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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 28.09.2006
Aktenzeichen: V ZB 45/06
Rechtsgebiete: KostO


Vorschriften:

KostO § 136 Abs. 2 Satz 2
Die Privilegierung von Gesamtschuldnern nach § 136 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz KostO kommt auch solchen Kostenschuldnern zugute, die lediglich kostenrechtlich als Gesamtschuldner haften (§ 5 Abs. 1 Satz 1 KostO).
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

V ZB 45/06

vom 28. September 2006

in der Notarkostensache

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 28. September 2006 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, den Richter Dr. Klein, die Richterin Dr. Stresemann und die Richter Dr. Czub und Dr. Roth

beschlossen:

Tenor:

Die weitere Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 22. Juni 2005 wird auf Kosten der Beteiligten zu 1 zurückgewiesen.

Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 20,47 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Mit von der Beteiligten zu 1 beurkundetem Vertrag vom 21. Mai 2003 verkaufte die Beteiligte zu 4 den Beteiligten zu 2 und 3 ein Grundstück. In ihrer Kostenrechnung vom 22. Mai 2003 hat die Beteiligte zu 1 dem Beteiligten zu 2 an Schreibauslagen 70,70 € (inkl. MwSt. 82,01 €) in Rechnung gestellt. Auf dessen Notarkostenbeschwerde hat das Landgericht den Kostenansatz u.a. deshalb auf 61,54 € (inkl. MwSt.) reduziert, weil sowohl dem Beteiligten zu 2 als auch der Beteiligten zu 4 jeweils 50 Seiten zu je 0,50 € in Rechnung gestellt worden seien. Wegen des gemeinsamen Antrags der Vertragsparteien auf Erteilung der Abschriften und der damit einhergehenden gesamtschuldnerischen Haftung hätten nur einmal 50 Seiten zu diesem Satz abgerechnet werden dürfen, alle übrigen Seiten nur zu je 0,15 €. Das Oberlandesgericht möchte die zugelassene weitere Beschwerde zurückweisen, sieht sich hierin aber durch den Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm vom 11. November 1993 (DNotZ 1994, 708 ff.) gehindert. Es hat die Sache deshalb dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Vorlage ist statthaft (§ 156 Abs. 4 Satz 4 KostO i.V.m. § 28 Abs. 2 FGG).

1. Das vorlegende Gericht und das Oberlandesgericht Hamm sind unterschiedlicher Auffassung darüber, ob den Vertragspartnern bei einem gemeinsamen Antrag auf Erteilung aller Abschriften jeweils 50 Seiten mit 0,50 € zu berechnen sind, oder ob insgesamt nur 50 Seiten zu dem erhöhten Satz abgerechnet werden können. Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts fällt die Pauschale von 0,50 € pro Seite bei gemeinsamem Antrag der Vertragsparteien nur einmal an und ist gegebenenfalls auf sie aufzuteilen. Demgegenüber vertritt das Oberlandesgericht Hamm (DNotZ 1994, 708 ff.) die Auffassung, grundsätzlich sei jede Vertragspartei mit jeweils 50 Seiten zu je 0,50 € zu belasten. Etwas anderes gelte nur, wenn ein Kostenschuldner "aus einer Personenmehrheit bestehe"; dann dürften für die Personenmehrheit nur einmal 50 Seiten zu 0,50 € in Ansatz gebracht werden. Dies rechtfertigt die Vorlage.

2. Ihrer Statthaftigkeit steht nicht entgegen, dass das Vorlageverfahren bei der Notarkostenbeschwerde erst durch Art. 33 Nr. 3 des Zivilprozessreformgesetzes vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887) und somit nach der Vergleichsentscheidung des Oberlandesgerichts Hamm eingeführt wurde (Senat, Beschl. v. 21. November 2002, V ZB 29/02, NJW-RR 2003, 1149, insoweit in BGHZ 153, 22 nicht abgedruckt; Beschl. v. 12. Mai 2005, V ZB 40/05, NJW 2005, 3218, insoweit in BGHZ 163, 77 nicht abgedruckt; Beschl. v. 13. Juli 2006, V ZB 87/05, Umdruck S. 3 f., zur Veröffentlichung bestimmt).

III.

Die weitere Beschwerde ist zulässig (§ 156 Abs. 2 Sätze 1 u. 2, Abs. 4 KostO), bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg, weil die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht (§ 156 Abs. 2 Satz 3 KostO).

Nach § 136 Abs. 2 Satz 2 KostO beträgt die Dokumentenpauschale in derselben Angelegenheit für die ersten 50 Seiten 0,50 € je Seite und für jede weitere Seite 0,15 €, wobei die Pauschale für jeden Kostenschuldner nach § 2 gesondert zu berechnen ist; allerdings gelten Gesamtschuldner als ein Schuldner. Ob diese für Gesamtschuldner angeordnete Privilegierung schon dann greift, wenn die Parteien nur "kostenrechtliche" Gesamtschuldner nach §§ 2 Nr. 1, 5 Abs. 1 KostO sind, ist streitig.

