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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 13.01.1999
Aktenzeichen: StB 14/98
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 53 Abs. 1 Nr. 5
StPO § 97 Abs. 5
StPO § 98 Abs. 1
StPO § 53 Abs. 1 Nr. 5, § 97 Abs. 5, § 98 Abs. 1

1. Das presserechtliche Zeugnisverweigerungsrecht und der presserechtliche Beschlagnahmeschutz gelten auch für einen freien journalistischen Mitarbeiter einer Zeitung. Sie bestehen jedoch in der Regel nicht, wenn die Identität des Informanten in dem Pressebeitrag über die dem Journalisten gemachte Mitteilung offen gelegt wird und der Informationsinhalt im übrigen bekannt ist.

2. Der besondere Richtervorbehalt, der für Beschlagnahmen in Redaktionsräumen gilt und auch bei Gefahr im Verzug eine Notfallkompetenz der Staatsanwaltschaft ausschließt, gilt entsprechend für Durchsuchungen solcher Räume. Zu diesen Räumen gehört nicht das gegenüber der Redaktion räumlich und sachlich getrennte Büro eines freien journalistischen Mitarbeiters. Insoweit besteht bei Gefahr im Verzug die allgemeine Notfallkompetenz der Staatsanwaltschaft und ihrer Hilfsbeamten.

BGH, Beschl. vom 13. Januar 1999 - StB 14/98 - Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs


BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

2 BJs 71/93 - 2 StB 14/98

vom

13. Januar 1999

in dem Ermittlungsverfahren

gegen

wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung u.a.;

hier: Beschwerde des Betroffenen G. gegen eine Beschlagnahmeanordnung

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. Januar 1999 gemäß § 304 Abs. 5 StPO beschlossen:

Die Beschwerde des Betroffenen G. gegen die Beschlagnahmeanordnung in der Verfügung des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 12. August 1997 - 2 BJs 71/93 - 5 wird verworfen.

1 BGs 193/97

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

I. Der Beschuldigte steht im Verdacht, sich u.a. der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung dadurch schuldig gemacht zu haben, daß er gemeinsam mit W. , gegen die ein gesondertes Ermittlung verfahren geführt wird, die aber nach Presseberichten vor kurzem als Mitglied eines Kampfverbands der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) in der Türkei gefangengenommen und getötet worden sein soll, der "Rote Armee Fraktion" (RAF) Ende 1992 / Anfang 1993 im Raum Frankfurt am Main und Wiesbaden bei der Vorbereitung des Sprengstoffanschlags auf den Neubau der Justizvollzugsanstalt Weiterstadt durch den Transport von Sprengstoff half. Durch Verfügung vom 12. August 1997 gestattete der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs die Durchsuchung der Redaktionsräume der Tageszeitung "t. " in B. zwecks Auffindung eines Schreibens von W. und ordnete dessen Beschlagnahme als Beweismittel an. Das Schreiben war als sogenannter offener Brief an die RAF Teil einer in Szenepublikationen geführten Diskussion zwischen W. und der RAF über die Rolle des mit Verfassungsschutzbehörden verdeckt in Verbindung stehenden Beschuldigten. In der Ausgabe vom 11. August 1997 berichtete die t. in drei Beiträgen über das Schreiben von W. . In einem vom Betroffenen verfaßten Artikel "V-Mann S. schwer belastet" wird wörtlich aus diesem offenen Brief zitiert, in dem es u.a. heißt, der Beschuldigte habe von dem Anschlag im Vorfeld gewußt und gegenüber der Verfasserin im Dezember 1992 erklärt, daß die Sprengung eines "Knastes" bevorstehe und er von der RAF beauftragt sei, die Meinung der "legalen Linken" zu der beabsichtigten Aktion einzuholen. Das Schreiben wurde auch in anderen Medien publiziert. Die durch den Ermittlungsrichter gestattete Durchsuchung der Redaktionsräume der t. wurde indes nicht durchgeführt, als sich am 13. August 1997 herausstellte, daß das Schreiben nicht der Redaktion, sondern dem als freier Mitarbeiter (freier Autor) tätigen Betroffenen persönlich vorlag. Durch den die Ermittlungen vor Ort leitenden Staatsanwalt der Bundesanwaltschaft wurde daraufhin wegen Gefahr im Verzug die Durchsuchung des Arbeitsplatzes des Betroffenen in einem von diesem mit anderen Journalisten unterhaltenen Büro in B. angeordnet. Den Vollzug dieser Anordnung wendete der Betroffene durch Herausgabe des als Fax-Schreiben übermittelten und mit "Andrea" unterzeichneten Briefs ab. Der Teil mit den Absenderangaben des Fax-Schreibens war bei Eingang schon abgetrennt worden. Mit der Beschwerde wendet sich der Betroffene gegen die richterlich angeordnete Beschlagnahme des Schreibens.

