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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 20.03.2006
Aktenzeichen: NotZ 40/05
Rechtsgebiete: BNotO, BRAO


Vorschriften:

BNotO § 6
BNotO § 6 Abs. 3
BNotO § 6b Abs. 2
BNotO § 6b Abs. 4
BNotO § 6b Abs. 4 Satz 1
BNotO § 111
BNotO § 111 Abs. 1
BNotO § 111 Abs. 2 Satz 2
BRAO § 41 Abs. 3 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

NotZ 40/05

Verkündet am: 20. März 2006

in dem Verfahren

wegen Bestellung zum Notar

Der Bundesgerichtshof, Senat für Notarsachen, hat durch den Vorsitzenden Richter Schlick, die Richter Galke und Becker sowie die Notare Dr. Lintz und Eule auf die mündliche Verhandlung vom 20. März 2006

beschlossen:

Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des 1. Senats für Notarsachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 30. Juni 2005 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unzulässig zurückgewiesen wird, soweit der Antragsteller

a) die Feststellung begehrt, dass die im JMBl. Hessen am 1. Juli 2004 (S. 290) erfolgte Rücknahme der Ausschreibung der zu besetzenden Notarstellen für die Stadt und den Amtsgerichtsbezirk F. aus dem JMBl. Hessen vom 1. Juli 2003 (S. 246 ff.) rechtswidrig und unwirksam ist;

b) beantragt, den vom Landgericht F. versandten Bescheid vom 23. Juli 2004 hinsichtlich der im JMBl. Hessen am 1. Juli 2004 (S. 290) erfolgten Rücknahme der Ausschreibung der zu besetzenden Notarstellen für die Stadt und den Amtsgerichtsbezirk F. aus dem JMBl. Hessen vom 1.7.2003 (S. 246 ff.) und der Rücksendung seiner Bewerbungsunterlagen aufzuheben.

2. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und die dem Antragsgegner im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.

3. Der Geschäftswert für beide Rechtszüge wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller wurde am 11. April 1998 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Er betreibt seine Anwaltspraxis in F. .

Am 1. Juli 2003 schrieb der Antragsgegner zehn Notarstellen für die Stadt F. und eine Notarstelle für den Amtsgerichtsbezirk F. am Main aus (JMBl. Hessen S. 246). In der Ausschreibung, in die zahlreiche weitere Stellen in anderen Bezirken aufgenommen waren, wurde wegen der Voraussetzungen für das Notaramt auf den Runderlass des Hessischen Ministeriums für Justiz und Europaangelegenheiten zur Ausführung der Bundesnotarordnung vom 25. Februar 1999 (JMBl. Hessen S. 222) verwiesen und eine Bewerbungsfrist bis zum 12. August 2003 gesetzt. Der Antragsteller bewarb sich hierauf fristgerecht für eine der in F. zu vergebenden Notarstellen, und zwar mit Priorität für die Stelle, die für den Amtsgerichtsbezirk F. ausgeschrieben worden war.

Mit Beschluss vom 20. April 2004 erklärte das Bundesverfassungsgericht die durch Verwaltungsvorschriften einzelner Bundesländer - u. a. auch den genannten Runderlass des Hessischen Ministeriums für Justiz und Europaangelegenheiten - konkretisierte Auslegung und Anwendung der in § 6 BNotO normierten Auswahlmaßstäbe für die Besetzung freier Notarstellen für verfassungswidrig; die chancengleiche Bestenauslese, die zur Gewährleistung der verfassungsrechtlich garantierten Berufsfreiheit geboten sei, werde auf Grundlage dieser Maßstäbe nicht erreicht (BVerfGE 110, 304 = NJW 2004, 1935 = DNotZ 2004, 560 = ZNotP 2004, 281).

Der Antragsgegner nahm daraufhin am 1. Juli 2004 die Ausschreibung vom 1. Juli 2003 zurück. Diese Maßnahme wurde wie folgt begründet: "Freie Notarstellen können ab sofort nur unter Beachtung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 20. April 2004 (1 BvR 838/01) besetzt werden. Die aufgrund der Ausschreibung im Justiz-Ministerial-Blatt für Hessen vom 1. Juli 2003 (JMBl. S. 246) eingeleiteten und noch nicht abgeschlossenen Auswahlverfahren werden deshalb abgebrochen und die betreffenden ... Ausschreibungen zurückgenommen" (JMBl. Hessen S. 290). Mit Schreiben vom 23. Juli 2004, dem Antragsteller zugestellt am 13. August 2004, sandte der Präsident des Landgerichts F. dem Antragsteller daraufhin seine Bewerbungsunterlagen zurück und teilte ihm mit, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 20. April 2004 habe eine Neubewertung der bisherigen Bewertungspraxis zur Folge, weshalb am 1. Juli 2004 die Stellenausschreibung zurückgenommen und eine Neuausschreibung für den 1. Oktober 2004 vorgesehen sei.

Mit Runderlass des Hessischen Ministeriums der Justiz vom 10. August 2004 (JMBl. Hessen S. 323) wurde der Runderlass vom 25. Februar 1999 über die Ausführung der Bundesnotarordnung geändert. Am 1. Oktober 2004 schrieb der Antragsgegner u. a. die Notarstellen, auf die sich der Antragsteller bereits aufgrund der Ausschreibung vom 1. Juli 2003 beworben hatte, neu aus; den Ablauf der Bewerbungsfrist setzte er auf den 12. November 2004 fest (JMBl. Hessen S. 527).

