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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 30.10.2009
Aktenzeichen: V ZR 17/09
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 906 Abs. 2 Satz 2
Der zivilrechtliche Entschädigungsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB wegen Lärmbelästigungen tritt auch dann hinter die im Planfeststellungsverfahren gegebenen Rechtsbehelfe zurück, wenn der Vorhabenträger die den Nachbar schützenden Planvorgaben nicht einhält (Fortführung von Senat, BGHZ 161, 323).
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat

auf die mündliche Verhandlung vom 30. Oktober 2009

durch

den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger,

die Richter Dr. Lemke und Dr. Schmidt-Räntsch,

die Richterin Dr. Stresemann und

den Richter Dr. Czub

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten und unter Zurückweisung der Revision der Klägerin wird das Grundurteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 30. Dezember 2008 aufgehoben.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 13. Zivilkammer des Landgerichts Leipzig vom 14. September 2005 wird zurückgewiesen.

Die Kosten beider Rechtsmittelzüge trägt die Klägerin.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Beklagten betreiben das Bauvorhaben "City-Tunnel Leipzig". Dieses sieht die Herstellung einer unter der Innenstadt von Leipzig verlaufenden Schienenverbindung zwischen zwei Bahnhöfen einschließlich der Errichtung mehrerer unterirdischer Haltepunkte, unter anderem am Marktplatz, vor. Die Zulässigkeit des Vorhabens ist durch bestandskräftigen Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamtes vom 19. Mai 2000 festgestellt.

Die Klägerin führte an der Ostseite des Marktplatzes zwischen 2002 und Oktober 2007 ein Restaurant mit einem hauptsächlich in den Rathausarkaden gelegenen Außenbereich.

Am Marktplatz begannen die Bauarbeiten für den City-Tunnel im ersten Quartal 2004. Im Laufe des Jahres 2005 wurde für das Projekt auf einer großen Fläche des Marktplatzes eine offene Baugrube ausgehoben. Ausweislich eines von der Klägerin im August 2005 eingeholten Privatgutachtens überschritten die Messwerte die in der TA Lärm festgesetzten Grenzwerte erheblich. Im zweiten Quartal 2006 wurde die Baugrube mit Ausnahme des nördlichen Bereichs wieder geschlossen. Die Arbeiten wurden allerdings nicht nur unterirdisch fortgesetzt. Zudem führte ein Fahrweg zum Abtransport des Erdaushubs unmittelbar am Außenbereich des Restaurants vorbei.

Die Klägerin verlangt für die von den Bauarbeiten ausgehenden Beeinträchtigungen eine - anfangs auf Ertragseinbußen, später (auch) auf den Wertverlust des Restaurants gestützte - Entschädigung von 107.349,62 EUR. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht den Klageanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Dagegen wenden sich beide Parteien mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht meint, die Klägerin könne von den Beklagten gemäß § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB eine Entschädigung in Geld verlangen, soweit diese die Vorgaben des Planfeststellungsbeschlusses nicht eingehalten hätten. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs komme ein zivilrechtlicher Entschädigungsanspruch zwar nicht in Betracht, wenn die Immissionen verursachende Anlage auf der Grundlage eines bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlusses betrieben werde. Die Ausschlusswirkung reiche allerdings nur so weit, wie sich der Träger des Vorhabens an die Vorgaben des Planfeststellungsbeschlusses halte. Bewege er sich außerhalb dieser Grenzen, bleibe es bei den allgemeinen Rechtsbehelfen. Nach diesen Grundsätzen seien Ansprüche der Klägerin wegen Zugangsbeschränkungen zum Restaurant, Staubimmissionen, Bauzeitverzögerungen sowie Beeinträchtigungen durch den Baustellenverkehr ausgeschlossen. Die Klägerin habe jedoch den Nachweis geführt, dass das Restaurant im Zeitraum von April 2005 bis April 2006 an insgesamt 243 Tagen Lärmimmissionen ausgesetzt gewesen sei, die die Grenzwerte der durch den Planfeststellungsbeschluss in Bezug genommenen Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Schutz gegen Baulärm überschritten hätten. Für diese Beeinträchtigungen könne sie einen Ausgleich in Geld verlangen.

