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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 03.11.2000
Aktenzeichen: V ZR 189/99
Rechtsgebiete: EinigVtr, VermG, EGBGB, InVorG, DDR:PartG, DDR:AufbauG


Vorschriften:

EinigVtr Art.19
VermG § 1
EGBGB Art. 237 § 1
InVorG § 2
DDR PartG § 20 b
DDR AufbauG § 14
EinigVtr Art.19; VermG § 1; EGBGB Art. 237 § 1; InVorG § 2; DDR:PartG § 20 b; DDR:AufbauG § 14

a) Enteignungen aus der Zeit der DDR, deren Folgen nicht besonders (etwa im Vermögensgesetz) geregelt sind, bleiben unbeachtlich, wenn sie nach der damaligen Rechtslage keine Wirksamkeit erlangt haben und nicht dem Bestandsschutz des Art. 237 § 1 EGBGB unterfallen (im Anschluß an BGHZ 129, 112).

b) Enteignungen zugunsten des Parteivermögens (hier: Organisationseigener Betrieb) nehmen am Bestandsschutz des Art. 237 § 1 EGBGB nicht teil.

c) Zivilrechtliche Ansprüche des Eigentümers scheitern nicht daran, daß das Grundstück Gegenstand eines Investitionsvorrangbescheids geworden ist.

d) Enteignungen nach dem Aufbaugesetz der DDR bedurften zu ihrem Wirksamwerden der Bekanntgabe an den Betroffenen.

BGH, Urt. v. 3. November 2000 - V ZR 189/99 - OLG Dresden LG Chemnitz


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

V ZR 189/99

Verkündet am: 3. November 2000

in dem Rechtsstreit

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 3. November 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die Richter Tropf, Schneider, Dr. Klein und Dr. Lemke

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 31. März 1999 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die am 16. Oktober 1984 verstorbene, zuletzt in der Bundesrepublik wohnhaft gewesene, E. K. war Eigentümerin des seinerzeit im Grundbuch von A. eingetragenen Grundstücks Flurstück 100. Am 29. Mai 1984 ersuchte der Rat des Kreises F. den Liegenschaftsdienst des Bezirks, das Grundstück, das gemäß § 14 des Aufbaugesetzes der DDR am 1. Januar 1984 in Anspruch genommen und gemäß § 16 Abs. 2 des Entschädigungsgesetzes mit Wirkung vom gleichen Tage in das sozialistische Eigentum übergegangen sei, "auf Eigentum des Organisationseigenen Betriebes, Fundament B. , umzuschreiben". Dieser wurde daraufhin am 8. Juni 1984 auch als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen. Sein Vermögen wurde nach dem Parteiengesetz der DDR unter treuhänderische Verwaltung der Beklagten zu 1 gestellt, die das Grundstück Flurstück 100/1, in das das Flurstück 100 aufgegangen war, am 29. Dezember 1993 an den Beklagten zu 2 verkaufte. Zu dessen Gunsten wurde eine Auflassungsvormerkung in das Grundbuch eingetragen. R. K. stellte als Erbe seiner Ehefrau im September 1990 einen Antrag auf Rückübertragung der dem früheren Grundstück entsprechenden Teilfläche des Grundstücks Flurstück 100/1 und trat diesen Anspruch in einem notariellen Kaufvertrag vom 28. August 1991 unter gleichzeitiger Auflassung an den Kläger ab. Über das Bestehen des Anspruchs ist ein Rechtsstreit vor dem Verwaltungsgericht anhängig.