Der Antragsteller hat am 13. September 2004 beim Oberlandesgericht Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Er hat zunächst die Feststellung begehrt, dass die Rücknahme der ursprünglichen Stellenausschreibung rechtswidrig und unwirksam sei, sowie beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, auf der Grundlage der Ausschreibung vom 1. Juli 2003 über seine Bewerbung für eine der Notarstellen für die Stadt und den Amtsgerichtsbezirk F. ermessensfehlerfrei neu zu entscheiden. Diese Anträge hat er später um weitere Haupt- und Hilfsanträge ergänzt.

Der Antragsteller hat namentlich geltend gemacht, dass ein sachlicher Grund für den Abbruch des ursprünglichen Ausschreibungsverfahrens nicht vorgelegen habe; denn den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts aus dem Beschluss vom 20. April 2004 habe in dem früheren Bewerbungsverfahren durch die Vergabe von Sonderpunkten Rechnung getragen werden müssen. Durch den Abbruch der Ausschreibung vom 1. Juli 2003 und die Neuausschreibung der Stellen am 1. Oktober 2004 mit Bewerbungsfrist zum 12. November 2004 werde er in seiner grundrechtlich gewährleisteten Berufsfreiheit verletzt, da er sich nunmehr weiteren Mitbewerbern gegenübersehe, die zudem die Möglichkeit gehabt hätten, mit der Bewerbung berücksichtigungsfähige Tatsachen (Beurkundungstätigkeit als Notarvertreter; Teilnahme an Fortbildungskursen) vorzubringen, die bis zum Ablauf der neuen Bewerbungsfrist entstanden seien, während er nach seiner Bewerbung auf die Ausschreibung vom 1. Juli 2003 keinen Anlass mehr gehabt habe, insoweit weiter tätig zu werden, zumal er die nach dem Runderlass vom 25. Februar 1999 hierfür maximal zu vergebenden Punkte bereits erreicht gehabt habe. Damit in Verbindung stehe eine weitere ungerechtfertigte Benachteiligung, die sich daraus ergebe, dass nach Abschnitt A II. Nr. 3 Buchst. c des geänderten Runderlasses nunmehr eine Höchstpunktzahl für diese berücksichtigungsfähigen Tatsachen nicht mehr vorgesehen sei, jedoch mehr als drei Jahre vor der Ausschreibung abgeleistete Fortbildungen, auf die er seine Bewerbung maßgeblich gestützt habe, nur noch mit je 0,5 Punkten, zeitnähere Fortbildungen dagegen mit je einem Punkt bewertet werden. Selbst wenn dem Antragsgegner aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Rahmen seines Organisationsermessens aber die Möglichkeit eröffnet gewesen sein sollte, das ursprüngliche Ausschreibungsverfahren abzubrechen und die zu besetzenden Notarstellen neu auszuschreiben, fehle es an einer Ausübung dieses Ermessens unter Beachtung der verfassungsrechtlich geschützten Interessen des Antragstellers.

Das Oberlandesgericht hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers, mit der er sein erstinstanzliches Begehren in vollem Umfang weiterverfolgt.

II.

Das zulässige Rechtsmittel (§ 111 Abs. 4 BNotO, § 42 Abs. 4 BRAO) hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Der Antrag festzustellen, dass die Rücknahme der Ausschreibung der Notarstellen vom 1. Juli 2003 durch den Antragsgegner rechtswidrig und unwirksam gewesen sei, ist bereits unzulässig (a). Gleiches gilt für den Antrag, den "Bescheid" des Präsidenten des Landgerichts F. vom 23. Juli 2004 über die Rücknahme der Ausschreibung und die Rücksendung der Bewerbungsunterlagen des Antragstellers als rechtswidrig aufzuheben (b).

a) Im Verfahren nach § 111 BNotO sind Feststellungsanträge nicht vorgesehen und daher grundsätzlich unstatthaft. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Unzulässigkeit eines Feststellungsbegehrens im konkreten Einzelfall im Ergebnis dazu führen würde, dass die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG leerläuft (st. Senatsrspr., vgl. zuletzt Beschluss vom 14. März 2005 - NotZ 26/04 - juris, m. w. N.). Dies ist hier indessen nicht der Fall (s. unten 2.).

b) Dem Schreiben des Präsidenten des Landgerichts Frankfurt am Main vom 23. Juli 2004 kommt kein Regelungscharakter mit Außenwirkung zu. Es verweist lediglich auf die Rücknahme der Ausschreibung sowie den Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens und vollzieht diese Entscheidung des Ministeriums durch Rücksendung der Bewerbungsunterlagen. Im Übrigen wäre auch eine unmittelbar gegen die Entscheidung des Ministeriums gerichtete Anfechtungsklage unzulässig (vgl. Senatsbeschluss vom 28. November 2005 - NotZ 30/05 - Rdn. 8-14, zur Veröffentlichung bestimmt).