II.

Diese Ausführungen halten den Angriffen der Klägerin, nicht aber der aufgrund der Revision der Beklagten vorzunehmenden rechtlichen Nachprüfung stand.

Revision der Klägerin

1. Die Revision der Klägerin ist zulässig. Sie wird durch das angefochtene Urteil beschwert, obwohl das Berufungsgericht den Klageanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt hat.

Bei einem Zwischenurteil über den Grund gemäß § 304 ZPO kann die Beschwer nicht, wie im Regelfall, alleine danach bestimmt werden, ob und in welchem Umfang der Tenor der angefochtenen Entscheidung von dem in der Instanz zuletzt gestellten Antrag abweicht (sog. formelle Beschwer, vgl. Senat, Urt. v. 12. März 2004, V ZR 37/03, NJW 2004, 2019, 2020 m.w.N.). Durch ein Grundurteil beschwert kann der Kläger vielmehr auch dann sein, wenn zwar der Urteilstenor das Klagebegehren in vollem Umfang für gerechtfertigt erklärt, in den Entscheidungsgründen aber bindend festgestellt wird, auf welcher Grundlage das Betragsverfahren aufzubauen hat und welche Umstände abschließend im Grundverfahren geklärt sind, das Urteil also eine für die Partei negative Bindungswirkung aufweist (BGH, Urt. v. 10. Juli 1959, VI ZR 160/58, NJW 1959, 1918, 1919; Urt. v. 17. Oktober 1985, III ZR 105/84, WM 1986, 331; Urt. v. 20. Dezember 2005, XI ZR 66/05, NJW-RR 2007, 138, 139).

Das ist hier der Fall. Aus den Gründen des angefochtenen Urteils ergibt sich, dass ein Anspruch der Klägerin gemäß § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB nur wegen solcher Immissionen für gerechtfertigt erklärt worden ist, die das nach dem Planfeststellungsbeschluss zulässige Maß übersteigen. Diese den Anspruchsgrund betreffende Festlegung nimmt als zulässiger Inhalt eines Grundurteils an der innerprozessualen Bindungswirkung im Betragsverfahren teil (vgl. BGHZ 10, 361, 362) und beschwert die Klägerin.

2. Die Revision der Klägerin ist jedoch unbegründet.

a) Ohne Erfolg bleibt ihre Rüge, das Grundurteil sei schon deshalb aufzuheben, weil es mangels teilweiser Abweisung der Klage nicht erkennen lasse, über welchen Teil des Klageanspruchs abschließend entschieden worden sei. Einer teilweisen Abweisung der Klage im Urteilstenor hätte es nur dann bedurft, wenn ein quantitativer, zahlenmäßig oder auf sonstige Weise bestimmter Teil des - teilbaren - Streitgegenstandes abschließend beschieden worden wäre (vgl. BGHZ 108, 256, 260; Zöller/Vollkommer, ZPO, 27. Aufl., § 301 Rdn. 7a, m.w.N.). Eine solche Aufspaltung der Klageforderung ist hier jedoch nicht möglich, weil die Klägerin bei deren Bezifferung nicht zwischen den verschiedenen Beeinträchtigungen unterscheidet, sondern ihr Zahlungsbegehren auf die Gesamtheit der Einwirkungen stützt, denen der Restaurantbetrieb bis zu seiner Schließung ausgesetzt war. Demgemäß ist mit der Festlegung im Grundurteil, die Klägerin könne eine Entschädigung nur für einen Teil der Beeinträchtigungen verlangen, nicht zugleich entschieden, dass die auf Zahlung von 107.349,63 EUR gerichtete Klageforderung in einer bestimmten Höhe unbegründet ist. Das Berufungsgericht stellt lediglich (mit innerprozessualer Bindungswirkung) fest, dass ein Teil des Sachverhalts, auf den die Klage gestützt worden ist, den geltend gemachten Anspruch nicht zu rechtfertigen vermag; für eine teilweise Klageabweisung ist insoweit kein Raum (vgl. BGH, Urt. v. 26. März 1985, X ZR 28/84, NJW 1985, 1959 zu 2.).

