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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 22.03.2004
Aktenzeichen: NotZ 22/03
Rechtsgebiete: BRAO, BNotO, ZPO, AV, AO


Vorschriften:

BRAO § 42 Abs. 4
BNotO § 50 Abs. 1 Nr. 8
BNotO § 50 Abs. 1 Nr. 8 Alt. 2
BNotO § 54 Abs. 1 Nr. 2
BNotO § 111 Abs. 4
ZPO § 807
AV § 37 Abs. 1
AO § 284
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

NotZ 22/03

Verkündet am: 22. März 2004

in dem Verfahren

wegen Feststellung der Voraussetzungen für die Amtsenthebung

Der Bundesgerichtshof, Senat für Notarsachen, hat durch den Vorsitzenden Richter Schlick, die Richter Streck, Wendt sowie die Notare Dr. Doyé und Justizrat Dr. Bauer auf die mündliche Verhandlung vom 22. März 2004

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Senats für Notarsachen des Oberlandesgerichts Köln vom 22. August 2003 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und die dem Antragsgegner im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf

50.000 €

festgesetzt.

Gründe:

I. Der 1942 geborene Antragsteller ist seit 1976 als Rechtsanwalt bei dem Amtsgericht und dem Landgericht S. zugelassen. Seit 1984 ist er Notar mit dem Amtssitz in N. .

Seit 1991 und verstärkt seit 1997 ist es gegen ihn wiederholt - allein von 1999 bis 2001 in 20 Fällen - zu gerichtlichen Mahnverfahren, Zahlungsklagen und Vollstreckungsmaßnahmen (Kontenpfändungen, Mobiliar- und Immobiliarvollstreckungen) gekommen, die zu einer nahezu durchgängigen aufsichtsrechtlichen Kontrolle seiner wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse durch den Antragsgegner und zu erheblichen berufsrechtlichen Maßnahmen Anlaß gegeben haben.

Am 19. November 2002 hat die Rechtsanwaltskammer H. seine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft (erneut) wegen Vermögensverfalls widerrufen und am 15. Mai 2003 die sofortige Vollziehung angeordnet. Der Anwaltsgerichtshof hat durch noch nicht rechtskräftigen Beschluß vom 16. Mai 2003 den gegen den Widerruf gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen.

Mit Bescheid vom 9. Oktober 2002 hat der Antragsgegner dem Antragsteller die Amtsenthebung als Notar angekündigt, weil seine wirtschaftlichen Verhältnisse und die Art seiner Wirtschaftsführung die Interessen der Rechtsuchenden gefährdeten (§ 50 Abs. 1 Nr. 8 BNotO), und sich dazu auf die trotz gegenteiliger Ankündigung nicht eingetretene Konsolidierung der wirtschaftlichen Verhältnisse und weitere zwischenzeitlich ergangene Zahlungstitel und eingeleitete Vollstreckungsmaßnahmen bezogen. Den gegen diesen Bescheid gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen und zugleich festgestellt, daß die Voraussetzungen für eine Amtsenthebung des Antragstellers gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 8 BNotO vorliegen, weil die Art seiner Wirtschaftsführung die Interessen der Rechtsuchenden gefährdet. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit der sofortigen Beschwerde.

