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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 30.11.2006
Aktenzeichen: V ZB 44/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 574 Abs. 3 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

V ZB 44/06

vom 30. November 2006

in dem Zwangsversteigerungsverfahren

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 30. November 2006 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Dr. Schmidt-Räntsch, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub

beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der Zivilkammer III des Landgerichts Detmold vom 8. Februar 2006 wird auf Kosten des Schuldners zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert für die Gerichtsgebühren des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 39.000 €.

Gründe:

I.

Die Gläubigerin betreibt die Zwangsversteigerung der im Rubrum bezeichneten Grundstücke des Schuldners. Das Vollstreckungsgericht hat ein Sachverständigengutachten über den Verkehrswert der Grundstücke eingeholt und auf dieser Grundlage durch Beschluss vom 31. Oktober 2005 für das bebaute Flurstück 208 einen Verkehrswert von 320.000 € und für das unbebaute Flurstück 15 einen Verkehrswert von 21.500 € festgesetzt.

Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Schuldners ist von dem Landgericht zurückgewiesen worden. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt er seinen Antrag weiter, den Verkehrswert für das Flurstück 208 auf mindestens 500.000 € und für das Flurstück 15 auf mindestens 36.000 € festzusetzen.

II.

Das Beschwerdegericht meint, das Wertfestsetzungsverfahren sei ordnungsgemäß durchgeführt worden und im Ergebnis nicht zu beanstanden. Das von der Sachverständigen zugrunde gelegte Ertragswertverfahren sei bei gemischt genutzten Objekten und deshalb bei dem zuletzt als Gartenbaubetrieb und zu Wohnzwecken genutzten Flurstück 208 angezeigt. Nicht zu beanstanden sei ferner, dass die Sachverständige den Bodenwert unter Anwendung des Vergleichswertverfahrens für die bebaute Fläche nebst Umgriffsfläche mit 51 €/m² ermittelt und die übrige Fläche des Flurstücks 208 - darunter eine als Landschaftsgarten angelegte Teilfläche - als Gartenland mit 5,10 €/m² bewertet habe. Die von dem Schuldner für den Landschaftsgarten erbrachten Aufwendungen seien bei einer Veräußerung nicht zu realisieren, zumal der Garten ungepflegt sei und in ungünstiger Lage im Außenbereich auf einem an einen Autobahnzubringer angrenzenden Grundstück liege. Das verwilderte Flurstück 15 sei mit 3,20 €/m² zutreffend bewertet worden.

III.

1. Die Rechtsbeschwerde ist aufgrund der Zulassung durch das Beschwerdegericht statthaft. Allerdings war die Zulassung rechtsfehlerhaft. Sie setzt nach § 574 Abs. 3 Satz 1 ZPO voraus, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung sie erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Keiner dieser Gründe liegt hier vor. Insbesondere fehlt es an der von dem Beschwerdegericht - ohne Begründung - angenommenen Grundsatzbedeutung. Sie liegt nur vor, wenn die Sache eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. Senat, BGHZ 154, 288, 291 mwN). Daran fehlt es hier. Die Bewertung eines Landschaftsgartens, die das Beschwerdegericht möglicherweise zur Zulassung der Rechtsbeschwerde veranlasst hat, ist weitgehend eine Frage des Einzelfalls; dass es in diesem Zusammenhang klärungsbedürftige, also umstrittene, Rechtsfragen gibt, ist nicht ersichtlich. Der Senat ist an die fehlerhafte Zulassung jedoch gebunden (§ 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO).

2. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

Die Festsetzung des Grundstückswerts durch das Vollstreckungsgericht (§ 74a Abs. 5 Satz 1 ZVG) kann von dem Rechtsbeschwerdegericht nur darauf überprüft werden, ob sie auf grundsätzlich fehlerhaften Erwägungen beruht und ob erhebliche Tatsachen außer Acht gelassen worden sind (vgl. BGHZ 83, 61, 66; 120, 38, 45 f.; Senat, Urt. v. 5. Juli 2002, V ZR 97/01, ZfIR 2002, 1022, 1023). Solche Rechtsfehler sind hier nicht gegeben.

a) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde stellt es keinen Rechtsfehler dar, dass der Landschaftsgarten bei der Verkehrswertfestsetzung nicht als werterhöhender Faktor angesehen worden ist.

aa) Bei dem von der Sachverständigen angewandten Ertragswertverfahren (§ 15 der Verordnung über Grundsätze für die Ermittlung der Verkehrswerte von Grundstücken vom 6. Dezember 1988 - WertV - BGBl. I S. 2209) werden Gartenanlagen, Anpflanzungen und Parks im Allgemeinen nicht gesondert bewertet, da sie meist keine über den Ertrag der baulichen Anlagen hinausgehende Rendite erwarten lassen (vgl. Kleiber/Simon, Marktwertermittlung, 6. Aufl., § 19 WertV Rdn. 50 f.; Simon/Kleiber/Joeris/Simon, Schätzung und Ermittlung von Grundstückswerten, 8. Aufl., Rdn. 4.332; Simon/Cors/Halaczinsky/Teß, Handbuch der Grundstückswertermittlung, 5. Aufl., B.5 Rdn. 66). Zuschläge gemäß § 19 WertV sind nur ausnahmsweise und nur dann angebracht, wenn besonders aufwendige Anpflanzungen vorliegen, die nicht bereits mit den zugrunde gelegten Ertragsverhältnissen berücksichtigt werden und denen von Marktteilnehmern zusätzlich Rechnung getragen wird. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Gartenanlagen von individuellen Vorlieben des Eigentümers geprägt sind und ihnen deshalb meist nur ein - für die Verkehrswertermittlung unmaßgeblicher - Affektionswert zukommt (vgl. § 6 WertV sowie Kleiber/Simon, aaO, § 21 WertV Rdn. 39). Als werterhöhend können solche Anlagen nur angesehen werden, wenn sie auch im gewöhnlichen Grundstücksverkehr einen höheren Kaufpreis erwarten lassen (Kleiber/Simon, aaO, § 19 WertV Rdn. 50). Dies hat das Beschwerdegericht für den in Rede stehenden Landschaftsgarten unter Hinweis auf dessen Lage und den ungepflegten Zustand - aus der Stellungnahme der Sachverständigen vom 4. Januar 2006 ergibt sich, dass die professionell erstellten Außenanlagen nicht einmal mehr als solche erkennbar sind - mit rechtlich nicht zu beanstandender Begründung verneint.

bb) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde muss die Ertragswertmethode nicht deshalb zugunsten einer anderen Methode zurücktreten oder im Ergebnis korrigiert werden, weil sie den Wert der Gartenanlage nicht erfasst. Einen Grundsatz, wonach die Herstellungskosten einer Sache mit ihrem Wert identisch sind, gibt es nicht (vgl. Senat, BGHZ 10, 171, 180). Das gilt auch im Rahmen des an den Herstellungskosten orientierten Sachwertverfahrens (vgl. Kleiber/Simon, Marktwertermittlung, 6. Aufl., §§ 21 bis 25 WertV Vorbem. Rdn. 8). Im Übrigen steht die Auswahl der geeigneten Wertermittlungsmethode im pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters (vgl. Senat, BGHZ 160, 8, 11 mwN). Dass die Wahl des Ertragswertverfahrens für die Bewertung des Flurstücks 208 auf einem Ermessensfehler des Beschwerdegerichts beruht, zeigt die Rechtsbeschwerde nicht auf.

