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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 26.01.2006
Aktenzeichen: V ZB 143/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1115
BGB § 1191
BGB § 1192 Abs. 1
Bei der Eintragung einer Grundschuld muss ein Höchstzinssatz nicht angegeben werden, wenn die Parteien die Vereinbarung der Verzinsung an § 288 Abs. 1 BGB ausgerichtet haben.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

V ZB 143/05

vom 26. Januar 2006

in der Grundbuchsache

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. Januar 2006 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger und die Richter Dr. Klein, Dr. Lemke, Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Roth

beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsmittel der Beteiligten zu 2 werden der Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Arnsberg vom 10. Mai 2005 mit Ausnahme der Festsetzung des Geschäftswerts sowie die Zwischenverfügung des Amtsgerichts - Grundbuchamt - Warstein vom 14. Februar 2005 aufgehoben, soweit darin die Angabe eines Höchstzinssatzes gefordert wird.

Das Grundbuchamt wird angewiesen, die aufgrund des gerichtlichen Vergleichs vom 18. November 2004 beantragte Eintragung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu bescheiden.

Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 500 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Beteiligte zu 1 ist Eigentümer eines im Grundbuch von Rüthen eingetragenen Grundstücks. Aufgrund gerichtlichen Vergleichs vom 18. November 2004 verpflichtete er sich gegenüber einer aus den Beteiligten zu 2 bestehenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts zur Zahlung von 35.000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 3. Mai 2002. Des Weiteren bewilligte er in Höhe des Vergleichsbetrags die Eintragung einer Grundschuld auf seinem Grundstück.

Den aufgrund des Vergleichs von den Beteiligten zu 2 gestellten Antrag auf Eintragung der Grundschuld hat das Grundbuchamt mit Zwischenverfügung vom 14. Februar 2005 mit der Erwägung beanstandet, der in der Eintragungsbewilligung allein genannte gleitende Zinssatz sei ohne die ergänzende Angabe eines Höchstzinssatzes nicht eintragungsfähig.

Die gegen diese Zwischenverfügung gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 2 ist erfolglos geblieben. Das Oberlandesgericht möchte der weiteren Beschwerde stattgeben. Es sieht sich daran jedoch durch die Beschlüsse des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 12. Dezember 2002 (FGPrax 2003, 58 f.) und des Oberlandesgerichts Celle vom 30. Juni 2004 (OLGR 2004, 476 f.) gehindert und hat die Sache deshalb dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Vorlage ist gemäß § 79 Abs. 2 GBO statthaft.

Das vorlegende Gericht meint, die gesonderte Angabe eines Höchstzinssatzes sei für die beantragte Eintragung der Grundschuld nicht erforderlich. Der zwischen den Beteiligten vereinbarte und in die Bewilligung aufgenommene gleitende Zinssatz orientiere sich erkennbar an der gesetzlichen Vorschrift des § 288 Abs. 1 BGB und genüge damit dem grundbuchrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz. Demgegenüber halten die beiden anderen Gerichte in ihren auf weitere Beschwerde ergangenen Vergleichsentscheidungen die Angabe eines Höchstzinssatzes für notwendig.

Das vorlegende Gericht einerseits und das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht bzw. das Oberlandesgericht Celle andererseits sind somit unterschiedlicher Auffassung zu der Frage, ob im Fall eines in Anlehnung an § 288 Abs. 1 BGB rechtsgeschäftlich vereinbarten gleitenden Zinssatzes die ergänzende Angabe eines Höchstzinssatzes für die Eintragung eines Grundpfandrechts - im vorliegenden Fall einer Grundschuld - erforderlich ist. Gegenstand des Meinungsstreits ist dabei letztlich die Auslegung des § 1191 BGB im Lichte des grundbuchrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes. Hierbei handelt es sich ungeachtet des materiell-rechtlichen Charakters der Norm um eine das Grundbuchrecht betreffende bundesrechtliche Vorschrift im Sinne des § 79 Abs. 2 GBO. Die zur Auslegung dieser Vorschrift zwischen den beteiligten Gerichten bestehende Divergenz rechtfertigt die Vorlage.

III.

Die weitere Beschwerde ist zulässig (§§ 78, 80 GBO) und hat auch in der Sache Erfolg. Das Landgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Eintragung der Grundschuld die fehlende Angabe eines Höchstzinssatzes entgegensteht.

1. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein in Anlehnung an § 288 Abs. 1 BGB rechtsgeschäftlich vereinbarter gleitender Zinssatz eintragungsfähig ist, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten.

a) Teilweise wird die Meinung vertreten, durch die Änderung des § 288 Abs. 1 BGB und die damit einhergehende Einführung eines variablen Verzugszinssatzes sei nun auch bei rechtsgeschäftlich vereinbarten Zinsen die Angabe eines Höchstzinssatzes entbehrlich geworden (so außer dem vorlegenden Gericht noch LG Schweinfurt Rpfleger 2004, 622; LG Traunstein MittBayNot 2004, 440; LG Konstanz BWNotZ 2002, 11; Böhringer, Rpfleger 2005, 232, 233 f.; Böttcher, RpflegerStud 2004, 1, 11; Gutachten in DNotI-Report 2003, 193; Stavorinus, Rpfleger 2004, 738; Volmer, ZfIR 2001, 246 f.; Wagner, Rpfleger 2004, 668, 673; Staudinger/Wolfsteiner, BGB [2002], Einleitung zu §§ 1113 ff. Rdn. 41; AnwKomm-BGB/Zimmer, 2004, § 1115 Rdn. 17).

b) Demgegenüber will die Gegenauffassung ungeachtet der Änderung des § 288 Abs. 1 BGB an der bis dahin einhellig vertretenen Auffassung festhalten, wonach der Bestimmtheitsgrundsatz bei rechtsgeschäftlich vereinbarten Zinsen die Angabe eines Höchstzinssatzes erfordere (so außer den bereits genannten Gerichten auch LG Gera NotBZ 2004, 401 f.; Demharter, GBO, 25. Aufl., Anh. zu § 44 Rdn. 45; Meikel/Morvilius, Grundbuchrecht, 9. Aufl., Einleitung C 406; Palandt/Bassenge, BGB, 65. Aufl., § 1115 Rdn. 11; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 13. Aufl., Rdn. 1962; jurisPK-BGB/Toussaint, 2. Aufl., § 247 Rdn. 14; Wilsch, FGPrax 2003, 193; ebenso für die Eintragung von Zwangshypotheken OLG Frankfurt, Beschluss vom 8. März 2002, 20 W 46/02, zitiert nach juris; Erman/F. Wenzel, BGB, 11. Aufl., § 1115 Rdn. 7; MünchKomm-ZPO/Eickmann, 2. Aufl., § 867 Rdn. 44; Stein/Jonas/Münzberg, 22 Aufl., Rdn. 6; Zöller/Stöber, ZPO, 25. Aufl., § 867 ZPO Rdn. 10; Wagner, Rpfleger 2004, 668, 669).

2. Der Senat hält die zuerst genannte Auffassung für zutreffend.

Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung, die der Eintragungsfähigkeit variabler Zinsen entgegen stehen könnte, ist nicht ersichtlich. Der für rechtsgeschäftlich vereinbarte Zinsen über § 1192 BGB auch für die Hypothek geltende § 1115 BGB ordnet lediglich an, dass der Zinssatz einer Hypothek selbst im Grundbuch eingetragen werden muss. Die Begrenzung durch einen Höchstzinssatz sieht er nicht vor. Allerdings verlangt der grundbuchrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz, dass zur Eintragung in das Grundbuch neben dem Grundstück und dem Berechtigten insbesondere auch der Inhalt des jeweiligen Rechts feststehen muss (so zuletzt Senat, Urt. v. 11. Juli 2003, V ZR 56/02, NJW-RR 2003, 1524 f.). Damit soll gewährleistet werden, dass sämtliche Beteiligte, insbesondere nachrangige Gläubiger, das höchstmögliche Ausmaß der Belastung des Grundstücks anhand des Grundbuchs erkennen können (Senat, BGHZ 35, 22, 24; Urt. v. 2. Mai 1975, V ZR 131/73, NJW 1975, 1314 f.). Dieser Grundsatz gilt indessen nicht ausnahmslos. Durch die Umstellung des Gesetzes auf den Basiszinssatz (§ 288 Abs. 1 u. 2 BGB) ist eine weitere Ausnahme begründet worden, die es rechtfertigt, bei der Eintragung rechtsgeschäftlich vereinbarter variabler Zinsen in das Grundbuch nicht mehr die Angabe eines Höchstzinssatzes zu verlangen, sofern sich der variable Zinsatz - wie hier - aus der Bezugnahme auf eine gesetzlich bestimmte Bezugsgröße ergibt.

