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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 10.01.2003
Aktenzeichen: V ZR 230/02
Rechtsgebiete: SachenRBerG, DDR/ZGB


Vorschriften:

SachenRBerG § 121 Abs. 2
DDR/ZGB § 99
War das Eigenheim bis zum Ablauf des 18. Oktober 1989 dem Nutzer lediglich nach dem Wohnraumlenkungsrecht der DDR zugewiesen, ist es aber bis dahin nicht zum Abschluß eines Nutzungsvertrags gekommen, steht dem Nutzer kein Anspruch auf Sachenrechtsbereinigung zu.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

V ZR 230/02

Verkündet am: 10. Januar 2003

in dem Rechtsstreit

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 10. Januar 2002 durch die Richter Tropf, Dr. Klein, Dr. Lemke, Dr. Gaier und Dr. Schmidt-Räntsch

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 23. Mai 2002 wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Eltern des Klägers waren Mieter der Obergeschoßwohnung des volkseigenen Hausgrundstücks W. straße 4 in M. . Die Wohnung wurde vom Kläger, nach seiner Verheiratung auch von der Klägerin, mitbewohnt. Mieter der Erdgeschoßwohnung waren die Eheleute R. . Ab 1988, dem Wegzug der Eheleute, blieb deren Sohn allein in der Wohnung zurück. Am 31. Januar 1989 erteilte der Rat der Gemeinde den Klägern eine Wohnraumzuweisung für ein Zimmer aus der Erdgeschoßwohnung und zur Mitbenutzung von Küche, Bad und WC. Mit notariellen Verträgen vom 28. März und 11. Juni 1990 kauften die Kläger, unter Verleihung eines Nutzungsrechts, zunächst das Gebäude, anschließend das Grundstück. Die Verträge sind nicht vollzogen worden. Der Sohn der Mieter R. nutzte die Erdgeschoßwohnung, einschließlich des den Klägern zugewiesenen Raumes, bis 13. August 1990. Die Eltern des Klägers verzogen im Jahre 1994.

Die Kläger haben die Beklagte, der das Hausgrundstück als Berechtigte zurückübertragen worden ist, auf die Feststellung in Anspruch genommen, daß ihnen an dem Grundstück Ansprüche nach dem Sachenbereinigungsgesetz zustehen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen. Mit der im Berufungsurteil zugelassenen Revision, der die Beklagte entgegentritt, streben die Kläger die Wiederherstellung des Urteils des Landgerichts an.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht vermag sich nicht davon zu überzeugen, daß zwischen den Klägern und dem VEB Kommunale Wohnungsverwaltung B. , dem Rechtsträger des Volkseigentums, in schlüssiger Weise ein Mietvertrag zustande gekommen ist. Die Wohnraumzuweisung könne ihn nicht ersetzen. Deshalb hat es die Revision zugelassen.

II.

Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

1. Rechtsfehlerfrei bejaht das Berufungsgericht die Wirksamkeit des Gebäudekaufvertrags vom 28. März 1990, der die Grundlage des allein in Frage kommenden Anspruchs auf Bereinigung nach § 121 Abs. 2 SachenRBerG bildet. Der Wirksamkeit des Vertrages im Sinne des § 121 Abs. 2 Buchst. b SachenRBerG steht es nicht entgegen, daß die staatliche Grundstücksverkehrsgenehmigung ausgeblieben und lediglich eine preisrechtliche Unbedenklichkeitsbescheinigung erteilt worden ist (Senat BGHZ 141, 184).