Dies gilt auch, soweit sich das Berufungsgericht zu der Höhe der aus seiner Sicht in Betracht kommenden Entschädigung ("nicht mehr als 10% des festzustellenden Wertverlustes") äußert. Eine abschließende Entscheidung über einen Teil der Klageforderung ist damit nicht verbunden. Die Ausführungen entfalten keine Bindungswirkung für das Betragsverfahren, weil sie ausschließlich die Höhe des Anspruchs betreffen (vgl. BGH, Urt. v. 20. Dezember 2005, XI ZR 66/05, NJW-RR 2007, 138, 139 m.w.N.).

b) In der Sache nimmt das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend an, dass ein privatrechtlicher Ausgleichsanspruch (§ 906 Abs. 2 Satz 2 BGB) wegen des nach § 18 Satz 1 AEG zu dem Vorhaben ergangenen Planfeststellungsbeschlusses grundsätzlich ausgeschlossen ist. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Klägerin bleiben ohne Erfolg.

aa) Wie der Senat im Anschluss an die Rechtsprechung des III. Zivilsenates zu einem Anspruch wegen enteignenden Eingriffs (BGHZ 140, 285, 293 ff.) entschieden hat, bleibt neben den im Planfeststellungsverfahren eröffneten Rechtsbehelfen (§ 74 Abs. 2, § 75 Abs. 2 VwVfG; hier i.V.m. § 18 Satz 3 AEG) für einen Anspruch aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB grundsätzlich kein Raum. Dem Eigentumsschutz des Nachbarn wird dadurch Genüge getan, dass die Planfeststellungsbehörde sich mit der Frage der erforderlichen aktiven oder passiven Schutzmaßnahmen (§ 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG) bezogen auf das benachbarte Eigentum umfassend auseinandersetzen und solche Maßnahmen oder eine Entschädigungspflicht (§ 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG) anordnen muss, wenn unzumutbare Beeinträchtigungen zu erwarten sind (vgl. BVerwGE 84, 31, 38 f.; 110, 370, 392; 123, 23, 36).

Meint der betroffene Nachbar, dass seinem Eigentumsrecht im Planfeststellungsverfahren nicht ausreichend Rechnung getragen worden ist, kann er die in diesem Verfahren vorgesehenen Rechtsschutzmöglichkeiten ergreifen. Er kann insbesondere im Wege der Verpflichtungsklage Planergänzungen durchsetzen oder, sofern sich nach Unanfechtbarkeit des Beschlusses nicht vorhersehbare Wirkungen des Vorhabens zeigen, gemäß § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG nachträgliche Anordnungen verlangen.

Ein höheres Schutzniveau wird durch die Vorschrift des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht vermittelt. Sie gewährt ebenfalls nur insoweit einen Ausgleich, als der Nachbar über das zumutbare Maß hinaus in der Benutzung seines Grundstücks beeinträchtigt wird (Senat, BGHZ 62, 361, 372). Da sich die Zumutbarkeit nach den Maßstäben richtet, die für die Beurteilung einer Einwirkung als wesentliche Beeinträchtigung der Grundstücksnutzung im Sinne des § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB gelten (Senat, Urt. v. 27. Oktober 2006, V ZR 2/06, VersR 2007, 657, 658), bestimmen das öffentliche und das private Immissionsschutzrecht die Grenze der Duldungspflicht gegenüber Immissionen im Ergebnis identisch (Senat, BGHZ 111, 63, 65 f.; BVerwG, NJW 1988, 2396, 2397; Krüger, ZfIR 2007, 2). Ein Bedürfnis für die zusätzliche Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB bei planfestgestellten Vorhaben besteht daher nicht.