a) Nach §§ 1118, 1192 BGB erstreckt sich die Haftung des belasteten Grundstücks auch auf die Kosten der Kündigung und der die Befriedigung aus dem Grundstück bezweckenden Rechtsverfolgung. Da der genaue Umfang dieser Kosten im Voraus nicht beziffert werden kann, beeinträchtigt die Regelung das Interesse der nachrangigen dinglichen Gläubiger, den Haftungsumfang möglichst genau übersehen zu können. Die damit verbundene Einschränkung des Bestimmtheitsgrundsatzes wurde bei den Vorarbeiten zum Bürgerlichen Gesetzbuch bewusst in Kauf genommen, um das Grundbuch nicht mit der Eintragung zusätzlicher Höchstbetragshypotheken zur Sicherung der Kostenansprüche zu belasten (Motive, Bd. III S. 649). Da das Grundstück ohne weiteres nach §§ 1118, 1192 BGB auch für gesetzliche Zinsen und nach §§ 1146, 1192 BGB für Verzugszinsen haftet, wurde mit der Umstellung des § 288 BGB auf einen variablen Zinssatz durch das Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen vom 30. März 2000 (BGBl. I S. 330) eine weitere Relativierung vom grundbuchrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz begründet.

Dass es sich bei dieser Auswirkung um eine vom Gesetzgeber nicht gewollte Folge handelt, lässt sich den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen (vgl. BT-Drucks. 14/1246, S. 5). Schon deshalb vermögen Forderungen nach einer einschränkenden Auslegung mit dem Ziel der Ausklammerung variabler Zinssätze aus dem Normbereich des § 1118 BGB nicht zu überzeugen. Davon abgesehen führte der Vorschlag, Verzugszinsen aus dem Geltungsbereich des § 1118 BGB herauszulösen (so MünchKomm-BGB/Eickmann, 4. Aufl., § 1118 Rdn. 3 und 5), dazu, dass bei konsequenter Handhabung die nur Verzugszinsen erfassende Vorschrift des § 1146 BGB jeglichen Anwendungsbereich verlöre. Soweit die Auffassung vertreten wird, auch im Bereich der gesetzlichen Zinsen sei nunmehr die Angabe eines Höchstzinssatzes zu verlangen (so KG Rpfleger 1971, 316 f., § 397a Abs. 2 RVO), steht dies in Widerspruch zu dem plausiblen Anliegen des Gesetzgebers, das Grundbuch insoweit von Eintragungen freizuhalten.

b) Steht der grundbuchrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz danach einer Haftung für variable gesetzliche Zinsen nicht entgegen (§§ 1118, 1146 BGB), weil der Gesetzgeber nachrangigen Gläubigern das Risiko der Schwankung des Basiszinssatzes aufbürdet, erscheint es zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen sachgerecht, auch im Bereich rechtsgeschäftlich vereinbarter Zinsen eine Grundbucheintragung ohne Höchstzinsangabe zuzulassen, sofern sich der variable Zins aus der Bezugnahme auf eine gesetzlich bestimmte Bezugsgröße ergibt.

Ein systematischer Seitenblick auf § 28 Satz 2 GBO in Verbindung mit § 1 der Verordnung über Grundpfandrechte in äusländischer Währung und in Euro vom 20. Oktober 1997 (BGBl. I 1997, S. 2683) bestätigt diese Auslegung. Nach dieser Verordnung ist die Eintragung von Grundpfandrechten in das Grundbuch auch in bestimmten Fremdwährungen zulässig; die Eintragung einer Höchstsumme in Euro ist bei diesen Währungen nicht erforderlich (vgl. auch EuGH, Urt. v. 16. März 1999, Rs. C-222/97, WM 1999, 946, 948; Stöber, ZVG, 18. Aufl., Einl Rdn. 67.5). Das führt dazu, dass es nachrangigen Gläubigern aufgrund von Währungsschwankungen nicht möglich ist, das höchstmögliche Ausmaß der Belastung des Grundstücks anhand des Grundbuchs zuverlässig zu ermitteln. Wenn der Gesetzgeber solche Unsicherheiten sogar bei Grundpfandrechten selbst für hinnehmbar hält, ist kein zureichender Grund dafür ersichtlich, bei Zinsforderungen, die an einen vereinbarten variablen Zinssatz anknüpfen, strengere Maßstäbe anzulegen.

Ende der Entscheidung

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