2. Zutreffend verneint das Berufungsgericht die weitere Voraussetzung des Anspruchs, daß nämlich die Kläger aufgrund eines bis zum Ablauf des 18. Oktober 1989 abgeschlossenen Miet-, Pacht- oder sonstigen Nutzungsvertrags das Eigenheim am 18. Oktober 1989 genutzt haben (§ 121 Abs. 2 Buchst. a SachenRBerG), so daß es auf das weitere Erfordernis, der Nutzung des Eigenheims zu eigenen Wohnzwecken am 1. Oktober 1994 (§ 121 Abs. 2 Buchst. c SachenRBerG), nicht mehr ankommt.

a) Die Wohnraumzuweisung nach dem Wohnraumlenkungsrecht der DDR begründete das Mietverhältnis zwischen dem Zuweisungsbegünstigten und dem Vermieter nicht. Diese wurden vielmehr aufgrund der Zuweisung verpflichtet, den Mietvertrag (erst) abzuschließen (§§ 99, 100 Abs. 1 ZGB). Ob die bei Nichtzustandekommen des Mietvertrags mögliche Verbindlichkeitserklärung des Wohnraumlenkungsorgans nach § 100 Abs. 2 ZGB, was das Berufungsgericht verneint, ein Schuldverhältnis hätte schaffen können, das den Voraussetzungen des § 121 Abs. 2 Buchst. b SachenRBerG genügt, kann dahinstehen. Eine staatliche Verbindlichkeitserklärung ist nicht erfolgt, der Zuweisungsbescheid als solcher spricht sie nicht aus.

b) Eine ausdehnende Auslegung, nach der die Nutzung des Eigenheims am 18. Oktober 1989 aufgrund einer vorher erteilten Wohnraumzuweisung genügt, läßt § 121 Abs. 2 Buchst. a SachenRBerG nicht zu.

aa) Das Gesetz über den Verkauf volkseigener Gebäude (Verkaufsgesetz) vom 7. März 1990 (GBl. I S. 157), auf das die Kaufverträge der Kläger zurückgehen, verband den Zweck der Vermögensmehrung durch Auskehr öffentlichen Grundeigentums mit (gewerbefördernden und) wohnungswirtschaftlichen Vorstellungen (Senatsurt. v. 22. Juni 2001, V ZR 202/00, WM 2001, 1911, 1912). Das Gesetz selbst beschränkte sich darauf, den Kreis der Teilnehmer auf Personen mit Wohnsitz in der DDR zu begrenzen (§ 2). Wohnungswirtschaftliche Zielsetzungen kamen in § 4 der Durchführungsverordnung vom 15. März 1990 (GBl. I S. 158) zum Ausdruck, denn der Käufer sollte danach das Gebäude bewohnen oder dessen künftige persönliche Nutzung zu Wohnzwecken gewährleisten. Die Zwecksetzung der älteren Verkaufsgesetze, insbesondere des Gesetzes über den Verkauf volkseigener Eigenheime, Miteigentumsanteile und Gebäude für Erholungszwecke vom 19. Dezember 1973 (Verkaufsgesetz 1973; GBl. I S. 578), das neben dem Verkaufsgesetz die Grundlage des Vertrauens bildete, das § 121 Abs. 2 SachenRBerG schützt (Senatsurt. v. 17. Mai 2002, V ZR 193/01, WM 2002, 1947), zielte nicht auf den Erwerb durch die Mieter des Objekts, sondern allgemein auf die Wohnbedürfnisse der Bürger, bevorzugt der Arbeiterfamilien und kinderreichen Familien (Vorspruch und § 1 Abs. 2 VerkaufsG 1973; noch allgemeiner Gesetz vom 15. September 1954, GBl. S. 784: "Bürger der DDR ..."). Bei der Aufnahme der "hängenden Kaufverträge" in die Sachenrechtsbereinigung (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d i.V.m. § 3 Abs. 3 SachenRBerG; § 121 SachenRBerG) fand der Gesetzgeber mithin heterogene Zwecksetzungen des DDR-Rechts vor, die den Ankauf des Volkseigentums durch den Mieter oder sonstigen vertraglichen Nutzer einschlossen, allerdings nicht zur bestimmenden Grundlage hatten. Das Sachenrechtsbereinigungsgesetz hat sich von den allgemeinen Förderzwecken des älteren DDR-Rechts gelöst und, insoweit das Verkaufsgesetz nachzeichnend, nach Maßstäben für die Verteilung des Vorhandenen gesucht. Inhaltlich hat es zu eigenen, wiederum in sich heterogenen Lösungen gefunden, die Gegenstand eines gesetzgeberischen Kompromisses sind, dessen Grenzlinie die Rechtsprechung nicht überschreiten kann.