Soweit seine Beschwerdeschrift vom 8. Oktober 1998 auch gegen die am 13. August 1997 staatsanwaltschaftlich angeordnete Durchsuchung seines Büros gerichtet ist, hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs das Vorbringen auf Anregung des Generalbundesanwalts in entsprechender Anwendung des § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO als Antrag auf richterliche Entscheidung behandelt, den Rechtsbehelf jedoch durch Verfügung vom 4. November 1998 wegen prozessualer Überholung mit der Begründung als unzulässig verworfen, daß ein Bedürfnis für einen über die zeitliche Erledigung der Maßnahme hinausreichenden Rechtsschutz im Hinblick auf die zur Beschlagnahme zu treffende Beschwerdeentscheidung nicht bestehe. Diese ermittlungsrichterliche Entscheidung greift der Betroffene nach ausdrücklicher Erklärung unter der Voraussetzung nicht an, daß über die Rechtmäßigkeit der Durchsuchungsanordnung im Beschwerdeverfahren gegen die Beschlagnahme mitentschieden werde.

II. 1. Die Beschwerde ist nach § 304 Abs. 5 StPO zulässig. Sie geht nicht etwa deshalb ins Leere, weil das sichergestellte Schreiben nicht in den in der richterlichen Anordnung vom 11. August 1997 genannten Redaktionsräumen vorgefunden, sondern vom Beschwerdeführer in dessen von ihm selbst unterhaltenen Büroraum übergeben wurde. Sichergestellt werden sollte nach der offen zutage tretenden Zielrichtung der Verfügung des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs der Brief, der den Beiträgen in der Ausgabe der t. vom 11. August 1997 und insbesondere dem vom Beschwerdeführer verfaßten Artikel mit den wörtlichen Zitaten zugrundelag. Um diesen Gegenstand handelt es sich bei dem vom Beschwerdeführer übergebenen Schreiben; es ist damit unbeschadet der gegenüber der Verfügung vom 11. August 1997 veränderten Umstände der Sicherstellung Gegenstand der richterlichen Beschlagnahme.

2. Das Rechtsmittel ist jedoch unbegründet. Die angefochtene Beschlagnahme, aber auch - wie im Rahmen der Überprüfung der Maßnahme nach § 94 StPO unter Berücksichtigung der in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in BVerfGE 96, 27 dargelegten Grundsätze (vgl. auch BVerfGE 96, 44; BGH NJW 1998, 3653 f.) mitzuentscheiden ist - die zur Herausgabe des Schreibens führende Durchsuchungsanordnung sind rechtlich nicht zu beanstanden.

a) Die Voraussetzungen der Beschlagnahme nach § 94 Abs. 1 und 2 StPO sind erfüllt; insbesondere ist die potentielle Beweisbedeutung des sichergestellten Schriftstücks nicht zweifelhaft. Auch wenn es als Fax-Schreiben allenfalls in eingeschränktem Umfang Gegenstand für eine erfolgversprechende kriminaltechnische Spurensuche sein kann, dient es insofern als Beweismittel, als es ersichtlich eine für die Frage des Schuldnachweises gegenüber dem Beschuldigten u.U. erhebliche Äußerung der gesondert verfolgten W. zum Inhalt hat und deswegen für eine Verlesung in einer möglichen Hauptverhandlung aber auch für vergleichende Untersuchungen durch Sachverständige hinsichtlich des Textes und der benutzten Maschinenschrift in Betracht kommt. Auch waren die Ermittlungsbehörden nicht von vornherein auf eine Sicherstellung in Gestalt der Fertigung beglaubigter Fotokopien verwiesen. Da mögliche Einwendungen gegen die Authentizität des Schriftstücks im späteren Verfahren nicht absehbar sind, kam es darauf an, das Original in Gewahrsam zu nehmen.