bb) Hinter die Rechtsschutzmöglichkeiten im Planfeststellungsverfahren tritt der Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auch dann zurück, wenn die das Nachbargrundstück treffenden Einwirkungen nicht auf den Betrieb, sondern - wie hier - auf die Errichtung des planfestgestellten Vorhabens zurückzuführen sind. Die durch den Beschluss begründete Duldungspflicht des Nachbarn erfasst bereits die während der Bauphase entstehenden Immissionen (Senat, BGHZ 54, 384, 388). Auch die im Planfeststellungsverfahren zu beachtenden Vorschriften über Schutzmaßnahmen unterscheiden nicht nach den einzelnen Abschnitten der Realisierung des Vorhabens. Das durch das Fachplanungsrecht zur Verfügung gestellte Instrumentarium erlaubt es vielmehr, schon bei der Durchführung der Baumaßnahme auftretende Konflikte einer interessengerechten Lösung zuzuführen (vgl. OLG Hamm NVwZ 2004, 1148, 1149; VGH Mannheim NVwZ-RR 1990, 227 f.; Urt. v. 8. Februar 2007, 5 S 2257/05, [...] Rdn. 127 ff. sowie BVerwG NVwZ 1988, 534 f.).

Der hier maßgebliche Planfeststellungsbeschluss regelt den sich aus dem Bau des City-Tunnels ergebenden Konflikt zwischen den Interessen der Beklagten und denen der Anlieger. Der Einwand der Revision, der in den Bestimmungen zur Vermeidung bauzeitlicher Belastungen (Abschnitt A.V.3. des Planfeststellungsbeschlusses) enthaltene Verweis auf die einzuhaltenden Immissionsrichtwerte sei mit der Verweisungsklausel vergleichbar, die den Bundesgerichtshof in der Entscheidung BGHZ 97, 114 veranlasst habe, zivilrechtliche Entschädigungsansprüche als nicht ausgeschlossen anzusehen, ist unbegründet. In dem dortigen Fall war die klagende Partei wegen ihrer Entschädigungsansprüche "in das Entschädigungsverfahren verwiesen" worden (a.a.O., S. 120) und durfte deshalb davon ausgehen, dass ihr die Möglichkeit vorbehalten werden sollte, ihre Ansprüche in einem besonderen administrativen Verfahren geltend zu machen. Hiermit ist der Hinweis auf die Pflicht, bestimmte Richtwerte einzuhalten, nicht vergleichbar. Er verweist die Betroffenen nicht in ein anderes Verwaltungsverfahren, sondern verkörpert die Auflage, die die Planfeststellungsbehörde zum Schutz der Anlieger vor bauzeitlichen Belastungen für angemessen erachtet hat.

cc) Entgegen der Auffassung der Revision liegen hier keine Besonderheiten des Einzelfalls vor, die durch die im Planfeststellungsverfahren zu Gebote stehenden Rechtsschutzmöglichkeiten nicht erfasst werden konnten (vgl. hierzu Senat BGHZ 161, 323, 330 f.).

(1) Dass Maßnahmen zum Schutz der durch den Bau des City-Tunnels nachteilig lärmbetroffenen (gewerblichen) Anlieger des Marktplatzes keinen Eingang in den Planfeststellungsbeschluss hätten finden können, ist nicht ersichtlich und wird von der Klägerin nicht vorgetragen. Gleiches gilt mit Blick auf die Bestimmung eines Auflagenvorbehalts (§ 74 Abs. 3 VwVfG; vgl. BVerwG NVwZ 1989, 147, 148), sofern zum Zeitpunkt der Planfeststellung noch nicht abschließend zu ermitteln gewesen sein sollte, ob durch den Baustellenbetrieb unzumutbare Belastungen der Anlieger zu erwarten waren.