bb) Soweit eine Restitution des Grundstücks oder des Gebäudes an den nach dem Vermögensgesetz Berechtigten nicht in Frage steht (§ 3 Abs. 3 SachenRBerG) oder der "hängende Kaufvertrag" vor dem 19. Oktober 1989 (Rücktritt Honeckers) abgeschlossen worden war (§ 121 Abs. 1 Satz 1 SachenRBerG), steht die Nutzerstellung aufgrund des nicht mehr vollzogenen Kaufs im Vordergrund (§ 120 a i.d.F. von Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses des Bundestags, BT-Drucks. 12/7425); die zusätzliche Aufnahme des Besitzes aufgrund Miet- oder sonstigen Nutzungsvertrags in den Gesetzestext sollte lediglich rechtstechnischen Bedenken in den Fällen Rechnung tragen, in denen der Vertrag keine "Besitzübergabe-Klausel" enthält (Anrufung des Vermittlungsausschusses, BT-Drucks. 12/7668). In dem zwischen den gesetzgebenden Körperschaften streitig gebliebenen Fall, daß der redliche Erwerb aufgrund eines nach dem 18. Oktober 1989 abgeschlossenen Kaufvertrags (§ 4 Abs. 2 Satz 2 VermG) an dem ausgebliebenen Vollzug des Geschäftes scheiterte, wurde dem Käufer der Bereinigungsanspruch nach § 121 Abs. 1 Satz 3 SachenRBerG eingeräumt. Die äußerste Flanke des Kompromisses stellt die Härteregelung des § 121 Abs. 2 SachenRBerG dar, die den Ablauf des 18. Oktober 1989 nicht mehr mit dem Abschluß des Kaufvertrags (§ 121 Abs. 1 Satz 1 SachenRBerG) oder wenigstens dessen Beantragung (§ 121 Abs. 1 Satz 3 SachenRBerG), sondern lediglich mit der vertraglichen Nutzungsbefugnis des Käufers an dem Objekt verbindet ("Mieterkauf"; vgl. Czub in Czub/Schmidt-Räntsch/Frenz, SachenRBerG, § 121 Rdn. 9). Würde das Bestehen des Nutzungsvertrags am 18. Oktober 1989 auf die staatliche Wohnraumzuweisung reduziert, würde eine "Härteregelung" geschaffen, die sich zu § 121 Abs. 2 SachenRBerG ähnlich verhielte wie § 121 Abs. 1 Satz 3 zu § 121 Abs. 1 Satz 1 SachenRBerG. Wie in § 121 Abs. 1 Satz 3 SachenRBerG an die Stelle des Abschlusses des Kaufvertrags zum Stichtag der Antrag an die Behörde auf Zulassung zum Kauf tritt, träte in § 121 Abs. 2 SachenRBerG die im Vorfeld des Nutzungsvertrags liegende staatliche Wohnraumzuweisung an die Stelle des Vertrages selbst. Dies hat der Gesetzgeber, ohne das Hinzutreten weiterer Umstände, nicht einmal für die Schuldrechtsanpassung akzeptiert (vgl. § 44 SchuldRAnpG).

3. Die Angriffe der Revision auf die Tatsachengrundlage des Berufungsurteils dringen nicht durch.

a) Die Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) läßt keine Rechtsfehler erkennen. Das Schreiben des Bürgermeisters an den Mieter R. vom 17. Februar 1989, auf das die Revision abhebt, geht nicht über die Wohnraumzuweisung an die Kläger hinaus, deren Beachtung es anfordert. Ob der Hinweis auf die Befugnis der Kläger, sich notfalls selbst Zutritt zu dem Raum zu verschaffen, vom seinerzeitigen Wohnraumlenkungsrecht gedeckt war, kann dahinstehen. Zu der Schlußfolgerung, ein Mietvertrag, dessen Partner ohnehin nicht der Bürgermeister gewesen wäre, sei zustande gekommen, gibt die Äußerung rechtlich keinen Anlaß. Die Beweisgründe des Berufungsgerichts, R. habe nicht geräumt, die Kläger hätten keinen Mietzins für den zugewiesenen Wohnraum gezahlt, sind nicht wegen Ambivalenz unbeachtlich. Das Berufungsgericht konnte nach der gelebten Rechtswirklichkeit in der DDR davon ausgehen, daß die von der Revision in den Vordergrund gerückte Möglichkeit, den Vertrag abzuschließen, die Zahlung aber aus Rechtsgründen zurückzuhalten, nicht den Vorstellungen der Beteiligten entsprach.

