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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 03.12.2001
Aktenzeichen: NotZ 22/01
Rechtsgebiete: BNotO


Vorschriften:

BNotO § 6 Abs. 3 Satz 2
Tätigkeiten, Leistungen und Kenntnisse, die in besonderer Weise für das Notaramt qualifizieren und die die Landesjustizverwaltung daher im Auswahlverfahren gemäß § 6 Abs. 3 Satz 2 BNotO mit Sonderpunkten berücksichtigen kann (hier: gemäß A II 3 f RdErl des hessischen Ministeriums der Justiz und für Europaangelegenheiten vom 25. Februar 1999 zur Ausführung der BNotO, JMBl S. 222), können auch im Rahmen einer langwierigen, schwierigen und umfangreichen Abwicklung eines in ungeordnetem Zustand übernommenen Notariats durch einen Notariatsverwalter zu Tage treten (im Anschluß an den Senatsbeschluß vom 16. Juli 2001 - NotZ 11/01).
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

NotZ 22/01

vom

3. Dezember 2001

in dem Verfahren

wegen Bestellung zum Notar

Der Bundesgerichtshof, Senat für Notarsachen, hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Rinne, die Richter Tropf und Dr. Wahl sowie die Notare Dr. Doyé und Dr. Lintz am 3. Dezember 2001 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des 2. Notarsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 30. Juli 2001 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und die der Antragsgegnerin und dem weiteren Beteiligten im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert wird für beide Rechtszüge auf 100.000,- DM festgesetzt.

Gründe:

Der Antragsteller ist seit 1980 Rechtsanwalt. Er bewarb sich, ebenso wie 19 weitere Bewerber, um eine der vier von der Antragsgegnerin im Justizministerialblatt von Hessen (JMBl) 1999, 416 ausgeschriebenen Notarstellen im Amtsgerichtsbezirk W. . Mit Bescheid vom 4. Mai 2000 unterrichtete ihn die Präsidentin des Oberlandesgerichts davon, daß seiner Bewerbung nicht entsprochen werden könne. Er hatte auf der Grundlage des Runderlasses (RdErl.) der Antragsgegnerin zur Ausführung der Bundesnotarordnung vom 25. Februar 1999 (JMBl 1999, 222 ff) insgesamt 130,3 Punkte erzielt und stand damit in der Bewerberliste an fünfter Stelle. Es ist beabsichtigt, die Stellen mit den vier punktbesseren Bewerbern zu besetzen. Zu diesen zählt auch der weitere Beteiligte, der mit 131,45 Punkten an vierter Stelle liegt.

Gegen diesen Bescheid wendet sich der Antragsteller. Er greift dabei weder seine eigene Punktzahl an noch die Punktzahl der ihm vorgehenden ersten drei Bewerber. Die Punktzahl des weiteren Beteiligten greift er insoweit an, als diesem nach Anhörung der Notarkammer Frankfurt am Main (und mit deren Zustimmung) im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Verweser des Notariats der (ehemaligen) Notarin N. - v. H. über die von ihm ohnehin erreichte Höchstzahl von insgesamt 45 Punkten für Fortbildung und Urkundstätigkeit (RdErl. A II 3 c, d, e) hinaus gemäß RdErl. A II 3 f . zwei Sonderpunkte zuerkannt wurden.

Das Oberlandesgericht hat seinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen den Bescheid vom 4. Mai 2000 zurückgewiesen. Auch seine hiergegen gerichtete zulässige sofortige Beschwerde bleibt erfolglos.

I.

Den Sonderpunkten liegt, wie sich aus den dem Senat vorliegenden Besetzungsakten, dem Vorbringen der Antragsgegnerin und des weiteren Beteiligten - insgesamt in tatsächlicher Hinsicht unbestritten - ergibt, folgendes zu Grunde: Die (inzwischen endgültig ihres Amtes verlustig gegangene ehemalige Rechtsanwältin und) Notarin N. - v. H. wurde im August 1996 vorläufig ihres Amtes enthoben, und der weitere Beteiligte wurde zum Verweser bestellt. Die sich über mehrere Jahre hinziehende Verweserschaft war von Beginn an durch ungewöhnliche Schwierigkeiten gekennzeichnet.