Der Kläger hat die Beklagte zu 1 auf Zustimmung zur Abschreibung einer dem früheren Flurstück 100 entsprechenden Teilfläche und auf Berichtigung des Grundbuchs in Anspruch genommen. Von dem Beklagten zu 2 hat er die Zustimmung zur Berichtung des Grundbuchs durch Löschung der Auflassungsvormerkung, soweit sie die abzuschreibende Teilfläche zum Gegenstand hat, verlangt. Die Klage ist in den Tatsacheninstanzen erfolglos geblieben. In der Revisionsinstanz verfolgt der Kläger seine Anträge mit der Maßgabe weiter, daß er hilfsweise Berichtigung zu Gunsten des R. K. verlangt. Die Beklagten verweigern die Einlassung auf den Hilfsantrag, der Beklagte zu 2 rügt Klageänderung. Im übrigen beantragen die Beklagten die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht geht davon aus, daß das Grundstück Flurstück 100 enteignet worden ist. Die festgestellten vorbereitenden und vollziehenden Maßnahmen, darunter die Zuführung einer Entschädigungssumme auf ein Devisenausländerkonto, ließen den Schluß auf einen willensgetragenen Entscheidungsvorgang zu. Aus dem Fehlen eines Inanspruchnahmebescheides in den Akten könne kein sicherer Schluß darauf gezogen werden, daß ein solcher Bescheid nicht ergangen sei. Fehler der Enteignung seien entsprechend Art. 237 § 1 EGBGB geheilt. Die Heilung ausschließende Mängel lägen nicht vor. Dem Unterbleiben der Bekanntgabe an die Eigentümerin sowie dem Umstand, daß eine Erweiterung des Anwendungsbereichs des Aufbaugesetzes nach den Verwaltungsvorschriften der DDR auf die Enteignung zugunsten volkseigener oder staatlicher Einrichtungen beschränkt gewesen sei, komme keine dahingehende Wirkung zu.

Dies hält den Angriffen der Revision nicht stand.

II.

Die Prozeßführungsbefugnis des Klägers ist allerdings zu bejahen. Dem Kläger stehen die aus dem Eigentum hergeleiteten Ansprüche (§§ 903, 894 BGB) zwar nicht aus eigenem Recht zu. Die Abtretung des Rückgewähranspruchs und die Auflassung des (unvermessenen) Grundstücksteils rechtfertigen aber die Geltendmachung der Eigentümerrechte in gewillkürter Prozeßstandschaft. Die Ermächtigung des Klägers hierzu ergibt sich aus dem Zweck und dem Gesamtzusammenhang des Kaufs, insbesondere dem Umstand, daß die Abtretung unabhängig von der Fälligkeit des Kaufpreisanspruchs bereits vorweg erklärt worden war. Die Bildung des neuen Grundstücks ist Voraussetzung für den Vollzug des Kaufvertrags, die beantragte Grundbuchberichtigung erleichtert dessen Vollzug (§ 39 GBO). Für die Löschung der zugunsten des Beklagten zu 2 eingetragenen Auflassungsvormerkung gilt Entsprechendes. Eine Beeinträchtigung der Rechte der Beklagten ist nicht erkennbar, wird von diesen auch nicht geltend gemacht. Die Geltendmachung der fremden Rechte in Prozeßstandschaft ergibt sich daher bei sachgerechter Auslegung bereits aus den in den Tatsacheninstanzen gestellten, in der Revisionsinstanz weiter verfolgten Anträgen. Auf die Hilfsanträge kam es daher nicht mehr an.

III.

1. Rechtlich zutreffend geht das Berufungsgericht auch davon aus, daß die vom Kläger erhobenen Ansprüche nicht durch das Vermögensgesetz ausgeschlossen sind (grundlegend dazu Senat, BGHZ 118, 34). Der Senat teilt die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts, daß Enteignungen nach dem Baulandgesetz der DDR (BGHZ 129, 112, 114) oder, wie hier, nach dem Aufbaugesetz (vgl. Senat, Urt. v. 14. Februar 1997, V ZR 312/95, WM 1997, 775 f) von den Tatbeständen des § 1 Abs. 1 Buchst. a und b VermG (diskriminierende Enteignung) grundsätzlich nicht erfaßt sind. Für den möglichen Ausnahmefall, daß durch interne Anweisungen die Pflicht zur Entschädigung generell außer Kraft gesetzt oder lediglich zum Schein aufrechterhalten wurde, ist angesichts der Feststellung des Berufungsurteils, eine Entschädigung sei auf ein Devisenausländerkonto geflossen, kein Raum. Eine unlautere Machenschaft (§ 1 Abs. 3 VermG), die grundsätzlich jede Art des Rechtserwerbs, einschließlich hoheitlicher Erwerbsakte in Form willkürlicher Enteignungen, erfaßt (BVerwG VIZ 1994, 185), liegt nicht vor. Die - auch zielgerichtete - Nichtbeteiligung des in der Bundesrepublik wohnhaften Eigentümers am Enteignungsverfahren begründet den Schädigungstatbestand des § 1 Abs. 3 VermG nicht, denn sie hat nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der der Senat folgt, den hoheitlichen Zugriff auf das Eigentum nicht erst ermöglicht (BVerwG VIZ 1997, 160; BVerwGE 104, 186; anders bei Nichtbeteiligung von DDR-Bürgern, Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 147 und bei Westeigentümern in der Spätphase der DDR, VIZ 1999, 523).

