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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 21.11.2001
Aktenzeichen: StB 20/01
Rechtsgebiete: StGB, StPO


Vorschriften:

StGB § 111
StGB § 130
StPO § 103
StPO § 110 Abs. 1
StPO § 103 Abs. 1
StPO § 102
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

3 BJs 22/00 - 4 (9) StB 20/01

vom

21. November 2001

in dem Ermittlungsverfahren

gegen

wegen Mitgliedschaft in bzw. Unterstützung einer kriminellen Vereinigung

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwaltes und der Betroffenen am 21. November 2001 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Betroffenen wird festgestellt, daß der Beschluß des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 4. Oktober 2001 gegen § 103 StPO verstößt.

Die Kosten des Rechtsmittels und die der Betroffenen hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.

Gründe:

1. Der Generalbundesanwalt führt gegen die im Beschlußrubrum genannten Beschuldigten ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Mitgliedschaft in bzw. der Unterstützung einer kriminellen Vereinigung (§ 129 StGB), die sich als Musikgruppe unter dem Namen "L. " zusammengeschlossen habe, um Lieder mit rechtsradikalen Inhalten zu veröffentlichen, welche die Straftatbestände der §§ 111 und 130 StGB erfüllen. Die Betroffene ist die getrennt lebende Ehefrau des Beschuldigten B. . Auf Antrag des Generalbundesanwaltes hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs am 4. Oktober 2001 die Durchsuchung der Wohnung der Betroffenen in der S. straße , Berlin, der dortigen sonst von ihr genutzten Räume und ihrer Sachen einschließlich ihres Kraftfahrzeugs gestattet "zur Sicherstellung von Schriftstücken, Tonträgern und anderen Beweismitteln, welche geeignet sind, die Struktur der Bande," (gemeint: Band) "deren Organisation und Arbeitsweise zu belegen". Mit ihrer nach Durchführung der Durchsuchung erhobenen Beschwerde macht die Betroffene geltend, in dem angefochtenen Beschluß seien die zu suchenden Beweismittel nicht hinreichend konkret bezeichnet. Sie rügt außerdem einen Verstoß gegen § 110 Abs. 1 StPO und verlangt die Rückgabe bei der Durchsuchung sichergestellter Gegenstände. In seiner Zuschrift vom 15. Oktober 2001 hat der Generalbundesanwalt daraufhin u. a. beantragt, die Beschlagnahme der sichergestellten Gegenstände richterlich zu bestätigen.

2. Die Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluß ist zulässig (§ 304 Abs. 2 und 5 StPO). Dem steht nicht entgegen, daß die Durchsuchung durch den Antrag des Generalbundesanwalts, die Beschlagnahme der sichergestellten Gegenstände richterlich zu bestätigen (§ 98 Abs. 2 Satz 1 StPO), abgeschlossen ist (BGH NJW 1985, 3397). Denn die Notwendigkeit eines effektiven Rechtsschutzes gegen den Eingriff in das Grundrecht der Betroffenen aus Art. 13 Abs. 1 GG gebietet, daß auch nach Abschluß der Durchsuchung deren Rechtmäßigkeit mit dem grundsätzlich gegen diese Maßnahme gesetzlich vorgesehenen Rechtsmittel zur Überprüfung gestellt werden kann (BVerfGE 96, 27; BGHR StPO § 304 Abs. 5 Durchsuchung 1; BGH NJW 2000, 84, 85). Die Entscheidungskompetenz des Senats beschränkt sich indessen auf die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Durchsuchungsanordnung. Über die Einwände der Betroffenen gegen die Art und Weise des Vollzugs der Durchsuchung und gegen die von den Ermittlungsbehörden hierbei ohne richterliche Anordnung ausgesprochenen Beschlagnahmen hat dagegen der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs zu befinden (§ 98 Abs. 2 Satz 2, § 169 Abs. 1 Satz 2 StPO; BGHSt 45, 183; BGH NJW 2000, 84, 86).

3. Die Beschwerde der Betroffenen gegen die Durchsuchungsanordnung hat in der Sache Erfolg und führt zu der Feststellung, daß der Beschluß vom 4. Oktober 2001 gegen § 103 StPO verstößt.

Der Generalbundesanwalt hatte die Durchsuchung bei der Betroffenen als nicht tatverdächtiger Dritten beantragt. Sie durfte daher nur nach Maßgabe des § 103 Abs. 1 StPO angeordnet werden. Nach dieser Vorschrift ist die Durchsuchung bei einer nicht tatverdächtigen Person - abgesehen von anderen, hier nicht relevanten Zwecken - nur zulässig zur Beschlagnahme bestimmter Gegenstände, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, daß die gesuchten Sachen sich in den zu durchsuchenden Räumen befinden. Dagegen rechtfertigt - anders als im Falle des § 102 StPO für die Durchsuchung beim Tatverdächtigen - allein die allgemeine Aussicht, irgendwelche relevanten Beweismittel zu finden, die erheblich in Rechte des unbeteiligten Dritten eingreifende Maßnahme nicht. Die Durchsuchungsanordnung gegen einen Nichtverdächtigen setzt daher voraus, daß hinreichend individualisierte Beweismittel gesucht werden (BVerfG NJW 1981, 971; BGHR StPO § 103 Gegenstände 1 und Tatsachen 1). Diese müssen, da die Durchsuchung ausdrücklich nur zur Beschlagnahme bestimmter Gegenstände zulässig ist, im Durchsuchungsbeschluß so weit konkretisiert werden, daß weder bei dem Betroffenen noch bei dem die Durchsuchung vollziehenden Beamten Zweifel über die zu suchenden und zu beschlagnahmenden Gegenstände entstehen können (vgl. für die Beschlagnahmeanordnung Rudolphi in SK-StPO 10. Lfg. - April 1994 - § 98 Rdn. 17 m.w.Nachw.). Dazu ist es zwar nicht notwendig, daß sie in allen Einzelheiten beschrieben werden. Erforderlich ist es jedoch, daß sie zumindest ihrer Gattung nach bestimmt sind (zum Umfang der notwendigen Konkretisierung s. etwa BGHR StPO § 103 Gegenstände 1 und BGH, Beschl. vom 13. Januar 1989 - StB 1/89 -, insoweit in BGHR StPO § 103 Tatsachen 1 nicht abgedruckt).

Eine derartig hinreichende Konkretisierung der zu suchenden Beweismittel läßt der angefochtene Beschluß vermissen. Indem als Ziel der Maßnahme die "Sicherstellung von Schriftstücken, Tonträgern und anderen Beweismitteln, welche geeignet sind, die Struktur der Band, deren Organisation und Arbeitsweise zu belegen" genannt ist, wird letztlich die Suche nach jeglichem tauglichen Beweismittel vom Durchsuchungszweck umfaßt. Eine gegenständliche Eingrenzung des Durchsuchungsziels fehlt. Weder für die Betroffene noch für die vollziehenden Beamten war erkennbar, auf welche zumindest gattungsmäßig konkretisierten Gegenstände die Suche beschränkt sein sollte. Bei dem Beschluß vom 4. Oktober 2001 handelt es sich daher nach seinem wahren Gehalt um eine Durchsuchungsanordnung im Sinne des § 102 StPO, die gegen die Betroffene nicht ergehen durfte.

Ob eine Durchsuchung bei der Betroffenen bei näherer Bezeichnung der zu suchenden Sachen - etwa vom Beschuldigten B. zur Fertigung einer Steuererklärung übergebener Unterlagen - rechtmäßig hätte angeordnet werden können, braucht der Senat nicht zu entscheiden.

Ende der Entscheidung

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