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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 12.05.1999
Aktenzeichen: V ZB 18/99
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 519 Abs. 3 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

V ZB 18/99

vom

12. Mai 1999

in dem Rechtsstreit

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 12. Mai 1999 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die Richter Dr. Lambert-Lang, Tropf, Prof. Dr. Krüger und Dr. Klein

beschlossen:

Auf die sofortige Beschwerde der Kläger wird der Beschluß des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 17. März 1999 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Gründe

I.

Die Kläger waren Mitglieder der LPG Typ I . Diese erwarb aufgrund Kaufvertrags vom 18. März 1965 die streitigen Grundstücke. Am 1. Januar 1976 traten die Mitglieder der LPG Typ I der LPG Typ III bei. Die LPG Typ I wurde im Genossenschaftsregister gelöscht, ihre Eintragung im Grundbuch blieb bestehen. Am 14. Oktober 1991 schlossen die Kläger u.a. mit der LPG einen Vergleich, in welchem sich die beteiligten Genossenschaften verpflichteten, an die Kläger 1,2 Mio. DM zu zahlen. Mit der Durchführung des Vergleichs sollten "alle gegenseitigen Ansprüche der Parteien ... aus dem ursprünglichen Mitgliedschaftsverhältnis, mögen sie bekannt oder unbekannt sein", erlöschen. Dies bestätigten die Kläger in anschließend erteilten Abfindungserklärungen. Die Beklagte, die aus der LPG Typ III hervorgegangen ist, wurde am 3. August 1994 als Eigentümerin der streitigen Grundstücke in das Grundbuch eingetragen. Zu notarieller Urkunde vom 7. November 1995 erklärten die Kläger, die aufgelöste LPG sei im Grundbuch als Eigentümerin (der streitigen Grundstücke) eingetragen und verfüge damit noch über einen zu verteilenden Vermögenswert. Sie beantragten "die Berichtigung des Grundbuchs dahingehend, daß wir (scil. Kläger) in Gesamthandsgemeinschaft eingetragen werden und zwar in Vollziehung der Verteilung des verbliebenen Vermögens zu folgenden Anteilen:" (es folgen die auf die Kläger entfallenden Bruchteile).

Die Kläger haben die Beklagte auf Zustimmung zur Grundbuchberichtigung zu ihren Gunsten als Miteigentümer in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Kläger durch Beschluß als unzulässig verworfen.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Kläger.

II.

Das Rechtsmittel hat Erfolg.

1. Das Berufungsgericht hält die Berufung für unzulässig, da sie nicht ordnungsgemäß begründet sei (§ 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO). Das Landgericht habe die klageabweisende Entscheidung auf zwei selbständig tragende Gründe gestützt, nämlich einmal darauf, daß die Beklagte Eigentümerin der streitigen Grundstücke sei, zum anderen, daß die Kläger in dem Vergleich vom 14. Oktober 1991 auf eventuelle Grundbuchberichtigungsansprüche verzichtet hätten. Die Berufung mache nur den ersten Gesichtspunkt zum Gegenstand ihres Angriffs. Auf die zur weiteren Begründung des Rechtsmittels vorgetragene Überlegung, der Vergleich habe auch zum Verzicht der (Rechtsvorgängerin der) Beklagten auf einen Berichtigungsanspruch geführt, komme es nicht an. Mit ihr bekämpften die Kläger die angegriffene Entscheidung nicht, sondern bestätigten diese.

2. Zutreffend ist der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, wonach die Berufungsbegründung, wenn das angefochtene Urteil die Abweisung eines prozessualen Anspruchs auf zwei voneinander unabhängige tatsächliche oder rechtliche Erwägungen stützt, beide Erwägungen angreifen muß (BGH, Urt. v. 18. Juni 1998, IX ZR 389/97, BGHR ZPO § 519 Abs. 3 Nr. 2, Anfechtungsgründe 6 m.w.N. zur st. Rspr. des BGH). Das Berufungsgericht verkennt aber die Anforderungen, die § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO an die Begründung des Berufungsangriffs stellt. Der Berufungskläger hat in der Berufungsbegründung anzugeben, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils er bekämpft und welche Gründe er ihnen entgegensetzt. Damit sollen formelle und nicht auf den konkreten Streit bezogene Berufungsbegründungen ausgeschlossen werden. Gericht und Gegner sollen in die Lage versetzt werden, zu erkennen, welche tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen des erstinstanzlichen Urteils der Berufungskläger bekämpft und auf welche Gründe er sein Rechtsmittel stützen will (BGHZ 7, 130, 173; BGH LM ZPO § 159 Nr. 59). Darauf, ob die vorgebrachten Gründe beachtlich oder wenigstens vertretbar sind, kommt es hingegen für die Frage der ordnungsgemäßen Begründung des Rechtsmittels nicht an; eine schlüssige oder eine rechtlich haltbare Begründung ist nicht erforderlich (BGH, Urt. v. 25. Juni 1992, VII ZR 8/92, BGHR ZPO § 519 Abs. 3 Nr. 2, Inhalt, notwendiger 7; v. 9. März 1995, IX ZR 142/94, BGHR ZPO § 519 Abs. 3 Nr. 2, Inhalt, notwendiger 12).

Die Berufung stützt sich darauf, daß die LPG Typ I bei Abschluß des Vergleichs noch eingetragene Eigentümerin der streitigen Grundstücke gewesen sei. Die Beklagte habe auf einen Grundbuchberichtigungsanspruch zu ihren Gunsten oder auf Auflassung der Grundstücke an sie verzichtet. Damit habe sie anerkannt, daß die Grundstücke im Eigentum der LPG I verblieben seien, deren Vermögen die Kläger im Wege der Auseinandersetzung jeweils zu Bruchteilen erworben hätten. Die Berufung setzt mithin der Verzichtswirkung, auf die sich das Landgericht gestützt hatte, einen Verzicht der im ersten Rechtszug obsiegenden Beklagten entgegen. Angriffsgegenstand und Angriffsziel, nämlich die Beanstandung, das Landgericht habe die Auswirkungen des Vergleichs nur teilweise berücksichtigt, sind erkennbar. Die Auffassung des Berufungsgerichts, das Berufungsvorbringen der Kläger lasse keinen Schluß auf deren Rechtsinhaberschaft an dem geltend gemachten Anspruch zu, ist für die Begründetheit des Rechtsmittels, nicht dagegen für dessen Zulässigkeit von Bedeutung. Im übrigen würdigt das Berufungsurteil das Vorbringen der Kläger nur unvollständig. Wenn die LPG Typ I, wie sie vorgetragen haben, infolge des Verzichts der Beklagten auf den Grundbuchberichtigungsanspruch gefestigtes Eigentum an den streitigen Grundstücken erlangt hat, so liegt die Deutung, die Kläger hätten Verzicht auf Rechte der Genossenschaft geleistet, fern. Eine solche Deutung liegt dem erstinstanzlichen Urteil auch nicht zugrunde. Ob der Verzicht auf eigene Rechte zu einem Zeitpunkt, zu dem das Vermögen der LPG noch nicht auseinandergesetzt war, die Rechtsposition der Genossenschaft, aus der die Kläger den Berichtigungsanspruch herleiten, erschüttern konnte, ist eine Frage, die sich bei der Prüfung der Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht stellt.

Ende der Entscheidung

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