2. Rechtlich unzutreffend ist der vom Revisionsbeklagten zu 2 aus § 29 Abs. 2 VermG gezogene Schluß, wegen des dem Kauf vom 29. Dezember 1993 zugrundeliegenden Investitionsvorrangbescheids (§ 25 Abs. 3, § 11 Abs. 6 InVorG) sei der Kläger darauf verwiesen, die Rechte des Restitutionsbeteiligten nach Abschn. VI des Vermögensgesetzes feststellen zu lassen. Ein Investitionsvorrangbescheid steht nur der Rückübertragung des Vermögenswertes auf den Berechtigten nach den Vorschriften des Vermögensgesetzes entgegen. Er beschränkt diesen auf die Feststellung seiner Rechte im Verwaltungsverfahren. Zivilrechtliche Ansprüche bleiben hiervon unberührt (Uechtritz in: RVI, § 2 InVorG Rdn. 46; Jesch in: Jesch/Ley/Racky/Winterstein/Kuhn, InVorG, 2. Aufl., § 1 Rdn. 5). Verfehlt wäre es, aus § 29 Abs. 2 VermG herzuleiten, die Vorschriften über das Parteivermögen zählten materiell zum Restitutionsrecht im Sinne des Vermögensgesetzes. Die Vorschrift ist eine Kompetenznorm, die es dem Bundesamt zur Regelung offener Vermögensfragen erlaubt, (unmittelbar) über gegen das Parteivermögen gerichtete Restitutionsansprüche zu befinden. Inhaltlich steht die bestimmungsgemäße Verwaltung von Partei- und Organisationsvermögen nach Maßgabe d des Einigungsvertrages zu §§ 20 a, 20 b des Parteiengesetzes der DDR (BGBl. 1990 II, S. 889, 1150) der Geltendmachung von zivilrechtlichen Ansprüchen des wahren Eigentümers nicht entgegen. Zwischen den für das Partei- und Organisationsvermögen geltenden Verwaltungsrichtlinien und den Mängelfolgen des Zivilrechts besteht kein Wertungswiderspruch. Ein redlicher Erwerb zugunsten des Altvermögens der Parteien und Institutionen findet nicht statt.

IV.

Zu Unrecht bejaht das Berufungsgericht aber eine Enteignung der früheren Eigentümerin E. K. oder ihres Rechtsnachfolgers.

