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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 30.06.2000
Aktenzeichen: V ZR 193/99
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

-
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

V ZR 193/99

Verkündet am: 30. Juni 2000

Kanik, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 30. Juni 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die Richter Dr. Lambert-Lang, Tropf, Schneider und Dr. Lemke

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die beiderseitigen Revisionen wird das Urteil des 26. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 31. März 1999 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Mit notariellem Vertrag vom 21. August 1997 verkaufte die Beklagte dem Kläger ein mit einem Wohn- und Geschäftshaus bebautes Grundstück in Berlin-C. zum Preis von 19.000.000 DM. In § 2 Nr. 2 des Vertrages heißt es u.a.:

"Die jährliche Netto-Soll-Miete kalt - d.h. ohne Nebenkostenvorauszahlungen, sonstige Umlagen und Mehrwertsteuer - per 1. Juni 1997 beträgt unter Berücksichtigung der bestehenden Mietverträge mindestens 1.395.000,00 DM.

Sollte die tatsächliche Wohn- und/oder Gewerbefläche und/oder die Soll-Jahresmiete - wie zuvor definiert - um mehr als 3 % niedriger liegen als angegeben, ermäßigt sich der Kaufpreis entsprechend. Eine größere Wohnfläche und/oder Jahresmiete führt nicht zu einer Erhöhung des Kaufpreises.

Die Verkäuferin versichert, daß keine berechtigten bzw. vereinbarten Mietminderungsansprüche, die zu einer Reduzierung der Netto-Soll-Miete führen, bestehen.

Der Inhalt der bestehenden Mietverträge ist dem Käufer bekannt."

Nach Übergabe des Grundstücks stellte der Kläger fest, daß die Summe der Netto-Soll-Mieten der zum Stichtag vermieteten Einheiten 11,17 % geringer als der angegebene Betrag war. Mit Schreiben vom 4. Oktober 1997 forderte er die Beklagte vergeblich zur Rückzahlung eines entsprechenden Kaufpreisanteils auf.

Er hat beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 2.122.900 DM nebst Zinsen zu verurteilen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht die Beklagte zur Zahlung von 1.269.200 DM verurteilt, im übrigen die Klage abgewiesen und die weitergehende Berufung zurückgewiesen. Hiergegen richten sich die Revisionen beider Parteien.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht hält den im Kaufvertrag verwandten Begriff der jährlichen "Netto-Soll-Miete" für eindeutig. Hierunter sei weder der Ertragswert noch die Ist-Miete, sondern derjenige Mietzins ohne Nebenkostenvorauszahlungen, sonstige Umlagen und Mehrwertsteuer zu verstehen, den der jeweilige Mieter nach dem aktuellen Stand des Mietvertrages zum angegebenen Stichtag rechtlich schulde. Nur diese Miete sei für den Kläger überprüfbar gewesen, weil ihm nur der Inhalt der bestehenden Mietverträge bekannt gewesen sei und er den Unterlagen nicht habe entnehmen können, welche Mieten die Beklagte zuletzt für die unvermieteten Wohnungen hätte rechtlich verlangen können. Würde sich die Jahressollmiete auch aus nichtbestehenden Mietverhältnissen über leerstehende Einheiten zusammensetzen, wäre die Angabe eines Stichtages überflüssig gewesen. Jedoch sei es den Parteien unbenommen geblieben, den Begriff mit konkreten Zahlen inhaltlich anders festzulegen und solche Mieten einzubeziehen, die die Mieter schuldeten, bevor der jeweilige Leerstand eintrat. Ein entsprechend klarstellender Hinweis fehle zwar im Kaufvertrag, die inhaltliche Bestimmung des Begriffs "Netto-Soll-Miete" sei jedoch dem Zahlenwerk der "Sollmietenliste per 5.02.1997" zu entnehmen, welche dem Kläger vor Abschluß des Kaufvertrages zugegangen sei. Durch den Erhalt dieser Liste sei dem Kläger verdeutlicht worden, welches konkretes Zahlenmaterial die Beklagte ihrer Zusicherung zugrunde gelegt habe. Damit sei dem Kläger erkennbar gewesen, daß die Beklagte unter dem Begriff der Soll-Miete auch Mieten in konkreter, aber fiktiver Höhe für die genannten unvermieteten Einheiten einbezogen wissen wollte. Aufgrund dieser Information habe er die Zusicherung der Soll-Miete dahin verstehen müssen, daß sich die Zahl von 1.395.000 DM aus den Einzeldaten der Sollmietenliste ergeben sollte.

Dies hält den Angriffen der Revisionen beider Parteien nicht stand.

II.