2. Die Anträge des Antragstellers, ihn in dem durch die Stellenausschreibung vom 1. Juli 2003 eröffneten Besetzungsverfahren eine der Notarstellen, auf die er sich beworben hatte, zuzuweisen oder zumindest in diesem Verfahren über seine Bewerbung ermessensfehlerfrei zu entscheiden, sind dagegen als Verpflichtungsanträge gemäß § 111 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 BNotO, § 41 Abs. 3 Satz 2 BRAO zulässig (Sandkühler aaO § 111 Rdn. 33 m. w. N.). Der Antragsteller erstrebt insoweit eine ihm günstige Entscheidung über seine Bewerbung im ursprünglichen Besetzungsverfahren, die ihm durch den Abbruch dieses Verfahrens vorenthalten wird. Dazu will er den Antragsgegner verpflichtet wissen. Den darauf gerichteten Bewerbungsverfahrensanspruch kann er - da er den Abbruch des Besetzungsverfahrens sachlich nicht für gerechtfertigt hält - mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung geltend machen (vgl. Senat, Beschlüsse vom 26. März 2001 - NotZ 31/00 - DNotZ 2001, 731 und 10. März 1997 - NotZ 44/95 - DNotZ 1997, 889; s. a. OVG Bautzen DÖD 2005, 116, 117). Denn sollte sich der Abbruch als rechtswidrig erweisen, ist das ursprüngliche Verfahren fortzusetzen (vgl. BVerfG NJW-RR 2005, 998, 1001) und über seinen Bewerbungsantrag zu entscheiden (Senat, Beschluss vom 28. November 2005 - NotZ 30/05 - Rdn. 15, zur Veröffentlichung bestimmt).

3. Die weitergehenden Anträge sind indessen nicht begründet. Der Senat hat am 28. November 2005 in dem Verfahren NotZ 30/05 und in zahlreichen weiteren Parallelverfahren bereits über vergleichbare Sachverhalte aus dem Bereich der Landesjustizverwaltung Nordrhein-Westfalen entschieden. An seiner dort dargelegten und vom Bundesverfassungsgericht unbeanstandet gebliebenen (soweit unterlegene Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerden erhoben haben, sind diese durchweg vom Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen worden, Beschlüsse vom 1. Februar 2006 - 1 BvR 198/06 - zu dem Verfahren NotZ 24/05; vom 2. Februar 2006 - 1 BvR 159/06, 169/06 und 177/06 - zu den Verfahren NotZ 43/05, NotZ 28/05 und NotZ 27/05) Rechtsauffassung hält der Senat fest. Danach gilt (Senat aaO Rdn. 17 ff.):

Der Antragsgegner war nicht verpflichtet, das Besetzungsverfahren auf der Grundlage der Ausschreibung vom 1. Juli 2003 fortzusetzen und die Bewerbung des Antragstellers unter Fortführung des bisherigen Auswahlverfahrens zu bescheiden. Eine Bewerbung als Notar setzt voraus, dass eine Stelle zu vergeben ist. Das ist nach der Beendigung des Besetzungsverfahrens nicht mehr der Fall. Der Antragsgegner durfte die Ausschreibung vom 1. Juli 2003 zurücknehmen und das Auswahlverfahren abbrechen. Die Bewerbung des Antragstellers hat durch diesen organisatorischen Akt ihre Erledigung gefunden (Senat, Beschluss vom 10. März 1997 aaO S. 890). Einen Anspruch auf Verfahrensbeendigung durch Besetzungsentscheidung hat der Antragsteller danach nicht mehr (vgl. Linke DNotZ 2005, 411, 415).

a) Durch die Gestaltung und den Zeitpunkt des Besetzungsverfahrens kann allerdings Einfluss auf die Konkurrenzsituation der jeweiligen Bewerber und damit auf das Ergebnis der späteren Auswahlentscheidung genommen werden. Nicht nur durch die Art und Weise der Bekanntgabe vakanter Stellen, das Setzen von Bewerbungsfristen und die Terminierung der Besetzungen, sondern auch durch den Abbruch von Besetzungsverfahren und eine spätere Neuausschreibung von Notarstellen lässt sich die Zusammensetzung des Bewerberkreises steuern. Eine solche Steuerung kann in grundrechtsrelevanter Weise Chancengleichheit und Berufsfreiheit von Notarbewerbern berühren. Die Wahrung ihrer Grundrechte insbesondere aus Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 33 Abs. 2 GG erfordert eine dem Grundrechtschutz angemessene Verfahrensge-staltung (BVerfGE 73, 280, 296). Die im Rahmen des insoweit bestehenden weiten Ermessensspielraums von der Justizverwaltung bei der Notarauswahl zu berücksichtigenden öffentlichen Interessen sind in Bezug auf die Grundrechte der Bewerber zu gewichten und mit verhältnismäßigen Mitteln durchzusetzen (BVerfG DNotZ 2002, 891, 892 m. krit. Anm. Linke, aaO).

Die Justizverwaltung muss demgemäß bei der Frage, ob ein Besetzungsverfahren fortzusetzen oder abzubrechen ist, das ihr eingeräumte Organisationsermessen pflichtgemäß ausüben. Die Entscheidung für den Abbruch erfordert dann - wie auch im Beamtenrecht - sachlich nachvollziehbare Gründe, die eine angemessene Beachtung und Bewertung der betroffenen öffentlichen und individuellen Belange belegen. Nur insoweit erlauben die Berufsfreiheit und das Recht der Bewerber auf Chancengleichheit den Abbruch laufender Verfahren (BVerfG NJW-RR 2005, 998, 1001; DNotZ 2002, 891, 892; Senat, Beschlüsse vom 26. März 2001 - NotZ 31/00 - DNotZ 2001, 731, zustimmend Linke, aaO S. 419, und 10. März 1997 aaO; BVerwGE 101, 112, 115).

