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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 26.11.1999
Aktenzeichen: V ZR 224/98
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 323 Abs. 1
BGB § 325 Abs. 1 Satz 2
BGB § 242
ZPO § 256 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

V ZR 224/98

Verkündet am: 26. November 1999

Kanik, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 26. November 1999 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die Richter Dr. Lambert-Lang, Tropf, Prof. Dr. Krüger und Dr. Klein

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 27. Mai 1998 aufgehoben.

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg vom 25. März 1997 wird zurückgewiesen.

Es wird festgestellt, daß dem Beklagten ein Kaufpreisanspruch aus dem notariellen Vertrag vom 14. September 1995 - Urkunden-Nr. 1260/1995 des Notars T. in M. - nicht zusteht.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren trägt der Beklagte.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Mit notariellem Vertrag vom 15. September 1995 kauften die Kläger von dem Beklagten zwei noch zu vermessende Teilflächen eines in M. gelegenen Grundstücks. Das größere, nach vorläufiger Berechnung etwa 450 qm große Grundstück sollte ein Baugrundstück sein, das kleinere, etwa 204 qm große und von den Klägern nur zur ideellen Hälfte gekaufte Grundstück sollte die Zuwegung zu dem Baugrundstück und zu dem dahinterliegenden, von dem Beklagten anderweit veräußerten Grundstück darstellen. Der Zuschnitt der Grundstücke ist in einer dem Kaufvertrag beigefügten Planskizze dargestellt. Wegen des vorläufig errechneten Kaufpreises von 74.265 DM unterwarfen sich die Kläger der sofortigen Zwangsvollstreckung.

Am 27. Juni 1996 erließ die Stadt M. eine Teilungsgenehmigung, nach der das Grundstück für die Zufahrt nicht annähernd der Fläche entsprach, die die Kläger gekauft hatten. Sie haben, nachdem der Notar dem Beklagten eine vollstreckbare Ausfertigung der Kaufvertragsurkunde erteilt hatte, Klage mit dem Ziel erhoben, die Zwangsvollstreckung für unzulässig zu erklären. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.

Während des Berufungsverfahrens, am 16. Januar 1998, erließ die Stadt M. eine neue Teilungsgenehmigung. Danach erhält das Zufahrtsgrundstück folgenden Zuschnitt:

Im Grundsatz beibehalten ist die im Vertrag vorgesehene Form eines L. Der an dem Baugrundstück vorbeiführende Streifen ist aber nicht - wie vertraglich vereinbart - bis zum Ende des Baugrundstücks durchgeführt, sondern endet deutlich früher. Der Rest ist dem dahinterliegenden, von der Zufahrt ebenfalls erschlossenen Grundstück zugeschlagen. Ferner ist - entgegen der Vertragsregelung - das Grundstück im Bereich des rechtwinkligen Knicks erheblich verdickt und abgeschrägt, weil die Stadt M. an dieser Stelle die Herrichtung eines Wendehammers fordert. Dieser den rechten Winkel abschrägende Grundstücksteil ist in der Teilungsgenehmigung als Flurstück B bezeichnet und soll eine Größe von ca. 84 qm haben. Es soll zusammen mit den Teilstücken A, C und D, den weiteren die Zuwegung bildenden Flurstücken, im Grundbuch unter einer laufenden Nummer eingetragen werden. Die Zufahrt soll - anders als von den Vertragsparteien gedacht - dem öffentlichen Verkehr gewidmet werden.

