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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 17.11.2000
Aktenzeichen: V ZR 334/99
Rechtsgebiete: HöfeO


Vorschriften:

HöfeO § 12 Abs. 2 Satz 3
HöfeO § 12 Abs. 2 Satz 3

Der Umstand, daß die nach § 21 Abs. 1 BewG in regelmäßigen Zeitabständen von sechs Jahren vorzunehmende Hauptfeststellung des Einheitswertes seit dem Inkrafttreten der Neufassung der HöfeO im Jahre 19.76 unterblieben ist, hat zur Folge, daß die an die Einheitswertfestsetzung geknüpfte Abfindungsregelung des § 12 HöfeO lückenhaft geworden ist, soweit sich die seinerzeit zugrundegelegte Wertrelation zwischen Einheitswert und Ertragswert des Hofes infolge der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse erheblich verschoben hat. Diese Lücke ist durch eine entsprechende Anwendung des § 12 Abs. 2 Satz 3 HöfeO zu schließen.


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

V ZR 334/99

Verkündet am: 17. November 2000

Kanik, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 17. November 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die Richter Tropf, Prof. Dr. Krüger, Dr. Lemke und Dr. Gaier

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 26. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 4. August 1999 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin ist die Schwester des Beklagten. Ihr Vater, der am 1. Juni 1990 verstarb, bewirtschaftete zusammen mit seiner Ehefrau in S. einen landwirtschaftlichen Betrieb, den beide mit notariellem Hofübergabevertrag vom 6. August/7. Oktober 1987 im Wege vorweggenommener Erbfolge an den Beklagten übertrugen. Für die Erb- und Pflichtteilsrechte weichender Erben sollten nach dem vom Landwirtschaftsgericht am 19. November 1987 genehmigten Vertrag die Vorschriften der Höfeordnung gelten. Zuvor, mit notariellem Erbvertrag vom 17. Februar 1982, hatte der Vater den Beklagten zum Alleinerben und Hoferben eingesetzt und am 21. Juli 1987 testamentarisch erneut zum Alleinerben berufen.

Mit beim Landwirtschaftsgericht am 13 August 1987 eingegangener Erklärung vom 6. August 1987 bestimmten die Eltern der Parteien den Hof zum Ehegattenhof. Ein entsprechender Vermerk wurde am 8. Februar 1988 in das Grundbuch eingetragen. Im weiteren Verlauf des Jahres wurde der Beklagte als Eigentümer eingetragen.

Die Klägerin macht gegen den Beklagten den ihr nach § 12 Abs. 1 HöfeO zustehenden Abfindungsanspruch geltend. Der Einheitswert für den Hof wurde zum 1. Januar 1988 unter Zurechnungsfortschreibung, jedoch auf der Basis der allgemeinen Wertverhältnisse zum 1. Januar 1964, auf 73.600 DM festgesetzt.

Die Klägerin meint, der wahre Hofeswert liege über 1.000.000 DM, so daß ihr eine Abfindung von 89.375 DM zustehe. Ihre auf Zahlung dieses Betrages nebst Zinsen gerichtete Klage hat vor den Tatsachengerichten nur in Höhe von 2.300 DM Erfolg gehabt. Mit der Revision verfolgt sie den Klageantrag in Höhe des Differenzbetrages weiter. Der Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht legt bei der Bemessung des Abfindungsanspruchs nach § 12 Abs. 2 Satz 2 HöfeO den Einheitswert per 1. Januar 1988 zugrunde und kommt so unter Berücksichtigung einer Pflichtteilsquote von 1/16 zu einem Betrag von 2.300 DM. Einen nach billigem Ermessen vorzunehmenden Zuschlag nach § 12 Abs. 2 Satz 3 HöfeO hält es nicht für berechtigt. Eine erhebliche Veränderung der für die Einheitswertfeststellung maßgeblichen allgemeinen Wertverhältnisse seit 1964 und die vom Gesetzgeber seit Jahrzehnten unterlassene Anpassung an die reale Wertentwicklung stellen nach seiner Auffassung keine nur den Einzelfall betreffenden Umstände im Sinne dieser Norm dar, die allein einen Zuschlag rechtfertigten. Ein anderes Ergebnis sei auch nicht im Wege verfassungskonformer Auslegung zu rechtfertigen. Die höferechtliche Abfindungsbestimmung begegne angesichts ihrer Zielsetzung, eine gesunde Agrarstruktur durch den Erhalt leistungsfähiger Höfe sicherzustellen, auch im Hinblick auf die Veränderung der Wertverhältnisse keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.