§ 97 Abs. 5 Satz 1 StPO steht der Beschlagnahme nicht entgegen und hinderte auch die Durchsuchungsanordnung nicht. Die durch diese Vorschrift festgelegte Beschlagnahmefreiheit des (zugesandten) Informationsmaterials im Gewahrsam von Journalisten ist nach ausdrücklicher gesetzlicher Regelung in ihrem Bestand abhängig von dem Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 Abs. 1 Nr. 5 StPO. Zwar kann sich auf dieses Recht grundsätzlich auch ein als freier Mitarbeiter einer Zeitung tätiger Journalist wie der Beschwerdeführer berufen (vgl. Dahs in Löwe/Rosenberg StPO 25. Aufl. § 53 Rdn. 51; Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 43. Aufl. § 53 Rdn. 31; Kunert MDR 1975, 885, 886). Es besteht jedoch in der Regel dann nicht, wenn die Identität des Informanten im Pressebeitrag über die dem Journalisten gemachte Mitteilung selbst offengelegt wird und der Informationsinhalt im übrigen bekannt ist (vgl. BVerfG NStZ 1982, 253, 254; BGHSt 28, 240, 243 ff.; KG NJW 1984, 1133; Dahs in Löwe/Rosenberg StPO 25. Aufl. § 53 Rdn. 56; Pelchen in KK StPO 3. Aufl. § 53 Rdn. 34; Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 43. Aufl. § 53 Rdn. 34; Hennemann, Pressefreiheit und Zeugnisverweigerungsrecht 1978 S. 58, 70). Damit entfällt zugleich auch der presserechtliche Beschlagnahmeschutz. So liegt es hier. Aufgrund der Beiträge in der Ausgabe der t. vom 11. August 1997 war offensichtlich, daß das als "vorliegend" bezeichnete Schreiben, aus dem wörtlich zitiert wurde, von W. stammte. Es war im übrigen in anderen Medien in vollem Wortlaut wiedergegeben. Unbeschadet der rechtlichen Frage, ob die Regelungen in § 53 Abs. 1 Nr. 5 und § 97 Abs. 5 StPO überhaupt den Schutz vor Ermittlungen des Aufenthalts eines der Person nach bereits bekannten Informanten bezwecken (vgl. dazu BGHSt 28, 240), konnte die presserechtliche Beschlagnahmefreiheit unter diesem Blickwinkel schon aus tatsächlichen Gründen deshalb nicht bestehen, weil sich aus dem sichergestellten Fax-Schreiben keine Hinweise auf den (damaligen) Aufenthaltsort der Verfasserin ergeben.

Da mithin der Beschlagnahmeschutz nach § 97 Abs. 5 Satz 1 StPO von vornherein nicht bestand und nicht besteht, kommt es nicht auf die im Ergebnis zweifelhafte Frage an, ob das Schreiben, wie in der Beschlagnahmeanordnung im Sinne einer Hilfserwägung zusätzlich angenommen, als Gegenstand, der durch eine von dem Ermittlungsverfahren miterfaßte Straftat hervorgebracht ist, ohnehin von dem Beschlagnahmeverbot im Sinne einer Ausnahme nach § 97 Abs. 5 Satz 2, Abs. 2 Satz 3 StPO freigestellt wäre (vgl. dazu BGHSt 41, 363; Rebmann in Festschrift für Pfeiffer S. 225, 235 ff.).

