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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 15.07.1999
Aktenzeichen: V ZB 29/99
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 519 b Abs. 2
ZPO § 238 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 519 b Abs. 2 Satz 2
ZPO § 418 Abs. 1
ZPO § 85 Abs. 2
ZPO § 97 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

V ZB 29/99

vom

15. Juli 1999

in dem Rechtsstreit

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 15. Juli 1999 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die Richter Dr. Vogt, Dr. Lambert-Lang, Tropf und Schneider

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen vom 31. Mai 1999 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Der Wert des Beschwerdegegenstands beträgt 38.149,73 DM.

Gründe:

I.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 23. Februar 1999 zugestellte Urteil des Landgerichts mit Schriftsatz vom 18. März 1999 Berufung einlegen lassen. Dieser Schriftsatz trägt den Eingangsstempel vom 19. März 1999 mit einem roten Stempelaufdruck "Nachtbriefkasten" und enthält die Eintragung einer Turnusnummer 181. Ferner ist darauf mit Stempelaufdruck vom 22. März 1999 (unterschrieben von einer Justizhauptsekretärin) festgehalten, die Akten seien angefordert und eine Zählkarte angelegt. Die Berufungsbegründung der Klägerin ging am 21. April 1999 beim Oberlandesgericht ein.

Die Klägerin hat geltend gemacht, daß der Eingangsstempel auf der Rechtsmittelschrift ein Versehen sein müsse, denn ihr Anwalt könne sich sicher daran erinnern, die Berufungsschrift am 22. März 1999 in den Nachtbriefkasten des Oberlandesgerichts eingeworfen zu haben. Hilfsweise hat sie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Begründungsfrist beantragt, denn ein eventueller Irrtum ihres Anwalts zum Datum der Berufungseinlegung sei unverschuldet. Das Oberlandesgericht hat unter Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen. Gegen diesen am 9. Juni 1999 zugestellten Beschluß richtet sich die am 23. Juni 1999 eingelegte sofortige Beschwerde.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde (§ 519 b Abs. 2, § 238 Abs. 1 Satz 1 ZPO) ist unbegründet.

1. Zutreffend ist das Berufungsgericht von einer Versäumung der Begründungsfrist ausgegangen. Diese Frist begann mit Einlegung der Berufung (§ 519 Abs. 2 Satz 2 ZPO), die im angefochtenen Beschluß mit überzeugender Begründung auf den 19. März 1999 festgestellt worden ist. Der Eingangsstempel auf der Berufungsschrift stellt eine öffentliche Urkunde im Sinne von § 418 Abs. 1 ZPO dar und erbringt Beweis dafür, daß der Schriftsatz an diesem Tag bei Gericht einging (vgl. BGH, Beschl. v. 17. April 1996, XII ZR 42/96, NJW 1996, 2038). Diesen Beweis hat die Klägerin nicht entkräftet (§ 418 Abs. 2 ZPO). Der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin, der sich an eine Berufungseinlegung durch Einwurf in den Nachtbriefkasten am 22. März 1999 erinnern will, muß sich irren. Wäre seine Darstellung richtig, dann könnte seine Rechtsmittelschrift frühestens am Morgen des 23. März 1999 dem Nachtbriefkasten entnommen und entsprechend bearbeitet worden sein. Dann aber müßte sich die Justizhauptsekretärin nicht nur mit dem Datum des Eingangsstempels, sondern auch bei Anbringung des Bearbeitungsstempels (Datum: 22. März 1999) geirrt haben. Einen solchen gehäuften, und schon deshalb unwahrscheinlichen Irrtum hat das Berufungsgericht mit Recht nicht zuletzt deshalb verneint, weil die Berufungsschrift der Klägerin auch eine Turnusnummer trägt (Nr. 181), die vor der Turnusnummer (Nr. 182) einer ebenfalls am 19. März 1999 abgestempelten weiteren Berufung liegt, deren Eingang an diesem Tag durch einen entsprechenden Fristverlängerungsantrag zusätzlich untermauert wird. Es ist nach der vom Berufungsgericht festgestellten Handhabung der Postbearbeitung aus dem Nachtbriefkasten mit der erforderlichen Sicherheit praktisch auch ausgeschlossen, daß Post aus dem Nachtbriefkasten vom 19. März 1999 (Freitag) mit der aus dem Nachtbriefkasten des 22. März 1999 (Montag) verwechselt wird. Diese Beweisführung wird nicht dadurch erschüttert, daß der Anwalt der Klägerin die Kopie eines Schreibens vom 26. März 1999 an den Korrespondenzanwalt der Klägerin vorgelegt hat, in dem er mitteilt, er habe "auftragsgemäß am 22. März 1999" Berufung eingelegt.

2. Eine Wiedereinsetzung hat das Berufungsgericht der Klägerin mit Recht versagt, weil ein Verschulden ihres Prozeßbevollmächtigten nicht ausgeschlossen werden kann, das sie sich zurechnen lassen muß (§ 85 Abs. 2 ZPO). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes gehört es notwendig zur ordnungsgemäßen Fristbehandlung, das tatsächliche Ende der Begründungsfrist nach Eingang der Berufung bei Gericht zu überprüfen und erforderlichenfalls im Fristenkalender zu berichtigen. Dies kann entweder anhand der gerichtlichen Mitteilung über den Tag des Eingangs erfolgen, oder, wenn eine solche Mitteilung fehlt, durch (telefonische) Nachfrage bei Gericht (vgl. BGH, Beschlüsse v. 6. Februar 1997, III ZB 97/96, und v. 6. Mai 1997, VI ZB 12/97, BGHR ZPO § 233, Fristenkontrolle 53 und 56 je m.w.N.). Der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin kontrolliert nach seinem eigenen Vortrag sämtliche Fristen selbst und sorgt für ihre Einhaltung. Auch wenn er von einer Berufungseinlegung am 22. März 1999 ausging, hätte er durch die erforderliche Nachfrage bei Gericht feststellen können und müssen, daß seine Berufungsschrift am 19. März 1999 dort eingegangen war. Dann hätte er das Ende der Begründungsfrist auf den 19. April 1999 vormerken müssen. Hinsichtlich dieser Frist trägt er aber weder Tatsachen über die Führung des Fristenkalenders noch zur notwendigen Kontrolle durch Nachfrage bei Gericht vor. Von einem unverschuldeten Irrtum seinerseits kann deshalb nicht ausgegangen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

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