b) Diese Grundsätze hat der Antragsgegner beachtet. Er war sich bewusst, dass der Besetzungsabbruch eines sachlichen Grundes bedarf. Diesen hat er in der Ausschreibungsrücknahme zusammengefasst angegeben. Der Verfahrensabbruch sollte eine den Anforderungen des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 20. April 2004 genügende Auswahlentscheidung ermöglichen. Diese Begründung ist nachvollziehbar. Die bisherigen Auswahlkriterien im Runderlass vom 25. Februar 1999, auf den in der Ausschreibung ausdrücklich hingewiesen worden war, hatten sich als nicht verfassungsgemäß erwiesen. Bewerber um ein Notaramt mussten damals davon ausgehen, keinen Erfolg zu haben, wenn sie diese Voraussetzungen nicht erfüllten, während sie sich mit einer auf diese Kriterien zugeschnittenen Bewerbung Erfolgsaussichten ausrechnen konnten. Die Rücknahme der Ausschreibung und der anschließende Neubeginn des Bewerbungsverfahrens sollten mithin allen möglichen Bewerbern gleichermaßen Zugang zu einer nunmehr verfassungsrechtlichen Vorgaben entsprechenden Auswahlentscheidung eröffnen.

Es ist auch hier nicht zu erkennen, dass sich die Justizverwaltung insoweit im Hinblick auf die vorgenannte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als gebunden angesehen haben könnte und von dem ihr eingeräumten Ermessen keinen Gebrauch gemacht hätte. Die denkbaren Alternativen - Fortführung des laufenden Verfahrens oder Abbruch mit anschließendem Neubeginn - lagen offen, wurden in der Literatur erörtert und in der Praxis auch angewandt (vgl. zur Fortführung eines Bewerbungsverfahrens Senat, Beschluss vom 22. November 2004 - NotZ 16/04 - NJW 2005, 212, 213; Harborth, DNotZ 2004, 659, 670 f.; Jung, DNotZ 2004, 570 f.; Maaß, ZNotP 2004, 250, 255; Lerch, ZNotP 2004, 267, 269). Der Antragsgegner war sich dieser Alternativen ersichtlich bewusst. Dies zeigt der Inhalt des Schriftsatzes vom 21. Fe-bruar 2005, in dem der Vertreter des Antragsgegners ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass es sachgerecht erschien, die Auswahlkriterien nicht im laufenden Besetzungsverfahren den Vorgaben der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts anzupassen, sondern es vielmehr als vorzugswürdig erachtet worden sei, das "Verfahren" zurückzunehmen, um zunächst eine Änderung der maßgeblichen Verwaltungsvorschriften herbeizuführen und den Bewerbern sodann die Möglichkeit zu eröffnen, die geänderten Richtlinien zur Kenntnis zu nehmen und ihre Bewerbung danach auszurichten

In der Entscheidung des Antragsgegners, zugunsten aller potentiellen Bewerber das Besetzungsverfahren abzubrechen, liegt ebenso wenig ein Ermessensfehlgebrauch wie in seiner Auffassung, die Belange des Antragstellers müssten dahinter zurückstehen.

aa) Das Bundesverfassungsgericht hat zwar die gesetzlichen Eignungskriterien des § 6 Abs. 3 BNotO gebilligt, weil sie bei der Auswahl der Anwaltsnotare eine angemessene Berücksichtigung solcher Kenntnisse und Fähigkeiten erlauben, die sich speziell auf den Zweitberuf des Notars beziehen. Es hat jedoch festgestellt, dass die Auslegung und Anwendung dieser Norm nach allgemeinen Verfügungen in Angelegenheiten der Notarinnen und Notare wie dem Runderlass des Hessischen Ministeriums für Justiz und Europaangelegenheiten zur Ausführung der Bundesnotarordnung vom 25. Februar 1999 bei der Auswahl der Bewerber aus dem Kreis der Rechtsanwälte, die für das Amt des Notars in Betracht kommen, nicht den Vorrang desjenigen mit der besten fachlichen Eignung gewährleisten (BVerfGE 110, 304, 326 ff.). Eine nach den bisherigen Maßstäben erstellte Prognose über die Eignung eines Bewerbers für das von ihm erstrebte öffentliche Amt oder über seine bessere Eignung bei der Auswahl aus einem Kreis von Bewerbern lässt vor allem eine konkrete und einzelfallbezogene Bewertung der fachlichen Leistungen des Bewerbers vermissen. Erforderlich ist statt dessen eine Neubewertung, bei der auch die von den Bewerbern bei der Vorbereitung auf das angestrebte Amt gezeigten theoretischen Kenntnisse und praktischen Erfahrungen - wie insbesondere bei den Beurkundungen - differenziert zu gewichten sind. Solange es insoweit an beachtlichen Bewertungen noch fehlt, ist eine individuelle Eignungsprognose im weiteren Sinn zu treffen, bei der diese beiden notarspezifischen Eignungskriterien mit eigenständigem, höheren Gewicht als bisher im Verhältnis zu der Anwaltspraxis und dem Ergebnis des Staatsexamens einfließen müssen (BVerfG aaO S. 326 ff., 336; Senat, Beschluss vom 22. November 2004 aaO S. 213).

bb) Diesen Anforderungen an eine verfassungsgemäße Vergabe noch nicht besetzter Notarstellen in einer am Grundrechtsschutz aller in Betracht kommenden Bewerber orientierten, angemessenen Verfahrensgestaltung wollte der Antragsgegner durch den Abbruch des laufenden Bewerbungsverfahrens mit anschließender Neuausschreibung gerecht werden. Insoweit stand ihm ein sachlicher Grund zur Seite, da die bisherigen Verfahren vor allem infolge fehlerhafter Gewichtung von Examensnote und Anwaltspraxis an Mängeln litten, die grundsätzlich einen vom Organisationsermessen gedeckten Abbruch rechtfertigen können (vgl. OVG Rheinland-Pfalz DÖD 1998, 167, 168; Lerch, aaO S. 269).