(2) Auch der Umstand, dass die Klägerin die Räumlichkeiten zum Betrieb des Restaurants erst im Jahr 2002 und damit rund zwei Jahre nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses angemietet hat, rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Zwar knüpft der Ausschluss zivilrechtlicher Ansprüche an die Möglichkeit des Anliegers an, seine Rechte in einem förmlichen Verwaltungsverfahren sowie einem sich eventuell anschließenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren wahrzunehmen (vgl. Senat, BGHZ 161, 323, 330; Staudinger/Roth, BGB [2002], § 906 Rdn. 27). Dieses Erfordernis bezieht sich jedoch nur auf den zur Zeit der Planung berechtigten Personenkreis. Derjenige, der erst später Eigentümer eines von dem Vorhaben betroffenen Grundstücks wird, kann sich der Wirkung des bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlusses nicht unter Berufung auf eine unterbliebene Verfahrensbeteiligung entziehen. Er tritt in eine durch den Planfeststellungsbeschluss "vorbelastete" Rechtsposition ein. Die Entscheidung der Planungsbehörde, ob und in welchem Umfang Vorkehrungen wegen nachteiliger Auswirkungen des Vorhabens zu treffen sind, dient dem Schutz des Eigentums (Senat, BGHZ 161, 323, 328), ohne dass es auf den konkreten Inhaber des Rechtsguts ankommt. Dem das Grundstück lediglich aufgrund schuldrechtlicher Vereinbarung nutzenden Mieter kommt insoweit keine stärkere Rechtsposition zu.

(3) Ohne Bedeutung bliebe es schließlich, wenn sich der von der Klägerin in den angemieteten Räumen aufgenommene Restaurantbetrieb von der früheren Nutzung des Anwesens unterschiede. Die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses wäre dadurch nicht infrage gestellt. Diese richtet sich nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seines Erlasses und wird durch spätere Änderungen der für die Entscheidung maßgeblichen Umstände nicht berührt (BVerwG NVwZ 1999, 989, 990 m.w.N.). Der Eigentümer oder Mieter, der nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses eine neue Nutzung aufnimmt, ist durch die Möglichkeit nachträglicher Schutzanordnungen für nicht voraussehbare Wirkungen des Vorhabens einschließlich der Möglichkeit eines Ausgleichsanspruchs (§ 75 Abs. 2 Satz 2 und 3 VwVfG) hinreichend geschützt.

Revision der Beklagten

Die Revision der Beklagten, mit der diese eine vollständige Klageabweisung erstreben, ist begründet.

Die Annahme des Berufungsgerichts, der Klägerin stünde trotz der Ausschlusswirkung eines Planfeststellungsverfahrens ein Anspruch aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB zu, weil diese nur so weit gelte, wie sich der Vorhabenträger innerhalb der Vorgaben des Planfeststellungsbeschlusses bewege, ist rechtsfehlerhaft. Nach Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens ist für einen zivilrechtlichen Ausgleichsanspruch gemäß § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auch dann kein Raum, wenn die durch den Planfeststellungsbeschluss gezogenen Grenzen zulässiger Einwirkungen auf Anliegergrundstücke überschritten werden.

1. Mit dem Planfeststellungsverfahren hat der Gesetzgeber für bestimmte Immissionen im Vorfeld ein spezifisches Verfahren zur Vermeidung von Eigentumsbeeinträchtigungen im nachbarlichen Bereich geschaffen. Hinter die sich daraus ergebenden Rechtsschutzmöglichkeiten tritt der Anspruch aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB unabhängig davon zurück, ob die konkrete Planfeststellung ausreichende Schutzvorkehrungen zu Gunsten der betroffenen Grundstückseigentümer und -nutzer enthält; ebenso wenig kommt es darauf an, ob die Vorgaben des Beschlusses eingehalten werden. Denn der Vorrang des Planfeststellungsverfahrens rechtfertigt sich aus seiner generellen Eignung, Beeinträchtigungen des Eigentums zu vermeiden oder jedenfalls angemessen auszugleichen. Er findet seine Grenze deshalb erst dort, wo die im Planfeststellungsverfahren zu Gebote stehenden Möglichkeiten nicht geeignet sind, dem berechtigten Interesse des benachbarten Grundstückseigentümers ausreichend Rechnung zu tragen (vgl. Senat, BGHZ 161, 323, 330). Für Beeinträchtigungen, die aus einer Überschreitung der durch das öffentliche Recht festgesetzten und im Planfeststellungsbeschluss in Bezug genommenen Richtwerte für Immissionen folgen, gilt dies nicht. Die im Planfeststellungsverfahren zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe (§§ 74 Abs. 2 und 75 Abs. 2 VwVfG) ermöglichen es dem Betroffenen, auch hierfür Schutzmaßnahmen oder, wo diese untunlich oder mit dem Vorhaben unvereinbar sind, eine Entschädigung in Geld durchzusetzen.