Unter den hier gegebenen Voraussetzungen ist ein presserechtlicher Beschlagnahmeschutz auch verfassungsrechtlich (Art. 5 Abs. 1 GG) nicht gefordert. Durch das Grundgesetz gesichert ist die verfahrensrechtliche Freistellung vom Zeugniszwang und von der Beschlagnahme nur insoweit, als dies im Interesse der Institution der Presse unumgänglich ist (vgl. BVerfG NStZ 1982, 253; BGHSt 28, 240, 254; 41, 363, 366/367, jeweils mit weiteren Nachweisen). Zwar ist die Gewährleistung eines Vertrauensverhältnisses zum Informanten von wesentlicher Bedeutung für die Funktionstüchtigkeit der Presse im demokratischen Rechtsstaat, weil sie zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe auch auf private Mitteilungen angewiesen ist, diese aber in ausreichendem Maße nur dann erwartet werden können, wenn sich der Informant grundsätzlich auf die Wahrung des Redaktionsgeheimnisses verlassen kann (BVerfGE 20, 162, 176, 187; BVerfG NStZ 1982, 253). Jedoch ist der Schutz dieses Vertrauensverhältnisses zur Disposition der Presse und ihrer Angehörigen gestellt und besteht schon aus diesem Grund nicht absolut. Geben die betroffenen Presseangehörigen wie hier die Identität des Informanten preis, ist zudem auch der Inhalt der Mitteilungen in Presseveröffentlichungen offen gelegt und ist dies, wie aus dem erkennbaren Ziel und Zweck des im Sinne eines offenen Briefs verfaßten Schreibens eindeutig hervorgeht, mit dem Willen der Verfasserin geschehen, besteht - zumal dann, wenn es um die Klärung eines so gewichtigen Schuldvorwurfs wie im vorliegenden Fall geht - auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten kein Grund, den Strafverfolgungsbehörden den Zugriff auf die verkörperte Mitteilung zu Beweiszwecken zu verwehren. Angesichts der Besonderheiten des zu entscheidenden Falles ist auch nicht zu besorgen, daß als Folge des strafprozessualen Zugriffs vergleichbare Informationsquellen für die Zukunft versiegen werden.

Die angegriffene Beschlagnahme wahrt auch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Es geht um die Klärung der Beteiligung an einer besonders gewichtigen Straftat. Das beschlagnahmte Fax-Schreiben kann, wie in den Beiträgen der t. selbst zu Recht hervorgehoben wird, ein wesentliches Beweismittel gegen den Beschuldigten sein, nicht zuletzt auch deswegen, weil die Verfasserin im weiteren Verfahren aller Wahrscheinlichkeit nach nicht zur Verfügung stehen wird. Unter dem Gesichtspunkt der Pressefreiheit stehen dem, wie dargelegt, keine Gründe entgegen, die das Gewicht des strafprozessualen Aufklärungsinteresse entscheidend mindern könnten. Eine Ablichtung des Schreibens ist dem Beschwerdeführer überlassen worden, so daß auch von daher eine Beeinträchtigung seiner Arbeit, was die Befassung mit diesem Themenkreis angeht, nicht zu besorgen ist.

b) Schließlich weist auch die Durchsuchungsanordnung keine Mängel auf, welche die Unzulässigkeit der Beschlagnahme begründen könnten.