Der Antragsteller kann dem nicht mit Erfolg entgegenhalten, die Justizverwaltung dürfe eine an den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts ausgerichtete Auswahlentscheidung nur unter den Konkurrenten im laufenden Bewerbungsverfahren treffen.

(1) Die bei dem Zugang zu einem öffentlichen Amt, das ein Notar ausübt (§ 1 BNotO; BVerfGE 17, 371, 377), aus Art. 12 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 33 Abs. 2 GG abzuleitenden Grundsätze für die Auswahlentscheidung gebieten zum Schutz des wichtigen Gemeinschaftsgutes einer qualitätsvollen Rechtspflege, dass tatsächlich von allen potentiellen Bewerbern derjenige zum Zuge kommt, der den Anforderungen des Amtes am ehesten entspricht (BVerfGE 73, 280, 296; BVerfG NJW 2005, 50). Verfassungsrechtlich ist es danach geboten, alle in Betracht kommenden Personen mit dem Bewerbungsverfahren anzusprechen und auch wirklich zu erreichen. Das lässt bei der Verfahrensgestaltung jedenfalls die Möglichkeit eines Abbruchs bereits begonnener Auswahlverfahren zu, wenn die geforderte Erreichbarkeit aller möglichen Bewerber etwa infolge der Abfassung des Bewerbungsangebotes und der darin mitgeteilten Besetzungskriterien nicht sichergestellt war. Diesem Gebot wollte die Justizverwaltung bei der von dem Antragsteller beanstandeten Vorgehensweise gerade gehorchen. Sie wollte das Auswahlverfahren auch denjenigen öffnen, die infolge der angegebenen Auswahlmaßstäbe, die sich aufgrund verfassungsgerichtlicher Überprüfung nachträglich als verfassungswidrig erwiesen haben, von einer Beteiligung mangels Erfolgsaussicht Abstand genommen hatten, während sie sich nach neuen, für sie erfolgversprechenderen Maßstäben beteiligt hätten. So liegen die Dinge hier.

Die Zugangskriterien zum Anwaltsnotariat müssen sich jetzt - bei geringerem Gewicht der Examensnoten - stärker an der Notarfunktion ausrichten. Bewerber mit schwächeren Abschlussnoten haben daher bessere Aussichten als bisher auf die Vergabe einer Notarstelle, wenn sie gerade die fachbezogenen Anforderungen, wie beispielsweise durch eine größere Beurkundungspraxis oder eine notarnähere Ausgestaltung ihrer Anwaltstätigkeit, in überdurchschnittlichem Maße erfüllen. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass gerade solche potentiellen Bewerber in Kenntnis der bisherigen Gewichtung von einer Bewerber abgesehen haben (vgl. KG, KG-Report 2005, 143, 144 sowie Beschluss vom 3. Februar 2005 - Not 8-10/04; OVG Münster NVwZ-RR 2003, 52, 53). Auch für den Bereich F. lässt sich dies - entgegen der vom Antragsteller in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geäußerten Auffassung - nicht ausschließen. Einer näheren konkreten Prüfung durch die Landesjustizverwaltung, ob für jede der ursprünglich ausgeschriebenen Notarstellen überhaupt derartige potentielle Bewerber vorhanden waren, bedurfte es entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht; denn dies wäre einer verfassungsrechtlich bedenklichen Probeausschreibung nahe gekommen (vgl. BVerfG DNotZ 2002, 891, 894).

Der bei richtigem Verfassungsverständnis nunmehr durchaus als geeignet einzustufenden potentiellen Bewerbergruppe durfte die Justizverwaltung nach dem im öffentlichen Interesse bestehenden Grundsatz der Bestenauslese und den verfassungsrechtlich garantierten Ansprüchen aller Bewerber auf gleichen Zugang zu einem öffentlichen Amt durch den Abbruch des Bewerbungsverfahrens Beachtung schenken. Diesen Personen wäre sonst eine Bewerbung um die zu besetzende Stelle nicht mehr möglich, nachdem sich der Bewerberkreis wegen des Ablaufs der Bewerbungsfrist bereits geschlossen hatte.

Es spielt ferner keine Rolle, dass im Zeitpunkt der ersten Ausschreibung bereits Verfassungsbeschwerden zu den bisherigen Auswahlmaßstäben anhängig waren, in denen die bisherigen Kriterien für die Bewerberauswahl als verfassungswidrig beanstandet wurden. Für den Einzelnen war nicht abzuschätzen, wann und mit welchem Ergebnis das Bundesverfassungsgericht entscheiden würde. Angesichts der dadurch bedingten Zufälligkeiten, vor allem bei der zeitliche Abfolge und den Qualifikationsnachweisen, war eine bloß vorsorgliche, nach bisherigen Auswahlmaßstäben aussichtslose Bewerbung nicht zu verlangen.