II.

Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

1. Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, daß der Klägerin aufgrund der im Jahre 1988 vollzogenen Hofübertragung an den Beklagten ein Abfindungsanspruch nach §§ 12 Abs. 1, 17 Abs. 2 HöfeO erwachsen ist. Der landwirtschaftliche Besitz unterfiel den Regelungen der Höfeordnung, da die Eltern der Parteien zuvor wirksam einen Ehegattenhof begründet hatten (§ 1 Abs. 2, Abs. 7 HöfeO). Der Inhalt des Erbvertrages stand dem vorliegend nicht entgegen. Zwar kann eine erbvertragliche Bindung eines Ehegatten hinsichtlich seines Hofes der Bildung eines Ehegattenhofes entgegenstehen, wenn dadurch eine im Widerspruch zu der im Erbvertrag festgelegten Erbfolge stehende Vererbung eintreten würde (BGH, Beschl. v. 18. Mai 1972, V BLw 2172, AgrarR 1972, 387). Ein solcher Widerspruch war hier aber ausgeschlossen, da beide Elternteile den Beklagten durch den Abschluß des Übergabevertrages zum gemeinsamen Hoferben bestimmten (§§ 7 Abs. 1, 8 Abs. 2 HöfeO) und dadurch der zuvor vom Vater der Parteien eingegangenen erbvertraglichen Bindung Rechnung trugen.

2. Ohne Rechtsfehler lehnt das Berufungsgericht bei der Bemessung des Abfindungsanspruchs eine unmittelbare Anwendung des § 12 Abs.2 Satz 3 HöfeO ab, wonach auf Verlangen nach billigem Ermessen Zuschläge zum einheitswertabhängigen Hofeswert gemacht werden können, wenn besondere Umstände des Einzelfalls, die für den Wert des Hofes von erheblicher Bedeutung sind, in dem Hofeswert nicht oder nur ungenügend zum Ausdruck kommen. Um solche Umstände des Einzelfalls handelt es sich vorliegend nicht.

Der Gesetzgeber hat als einheitliche Bemessungsgrundlage für die Abfindung der weichenden Erben und Pflichtteilsberechtigten bewußt für sämtliche Fallgestaltungen den regelmäßig an die Veränderungen der allgemeinen Wertverhältnisse anzugleichenden Einheitswert (§§ 21 4s BewG) gewählt, der sich aus dem Wirtschaftswert (§ 46 BewG) und dem Wohnwert (§ 47 BewG) zusammensetzt. Er hat eine Korrekturmöglichkeit nur insoweit vorgesehen, als Besonderheiten des Einzelfalls aus Billigkeitsgründen eine nicht durch das Instrumentarium der Einheitsbewertung erfaßbare Anpassung des Hofeswertes erfordern (vgl. für § 12 Abs. 2 Satz 3 HöfeO aF: Senat, BGHZ 25, 287, 292 f; für die jetzige Fassung gilt derselbe Rechtsgedanke, s. Begr. zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 7/1443, S. 24; ferner BT-Drucks. 6;1810, S. 8). Der Gesetzgeber hat dabei darauf vertraut, daß die Hauptfeststellung der Einheitswerte - wie in § 21 Abs. 1 BewG vorgesehen - in Zeitabständen von je sechs Jahren vorgenommen wird. So finden sich in den Gesetzesmaterialien auch keine Erörterungen dazu, wie bei ausbleibenden Anpassungen der Einheitswerte zu verfahren sei. In Rechtsprechung und Literatur wird folgerichtig eine unmittelbare Anwendung des § 12 Abs. 2 Satz 3 HöfeO bei Veränderungen der nicht nur den Einzelfall betreffenden allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse ganz überwiegend abgelehnt (Senat, BGHZ 25, 287, 291 ff; Becker, AgrarR 1976, 181, 184; Rinck, AgrarR 1997, 399; Lange/Wulff/Lüdtke-Handjery, HöfeO, 9. Aufl., § 12 Rdn. 41; Faßbender/Hötzel/von Jeinsen/Pikalo, HöfeO, 3. Aufl., § 12 Rdn. 18; Tropf, in: Lambert-Lang/Tropf/Frenz, Handbuch der Grundstückspraxis, Teil 12, Rdn. 97; Nies, Boden- und Erbrecht in der Landwirtschaft, 1991, S. 122; a.A. Wöhrmann/Stöcker, Landwirtschaftserbrecht, 9. Aufl., § 12 HöfeO Rdn. 20; Stöcker, AgrarR 1977. 73, 78).