1. Der vom Berufungsgericht anhand vorbereitender (Beschaffung von Grundbuch- und Katasterauszügen) und vollziehender (Eintrag des Eigentumswechsels im Grundbuch, Anlegen des Devisenausländerkontos) Maßnahmen rechtsfehlerfrei festgestellte Enteignungswille der damaligen Stellen und der anschließend eingetretene tatsächliche Zustand reichen zur Bejahung eines wirksamen Eigentumsentzugs nicht aus. Allerdings geht der Senat für den Bereich der Entschädigungstatbestände des Vermögensgesetzes (§ 1 Abs. 1 bis Abs. 3 VermG) und bei besatzungsrechtlichen oder besatzungshoheitlichen Zugriffen (§ 1 Abs. 8 Buchst. a VermG) von einer faktischen Sichtweise aus, die sich von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Vermögensgesetz (BVerwGE 104, 84, 87; VIZ 2000, 594) zwar im Ausgangspunkt, regelmäßig aber nicht in den Folgen unterscheidet (zum Vermögensgesetz: BGHZ 130, 231; Beschl. v. 21. Juni 2000, V ZB 32/99, zur Veröffentlichung bestimmt; zur besatzungshoheitlichen Enteignung Beschl. v. 30. Oktober 1997, V ZB 8/96, WM 1998, 83; Urt. v. 16. Oktober 1998, V ZR 65/97, WM 1999, 192). Außerhalb dieses Bereichs stellt der Senat an die zivilrechtliche Beachtlichkeit einer Enteignung aus der DDR-Zeit aber die Anforderung, daß diese - unbeschadet ihr anhaftender Mängel - nach dem damals geltenden Recht Wirksamkeit erlangt hat (Art. 19 EV; BGHZ 129, 112, 116 ff; vgl. Urt. v. 12. Mai 2000, V ZR 47/99, WM 2000, 1758). Dies berücksichtigt, daß den Enteignungstatbeständen des Vermögensgesetzes Ansprüche auf Restitution oder Entschädigung gegenüberstehen (§§ 3 ff VermG; §§ 1 ff EntschädigungsG) und die von der Besatzungsmacht zu verantwortenden Eingriffe an einem besonderen verfassungsrechtlichen Maßstab zu messen sind (BVerfGE 84, 90; ZIP 1996, 886). Anderen Enteignungen steht, von besonderen Sachgestaltungen, etwa nach dem verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetz, abgesehen, kein Äquivalent gegenüber. Diese, einem rechtsstaatlichen Mindeststandard verpflichtete, Rechtsprechung ist auch durch den mit Wirkung vom 24. Juli 1997 geschaffenen Art. 237 § 1 EGBGB (zur Vereinbarkeit mit dem Verfassungsrecht: Senatsurt. v. 10. Oktober 1997, V ZR 80/96, WM 1998, 81) nicht überholt. Denn von dem dort angeordneten Bestandsschutz sind Maßnahmen ausgenommen, die mit rechtsstaatlichen Grundsätzen schlechthin unvereinbar sind, in schwerwiegender Weise gegen die Prinzipien der Gerechtigkeit, der Rechtssicherheit oder der Verhältnismäßigkeit verstoßen oder Willkürakte dargestellt haben. Aufgrund solcher Umstände unwirksame Zugriffe bleiben unbeachtlich.

Die Rechtsprechung des Senats stimmt mit der Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts überein. Dieses hat zwar in einer Entscheidung vom 20. März 1997 offengelassen, ob der Rechtsprechung des Senats zur Enteignung nach dem Baulandgesetz (BGHZ 129, 112) uneingeschränkt gefolgt werden könne und hat zum Aufbaugesetz die Meinung vertreten, Enteignungsbeschlüsse entbehrten nicht deshalb der Wirksamkeit, weil sie dem Verfügungsberechtigten oder dem Eigentümer nicht bekannt gegeben worden sind (BVerwGE 104, 186, 192 s. bereits oben zu III 1). Die Entscheidung hatte indessen eine Enteignung im Sinne des Vermögensgesetzes zum Gegenstand. Außerhalb des Vermögensgesetzes geht das Bundesverwaltungsgericht wie der Senat davon aus, daß sich wegen Art. 19 Satz 3 des Einigungsvertrags niemand auf einen Verwaltungsakt berufen kann, der, weil ihm ein schwerer und offenkundiger Fehler anhaftet, nichtig ist; dabei ist, was auch der Senat meint, auf die DDR-Rechtslage (unter Einschluß der "gelebten Rechtswirklichkeit") zum Zeitpunkt des Erlasses der Verwaltungsentscheidung abzustellen (NJ 2000, 209, 210).