Schließlich kommt der Anzahl der noch zu besetzenden Stellen, der Größe des verbliebenen Bewerberfeldes und dem Stand des Bewerbungsverfahrens bei der Entscheidung, es abzubrechen oder fortzusetzen, keine ausschlaggebende Bedeutung zu (vgl. aber Harborth, aaO S. 671). Das mit der Bestenauslese verfolgte verfassungsrechtliche Anliegen, alle geeigneten Bewerber zu erreichen, bleibt stets das gleiche.

Es erweist sich daher unter diesem Gesichtspunkt insgesamt als ermessensfehlerfrei, wenn den angeführten Interessen der Vorrang gegenüber denen des Antragstellers eingeräumt worden ist, im bisherigen Auswahlverfahren zu verbleiben, ohne sich weiterer Konkurrenz stellen zu müssen.

(2) Die Entscheidung der Justizverwaltung, die bisherige Ausschreibung zurückzunehmen und das Auswahlverfahren insgesamt zu wiederholen, findet aber auch mit Blick auf die vorhandenen Bewerber ihre Berechtigung. Nach § 6b Abs. 2 BNotO ist die Bewerbung innerhalb der mit der Ausschreibung gesetzten - als gesetzliche Ausschlussfrist gestalteten - Bewerbungsfrist einzureichen; dementsprechend sind gemäß § 6b Abs. 4 Satz 1 BNotO nur solche Umstände zu berücksichtigen, die bei Ablauf der Bewerbungsfrist vorlagen. Die Justizverwaltung darf die fachliche Eignung eines Bewerbers um das Amt nur dann bejahen, wenn diese bis zum Ablauf der Bewerbungsfrist nachgewiesen ist. Dies gilt insbesondere auch für den Nachweis der fachlichen Leistungen, die im Auswahlverfahren nach § 6 Abs. 3 BNotO von Bedeutung sind. Der erforderliche fristgemäße Nachweis der Leistungen setzt neben der Vorlage der entsprechenden Bescheinigungen voraus, dass der Bewerber der Justizverwaltung innerhalb der Bewerbungsfrist mitgeteilt hat, welche bei der Vorbereitung auf den Notarberuf bereits erbrachten Leistungen bei der Auswahlentscheidung Beachtung finden sollen. Insoweit dient die Festlegung eines Stichtags der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit, aber auch der Gleichbehandlung aller Bewerber aufgrund einer einheitlichen Bewerbungssituation, die nur gewährleistet ist, wenn zu Beginn des Auswahlverfahrens sämtliche für den Bewerber maßgeblichen Kriterien feststehen (vgl. Senat BGHZ 126, 39, 46 ff.; Beschlüsse vom 22. November 2004 aaO S. 214; 3. November 2003 - NotZ 14/03 - ZNotP 2004, 451, 452; 14. Juli 1997 - NotZ 48/96 - NJW-RR 1998, 57, 58 und 16. März 1998 - NotZ 13/97 - NJW-RR 1998, 1599, 1600).

Da sich die Verfassungswidrigkeit der bisherigen Auswahlmaßstäbe hier erst nach Ablauf der Bewerbungsfrist herausgestellt hat, konnten die Bewerber nicht mehr ohne weiteres ergänzende Leistungen und Nachweise in das Verfahren einbringen, um so ihre fachliche Eignung entsprechend den nunmehr zu beachtenden verfassungsrechtlichen Vorgaben bei der Auswahlentscheidung zu belegen. Dabei versteht es sich keineswegs von selbst, dass - auch wenn nur der verbliebene Bewerberkreis in den Blick genommen wird - bei einer erneuten Ausschreibung kein wesentlich davon abweichendes Ergebnis zu erwarten wäre (so aber wohl SchlHOLG SchlA 2005, 88, 90). Es ist allein im Hinblick auf die bisherige Deckelung anrechenbarer Beurkundungen schon zweifelhaft, ob für das erste Bewerbungsverfahren nur die bereits eingereichten Nachweise zur Verfügung gestanden haben (vgl. dagegen aber Schöbener, NWVBl. 2005, 41, 52). Jedenfalls hinsichtlich der jetzt mit weitaus höherem Gewicht als bisher zu berücksichtigenden sonstigen notarspezifischen Qualifikationsmerkmale ist das wenig wahrscheinlich.