2. a) Sind Überschreitungen einschlägiger Richtwerte - wie sie hier in der auf der Grundlage von § 3 Abs. 2 des Gesetzes zum Schutz gegen Baulärm vom 9. September 1965 (BGBl. I 1214) erlassenen und in dem Planfeststellungsbeschluss in Bezug genommenen AVwV Baulärm enthalten sind - zu erwarten, ist vorauszusehen, dass das Vorhaben zu Beeinträchtigungen der Anlieger führen wird, die die Grenze des Zumutbaren übersteigen. In einem solchen Fall muss die Planfeststellungsbehörde dem Träger des Vorhabens Schutzmaßnahmen, etwa die Errichtung eines Lärmschutzwalls oder den Einbau von Schallschutzfenstern, auferlegen (§ 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG; vgl. BVerwGE 110, 370, 392 sowie Jarass, DÖV 2004, 633, 634 f.). Soweit solche Vorkehrungen untunlich oder mit dem Vorhaben unvereinbar sind, hat der Betroffene einen Anspruch auf eine angemessene Entschädigung in Geld (§ 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG); über die Entschädigungspflicht ist zumindest dem Grunde nach bereits in dem Planfeststellungsbeschluss zu entscheiden (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 74 Rdn. 198).

Dem Betroffenen obliegt es, rechtzeitig zu prüfen, ob der Planfeststellungsbeschluss diesem Gebot genügt. Ist dies nicht der Fall, kann er zum Schutz seiner Rechte innerhalb der Rechtsmittelfrist gegen den Planfeststellungsbeschluss Klage insbesondere mit dem Ziel erheben, den Plan um eine Schutzvorkehrung im Sinne des § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG oder eine Entschädigungsregelung gemäß § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG zu ergänzen (vgl. BVerwGE 104, 123, 129; BVerwG NVwZ 1998, 846). Sieht er hiervon ab und wird der Planfeststellungsbeschluss bestandskräftig, sind Ansprüche aus § 74 Abs. 2 VwVfG gegen den Träger des Vorhabens verbindlich aberkannt (vgl. BVerwGE 77, 295, 296 f.; OVG Lüneburg, NdsRpfl. 2001, 416, 417).

Die Möglichkeit, für eine Aufnahme von Schutzvorkehrungen oder Entschädigungsanordnungen in dem Planfeststellungsbeschluss zu sorgen, bestand auch hier. In der Regelung zur Vermeidung bauzeitlicher Belastungen (Abschnitt A.V.3. des Planfeststellungsbeschlusses) kommt die Einschätzung der Planfeststellungsbehörde zum Ausdruck, dass dem Schutz des Eigentums der Anlieger durch die Verpflichtung der Beklagten, die einschlägigen Grenzwerte für Baulärm einzuhalten, und durch den Hinweis auf die Möglichkeit, gegen übermäßige Lärmimmissionen gemäß Ziffer 4 und 5 AVwV Baulärm behördlich einzuschreiten, Genüge getan ist. Zugleich wird - durch stillschweigendes Übergehen - ein Anspruch der Anlieger auf die Anordnung von Schutzmaßnahmen oder einer Entschädigung von Geld (§ 74 Abs. 2 Satz 2 u. 3 VwVfG) verneint (vgl. BVerwGE 77, 295, 296 f.). Hiergegen hätte sich der damalige Eigentümer oder der frühere Nutzer der Räume, in denen die Klägerin später ihr Restaurant betrieb, auf dem Verwaltungsrechtsweg wenden können.