b) Das Berufungsgericht war rechtlich nicht gehalten, auf den Schriftsatz der Kläger vom 17. Mai 2002 die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen (§ 156 ZPO a.F., § 26 Nr. 5 EGZPO). Nach Verhandlungsschluß können Angriffs- und Verteidigungsmittel nicht mehr vorgebracht werden (§ 296 a ZPO), die Nichtbeachtung der Vorschrift ist nicht durch die Wiedereröffnung der Verhandlung auszugleichen (BGH, Urt. v. 28. Oktober 1999, IX ZR 341/98, NJW 2000, 142, 143). Ein Verfahrensfehler, dessen Korrektur die weitere Verhandlung hätte dienen können, liegt, entgegen der Auffassung der Revision, nicht vor. Das Berufungsgericht hatte, wie die Kläger in dem nachgereichten Schriftsatz ausführen, in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, daß aus den vorstehend wiedergegebenen Beweisgründen vom Abschluß eines Mietvertrags nicht ausgegangen werden könne. Die Revision meint, eine Erklärung hierzu sei den Klägern in der Verhandlung nicht ohne weiteres möglich gewesen. Aus dem nachgereichten Schriftsatz hätte das Berufungsgericht schließen müssen, daß es seiner Hinweispflicht nicht genügend nachgekommen sei. Dies geht fehl. Die Hinweispflicht des Gerichts in der mündlichen Verhandlung (hier § 139 ZPO a.F.) kann nur durch das bis dahin Vorgebrachte, nicht durch einen Vortrag ausgelöst werden, der dem Gericht nicht zur Kenntnis gelangt ist. Das Berufungsgericht hat auf den nach seiner Auffassung maßgeblichen Gesichtspunkt, dem Zweifel am Zustandekommen des Mietvertrags, hingewiesen. Die Revision vermag nicht aufzuzeigen, daß die Kläger einem Unvermögen, zu der Frage im Termin Stellung zu nehmen, Ausdruck gegeben hätten (vgl. § 139 Abs. 4 ZPO, wonach es in einem solchen Fall der Partei überlassen ist, einen Antrag auf Schriftsatzfrist zu stellen). Im übrigen war der Abschluß des Mietvertrags bereits in erster Instanz ein wesentlicher Streitpunkt, das Landgericht hatte sich mit der Annahme eines "faktischen Mietverhältnisses" beholfen. Daß dieser Punkt Gegenstand des Berufungsrechtsstreits sein würde, mußte den Klägern ebenso wie das Erfordernis vor Augen stehen, eventuell gebotenen neuen Tatsachenvortrag in den Prozeß einzuführen. Ein Hinweis nach § 139 ZPO wäre mithin nicht einmal geboten gewesen. Dafür, daß die Kläger das Gespräch mit dem Bürgermeister vom 17. Mai 2002, auf das die nachgereichten Tatsachen zurückgehen, erst zu diesem Zeitpunkt hätten führen können, gibt es keine Anhaltspunkte. Die Kläger haben auch den Versuch unterlassen, hierfür eine Erklärung zu geben. Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung unter dem Gesichtspunkt der Prozeßökonomie (vgl. § 156 Abs. 2 Nr. 2 ZPO n.F.) besteht nicht. Die eidesstattliche Versicherung des Bürgermeisters vom 17. Mai 2002 stellt keinen Wiederaufnahmegrund (§ 580 Nr. 7 b ZPO) dar (BGHZ 80, 389, 395).

Ende der Entscheidung

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