Statt hier eine - unter Umständen schwierige - Abgrenzung zwischen neuen, durch § 6b Abs. 4 BNotO präkludierten Umständen und lediglich zusätzlichen, durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts veranlassten nachträglichen Erläuterungen vor allem der notarspezifischen Bezüge der anwaltlichen Tätigkeit vorzunehmen (vgl. Senat, Beschluss vom 22. November 2004 aaO) oder auf etwaige Wiedereinsetzungen in den vorigen Stand mit unterschiedlichen Erfolgschancen zu setzen (§ 6b Abs. 3 BNotO; vgl. Senat, Beschluss vom 3. November 2003 aaO S. 453), war es der Justizverwaltung nicht verwehrt, das Auswahlverfahren insgesamt neu zu eröffnen, um sich von der Prüfung und Entscheidung im Einzelfall und möglichen daran knüpfenden Rechtsmittelverfahren zu entlasten. Auf diese Weise vermag sie zwischen den Bewerbern Chancengleichheit herzustellen (Art. 12, 3, 33 Abs. 2 GG) und ihre Gleichbehandlung bezüglich der von ihnen vorzuweisenden Leistungen über eine sachlich gleichmäßige materielle und formelle Verfahrensgrundlage zu gewährleisten (vgl. Senat, Beschluss vom 3. November 2003 aaO). Zugleich schafft sie damit eine vollständige Beurteilungsgrundlage, die eine fehlerfreie Auswahlentscheidung sicherstellt. Zusätzlich werden damit zu erwartende Folgestreitigkeiten vermieden, ob die Auswahl das gesamte ursprüngliche Bewerberfeld miteinzubeziehen oder nur unter den noch Verbliebenen zu erfolgen hat (vgl. dazu Harborth, aaO S. 671). Es ist daher jedenfalls nicht ermessensfehlerhaft, bei dieser Sachlage einer neuen Ausschreibung den Vorzug zu geben, um die erkennbaren Schwierigkeiten bei der sonst anstehenden Umstellung auf eine individuelle Eignungsprognose (BVerfGE 110, 304, 327 ff., 336 ff.; vgl. dazu Harborth, aaO) zu umgehen.

Diese Vorgehensweise ist nicht mit einer verfassungsrechtlich bedenklichen Probeausschreibung zur Sichtung von Bewerbern (vgl. BVerfG DNotZ 2002, 891, 894) zu vergleichen, sondern mit einem veränderten Anforderungsprofil der ausgeschriebenen Stelle, das im öffentlichen Dienst eine Neuausschreibung regelmäßig rechtfertigen und sogar gebieten kann (vgl. BVerwGE 115, 58, 60 f.; OVG Münster, DÖD 2004, 205 f. und NVwZ-RR 2002, 52 f.). Veränderungen im Anforderungsprofil und Neugewichtungen der für den Zugang zu dem Amt geltenden Auswahlmaßstäbe können den Bewerberkreis in ähnlicher Weise beeinflussen. Ein Abbruch des zunächst begonnenen Besetzungsverfahrens mit anschließendem Neubeginn, um gleiche Ausgangsvoraussetzungen für den alten wie den neuen Bewerberkreis zu schaffen, ist aus diesem Gesichtspunkt ebenfalls insgesamt nicht zu beanstanden.

Befürchtungen, dass damit das Stichtagsprinzip faktisch aufgehoben würde, die Konturen eines Bewerbungsverfahrens durch die Suche nach dem bestmöglichen Bewerber aufgeweicht würden und jedweder Fehler bei einer Auswahlentscheidung künftig den Abbruch und die Neuausschreibung zur Folge haben würde, was zu einem Stillstand der Rechtspflege im Notarbereich mit nicht absehbaren wirtschaftlichen und personellen Konsequenzen führen könnte, sind angesichts der besonderen Situation für die Justizverwaltung, aus verfassungsrechtlichen Gründen bislang allgemein gültige Auswahlkriterien anpassen bzw. ändern zu müssen, unbegründet.

(3) Die Entscheidung der Justizverwaltung, im Rahmen der ihr zustehenden Organisationsgewalt das Besetzungsverfahren abzubrechen und eine - für weitere Bewerber offene - neue Ausschreibung vorzunehmen, erweist sich gegenüber dem Antragsteller auch als verhältnismäßig.

Ihm wird dadurch schon deshalb keine verfestigte Rechtsposition genommen, weil eine Auswahlentscheidung im Zeitpunkt des Abbruchs des Stellenbesetzungsverfahrens noch nicht getroffen worden war. Aber selbst dann, wenn diese Entscheidung bereits getroffen gewesen wäre und lediglich die Ernennung zum Notar noch ausgestanden hätte, wäre die Entscheidung der Landesjustizverwaltung, mit Blick auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 20. April 2004 das Besetzungsverfahren abzubrechen, nicht als ermessensfehlerhaft zu beanstanden (Senat, Beschluss vom 28. November 2005 - NotZ 34/05 - Rdn. 12 ff., zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt). Ändern sich aus verfassungsrechtlichen Gründen während eines laufenden Verfahrens die für die Besetzungsentscheidung von der Justizverwaltung allgemein angewandten und den potentiellen Bewerbern als verbindlich vorgegebenen materiell-rechtlichen Beurteilungskriterien erheblich - wie hier durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts festgestellt -, gibt es für ein etwaiges von Bewerbern gebildetes Vertrauen, es werde auch dann in Fortführung des Verfahrens bei dem noch vorhandenen Bewerberkreis verbleiben, keine Grundlage mehr. Das dahingehende Interesse des Antragstellers kann sich gegenüber dem gegenläufigen Interesse von Konkurrenten, die auf der Basis verfassungswidriger Maßstäbe unterlegen sind oder sich erst gar nicht beworben haben, nicht durchsetzen. Wegen der aus Gründen der Bestenauslese in dieser Situation gebotenen Öffnung des Bewerberkreises für alle potentiellen Kandidaten ist es ohne Belang, ob sich der Antragsteller bei richtiger Gewichtung der Auswahlkriterien im ursprünglichen Verfahren als aussichtsreichster Bewerber erwiesen hätte. Gleiches gilt für seine in Aus- und Fortbildung mit Blick auf das angestrebte Amt getätigten persönlichen und finanziellen Investitionen. Insoweit sind alle Bewerber gleichermaßen betroffen. Diese erfolgreichen Weiterbildungsmaßnahmen können zudem auch im neuen Auswahlverfahren berücksichtigt werden.