2. Eine wirksame Enteignung liegt hier nicht vor. Dies gilt, wenn, wovon für die Revisionsinstanz auszugehen ist, ein Inanspruchnahmebescheid unterblieben ist, ohnehin. Ist ein Bescheid ergangen, ist er wegen der unterbliebenen Bekanntgabe an den Eigentümer nicht wirksam geworden. Die Enteignung nach dem Aufbaugesetz der DDR weist in diesem Punkt keine Züge auf, die eine abweichende Entscheidung gegenüber der für das Baulandgesetz getroffene Entscheidung (BGHZ 129, 112) rechtfertigen. Die Erklärung einer Stadt, eines Kreises, einer Gemeinde oder eines Gemeindeteils zum Aufbaugebiet durch die Regierung der DDR, von der das Berufungsurteil aufgrund eines Bestätigungsvermerks vom 14. Dezember 1983 über den Inhalt des Aufbauregisters (§ 1 Abs. 3 DVO-AufbauG) ausgeht, bewirkte als solche nicht die Inanspruchnahme der im Aufbaugebiet gelegenen Flächen. Sie war vielmehr nach § 14 Abs. 2 AufbauG Grundlage für eine Inanspruchnahme von Grundstücken in diesem Gebiet und für eine damit verbundene dauernde oder zeitweilige Beschränkung oder Entziehung des Eigentums. Die Inanspruchnahme des einzelnen Grundstücks erfolgte seitens des Ministeriums des Inneren durch Zustellung eines Bescheids an den Verfügungsberechtigten und den Träger der Aufbaumaßnahme (§ 3 Abs. 2 DVO-AufbauG). Gemäß § 9 EntschädigungsG vom 25. April 1960 (GBl. I 257) gingen die in Anspruch genommenen Grundstücke mit dem Zeitpunkt der Inanspruchnahme in das Eigentum des Volkes über. Die Bekanntgabe des Inanspruchnahmebescheides an den Betroffenen, für den die Verordnung überdies die förmliche Zustellung vorsah, war mithin, wie beim späteren Baulandgesetz, konstitutiv für das Wirksamwerden der Entscheidung. Daß das Verfahren der Inanspruchnahme nicht, wie im späteren Recht (§ 20 BaulandG), bereits im Gesetz selbst, sondern erst in den Durchführungsbestimmungen geregelt war (vgl. im übrigen § 9 DVO-BaulandG), macht keinen durchgreifenden Unterschied. Damit weicht der Senat nicht von der Rechtsprechung des IX. Zivilsenats ab. Dieser hat die Auffassung vertreten, die Zustellung des Bescheids an den Verfügungsberechtigten gemäß § 3 Abs. 2 DVO-AufbauG sei nicht Wirksamkeitsvoraussetzung der Inanspruchnahme (Beschl. v. 29. Februar 1996, IX ZR 201/94, VIZ 1996, 397). Er hat seine Entscheidung indessen (mit) darauf gestützt, daß die Inanspruchnahme dem seinerzeit Verfügungsberechtigten, dem vorläufigen Verwalter des Grundstücks, zur Kenntnis gebracht worden war. Weitergehende Anforderungen sind auch nach der Rechtsprechung des Senats nicht zu stellen.

V.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nimmt der Erwerb des Organisationseigenen Betriebes nicht am Bestandsschutz des Art. 237 § 1 EGBGB teil.

