit "gut" (12,23 P.) und 1994 die Zweite juristische Staatsprüfung mit "vollbefriedigend" (10,36 P.) bestand, seit dem 1. Juni 1995 als Notaranwärter in Thüringen angestellt war und seit dem 20. April 1998 als Notar in W. (Thüringen) amtiert.

Am 12. Dezember 2002 erfolgten in der Geschäftsstelle der Rheinischen Notarkammer in K. Vorstellungsgespräche, an denen der Präsident und der Geschäftsführer der Rheinischen Notarkammer, zwei weitere von der Notarkammer hinzugezogene Notare und zwei Richterinnen am Oberlandesgericht als Vertreterinnen der Landesjustizverwaltung teilnahmen. Am 25. Februar 2003 entschied die Antragsgegnerin auf entsprechenden Vorschlag des Präsidenten der Rheinischen Notarkammer, die ausgeschriebene Notarstelle der weiteren Beteiligten zu 1 zu übertragen, ersatzweise - in dieser Reihenfolge - dem Antragsteller, dem weiteren Beteiligten zu 2 und dem weiteren Beteiligten zu 3; dementsprechend teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller unter dem 25. Februar 2003 mit, daß beabsichtigt sei, die Notarstelle einem Mitbewerber zu übertragen.

Wie dem Antragsteller anschließend von der Antragsgegnerin eröffnet wurde, beruhte die Besetzungsentscheidung der Antragsgegnerin - in bezug auf die Konkurrenz zwischen der weiteren Beteiligten zu 1 und dem Antragsteller - im wesentlichen auf folgenden Erwägungen: Die weitere Beteiligte zu 1 sei fachlich besser geeignet. Für sie spreche das um 1,33 Punkte bessere Ergebnis im Zweiten Staatsexamen. Diesem sei bei einer Gesamtwürdigung ein größeres Gewicht beizumessen als dem um 0,12 bessere Ergebnis des Antragstellers im Ersten Staatsexamen, seiner um vier Monate längeren Dienstzeit als Notarassessor ("zuzüglich Wehrdienstzeit") zum Zeitpunkt des Ablaufs der Bewerbungsfrist und seinen besonderen steuerrechtlichen Kenntnissen.

Hiergegen hat der Antragsteller Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Er hat geltend gemacht, bei zutreffender Würdigung seiner sämtlichen bisherigen Tätigkeiten und (auch wissenschaftlichen) Leistungen - unter Einschluß der von der Justizverwaltung überhaupt nicht berücksichtigten Rechtsanwaltstätigkeit - müsse er als der fachlich geeignetere angesehen werden. Die Ergebnisse der beiden Staatsexamen seien zusammengenommen etwa gleichwertig. Das Abstellen der Justizverwaltung auf das ("geringfügig") bessere Zweite Staatsexamen der weiteren Beteiligten zu 1 verstoße gegen Art. 12 GG.

Das Oberlandesgericht hat den auf Übertragung der ausgeschriebenen Notarstelle, hilfsweise auf Neubescheidung durch die Justizverwaltung gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen, ebenso den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung. Mit der sofortigen Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein (Haupt-)Begehren weiter und beantragt auch in der Beschwerdeinstanz den Erlaß einer einstweiligen Anordnung auf Untersagung der Besetzung der Notarstelle mit einem Mitbewerber.

II.

Die gemäß § 111 Abs. 4 BNotO i.V.m. § 42 Abs. 4 BRAO zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Oberlandesgericht hat den Antrag des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 25. Februar 2003 mit Recht zurückgewiesen; die von der Antragsgegnerin getroffene Auswahlentscheidung ist entgegen dem Beschwerdevorbringen rechtsfehlerfrei.

1. Bei der Auswahl unter mehreren geeigneten Bewerbern für das Amt des Notars (vgl. § 6 Abs. 3 BNotO) steht der Landesjustizverwaltung zwar kein Ermessen zu - solange nicht, was hier aber ausscheidet, in zulässiger Weise organisationsrechtliche und personalwirtschaftliche Überlegungen in die Entscheidung einfließen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 5. Februar 1996 - NotZ 25/95 - DNotZ 1996, 906; 26. März 2001 - NotZ 28/00 - DNotZ 2001, 730; 2. Dezember 2002 - NotZ 13/02 - DNotZ 2003, 228 und 14. Juli 2003 - NotZ 47/02 - ZNotP 2003, 470) -, wohl aber ein Beurteilungsspielraum (vgl. Senat BGHZ 124, 327; 134, 137). Die Auswahlentscheidung als Akt wertender Erkenntnis, sowohl was die Bewertung der persönlichen als auch die der fachlichen Eignung für das Notaramt angeht, ist vom Gericht nur darauf überprüfbar, ob ihr ein zutreffendes Verständnis des gesetzlichen Auswahlmaßstabes zugrunde liegt, ob allgemein gültige Wertmaßstäbe beachtet und sachwidrige Erwägungen ausgeschlossen sind und ob der zu beurteilende Tatbestand verfahrensfehlerfrei festgestellt wurde (BGHZ 124, 327, 331).

