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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 09.04.2009
Aktenzeichen: StB 6/09
Rechtsgebiete: StPO, GG


Vorschriften:

StPO § 103 Abs. 1
StPO § 105
StPO § 162
StPO § 169 Abs. 1
StPO § 304 Abs. 5
GG Art. 2 Abs. 1
GG Art. 5 Abs. 1
GG Art. 12 Abs. 1
GG Art. 13 Abs. 1
GG Art. 14 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat

nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführerin

am 9. April 2009

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Durchsuchungsbeschluss des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 19. Januar 2009 (2 BGs 4/09) aufgehoben, soweit die Durchsuchung zu dem Zweck gestattet wird, Daten zu den Erwerbern sicherzustellen, die von den Angeschuldigten über die Beschwerdeführerin Bücher bestellt und erworben haben. In diesem Umfang wird der Antrag des Generalbundesanwalts auf Erlass einer Durchsuchungsanordnung zurückgewiesen.

Die weitergehende Beschwerde wird als unbegründet verworfen.

Die Gebühr für das Beschwerdeverfahren wird auf die Hälfte ermäßigt. Die Staatskasse trägt die Hälfte der durch das Rechtsmittel entstandenen notwendigen Auslagen der Beschwerdeführerin.

Gründe:

I.

Der Generalbundesanwalt hat gegen die Angeschuldigten S. und Ö. unter dem 19. Februar 2009 Anklage zum Oberlandesgericht Frankfurt am Main erhoben. Den Angeschuldigten wird neben weiteren Delikten vorgeworfen, Mitglied in einer terroristischen Vereinigung im Ausland - der Islamische Jihad Union (im Folgenden: IJU) - gewesen zu sein (S. ) bzw. diese unterstützt zu haben (S. und Ö. ), §§ 129 b Abs. 1, 129 a Abs. 1, 5 StGB.

Die Angeschuldigten sind verdächtig, sich dem Dschihad angeschlossen und sich - überwiegend durch Käufe im Internet - verschiedene zur logistischen Unterstützung der IJU bestimmte und für einen paramilitärischen Einsatz geeignete Gegenstände verschafft zu haben. Diese sollen sie mit sich geführt haben, als sie im Mai bzw. Juni 2007 die Bundesrepublik Deutschland verließen, um nach Pakistan in ein Ausbildungslager der IJU zu gelangen. Ö. wurde im pakistanischen Grenzgebiet festgenommen; S. erreichte ein Lager der IJU in Waziristan, durchlief dort eine Ausbildung und kehrte im Oktober 2007 nach Deutschland zurück.

Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs hat mit Beschluss vom 19. Januar 2009 (2 BGs 4/09) die Durchsuchung der Geschäfts- und Nebenräume der Beschwerdeführerin zu dem Zweck gestattet, die bei dieser vorliegenden Daten zu den beiden Angeschuldigten und die dort in schriftlicher und/oder elektronischer Form vorliegenden Daten zu den von den beiden Angeschuldigten ab Dezember 2006 über die Beschwerdeführerin getätigten Käufen und Verkäufen sicherzustellen (§ 103 Abs. 1 Satz 1, §§ 105, 162, 169 Abs. 1 Satz 2 StPO). Zur Begründung hat er ausgeführt, aufgrund des bisherigen Schriftwechsels zwischen dem Bundeskriminalamt und der Beschwerdeführerin stehe fest, dass die Angeschuldigten bei dieser Kundenkonten unterhalten hätten. Die Erhebung der bei der Beschwerdeführerin vorhandenen Daten sei zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts notwendig. Hinsichtlich der sonstigen Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen.

Soweit die Angeschuldigten über die Beschwerdeführerin andere Gegenstände als Bücher ge- oder verkauft haben, hat diese dem Generalbundesanwalt in der Folgezeit die entsprechenden Daten übermittelt. Demgegenüber hat sie zu einem von dem Angeschuldigten S. gekauften Buch keine konkreten Angaben gemacht sowie die Käufer der von diesem verkauften Bücher nicht benannt. Insoweit hat sie gegen den Durchsuchungsbeschluss Beschwerde eingelegt und meint, die angeordnete Durchsuchung sei in dem angefochtenen Umfang unverhältnismäßig. Es liege ein rechtswidriger Eingriff in den Schutzbereich der Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 13 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG vor. Hinsichtlich der Einzelheiten ihres Vorbringens wird auf die Beschwerdebegründung vom 22. Januar 2009 sowie die Schriftsätze vom 10. Februar und 26. März 2009 verwiesen. Sie beantragt,

den Beschluss aufzuheben, soweit die Durchsuchung gestattet wird, um

a) Daten über die von den Beschuldigten über die Beschwerdeführerin bestellten Buchtitel und

b) Daten zu den Erwerbern sicherzustellen, die von dem Beschuldigten über die Beschwerdeführerin Bücher bestellt und erworben haben.

II.

Die gemäß § 304 Abs. 5 StPO zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg, soweit die Durchsuchung in dem angefochtenen Beschluss zu dem Zweck gestattet wird, Daten zu den Erwerbern sicherzustellen, die von den Beschuldigten über die Beschwerdeführerin Bücher bestellt und erworben haben. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet.

1.