3. Nicht gefolgt werden kann dem Berufungsgericht hingegen insoweit, als es eine analoge Anwendung des § 12 Abs. 2 Satz 3 HöfeO bei gravierenden Abweichungen zwischen einem - fiktiv - aktuell ermittelten und dem auf den Werten 1964 beruhenden Einheitswert des Hofes nicht in Betracht zieht (offengelassen vom Senat, BGHZ 25, 287, 293). Eine solche entsprechende Anwendung ist hier - bei Zugrundelegung des Vortrags der Klägerin - geboten.

a) Die Abfindungsregelung der Höfeordnung ist lückenhaft. Sie berücksichtigt nicht die Situation, die dadurch eingetreten ist, daß die - entgegen den Vorstellungen des Gesetzgebers - regelmäßig vorzunehmende Hauptfeststellung des Einheitswertes (§ 21 Abs. 1 BewG) seit dem Inkrafttreten der Neufassung der Höfeordnung im Jahre 1876 ausgeblieben ist.

aa) Mit der 1976 in Kraft getretenen neuen Abfindungsregelung in § 12 Abs. 2 HöfeO, die nach § 17 Abs. 2 HöfeO auch bei einer Hofübergabe im Wege vorweggenommener Erbfolge gilt, strebte der Gesetzgeber einen bestmöglichen Ausgleich zwischen dem Interesse an der Erhaltung des Hofes und den Vermögensinteressen der weichenden Erben an (Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 7/1443, S. 22, 23). Dabei ging er davon aus, daß die der Bewertung eines Landgutes eigene Abfindungsgerechtigkeit, die durch eine individuelle und zeitnahe Bestimmung des Ertragswertes erreicht wird (§ 2049 Abs. 2 BGB) und die an sich auf das Höferecht hätte übertragen werden können, auch bei einer am steuerlichen Einheitswert orientierten Abfindung erzielt werden könne, und entschloß sich zu dieser - pauschaleren - Lösung nicht zuletzt im Hinblick auf Vorteile bei der praktischen Durchführung (keine generelle Notwendigkeit zur Einholung von Gutachten, vgl. BT-Drucks. 7/1443, S. 23; s. auch Schwede, RdL 1972, 141, 142: eine frühere Gesetzesvorlage war demgegenüber noch von einer Ertragswertbestimmung wie bei § 2049 Abs. 2 BGB ausgegangen, BT-Drucks.: 4/1810, S. 2, 8). Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sah Tür den Abfindungsanspruch eine an den tatsächlichen Ertragswert angenäherte Bezugsgröße vor, nämlich das Zweifache des zum 1. Januar 1964 neu festgestellten Einheitswertes, nachdem Vertreter verschiedener Ministerien angeführt hatten, daß der im Einheitswert enthaltene, nach besonderen steuerrechtlichen Ertragswertvorschriften (§§ 36 ff BewG) zu ermittelnde Wirtschaftswert eines landwirtschaftlichen Betriebes ungefähr der Hälfte des tatsächlichen Ertragswertes entspreche (vgl. Becker, AgrarR 1976, 181, 183). Aufgrund der vom federführenden Rechtsausschuß des Bundestages in Übereinstimmung mit dem mitberatenden Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten geäußerten Bedenken wurde dieser Multiplikator allerdings auf das Eineinhalbfache des neuen Einheitswertes herabgesetzt, ohne daß jedoch der Gedanke einer nahe am Ertragswert liegenden Abfindungsgrundlage aufgegeben worden wäre (s. auch Bericht und Antrag des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 7/4545, S. 1, 6; Kurzprot. der 57. Sitzung des Ausschusses für Ernährung vom 26. Februar 1975, S. 11).