II. Die gemäß § 111 Abs. 4 BNotO i.V. mit § 42 Abs. 4 BRAO zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet.

Das Oberlandesgericht hat zu Recht festgestellt, daß die Voraussetzungen für eine Amtsenthebung nach § 50 Abs. 1 Nr. 8 Alt. 2 BNotO vorliegen.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats liegt eine mit dem Amt nicht zu vereinbarende Wirtschaftsführung des Notars vor, auch wenn sich schlechte Verhältnisse im Einzelfall - wie hier in Ermangelung einer umfassenden Darstellung der Vermögenssituation - nicht feststellen lassen, wenn Gläubiger gezwungen sind, wegen berechtigter Forderungen gegen den Notar Zwangsmaßnahmen zu ergreifen. Denn es ist bereits als solches nicht hinzunehmen, daß der Notar in diese Lage gerät, da solche Maßnahmen Gefahren begründen für die Unabhängigkeit, Zuverlässigkeit und Integrität (vgl. zum ganzen Senatsbeschlüsse vom 3. November 2003 - NotZ 15/03 - zur Veröffentlichung vorgesehen; 8. Juli 2002 - NotZ 1/02 - NJW 2002, 2791, 2792 = ZNotP 2002, 406; 20. November 2000 - NotZ 17/00 - BGHR BNotO § 50 Abs. 1 Nr. 8 Wirtschaftsführung 1 = ZNotP 2001, 117, 118; 20. März 2000 - NotZ 19/99 - NJW 2000, 2359 = ZNotP 2000, 284; 12. Oktober 1990 - NotZ 21/89 - DNotZ 1991, 94; jeweils m.w.N.).

2. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die anhaltende ungewöhnlich hohe Zahl von Vollstreckungsvorgängen und die ihnen zugrunde liegende Umstände erlauben keine andere Beurteilung.

a) Der Senat schließt sich - auch zur Vermeidung von Wiederholungen - der ausführlichen und zutreffenden Begründung des Oberlandesgerichts an, die der Antragsteller im Kerngehalt mit seiner Beschwerde auch nicht angreift. Danach bleibt festzustellen:

Seit über 10 Jahren hat der Antragsteller seine finanziellen Verpflichtungen immer wieder nicht zeitgerecht erfüllen können, so daß die Gläubiger gehalten waren, ihre berechtigten Forderungen zwangsweise durchzusetzen. Von 1991 bis zu seinem Bescheid vom 9. Oktober 2002 hat der Antragsgegner annähernd 60 gegen den Antragsteller gerichtete Zivil- und Zwangsvollstreckungsverfahren festgestellt. Allein von Juni 2002 bis April 2003 sind gegen den Antragsteller 24 Zwangsvollstreckungsmaßnahmen (Vollstreckungsaufträge, Pfändungs-, Überweisungs- und Einziehungsbeschlüsse) jeweils mit Forderungen von unter 100 € bis zu fast 10.000 € ergriffen worden. Jedenfalls in neun Fällen hat er erst nach fruchtlosen Pfändungsversuchen in seinen Kanzleiräumen zur Vermeidung der eidesstattlichen Versicherung gemäß § 807 ZPO Barzahlungen erbracht. Dabei konnte er auf Geldmittel aus aufgekündigten Lebensversicherungen zurückgreifen, die er zur Verhinderung des Zugriffs seiner Gläubiger auf ein Konto seiner Mutter hatte überweisen lassen, um die Schuldtilgung quasi nach eigenem Gutdünken, wie es ihm gerade opportun erschien, vorzunehmen. Seinen 1/3-Miterbenanteil mit Grundbesitz hat er ebenfalls zum Schutz vor Gläubigern treuhänderisch auf seine Tochter übertragen. Den angekündigten Ausgleich weiterer Verbindlichkeiten, wozu sogar Prämienrückstände bei seiner die Vermögensinteressen von Mandanten absichernde Berufshaftpflichtversicherung gehören, hat er nicht einmal bis zu der angefochtenen Entscheidung des Oberlandesgerichts und auch nicht im weiteren laufenden gerichtlichen Verfahren zu belegen vermocht, sondern zusätzlich durch unrichtige Darstellung von Ratenzahlungsvereinbarungen zu vertuschen versucht.

Die Gesamtumstände gebieten nach den dargelegten Grundsätzen des Senats zum Schutz der Rechtsuchenden die Amtsenthebung.

b) Der Antragsgegner und auch das Oberlandesgericht haben dem Antragsteller ausreichend Zeit gelassen, um seine wiederholte Ankündigung wahr zu machen, seine wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse nachprüfbar zu ordnen und weitere Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zu verhindern. Nur die vom Antragsgegner seit 1997 bis heute wahrgenommenen engmaschigen Kontrollen haben eine stärkere Beeinträchtigung von berechtigten Gläubigerinteressen - soweit bekannt geworden - verhindert. Vollstreckungsmaßnahmen wegen einer derartigen lang anhaltenden Nichtregulierung berechtigter Forderungen gefährden die Interessen der Rechtsuchenden in erheblichem Umfang und sind unter keinem Gesichtspunkt hinnehmbar (vgl. Rinne, ZNotP 2002, 326, 330).