1. Das Berufungsgericht hält den Begriff "jährliche Netto-Soll-Miete kalt" für eindeutig. Dies unterliegt der uneingeschränkten Nachprüfung durch das Revisionsgericht (BGHZ 32, 60, 63; BGH, Urt. v. 13. Juni 1990, IV ZR 141/89, WM 1990, 1680, 1681). Ob dem Berufungsgericht insoweit zu folgen oder der verwandte Begriff nicht doch einer Auslegung zugänglich ist, bedarf nach dem derzeitigen Streitstand keiner Entscheidung. Denn auch vom Standpunkt des Berufungsgerichts her erweist sich das Urteil als fehlerhaft. Ist der Begriff in dem vom Berufungsgericht als eindeutig befundenen Sinne dahin zu verstehen, daß darunter derjenige Mietzins fällt, den der jeweilige Mieter nach dem aktuellen Stand seines Mietvertrages rechtlich schuldet, ist für die von dem Berufungsgericht für richtig gehaltene Einbeziehung der "Sollmietenliste per 5.02.1997" mit ihren Leerständen nur dann Raum, wenn die Parteien dem Begriff der jährlichen Netto-Soll-Miete einverständlich einen anderen Inhalt gegeben haben, als er sich dem Berufungsgericht objektiv erschließt. Denn nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes geht ein übereinstimmender Wille der Parteien dem Wortlaut des Vertrages und jeder anderweitigen Interpretation vor (Senatsurt. v. 20. November 1987, V ZR 171/86, NJW-RR 1988, 265; BGH, Urt. v. 20. Januar 1994, VII ZR 174/92, BGHR BGB § 133 - Wille 13). Einen solchen übereinstimmenden Willen hat das Berufungsgericht jedoch nicht festgestellt. Es genügte insoweit nicht, daß dem Kläger bei sorgfältiger Lektüre der "Sollmietenliste per 5.02.1997" erkennbar war, daß die Beklagte unter dem Begriff der Sollmiete auch Mieten in konkreter, aber fiktiver Höhe für die genannten unvermieteten Einheiten einbezog. Entscheidend ist vielmehr, ob der Kläger einen entsprechenden Willen der Beklagten erkannt und in Kenntnis dieses Willens den Vertrag abgeschlossen hat (BGH, Urteile v. 26. Oktober 1983, IVa ZR 80/82, NJW 1984, 721; v. 13. Februar 1989, II ZR 179/88, BGHR BGB § 133 - Wille 6; Senatsurt. v. 20. November 1992, V ZR 122/91, NJW-RR 1993, 373). Hierzu hat das Berufungsgericht aber keine Feststellung getroffen. Der Vortrag beider Parteien hierzu ist gegensätzlich und läßt ohne Beweisaufnahme eine entsprechende Feststellung nicht zu. Der Kläger hat mehrfach unter Beweisantritt vorgetragen, daß es ihm um die Mietenliquidität gegangen sei und der Vertreter der Beklagten erklärt habe, daß die zum vereinbarten Stichtag (1. Juni 1997) aufgrund bestehender Mietverträge geschuldeten Mieten auch ohne Weitervermietung der Leerwohnungen allemal den zugesicherten Betrag ergäben. In diesem Sinne sei ihm auch das Schreiben der Beklagten vom 23. Juni 1997 erläutert worden. Herr S. als Vertreter der Beklagten habe dem von dem Kläger eingeschalteten Makler, dem Zeugen B. , erklärt, daß die in der ersten Zeile der Aufstellung aufgeführte "Soll-Miete" die Netto-Miete sei, die aufgrund der bestehenden Mietverhältnisse von den Mietern gezahlt werden müsse. Die darunter aufgeführte "Erlösschmälerung" sei der Betrag, der - aus welchen Gründen auch immer - von den Mietern nicht gezahlt werde, sei es, weil sie Minderungen oder sonstige Einwendungen gegen die Miethöhe hätten.

Die Beklagte hat demgegenüber unter Beweisantritt (Zeugen K. , S. ) behauptet, bei der im Vertrag aufgeführten "jährlichen Netto-Soll-Miete kalt" handele es sich um die Soll-Miete aller Wohnungen, auch der leerstehenden per 1. Juni 1997, d.h. um den Mietwert der Immobilie. Von diesem Mietwert sei im Schreiben vom 23. Juni 1997 der Leerstand als "Erlösschmälerung" abgezogen worden. Dies sei dem Verhandlungspartner des Klägers in mehreren Gesprächen dargelegt und erklärt worden.

Bei diesem unterschiedlichen Sachvortrag entbehrt die Annahme des Berufungsgerichts, die Parteien hätten zwar die in der Sollmietenliste per 5. Februar 1997 aufgeführten Leerstände, nicht aber die danach bis zum vereinbarten Stichtag aufgetretenen Leerstände bei der Berechnung der vereinbarten "jährlichen Netto-Soll-Miete kalt" per 1. Juni 1997 unter Berücksichtigung der bestehenden Mietverträge mit einbezogen, der tatsächlichen Grundlage.

Nach alledem hat das angefochtene Urteil mit der gegebenen Begründung keinen Bestand. Die Sache ist vielmehr zur weiteren Aufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Ende der Entscheidung

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