Die rechtliche Grundlage für die in Angriff genommene Durchsuchung beim Beschwerdeführer kann nicht in der vom Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs getroffenen Anordnung vom 12. August 1997 gesehen werden; denn diese betraf allein die genau bezeichneten Redaktionsräume der t. Dazu gehörten die vom Beschwerdeführer zusammen mit anderen genutzten Büroräume nicht. Die inhaltlichen Bestimmtheitsanforderungen, die aufgrund der Schutzwirkung des Art. 13 GG an eine Durchsuchunsanordnung zu stellen sind (vgl. Amelung in AK-StPO 1992 § 105 Rdn. 16; Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 43. Aufl. § 105 Rdn. 5, jeweils mit weiteren Nachweisen), lassen - anders, als es hier bei der Frage der Beschlagnahme möglich ist - eine Auslegung der richterlichen Durchsuchungsanordnung in dem Sinne, daß davon auch der Büroraum des Beschwerdeführer als der Ort, wo das gesuchte Schriftstück verwahrt wurde, erfaßt wäre, nicht zu. Es kommt daher auf die Rechtmäßigkeit der den Büroraum des Beschwerdeführers unmittelbar betreffenden und als Maßnahme bei Gefahr im Verzug getroffenen Durchsuchungsanordnung an. Dafür war der die Ermittlungen vor Ort leitende Staatsanwalt nach § 105 Abs. 1 Satz 1 StPO zuständig. Zwar ist für die Beschlagnahme nach § 97 Abs. 5 Satz 2 StPO in den Räumen einer Redaktion, eines Verlags, einer Druckerei oder einer Rundfunkanstalt ausschließlich der Richter zuständig (§ 98 Abs. 1 Satz 2 StPO). Auch trifft es zu, daß diese ausschließliche Zuständigkeit des Richters für die Durchsuchung der genannten Räumlichkeiten in entsprechender Anwendung des § 98 Abs. 1 Satz 2 StPO ebenfalls gelten muß (Schäfer in Löwe/Rosenberg StPO 24. Aufl. § 105 Rdn. 11; Nack in KK-StPO 3. Aufl. § 105 Rdn. 1; Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 43. Aufl. § 105 Rdn. 2; Achenbach in Löffler, Presserecht 4. Aufl. §§ 13 ff. LPG Vorbem. Rdn. 31; Kunert MDR 1975, 885, 891). Zu den Räumlichkeiten, für die der Richtervorbehalt Geltung hat, kann der von der Durchsuchungsanordnung betroffene Büroraum des Beschwerdeführers jedoch nicht gerechnet werden. Er ist insbesondere nicht als Redaktionsraum im Sinne des § 97 Abs. 5 Satz 1 und des § 98 Abs. 1 Satz 2 StPO anzusehen, nämlich als der räumlich-gegenständlich begrenzte und organisatorisch zusammengefaßte Bereich, in dem Redakteure (im presserechtlichen Sinne) mit ihren Hilfskräften im Rahmen eines Unternehmens zur Herstellung eines periodisch erscheinenden Druckwerks den Inhalt von Pressepublikationen mit eigener Entscheidungsbefugnis über Beschaffung und Gestaltung des zu publizierenden Stoffes redigieren oder mitredigieren (vgl. Sedlmaier in Löffler, Presserecht 4. Aufl. § 9 LPG Rdn. 13 bis 15). Das eigene, von der Redaktion räumlich und sachlich getrennte Büro eines freien Mitarbeiters (freien Autors), der einer Zeitung, wie dies der Beschwerdeführer in der durch die Ermittlungen bekannt gewordenen Art und Weise getan hat, durch einzelne Beiträge zuarbeitet, gehört dazu nicht. Es ist, was die Frage der Anordnungszuständigkeit für Durchsuchungen angeht, den Redaktionsräumen auch nicht sachlich gleichzustellen. Eine solche Gleichstellung kommt nur für den selbständigen Betrieb einer Presseagentur im Sinne eines Presseunternehmens in Betracht; ausreichende Anhaltspunkte hierfür liegen in der Person des Betroffenen nicht vor.