Soweit die Daten der Erwerber betroffen sind, an welche die Angeschuldigten über die Beschwerdeführerin Bücher verkauften, hat der Generalbundesanwalt nach der plausiblen Darlegung der näheren Umstände dieser Verkäufe durch die Beschwerdeführern in der Zwischenzeit eingeräumt, dass diesen keine Beweisbedeutung für das vorliegende Verfahren zukommt. Die Durchsuchung zu dem Zweck, diese Daten sicherzustellen, erweist sich danach als nicht durch § 103 StPO gedeckt (vgl. BVerfG, Beschl. vom 29. März 2007 - 2 BvR 224/07; Nack in KK 6. Aufl. § 103 Rdn. 7).

2.

Nach § 103 Abs. 1 Satz 1 StPO ist die Durchsuchung bei anderen Personen als Verdächtigen im Sinne des § 102 StPO - abgesehen von anderen, hier nicht relevanten Zwecken - dann zulässig, wenn bestimmte Tatsachen den Schluss zulassen, dass bei der Durchsuchung hinreichend individualisierte Beweismittel für die den Gegenstand des Verfahrens bildenden Straftaten aufgefunden werden (vgl. BVerfG NJW 2003, 2669, 2670; BGHR StPO § 103 Tatsachen 1, 2). Diese Voraussetzungen liegen vor, soweit die Durchsuchung angeordnet worden ist, um die Daten zu den von den Beschuldigten über die Beschwerdeführerin getätigten Bücherkäufe sicherzustellen.

Die Beweisbedeutung dieser Daten für die hier in Rede stehenden Straftaten ergibt sich insbesondere aus folgenden Umständen: Eine sichergestellte handschriftliche, von dem Angeschuldigten S. stammende Liste enthält den Titel eines Buches, das sich mit dem taktischen Verhalten von Scharfschützen und der Schießkunst befasst. Dieses Buch und eine dazugehörige DVD sind zur Verwendung in einem Ausbildungslager zur Schulung von zukünftigen Terroristen geeignet. Die Ermittlungen haben noch keine Anhaltspunkte erbracht, wann und wo der Angeschuldigte dieses Buch erworben hat. Möglicherweise handelt es sich um das über die Beschwerdeführerin bezogene Werk. Darüber hinaus legen die sonstigen Ermittlungsergebnisse bei sachgerechter Bewertung nahe, dass die Angeschuldigten sich vor ihrer Reise nach Pakistan weitere für Ausbildungszwecke geeignete Bücher beschafft haben. Damit sind ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür gegeben, dass sich unter den Daten, deren Sicherstellung die Durchsuchungsanordnung dient und deren Übermittlung die Beschwerdeführerin verweigert, Beweismittel befinden, die in dem vorliegenden Verfahren von Bedeutung sein können.

3.

Der ausreichend begründete Durchsuchungsbeschluss greift nicht in rechtswidriger Weise unter Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. BGH NStZ 2000, 154) in die Grundrechte der Beschwerdeführerin ein. Es bestehen bereits Zweifel daran, ob überhaupt der Schutzbereich der Grundrechte betroffen ist, auf die sich die Beschwerdeführerin beruft; insbesondere erscheint es fraglich, ob die Beschwerdeführerin bezüglich der Daten über Bücherkäufe und -verkäufe der Angeschuldigten zu Recht einen im Vergleich zu sonstigen Geschäften besonderen Grundrechtsschutz aus Art. 5 GG geltend machen kann. Soweit der Schutzbereich der von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Grundrechte tangiert sein sollte, ist dieser Eingriff jedenfalls durch § 103 StPO gerechtfertigt und damit aufgrund der jeweiligen Grundrechtsschranken nicht rechtswidrig. Der Senat verweist insoweit auf die Darlegungen des Generalbundesanwalts in seinem Schriftsatz vom 13. März 2009, denen auch unter Berücksichtigung des weiteren Beschwerdevorbringens zuzustimmen ist. Ergänzend und zusammenfassend gilt:

Die Durchsuchungsanordnung war geeignet, zur Klärung des Tatverdachts beizutragen. Dieser stützt sich auf die Aussagen zahlreicher Zeugen, die Bekundungen von Sachverständigen sowie den Inhalt zahlreicher Urkunden und Augenscheinsobjekte. Die Durchsuchung war erforderlich, da kein gleich wirksames milderes Mittel zur Verfügung stand. Schließlich stand die Anordnung der Durchsuchung in einem angemessenen Verhältnis sowohl zur Schwere des Tatverdachts als auch zur Bedeutung der aufzuklärenden Straftaten. Die Angeschuldigten sind schwerwiegender Straftaten verdächtig, an deren möglichst vollständiger Aufklärung und Verfolgung die Allgemeinheit ein berechtigtes Interesse hat. Dieses unabweisbare öffentliche Interesse an der Gewährleistung einer wirksamen Strafrechtspflege, dem Verfassungsrang zukommt (vgl. BVerfGE 107, 299, 316 m. w. N.), überwiegt bei der erforderlichen Abwägung gegenüber den Belangen der Beschwerdeführerin zu verhindern, dass der Staat in ihren durch das Grundgesetz geschützten Rechtskreis eingreift. Die Beschwerdeführerin muss nach alldem den mit der angeordneten Durchsuchung verbundenen, ihr zumutbaren Eingriff auch hinnehmen, soweit er Daten über Bücherkäufe der Angeschuldigten betrifft.

Ende der Entscheidung

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