2. Vorliegend lassen sich, wie das Oberlandesgericht zutreffend ausgeführt hat, Rechtsfehler der genannten Art, soweit die Antragsgegnerin die weitere Beteiligte zu 1 für fachlich geeigneter hält als den Antragsteller, nicht feststellen.

a) aa) Es ist nicht zu beanstanden, daß die Antragsgegnerin bei dem Vergleich der fachlichen Eignung zwischen der weiteren Beteiligten zu 1 und dem Antragsteller maßgeblich auf das um 1,33 Punkte bessere Zweite Staatsexamen der weiteren Beteiligten zu 1 (10,87 P.; Antragsteller: 9,54 P.) abgestellt hat (vgl. § 6 Abs. 3 Satz 1 BNotO). Es kann weder davon die Rede sein, daß, wie der Beschwerdeführer meint, die betreffende Note der weiteren Beteiligten zu 1 nur "geringfügig" über der des Antragstellers gelegen habe; noch hatte die Antragsgegnerin Anlaß, die beiden juristischen Staatsexamen dieser Konkurrenten (im ersten Staatsexamen erzielte die weitere Beteiligte zu 1 10,5 Punkte, der Antragsteller 10,62 Punkte) zusammengenommen als "annähernd gleich ausgefallen" in die Eignungsprüfung einzubeziehen. Der Antragsteller räumt in seiner Beschwerde selbst ein, daß ein Notenabstand von 1,33 Punkten einer halben Note entspricht. Dann ist aber sein Standpunkt im übrigen - ein "signifikanter" Unterschied liege darin nicht - nicht haltbar. Wie das Oberlandesgericht bereits ausgeführt hat, beruft der Antragsteller sich in diesem Zusammenhang auch zu Unrecht auf den Senatsbeschluß vom 13. Dezember 1993 (NotZ 58/92 - DNotZ 1994, 332, 333). In dieser Entscheidung hat der Senat es gebilligt, daß die Justizverwaltung sich bei einer Auswahlentscheidung durch eine Punktedifferenz von 0,69 in der Zweiten juristischen Staatsprüfung nicht gehindert sah, diese Ergebnisse als "annähernd gleich" zu bewerten und daß sie in dem dortigen Fall in die Gesamtbeurteilung auch die - geringfügig unterschiedliche - Benotung in der Ersten juristischen Staatsprüfung berücksichtigte. In dem hier vorliegenden, wesentlich anders gelagerten Fall (Notendifferenz im Zweiten Staatsexamen von 1,33 Punkten) durfte die Justizverwaltung nach der im Gesetz (§ 6 Abs. 3 Satz 3 BNotO) getroffenen Wertentscheidung dem Zweiten Examen das ausschlaggebende Gewicht beimessen.

bb) Ohne Erfolg lastet der Antragsteller der Antragsgegnerin als Rechtsfehler an, daß sie nicht in ähnlicher Weise, wie es in Nordrhein-Westfalen durch § 17 Abs. 2 AVNot für die Bewertung der fachlichen Eignung der Bewerber bei der Auswahl von Anwaltsnotarinnen und Anwaltsnotaren nach einem Punkteverfahren vorgesehen ist, bestimmte Tätigkeiten - etwa solche als hauptberuflicher Rechtsanwalt - und Leistungen - wie etwa die vom Antragsteller angeführten wissenschaftlichen Beiträge und besonderen steuerrechtlichen Kenntnisse - dem Ergebnis der die juristische Ausbildung abschließenden Staatsprüfung gegenübergestellt hat.