1. Während eine Auffassung (OLG Hamm, DNotZ 1994, 708, 709 f.; Hartmann, Kostengesetze, 35. Aufl., § 136 KostO Rdn. 17; ähnlich schon Madert/Schmidt, NJW 1987, 290, 292) den Standpunkt vertritt, unter Gesamtschuldnern im Sinne von § 136 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz KostO seien nur solche Kostenschuldner zu verstehen, die bereits nach bürgerlichem Recht - wie etwa Mitglieder einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder einer Erbengemeinschaft - als Gesamtschuldner haften, lässt die Gegenposition (KG, NJW-RR 1997, 255, 256; LG Hannover, Nds.Rpfl. 1996, 230 f., Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann, KostO, 16. Aufl., § 152 Rdn. 14 ff.; Mümmler/Assenmacher/Mathias, KostO, 15. Aufl., S. 864; Rohs/Wedewer/Waldner, KostO, 3. Aufl., § 136 Rdn. 34; Notarkasse Bayern, MittBayNot 1987, 1, 3; Reimann, DNotZ 1987, 131, 133 ff.) genügen, dass Kostenschuldner nach § 5 Abs. 1 Satz 2 KostO als Gesamtschuldner haften. Zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen die genannten Auffassungen in der - auch hier vorliegenden - Konstellation, in der beide Parteien eines Vertrags einen gemeinsamen Antrag auf Abschriftenerteilung gestellt haben; "zivilrechtliche" Gesamtschuldnerschaft liegt in solchen Fällen nicht vor.

2. Der Senat hält die kostenrechtliche Auffassung für zutreffend.

a) Allerdings scheitert ein zivilrechtliches Verständnis des Gesamtschuldnerbegriffes in § 136 Abs. 2 Satz 2 KostO nicht schon daran, dass der Kostenanspruch des Notars öffentlich-rechtlicher Natur ist. Denn nach § 3 Nr. 3 KostO wird auch derjenige zum öffentlich-rechtlichen Kostenschuldner, der nur "nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes für die anderen kraft Gesetzes haftet" (vgl. Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann, KostO, 16. Aufl., § 152 Rdn. 15; Mümmler/Assenmacher/Mathias, KostO, 15. Aufl., S. 864).

b) Für die kostenrechtliche Sicht sprechen jedoch nicht nur die sprachliche Fassung des § 136 Abs. 2 Satz 2 KostO, sondern vor allem systematische und teleologische Erwägungen.

aa) Dem Gesetzeswortlaut lassen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass nur solchen Kostenschuldnern die Privilegierung des § 136 Abs. 2 Satz 2 KostO zugute kommen soll, die bereits nach zivilrechtlichen Regelungen Gesamtschuldner sind. Der Begriff "Gesamtschuldner" wird ohne jede Einschränkung verwandt. Anhaltspunkte für eine Ausklammerung von kostenrechtlichen Gesamtschuldnern im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 KostO lassen sich dem Normtext nicht entnehmen.

bb) Die am sprachlichen Sinngehalt der Vorschrift orientierte Auslegung wird bestätigt durch die systematische Stellung des § 5 Abs. 1 Satz 1 KostO. Der Gesetzgeber hat die gesamtschuldnerische Haftung mehrerer Kostenschuldner im Ersten Teil der Kostenordnung in dem Abschnitt "Allgemeine Vorschriften" geregelt und mit dieser Gesetzestechnik eine auch im Dritten Abschnitt "Auslagen" zu beachtende Festlegung getroffen. Etwas anders lässt sich nicht der Regelung des § 136 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz KostO entnehmen (so aber OLG Hamm, DNotZ 1994, 708, 710), weil diese in den durchaus praktischen Fällen anwendbar bleibt, in denen eine Vertragspartei von vornherein oder nachträglich einen selbständigen Antrag auf Erteilung von (weiteren) Abschriften stellt (vgl. Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann, KostO, 16. Aufl., § 152 Rdn. 13; Mümmler/Assenmacher/Mathias, KostO, 15. Aufl., S. 864).

cc) Vor allem aber spricht für die vom Senat zugrunde gelegte Auffassung der Sinn der Norm. Den Gesetzesmaterialien ist zu entnehmen, dass mit der jetzigen Fassung des Gesetzes den deutlich gesunkenen Kosten für die Anfertigung von Ablichtungen Rechnung getragen werden sollte. Dabei hat sich der Gesetzgeber davon leiten lassen, dass die Anfertigung nur weniger Kopien "verhältnismäßig mehr Personalaufwand verursacht als die Ablichtung vieler Seiten in einem Arbeitsgang" (BT-Drucks. 10/5113, 48 i.V.m. S. 47; vgl. auch BT-Drucks. 10/6400, 43). Dem entspricht die Staffelung der Dokumentenpauschale (§ 136 Abs. 2 Satz 1 KostO), aber auch die Privilegierung von Gesamtschuldnern, weil sich Ablichtungen auch für Gesamtschuldner bei der gebotenen typisierenden Betrachtung regelmäßig in einem Arbeitsgang erledigen lassen. Vor diesem Hintergrund spielt es keine Rolle, ob die gesamtschuldnerische Haftung zivilrechtlich oder (nur) kostenrechtlich begründet ist. Der mit nur einem Arbeitsgang verbundene Kostenvorteil entsteht in dem einen wie in dem anderen Fall.

IV.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 156 Abs. 4 Satz 4 u. Abs. 5 Satz 2, 131 Abs. 1 Nr. 1 u. Abs. 2, 31 Abs. 1 Satz 1, 30 Abs. 1 KostO und § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG.

Ende der Entscheidung

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