Ausgelöst worden war die vorläufige Amtsenthebung nicht zuletzt dadurch, daß die Notarin 22 Kaufverträge über Eigentumswohneinheiten protokolliert hatte, wobei der Kaufpreis jeweils auf ein Notaranderkonto zu bezahlen war. Tatsächlich hatte der Verkäufer Zugriff auf dieses von ihm eröffnete Konto, und er nahm Abbuchungen vor, ohne daß die Voraussetzungen für die Auszahlung des Kaufpreises vorgelegen hätten. Dies führte zu einer Reihe von erfolgreichen Zivilprozessen gegen die Notarin. Insgesamt wurde in vielfältiger Weise gegen sie vollstreckt, auch in "Anderkonten", was umfangreiche Maßnahmen des weiteren Beteiligten erforderte. Im Zusammenhang mit den Eigentumswohneinheiten verneinten die Haftpflichtversicherung der Notarin und der Vertrauensschadensfonds eine Einstandspflicht: Die Haftpflichtversicherung ging von einer vorsätzlichen, der Vertrauensschadensfonds dagegen von einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung der Notarin aus. Unabhängig von alledem war das Notariat auch im übrigen, wie es das Oberlandesgericht zusammenfassend bezeichnet hat, "verwahrlost". Akten und Unterlagen waren nur bruchstückhaft vorhanden und mußten immer wieder bei der Notarin, die zur Zusammenarbeit kaum bereit war, in deren Räumen gesucht und abgeholt werden, mehrfach war dies erst nach Einschaltung des Präsidenten des Landgerichts und in Anwesenheit eines Justizangehörigen möglich. Soweit aufgefunden, wiesen die Akten vielfältige Unregelmäßigkeiten und Dienstpflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Aktenführung, den Verwahrungsgeschäften und Treuhandauflagen auf. Wie der weitere Beteiligte gegenüber dem Oberlandesgericht im einzelnen geschildert hat, ergaben sich unterschiedliche rechtliche Probleme. So waren manche Vorgänge anhand der vorhandenen Unterlagen überhaupt nicht nachzuvollziehen, Klärung war nur mit Hilfe der Urkundsbeteiligten möglich, teilweise waren sogar Neubeurkundungen erforderlich, um den gewünschten Erfolg zu gewährleisten. Zahlreiche Probleme ergaben sich daraus, daß die Notarin im Rahmen ihrer Tätigkeit für Anlage- und Vermögensberater, die Immobilien-Erwerbsverträge vermittelten, weitestgehend mit Vollmachten gearbeitet hatte, wobei deren Kunden über die in ihrem Namen abgeschlossenen Verträge nur unzulänglich informiert waren.

Die sich aus alledem ergebenden Probleme hat der weitere Beteiligte beanstandungsfrei gelöst.

II.

Auf dieser - entgegen der Auffassung des Antragstellers in tatsächlicher Hinsicht hinreichend präzisen - Grundlage konnte die Antragsgegnerin dem weiteren Beteiligten zwei Sonderpunkte zuerkennen.

1. Entgegen der Auffassung des Antragstellers hat das Oberlandesgericht zu Recht angenommen, daß in der Vergabe der beiden Sonderpunkte keine systemwidrige Doppelbewertung der von A II 3 f des Runderlasses erfaßten Beurkundungstätigkeit liegt. Zwar dürfen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats auch bei längerfristiger Notarvertretung oder Notariatsverwaltung (früher: Notariatsverwesung) für die Beurkundungstätigkeit keine Sonderpunkte zuerkannt werden (Beschluß vom 16. Juli 2001 - NotZ 1/01 - ZNotP 2001, 443). Dabei gehören zur Beurkundungstätigkeit in diesem Sinne auch die vorbereitenden, insbesondere beratenden Aufgaben sowie die Durchführung und Abwicklung des Geschäfts (Senat aaO). Im vorliegenden Fall war jedoch die Beurkundungstätigkeit des weiteren Beteiligten im Rahmen der Notariatsverwesung nicht ausschlaggebend für die Vergabe der Sonderpunkte. Vielmehr bestehen die ihn für den Notarberuf in besonderem Maße qualifizierenden Kenntnisse und Leistungen darin, daß er mit außergewöhnlichem Einsatz eine infolge vielfältiger Unregelmäßigkeiten und Dienstpflichtverletzungen der bisherigen Amtsinhaberin völlig ungeordnet hinterlassenes Notariat vollständig und beanstandungsfrei aufgearbeitet hat, wobei es ihm gelungen ist, Schadensfälle zu verhindern und zu deren Ausgleich beizutragen. In einem ähnlich gelagerten Fall hat der Senat mit Beschluß vom 16. Juli 2001 (NotZ 11/01, unveröffentlicht) die Zuerkennung eines Sonderpunktes nicht beanstandet. Wenn der Antragsgegner im vorliegenden Fall dem weiteren Beteiligten für dessen besondere Leistungen im Zuge der Notariatsverwesung zwei Sonderpunkte zugebilligt hat, so ist auch damit der Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens noch nicht überschritten.

2. Dem Antragsteller kann auch nicht darin gefolgt werden, der Zuerkennung der beiden Sonderpunkte stehe der Grundsatz der Chancengleichheit entgegen. Es trifft zwar zu, daß nicht jeder Bewerber die Gelegenheit gehabt hat, mit einer Notariatsverwesung oder -verwaltung betraut zu werden. Noch seltener sind solche Tätigkeiten mit derartigen Problemen verknüpft, wie sie der weitere Beteiligte zu lösen hatte. Das rechtfertigt indessen keine durchgreifenden Bedenken gegen die vom Antragsgegner getroffene Entscheidung. Es liegt in der Natur der Sache, daß Bewerber um ein Notaramt aufgrund ihres Werdeganges und ihrer persönlichen Verhältnisse in unterschiedlichem Grade Zugang zu Notariatsverwaltungen haben. Wollte man aus diesem Grunde völlig davon absehen, für besonders herausgehobene Leistungen als Notariatsverwalter Sonderpunkte zu vergeben, würde dies dem Grundsatz der Bestenauslese in nicht hinnehmbarer Weise zuwiderlaufen.

Ende der Entscheidung

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