Ein dem § 17 Abs. 2 AVNot entsprechendes Punktesystem gibt es für die Bewerbung von Nurnotarinnen und Nurnotaren nicht. Dieses Punktesystem läßt sich auch entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht ohne weiteres auf die Auswahl mehrerer geeigneter Bewerber für ein Nurnotariat übertragen. Dazu besteht auch kein allgemeines Bedürfnis, weil in dem für den normalen Werdegang des (Nur-)Notars vorgesehenen Anwärterdienst (§ 7 BNotO) bestimmungsgemäß hinreichend Gelegenheit besteht, die fachliche Eignung des Notarbewerbers zu begründen, zu verbessern und - auch und gerade im Blick auf zukünftige Bewerbungen um ein Notaramt - zu beurteilen. Es bedarf dann, abweichend von der Auswahl der Anwaltsnotare, (regelmäßig) weder der Berücksichtigung vorausgegangener hauptberuflicher Tätigkeiten als Rechtsanwältin oder Rechtsanwalt, noch der zusätzlichen Einführung und Bewertung von "sonstigen für die fachliche Eignung zum Notarberuf in besonderem Maße qualifizierenden Kenntnissen und Leistungen" mit Sonderpunkten (vgl. - für Anwaltsnotare - § 17 Abs. 2 Nr. 6 AVNot).

Deshalb und im Hinblick darauf, daß die Notarassessoren bereits beträchtliches wissenschaftliches Potential in die Ausbildung einbringen und auch oft während der Ausbildung mit wissenschaftlichen Aufgaben betraut werden, war es auch nicht rechtsfehlerhaft, daß die Antragsgegnerin den Tätigkeiten des Antragstellers beim Deutschen Notarinstitut, seinen (auch wissenschaftlichen) Veröffentlichungen und seinen steuerrechtlichen Fachkenntnissen kein besonderes, zusätzliches Gewicht bei dem Vergleich der bei der Vorbereitung auf den Notarberuf gezeigten Leistungen beigelegt, sondern die vorgelegten dienstlichen Beurteilungen dieser beiden Konkurrenten als solche ausgewertet und als etwa gleichwertig eingestuft hat. Zu Recht hat die Antragsgegnerin darauf hingewiesen, daß bei einer anderen Verfahrensweise auch die Gefahr der doppelten Anrechnung bestimmter Leistungen gegeben sein könnte.

cc) Soweit der Antragsteller schließlich beanstandet, daß die Antragsgegnerin eine nach seiner Darstellung besonders verantwortungs- und verdienstvolle Notarvertretung nicht hinreichend gewürdigt habe, hat das Oberlandesgericht bereits (zutreffend) darauf hingewiesen, daß die Justizverwaltung zumindest nach dem Inhalt der von dem Antragsteller bis zum Stichtag (1. Dezember 2001) vorgelegten Bewerbungsunterlagen - auch im Blick darauf, daß auch die weitere Beteiligte zu 1 eine Notarverwaltung in ihrer Assessorenzeit vorzuweisen hat - für eine weitergehende Berücksichtigung und Bewertung dieses Vorgangs keinen Anlaß hatte. Die vom Antragsteller im Beschwerdeverfahren vorgelegten Unterlagen führen diesbezüglich zu keiner anderen Sicht.

b) Angesichts dessen, daß die Antragsgegnerin in rechtlich einwandfreier Würdigung zu der Feststellung einer besseren Eignung der weiteren Beteiligten zu 1 gelangt ist, kommt auch dem von der Beschwerde erneut angeführten "Anciennitäts"-Gedanken keine entscheidende Bedeutung zu (vgl. dazu Senatsbeschlüsse vom 13. Dezember 1993 - NotZ 58/92 - DNotZ 1994, 332 und vom 5. Februar 1996 - NotZ 25/95 - DNotZ 1996, 906, 910). Die Unterschiede der Dienstzeiten der weiteren Beteiligten zu 1 und (vier Monate länger) des Antragstellers als Notarassessoren sind im übrigen vernachlässigenswert gering. Für eine - von der Antragsgegnerin ursprünglich noch in Betracht gezogene - Anrechnung der Wehrdienstzeit des Antragstellers auf den nach § 6 Abs. 3 Satz 3 BNotO zu berücksichtigenden Anwärterdienst (§ 1 der Verordnung über die Anrechnung von Zeiten nach § 6 Abs. 3 Satz 4 Bundesnotarordnung vom 17. August 1999 GV NRW S. 532) bestand im übrigen kein Grund. Eine solche Anrechnung findet, soweit hier von Interesse, nur statt, wenn der Zeitraum zwischen Beendigung der Ausbildung und Eingang der Bewerbung um Übernahme in den Anwärterdienst nicht mehr als drei Jahre beträgt (§ 1 Nr. 1 Satz 2 der Verordnung); derartiges wird vom Antragsteller nicht vorgetragen.

III.

Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung hat sich mit der Zurückweisung der sofortigen Beschwerde des Antragstellers erledigt.

Ende der Entscheidung

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