Zutreffend macht der Antragsteller allerdings geltend, dass seine Bewerbungschancen sich durch die Neuausschreibung der Notarstellen auf Grundlage der Neufassung des Runderlasses über die Ausführung der Bundesnotarordnung vom 10. August 2004 deswegen verschlechtern können, weil er nach Ablauf der ursprünglichen Bewerbungsfrist am 12. August 2003 keinen Anlass mehr hatte, durch die Übernahme von Notarvertretungen und -verwaltungen bzw. die Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen weitere für die Bewerbung berücksichtigungsfähige Tatsachen zu schaffen und zudem seine mehr als drei Jahre zurückliegenden Fortbildungen geringer gewichtet werden, während potentielle Neubewerber, die sich an dem ursprünglichen Ausschreibungsverfahren nicht beteiligt hatten, derartige Tatsachen bis zum Ablauf der neuen Bewerbungsfrist schaffen konnten und dies nach Maßgabe des geänderten Runderlasses zudem ohne die früher vorgesehene Deckelung der hierdurch erreichbaren Punkte durch einen nicht überschreitbaren Höchstwert. Dies hat der Antragsteller jedoch hinzunehmen; der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wird hierdurch nicht zu seinem Nachteil verletzt. Wie bereits dargelegt, ist dem Antragsteller allein durch die aussichtsreiche Teilnahme an dem ursprünglichen Bewerbungsverfahren keine verfestigte Rechtsposition erwachsen. Für ihn bestand lediglich eine ungesicherte Aussicht auf den Erfolg seiner Bewerbung, der jedoch verfassungsrechtlichen Maßstäben nicht genügende Auswahlkriterien zugrunde lagen. Das Interesse des Antragstellers, diese Ernennungschance nicht zu verlieren, durfte der Antragsgegner dem öffentlichen Interesse an einer Bestenauslese nach verfassungskonformen Auswahlmaßstäben unterordnen. Dabei war er auch nicht - wie der Antragsteller hilfsweise meint - aus verfassungsrechtlichen Gründen gehalten, nur das ursprüngliche Ausschreibungsverfahren für weitere potentielle Bewerber zu öffnen, diesen Gelegenheit zu geben, innerhalb einer neuen Bewerbungsfrist die berücksichtigungsfähigen Tatsachen vorzubringen, die sie zum Zeitpunkt des Ablaufs der ursprünglichen Bewerbungsfrist am 12. August 2003 bereits vorzuweisen hatten, und sodann unter Alt- und Neubewerbern eine Auswahl nach Kriterien zu treffen, die den vom Bundesverfassungsgericht aufgezeigten Maßstäben entsprechen. Wie bereits ausgeführt, hätte sich der Antragsgegner hierauf nicht beschränken dürfen. Vielmehr hätte er auch den Altbewerbern Gelegenheit geben müssen, nunmehr berücksichtigungsfähige bewerbungsrelevante Tatsachen nachzutragen. Auf ein derartiges Verfahren, das im Kern auf eine Neuausschreibung der Notarstellen mit einem in der Vergangenheit liegenden Stichtag nach § 6b Abs. 4 Satz 1 BNotO hinausgelaufen wäre, an dem die Auswahlkriterien für die späteren Bewerber aber nicht erkennbar waren, musste sich der Antragsgegner - unbeschadet der Frage der Vereinbarkeit eines solchen Verfahrens mit dem geltenden Recht - jedenfalls nicht einlassen. Vielmehr durfte er dem öffentlichen Interesse daran, die offenen Notarstellen mit den Bewerbern zu besetzen, die sich nach verfassungskonformen Auswahlkriterien aktuell hierfür als die geeignetsten erweisen, den Vorzug geben.

(4) Schließlich erlauben auch die weiteren gegen die Vorgehensweise der Justizverwaltung geltend gemachten Erwägungen keine andere Beurteilung.

Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts enthält keine konkreten Vorgaben, wie zu verfahren ist (BVerfGE 110, 304, 326 ff.; BVerfG NJW 2005, 50 f.). Auch der Rechtsprechung des Senats ist nichts anderes zu entnehmen. In seinem bereits mehrfach angeführten Beschluss vom 22. November 2004 hatte er lediglich über die Neubewertung in einem fortgesetzten Verfahren zu befinden; die hier aufgeworfene Frage stellte sich nicht.

Unerheblich ist ferner, inwieweit auch gegenüber Abschnitt A II. Nr. 3 Buchst. c und d des geänderten Runderlasses verfassungsrechtliche Bedenken bestehen könnten; auf die Entscheidung, das Verfahren abzubrechen, ist die spätere Änderung des Runderlasses ohne Einfluss.

Die Justizverwaltung war auch nicht aus Gründen sogenannter Altersstrukturstellen (vgl. Senat, Beschluss vom 31. März 2003 aaO S. 279 ff.) - unabhängig davon, inwieweit sich hieraus subjektive Rechte ableiten lassen - gehalten, von einem Abbruch des Besetzungsverfahrens Abstand zu nehmen. Es besteht vorliegend kein Anhalt, dass durch die mit einem neuen Verfahren verbundene Verzögerung eine geordnete Altersstruktur nicht mehr erreichbar ist.

Ende der Entscheidung

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