Der Antragsteller hat in seiner Beschwerde lediglich - ohne weitere Belege - den Ausgleich aller Forderungen bis auf einen Restbetrag von ca. 33.000 € behauptet, die festgestellten Vollstreckungsvorgänge mithin eingeräumt und als Grund für die von ihm seit Jahren geübte Regulierungspraxis seit 1997 vorgenommene Investitionen in Immobilien angegeben, die sich im Ergebnis als wenig lukrativ erwiesen hätten. Abgesehen davon, daß es in diesem Zusammenhang auf ein Verschulden ohnehin nicht ankommt (vgl. Senatsbeschluß vom 20. März 2000 aaO), vermögen spekulative Immobiliengeschäfte schwerlich zu entlasten. Gleiches gilt für den dargelegten begonnenen Abbau des Immobilienbestandes. Vielmehr belegt dies, daß die behauptete Entschuldung, also die seit langem immer wieder angekündigte Konsolidierung der Vermögensverhältnisse, keineswegs abgeschlossen und die Gefahr weiterer Vollstreckungsmaßnahmen mithin auch nicht gebannt ist. Das gilt auch nach seiner Einlassung in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat.

Im Gegenteil hat sich der Antragsgegner wegen weiterer Verschlechterung der Wirtschaftsführung veranlaßt gesehen, den Antragsteller durch Bescheid vom 13. Februar 2004 gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 2 BNotO i.V. mit § 37 Abs. 1 der AV über die Angelegenheiten der Notare (AVNot) vorläufig seines Amtes zu entheben, weil die weitere Amtsausübung die Interessen der Rechtsuchenden gefährden würde. Diese Sofortmaßnahme ist ergangen, weil am 13. Oktober 2003 auf Antrag des Finanzamts Siegen gegen den Antragsteller Haftbefehl erlassen worden ist, um die eidesstattliche Versicherung gemäß § 284 AO wegen einer Forderung in Höhe von 10.608,06 € zu erzwingen, der Antragsteller am 14. November 2003 deswegen die eidesstattliche Versicherung abgegeben hat; des weiteren weil die Betriebskrankenkasse für steuerberatende und juristische Berufe bereits am 12. September 2003 wegen rückständiger Beiträge in Höhe von 13.831,44 € beim Amtsgericht S. Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt hat und weitere Mobiliarzwangsvollstreckungsversuche fruchtlos geblieben sind (des Sozialversicherungsträgers, der Betriebskrankenkasse, der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft und der Barmer Ersatzkasse wegen rückständiger Beitragszahlungen in Höhe von ca. 15.000 € sowie weiterer Gläubiger wegen Forderungen in Höhe von 6.377,44 €, 4.352,96 €, 348 €, 1.745,60 €, 185,60 € und 748,89 €). Das weist nachhaltig auf eine zunehmend ungeordnete Wirtschaftsführung hin.

Der gegenüber den Aufsichtsorganen erhobene Vorwurf, daß durch ihre Maßnahmen die Konsolidation nicht so zügig wie vorgesehen durchgeführt werden konnte, spricht für sich. Den Verbleib im Amt des Notars vermag das ebensowenig zu stützen, wie die Ansicht des Antragstellers, daß der von der Rechtsprechung von Vollstreckungsmaßnahmen gezogene Schluß auf die Interessengefährdung Rechtsuchender nicht zwingend sei, zumal es auf die Realisierung dieser Gefahr für den Grund zur Amtsenthebung nicht ankommt (vgl. Senatsbeschluß vom 8. Juli 2002 aaO).

Ende der Entscheidung

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