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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 21.10.2004
Aktenzeichen: V ZB 27/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 574 Abs. 2 Nr. 1
ZPO § 574 Abs. 2 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

V ZB 27/04

vom 21. Oktober 2004

in dem Rechtsstreit

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 21. Oktober 2004 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes Dr. Wenzel, die Richter Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein, Dr. Gaier und die Richterin Dr. Stresemann beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß der 11. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund vom 27. Mai 2004 wird auf Kosten der Kläger als unzulässig verworfen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 300 €.

Gründe:

I.

Die Parteien sind Grundstücksnachbarn. Nahe der Grundstücksgrenze stehen auf dem Grundstück des Beklagten mehrere hohe Nadelgehölze, sein Grundstück ist an der gemeinsamen Grenze teilweise unkrautbewachsen.

Die Kläger haben beantragt, den Beklagten zu verurteilen,

die über die Grenze ihres Grundstücks wachsenden Äste und Wurzeln sämtlicher Bäume, Büsche und Sträucher zu entfernen, soweit sie die Grundstücksgrenze überragen oder über diese wachsen,

und von April bis September eines jeden Jahres monatlich mindestens einmal das von seinem Grundstück auf ihr Grundstück wachsende Unkraut zu entfernen.

Der Beklagte hat widerklagend beantragt, die Kläger zur Errichtung einer Mauer zu verurteilen. Das Amtsgericht hat nach der Einnahme eines Augenscheins auf den Grundstücken der Widerklage stattgegeben und die Klage abgewiesen. Den Streitwert für die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche hat es auf je 600 € festgesetzt.

Mit der Berufung haben die Kläger den Antrag auf Verurteilung des Beklagten weiterverfolgt; ihre Verurteilung zur Errichtung der Mauer haben sie nicht angegriffen. Das Landgericht hat die Kläger auf Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung hingewiesen, weil ihre Beschwer 600 € nicht übersteige, soweit sie das Urteil des Amtsgerichts angegriffen haben. Durch Beschluß vom 27. Mai 2004 hat es den Streitwert des Berufungsverfahrens auf 300 € festgesetzt und die Berufung verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Kläger.

II.

Das Berufungsgericht meint, unter Berücksichtigung der von beiden Parteien vorgelegten Fotoaufnahmen der Grundstücke sei eine Beeinträchtigung der Kläger durch von dem Grundstück des Beklagten auf ihr Grundstück wachsende Wurzeln in allenfalls geringfügigem Umfang anzunehmen. Der Lichteinfall auf ihr Grundstück werde im wesentlichen durch die Höhe der Bäume auf dem Grundstück des Beklagten und nicht durch den Überhang von Zweigen gemindert. Die Beeinträchtigung der Kläger hierdurch sei insgesamt auf höchstens 150 € zu bemessen. Genauso verhalte sich, soweit das Amtsgericht den Anspruch auf die Beseitigung von Unkraut abgewiesen habe. Der zur Beseitigung von Unkräutern auf dem Grundstück der Kläger notwendige Aufwand sei durch das Herüberwachsen solcher Pflanzen von dem Grundstück des Beklagten wenn überhaupt, dann nur geringfügig erhöht.

III.

Die kraft Gesetzes statthafte Beschwerde (§§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 3 ZPO) ist unzulässig, soweit die Kläger sich gegen die Verwerfung der Berufung wenden. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist auch weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Sache, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann (Senat, BGHZ 151, 221, 223). So liegen die Dinge hier nicht. Die Beschwer der Kläger durch die Abweisung der Klage wird von der Minderung des Wertes ihres Grundstücks durch die Beeinträchtigungen bestimmt, deren Beseitigung die Kläger von dem Beklagten verlangen (Senat, Urt. v. 6. November 1998, V ZR 48/98, ZfIR 1998, 749). Damit hängt sie allein von tatsächlichen Umständen ab, die keiner Verallgemeinerung zugänglich sind.

2. Auch zur Rechtsfortbildung ist eine Entscheidung des Senats nicht geboten. Anders verhält es sich nur, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen (Senat, BGHZ 151, 221, 225). Hierfür ist kein Raum, soweit die Fehlerhaftigkeit der Feststellung der Beschwer durch das Berufungsgericht aufgrund der konkreten Beeinträchtigung eines Grundstücks durch Einwirkungen geltend gemacht wird, die von einem Nachbargrundstück ausgehen.

3. Entgegen der Auffassung der Kläger ist eine Entscheidung auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. So verhält es sich zwar, wenn die Grundrechte auf Gewährung des rechtlichen Gehörs, auf wirkungsvollen Rechtsschutz und auf ein objektiv willkürfreies Verfahren verletzt sind. Das ist der Fall, wenn sachwidrige, gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßende verfahrensleitende Maßnahmen zur Unanfechtbarkeit einer Entscheidung führen (vgl. BVerfG NJW 1997, 649 f.). Hieran fehlt es. Das Berufungsgericht hat den Klägern das rechtliche Gehör zu der von ihm beabsichtigten Bestimmung der Beschwer gewährt. Sein Verfahren ist weder willkürlich noch sachwidrig. Die insoweit von den Klägern erhobenen Vorwürfe erschöpfen sich im Ergebnis darin, das Ergebnis der Ermessensausübung durch das Berufungsgericht bei der Bestimmung der Höhe ihrer Beschwer (§ 3 ZPO) als unzutreffend zu rügen.

Die Ermessensausübung des Berufungsgerichts ist auch nicht deshalb in zulässigkeitsrelevanter Weise fehlerhaft, weil das Berufungsgericht seine Entscheidung auf die von den Parteien vorgelegten Lichtbilder gestützt und das Grundstück der Kläger nicht erneut in Augenschein genommen hat. Dem Protokoll der Beweisaufnahme durch das Amtsgericht ist weder zu entnehmen, daß in nennenswertem Umfang Unkraut von dem Grundstück des Beklagten auf das Grundstück der Kläger herüberwächst, noch daß herübergewachsene Wurzeln und überhängende Zweige die Nutzung ihres Grundstücks beeinträchtigen.

Ohne Bedeutung ist schließlich auch, daß die Kläger das Urteil des Amtsgerichts nicht angegriffen haben, soweit sie verurteilt worden sind, sondern den von dem Beklagten mit der Widerklage verfolgten Anspruch nach ihrer Behauptung erfüllt haben. Die Möglichkeit, ein erstinstanzliches Urteil, das über mehrere Ansprüche erkennt, insgesamt mit der Berufung anzugreifen und so die Frage der Zulässigkeit der Berufung im Hinblick auf einzelne Streitgegenstände in den Hintergrund treten zu lassen, führt nicht dazu, daß das Ermessen des Berufungsgerichts bei der Feststellung der im Berufungsverfahren geltend gemachten Beschwer beschränkt wird.

IV.

Die Beschwerde ist unstatthaft, soweit sie sich gegen die Festsetzung des Streitwerts durch das Berufungsgericht wendet (§§ 68 Abs. 1 Satz 4, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

V.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.



Ende der Entscheidung

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