Als Grund für die in § 98 Abs. 1 Satz 2 StPO festgelegte Ausnahme von der sogar für schwerwiegendere strafprozessuale Eingriffsmaßnahmen wie vorläufige Festnahme und Telefonüberwachung geltende Notfallkompetenz der Staatsanwaltschaft ist im Gesetzgebungsverfahren zum Gesetz über das Zeugnisverweigerungsrecht der Angehörigen von Presse und Rundfunk vom 25. Juli 1975 (BGBl. I S. 1973) im wesentlichen die erhöhte Störanfälligkeit eines Pressebetriebs genannt (vgl. BT-Drucks. 7/2539 Anlage 1 S. 11/12) und die "besondere Empfindlichkeit der Fragen" erwogen worden (Protokoll der 51. Sitzung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages - 7. Wahlperiode - S. 51). Vergleichbar empfindliche Störungen, wie sie mit Beschlagnahmen und Durchsuchungen in Zeitungs- und Zeitschriftenredaktionen oder in Verlagen, Druckereien und Rundfunkanstalten verbunden sein können, sind jedoch bei der Durchsuchung im eigenen Büro eines freien journalistischen Mitarbeiters, so wie sich der Beschwerdeführer darstellt, in der Regel nicht zu befürchten. Das ist ein sachlicher Grund, der die unterschiedliche Beurteilung in der Frage der Notfallkompetenz hinsichtlich der Beschlagnahme- und Durchsuchungsmaßnahmen in den Räumen einer Redaktion, eines Verlages, einer Druckerei oder einer Rundfunkanstalt einerseits und in dem eigenen Büro eines freien journalistischen Mitarbeiters wie des Beschwerdeführers andererseits rechtfertigt. Darauf, daß diese unterschiedliche Beurteilung vom Gesetzgeber gewollt ist, läßt auch ein Vergleich der Formulierungen in § 97 Abs. 5 Satz 1 und § 98 Abs. 1 Satz 2 StPO schließen: Während bei der Umschreibung des Beschlagnahmeschutzes in § 97 Abs. 5 Satz 1 StPO Sachen im Gewahrsam der in § 53 Abs. 1 Nr. 5 StPO genannten Personen (insbesondere der Journalisten) neben denen im Gewahrsam der Redaktion, des Verlages, der Druckerei oder der Rundfunkanstalt ausdrücklich genannt werden, fehlt eine solche Erwähnung der Beschlagnahme bei der zeugnisverweigerungsberechtigten Person in § 98 Abs. 1 Satz 2 StPO (der Festlegung des Richtervorbehalts). Damit gilt hier, wo es um eine Sache im Gewahrsam einer grundsätzlich zur Zeugnisverweigerung berechtigten Person geht, die dem Zuständigkeitssystem für strafprozessuale Zwangsmaßnahmen im Ermittlungsverfahren entsprechende Notfallkompetenz des Staatsanwalts nach § 105 Abs. 1 Satz 1 StPO (vgl. für einen anderen von § 98 Abs. 2 Satz 1, § 97 Abs. 5 Satz 2 StPO nicht erfaßten Fall, in dem die Notfallkompetenz des Staatsanwalts gilt - Durchsuchung bei einem formell beschuldigten Journalisten: Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 43. Aufl. § 98 Rdn. 4; Kunert MDR 1975, 885, 891/892).

Eine erweiternde, den vorliegenden Fall erfassende Auslegung des § 98 Abs. 1 Satz 2 StPO ist auch verfassungsrechtlich nicht geboten. Wie ausgeführt, reicht der durch Artikel 5 Abs. 1 GG garantierte Schutz der Presse in Abgrenzung zu anderen wichtigen Allgemeininteressen nur so weit, wie dies zur Erfüllung der der Presse in einem demokratischen Rechtsstaat zukommenden öffentlichen Aufgabe unumgänglich ist. Daß auch der gegenüber der Redaktion räumlich abgegrenzte Arbeitsbereich eines freien journalistischen Mitarbeiters einer Zeitung bei der Anordnung von Durchsuchungen dem Richtervorbehalt unterliegt, ist angesichts der nicht zuletzt durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ausgestalteten Rechtsschutzmöglichkeiten gegenüber nichtrichterlichen, auch bereits erledigten strafprozessualen Eingriffsmaßnahmen (vgl. u.a. BVerfGE 96, 27 und 96, 44; BGH NJW 1998, 3653 f.; BGH, Beschlüsse vom 5. August 1998 - 5 AR (VS) 1/97 = StV 1998, 579 und vom 7. Dezember 1998 - 5 AR (VS) 2/98 - jew. zum Abdruck in BGHSt bestimmt) für die Gewährleistung einer funktionstüchtigen freien Presse nicht in dem Sinne notwendig, daß demgegenüber das Allgemeininteresse an einer flexiblen, überraschenden Entwicklungen Rechnung tragenden und damit effektiven Ausgestaltung des strafprozessualen Ermittlungsverfahrens, zu dem die Notfallkompetenz der Staatsanwaltschaft beiträgt, zurücktreten müßte. Daß vom ermittelnden Staatsanwalt die Voraussetzungen eines Handelns bei Gefahr im Verzug bejaht worden sind, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Angesichts der Schwere der aufzuklärenden Tat, der besonderen Schwierigkeiten der Ermittlungen und der Beweiserheblichkeit des aufzufindenden Schriftstücks war auch hinsichtlich der Durchsuchungsanordnung der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt.

Ende der Entscheidung

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