b) Die weitere Rüge, das der Verkehrswertfestsetzung zugrunde liegende Gutachten beruhe auf einer unzureichenden Untersuchung des Objekts, weil die Sachverständige einen Teil der Räumlichkeiten im Dachgeschoss sowie ein Holzhaus nicht besichtigt habe, ist ebenfalls unbegründet. Ein Rechtsfehler des Beschwerdegerichts ist in diesem Zusammenhang nicht ersichtlich. In ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 22. November 2005 hat die Sachverständige erklärt, die nicht besichtigten Bauteile und das kleine, nur von außen in Augenschein genommene Holzhaus seien bei der Verkehrswertermittlung nicht durch einen Risikoabschlag oder in sonstiger Weise negativ berücksichtigt worden. Da die Rechtsbeschwerde weder aufzeigt, dass dies unrichtig ist, noch darlegt, dass und warum eine Besichtigung der genannten Bauteile zu einer höheren Festsetzung des Verkehrswerts hätte führen können, lässt sich nicht feststellen, dass sich der Umfang der Innenbesichtigung auf das Ergebnis der Verkehrswertfestsetzung ausgewirkt haben kann.

c) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde stellt es auch keinen Rechtsfehler dar, dass das Beschwerdegericht dem von dem Schuldner vorgelegten Verkehrswertgutachten aus dem Jahr 1982 keine Bedeutung zugemessen hat. Das Beschwerdegericht hat sich insoweit die Stellungnahme der Sachverständigen vom 22. November 2005 zu eigen gemacht, die das Gutachten unter anderem deshalb für unmaßgeblich hält, weil es auf den sogenannten "13er-Werten" beruht. Hierbei handelt es sich um die auf das Jahr 1913 bezogenen Normalherstellungskosten für Gebäude, die mittels verschiedener Indexreihen auf den heutigen Zeitraum umgerechnet und sodann im Rahmen des Sachwertverfahrens (vgl. § 22 WertV) verwendet werden. Diese Werte werden in Teilen der Fachliteratur mit der Begründung als unbrauchbar angesehen, die Anpassung der Neubauwerte aus dem Jahr 1913 an heutige Verhältnisse führe aufgrund der Verkettung verschiedenartiger Indexreihen, unterschiedlicher Erfassungsmethoden und sich stetig ändernder Regelbauleistungen zu irrealen Werten und damit zu höchst fragwürdigen Wertermittlungen (so Kleiber/Simon, Marktwertermittlung, 6. Aufl., § 22 WertV Rdn. 39 ff.; J.Simon in: Simon/Kleiber/Joeris/Simon, Schätzung und Ermittlung von Grundstückswerten, 8. Aufl., Rdn. 5.51; vgl. ferner die Nachweise bei Sprengnetter, Grundstücksbewertung, Stand August 2002, S. 7/2/4.3/2 Fn 1 sowie Kleiber in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Juli 2006, § 22 WertV Rdn. 15). Mit Rücksicht hierauf konnte das Beschwerdegericht ohne Rechtsfehler zu der Einschätzung gelangen, dass das von dem Schuldner vorgelegte Gutachten nicht geeignet ist, Zweifel an der Richtigkeit der aktuellen Verkehrswertermittlung zu begründen.

d) Unbegründet ist schließlich die Rüge, die Wertermittlung hinsichtlich des Flurstücks 15 sei unzureichend, weil die Sachverständige das Grundstück nicht in Augenschein genommen habe. Ausweislich des Gutachtens hat die Sachverständige das - von ihr als sehr verwildert und nicht begehbar beschriebene - unbebaute Grundstück von der Straße her eingesehen und fotografiert. Auf dieser Grundlage konnte das Beschwerdegericht ohne Ermessensfehler ihrer Einschätzung folgen, der Aufwuchs sei durch den Bodenwert hinreichend erfasst. Dabei stellt es entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde keinen Widerspruch dar, dass die Sachverständige das Grundstück einerseits als nicht begehbar bezeichnet und andererseits festgestellt hat, es sei von dem Schuldner zur Aufzucht von Bäumen und Sträuchern genutzt worden. Beide Aussagen sind im Hinblick auf die weitere Feststellung der Sachverständigen, der Aufwuchs scheine seit längerer Zeit nicht gepflegt worden zu sein, ohne weiteres miteinander vereinbar.

Ende der Entscheidung

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