Das Oberlandesgericht hat die Klage ebenso abgewiesen, wie den erstmals in der Berufungsinstanz gestellten Antrag der Kläger auf Feststellung, daß dem Beklagten aus dem Kaufvertrag ein Kaufpreis nicht zustehe, und die Zwangsvollstreckung unzulässig sei, soweit dies nicht bereits aus dem landgerichtlichen Urteil folge. Mit der Revision erstreben die Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils und verfolgen im übrigen den negativen Feststellungsantrag hinsichtlich des Kaufpreises weiter. Der Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht meint, die in der Teilungsgenehmigung vom 16. Januar 1998 für die Zufahrt vorgesehenen Grundstücke wichen kaum noch von den Skizzen im Kaufvertrag ab, so daß der Beklagte zur Erfüllung der ihm obliegenden Verpflichtung in der Lage sei. Den Klägern stünden auch keine Gewährleistungsrechte zu, da die geplante Widmung der Zufahrt zum öffentlichen Verkehr weder einen Rechtsmangel noch einen Sachmangel des als Privatstraße verkauften Zufahrtsgrundstücks begründe.

II.

Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

1. Die Zwangsvollstreckungsgegenklage ist begründet, da der titulierte Anspruch nach § 323 Abs. 1 BGB weggefallen ist.

Die Verpflichtung des Beklagten ging hinsichtlich der Zufahrt dahin, eine nach Breite, Länge und Wegeverlauf bestimmte Grundstücksfläche zu übereignen, die die Form eines L haben sollte. Diese Verpflichtung kann der Beklagte nicht erfüllen. Die Leistung ist nachträglich aus Gründen unmöglich geworden, die weder er noch die Kläger zu vertreten haben. Entgegen § 323 Abs. 1 Halbs. 2 ist der gesamte Kaufpreisanspruch erloschen, da eine auf das Baugrundstück bezogene Teilleistung für sie ohne Interesse ist. Dieser in § 325 Abs. 1 Satz 2 BGB zum Ausdruck gekommene Gedanke gilt auch für § 323 BGB (vgl. nur Palandt/Heinrichs, BGB, 58. Aufl., § 323 Rdn. 9 m.w.N.).

Das Berufungsgericht verkennt, daß das nach der Teilungsgenehmigung vom 16. Januar 1998 entstandene Grundstück erheblich von dem abweicht, was der Beklagte zu leisten versprochen hatte. Es übersieht, daß die in der Teilungsgenehmigung als Flurstücke A, B, C und D bezeichneten Flächen ein einheitliches - im Grundbuch unter einer Nummer einzutragendes - Grundstück bilden, aus dem nicht die den wesentlichen Teil des geplanten Wendehammers bildende Fläche B von 84 qm herausgerechnet werden kann. Selbst wenn man also von dem weiteren - vom Berufungsgericht nicht beachteten - Umstand absehen wollte, daß die Zufahrt nach der Teilungsgenehmigung nicht - wie vertraglich vereinbart - an dem gesamten Baugrundstück vorbeiführt, sondern deutlich früher endet, so besteht eine erhebliche Abweichung jedenfalls in der Gestaltung des Grundstücks im Bereich der Richtungsänderung der Zufahrt. Das, was der Beklagte übereignen könnte, entspricht daher nicht dem Vertrag, die vertragliche Leistung kann er nicht erbringen.

Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung kommt eine Anpassung des Vertrages unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht in Betracht. Denkbar wäre hier eine Anpassung nur in der Weise, daß sich die Verpflichtung des Beklagten auf das nach den Vorgaben der Teilungsgenehmigung entstandene Grundstück erstreckte, ohne daß sich bei der Kaufpreisgestaltung wesentliche Nachteile für die Kläger ergäben. Eine solche Anpassung läge aber nicht mehr im Rahmen des von den Parteien Vereinbarten. Der Leistungsgegenstand würde geändert (anders als z.B. im Fall der Senatsentscheidung BGHZ 67, 34). An die Stelle des von den Parteien Gewollten träte ein gerichtlich festgelegter Vertragsinhalt. Dazu berechtigt der Grundsatz von Treu und Glauben nicht.

2. Der Feststellungsantrag ist in der aufrechterhaltenen Form als Zwischenfeststellungsklage zulässig (§ 256 Abs. 2 ZPO) und nach den vorstehenden Ausführungen begründet.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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