b) Im Zeitpunkt der Planung nicht voraussehbare Wirkungen eines Vorhabens, d.h. nachteilige Entwicklungen, die sich erst später zeigen und mit denen die Beteiligten bei der Planfeststellung verständigerweise nicht rechnen konnten, werden von § 75 Abs. 2 Satz 2 und 4 VwVfG erfasst (vgl. BVerwGE 128, 177, 182). Nach dieser Vorschrift kann der Betroffene, auch nachdem der Planfeststellungsbeschluss unanfechtbar geworden ist, Vorkehrungen oder die Errichtung und Unterhaltung von Anlagen verlangen, durch welche Einwirkungen, die die Grenze des Unzumutbaren überschreiten, ausgeschlossen werden. Sind solche Vorkehrungen oder Anlagen untunlich oder mit dem Vorhaben unvereinbar, kann der Betroffene eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Dieser, gegen die Planfeststellungsbehörde gerichtete und im Verwaltungsrechtsweg durchzusetzende (vgl. BGHZ 140, 285, 296 f.), Anspruch stand der Klägerin zur Verfügung, soweit mit unzumutbaren Beeinträchtigungen des Gewerbebetriebs infolge einer Überschreitung der in den Beschluss festgelegten Grenzwerte im Zeitpunkt der Planfeststellung nicht gerechnet werden konnte.

c) Der Betroffene ist schließlich nicht schutzlos, wenn die in dem Planfeststellungsbeschluss enthaltenen Schutzvorkehrungen nicht eingehalten werden. Soweit Anordnungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG getroffen worden sind, durch die nachteilige Einwirkungen des Vorhabens auf sein Eigentum verhindert oder ausgeglichen werden sollen, steht ihm ein subjektiv-öffentliches Recht auf Vollzug der Anordnung gegen den Vorhabenträger zu (vgl. BVerwG Buchholz 316 § 76 VwVfG Nr. 14 Rdn. 11 f.; OVG Lüneburg NuR 1999, 353).

Verweist der Planfeststellungsbeschluss, wie hier, lediglich auf eine bestehende Lärmverordnung, liegt dem die - von dem Betroffenen entweder nicht angegriffene oder aber von den Verwaltungsgerichten bestätigte - Einschätzung der Planfeststellungsbehörde zugrunde, dass mit unzumutbaren Beeinträchtigungen nicht zu rechnen ist, weil sich die Einhaltung der maßgeblichen Grenzwerte mit dem dafür vorgesehenen Instrumentarium - hier durch die in der AVwV Baulärm vorgesehenen Maßnahmen zur Lärmminderung bis hin zur Stilllegung von Baumaschinen (vgl. Ziffer 4 und 5 AVwV Baulärm) - sicherstellen lässt und deshalb keine die (fachplanerische) Zumutbarkeitsschwelle übersteigenden Beeinträchtigungen zu erwarten sind. Kommt es im Einzelfall zu Überschreitungen der Grenzwerte, kann der Betroffene den Einsatz dieses Instrumentariums mit den allgemeinen öffentlich-rechtlichen Rechtsbehelfen, gerichtet auf ein Einschreiten der Aufsichtsbehörde, erzwingen (vgl. BVerwG NVwZ 2005, 330, 332 a.E.). Erweist sich dagegen die Einschätzung der Planfeststellungsbehörde als unzutreffend - hier also das Instrumentarium der Baulärmverordnung als ungeeignet, um unzumutbare Beeinträchtigungen zu verhindern -, kann der Betroffene gemäß § 75 Abs. 2 Satz 2 bis 4 VwVfG die nachträgliche Anordnung von Schutzmaßnahmen oder einer Entschädigung verlangen. Für einen Anspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB bleibt daher auch in diesen Fällen kein Raum.

III.

Das Berufungsurteil ist somit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, da die Aufhebung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache im Sinne einer vollständigen Abweisung der Klage zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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