1. Zutreffend ist der Ausgangspunkt des Berufungsurteils, wonach die Vorschrift allein die Überführung von Grundstücken oder Gebäudeeigentum in Volkseigentum zum Gegenstand hat. Einer analogen Anwendung auf sonstiges sozialistisches Eigentum, die das Berufungsurteil bejaht, stehen durchgreifende Bedenken entgegen. Diese richten sich bereits gegen den Ansatz des Berufungsurteils, das auf die Stellung der verschiedenen Formen des sozialistischen Eigentums im Recht der früheren DDR abhebt (vgl. §§ 17 ff ZGB) und daraus Schlüsse auf deren Wesensähnlichkeit zieht. Art. 237 § 1 EGBGB ist kein Gesetz zum Schutz des Bestandes des Volkseigentums. Dieses ist mit dem Beitritt erloschen. Der Zweck der Vorschrift besteht darin, ehedem als Volkseigentum ausgewiesene Flächen im Interesse der von den neu entstandenen Gemeinden gegründeten Wohnungsbaugesellschaften, die große Grundstücksbestände von ehemaligen Trägern des Volkseigentums übernommen und nach Aufdeckung der Rechtslage Liquiditätsschwierigkeiten angemeldet hatten (vgl. Fritsche, LKV 1995, 308; Grün, ZIP 1997, 491 f), als Eigentum im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs anzuerkennen. Nicht zum Volkseigentum zählendes sozialistisches Eigentum, etwa das Eigentum der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften, oder das zwar private, weitgehend aber staatlich gebundene Bodenreformeigentum unterlagen eigenen Zuordnungsregelungen (Landwirtschaftsanpassungsgesetz, Vorschriften zur Überleitung der Bodenreform, Art. 233 §§ 11 ff EGBGB). Die Konfliktslage, der Art. 237 § 1 EGBGB abzuhelfen sucht, insbesondere das Anliegen, fiskalische und privat-öffentliche Interessen zu schützen, ist dort nicht in gleicher Weise hervorgetreten oder in anderer Weise geregelt worden (zum Bodenreformeigentum vgl. Senat, Urt. v. 4. Februar 2000, V ZR 260/98, WM 2000, 834, 836). Zudem war die Rechtsprechungsdifferenz zwischen dem Bundesgerichtshof und dem Bundesverwaltungsgericht, zu deren Behebung die Bestandsschutznovelle beitragen wollte (vgl. Beschlußempfehlung und Beschluß des Rechtsausschusses des Bundestages vom 20. März 1997, BT-Drucks. 13/7275 S. 10, 35 f), auf Fragen des Volkseigentums beschränkt. Dies zeigt zugleich die Grenzen der Analogiefähigkeit der gefundenen Regelung auf (vgl. MünchKomm-BGB/Busche, 3. Aufl., Art. 237 § 1 Rdn. 8; Czub, VIZ 1997, 561, 564). Jedenfalls kommt im Bereich des Partei- und Organisationsvermögens eine analoge Anwendung nicht in Frage. Nach Art. 20 b Abs. 2 ParteiG-DDR unterliegt deren am 7. Oktober 1989 vorhandenes Vermögen der Verwaltung der Beklagten zu 1 und ist nach der Maßgabe des Einigungsvertrags an die früher Berechtigten oder deren Rechtsnachfolger zurückzuführen, andernfalls zugunsten gemeinnütziger Zwecke zu verwenden; nachweislich nach materiell-rechtsstaatlichen Grundsätzen erworbene Werte sind den Einrichtungen zurückzugeben. Eine Ausweitung des rechtlichen Bestands des Alteigentums durch "Heilung" von Erwerbsmängeln ist mit dieser Zielsetzung nicht verbunden.

2. Entgegen der Auffassung der Beklagten zu 1 rechtfertigt sich eine Analogie auch nicht aus den Zwecken des Investitionsvorranggesetzes. Denn dieses läßt, wie dargestellt (Abschn. III 2), zivilrechtliche Ansprüche unberührt.

VI.

Die Sache ist zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 ZPO). Denn dieses hat, von seinem Standpunkt aus folgerichtig, die Frage, ob der Beklagte zu 2 die Auflassungsvormerkung kraft öffentlichen Glaubens des Grundbuchs erworben hat (§ 893, 2. Alt., § 892 BGB; Senat, BGHZ 25, 16, 23; 28, 182, 185 f), offengelassen. Ist die Frage zu bejahen, bleibt dies auch nicht ohne Auswirkungen auf die gegen die Beklagte zu 1 erhobenen Ansprüche. Der Beklagte zu 2 könnte in diesem Falle, wenn das Grundbuch zugunsten von R. K. berichtigt würde, von diesem die Zustimmung zum Vollzug einer von ihm mit der Beklagten zu 1 vereinbarten (oder noch zu vereinbarenden) Auflassung verlangen (§§ 883 Abs. 2, 888 BGB entspr.; vgl. Senat, BGHZ 57, 341, 343; Urt. v. 17. Juni 1994, V ZR 204/92, NJW 1994, 2947). In diesem Falle kann das Berichtigungsverlangen gegenüber der Beklagten zu 1 gegen § 242 BGB verstoßen.



Ende der Entscheidung

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