bb) Das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel, die Abfindungen nach § 12 Abs. 2 HöfeO dem aktuellen Ertragswert anzunähern, läßt sich auf Dauer nur verwirklichen, wenn sichergestellt ist, daß die Einheitsbewertung mit der Ertragswertentwicklung - jedenfalls im Grundsatz - Schritt hält. Die hierfür notwendigen Maßnahmen blieben jedoch aus § 21 BewG sieht zwar eine Neubewertung der Einheitswerte nach jeweils sechs Jahren vor. Der Gesetzgeber hat sie aber unterlassen. Zunächst wurde die in Art. 2 des Gesetzes zur Änderung des Bewertungsgesetzes vom 13. August 1965 (BGBl. I S. 866) abweichend von § 21 BewG erst für den 1. Januar 1971 vorgesehene Hauptfeststellung durch Gesetz vom 22. Juli 1970 (BGBl. I S. 1118) wegen einer geplanten Steuerreform ausgesetzt und einem speziellen Gesetz vorbehalten, wobei eine Neubewertung für 1975 in Aussicht gestellt wurde (BT-Drucks. 6/914, S. 2). Mit Vermögenssteuerreformgesetz vom 17. April 1974 (BGBl. I S. 949, 961) wurden zwar bei der Vermögens- und Erbschaftssteuer die Einheitswerte pauschal um 40 % angehoben (= § 121 a BewG); die Land- und Forstwirtschaft wurde aber in der Annahme, der Ertragswert habe sich insoweit nicht verbessert, hiervon ausgenommen (BT-Drucks. 6/3418, S. 49, 50). Erwogen wurde eine vereinfachte Hauptfeststellung für alle Grundstücksarten zum 1. Januar 1975. In der Folgezeit fand indes eine Hauptfeststellung - trotz zwischenzeitlicher Anmahnung durch das Bundesverfassungsgericht (NJW 1977, 429) und trotz regelmäßiger Ankündigungen - nie statt (vgl. BT-Drucks. 9/1648, S. 5; DB 1984, 1554 ff; BT-Drucks. 12/1337, S. 3-5, zu den Hinderungsgründen s. BT-Drucks. 13/4839, S. 43). Erst aufgrund der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungswidrigkeit der bisherigen Vermögens- und Erbschaftsbesteuerung (BVerfGE 93, 121 ff, 165 ff) schritt der Gesetzgeber zur Tat, sah jedoch wiederum von einer allgemeinen Neubewertung des Grundbesitzes ab und führte lediglich durch Gesetz vom 20. Dezember 1996 (BGBl. I S. 2049 ff) eine Bedarfsbewertung des Grundbesitzes - einschließlich land- und forstwirtschaftliche Betriebe - auf der Grundlage der Wertverhältnisse 1996 ein, jedoch nur zum Zwecke der Grund- und Erbschaftsbesteuerung (= §§ 138 ff BewG).

cc) Diese Entwicklung hatte der Gesetzgeber im Jahre 1976 nicht in Betracht gezogen. Es gab keinen Anlaß, die bei Neufassung der Höfeordnung bestehende Relation zwischen dem jeweils auf aktuellen Daten beruhenden Ertragswert und dem steuerlichen Einheitswert auch für die Zukunft durch besondere Anpassungsregelungen abzusichern. § 21 BewG sah eine regelmäßige Anpassung vor. und der Gesetzgeber konnte davon ausgehen, daß es aufgrund dessen zu einer regelmäßigen; wenngleich verzögerten Angleichung kommen würde. So war auch seit 1964 eine Neubewertung der Einheitswerte nicht vollständig unterblieben. Vielmehr waren die Einheitswerte in der Landund Forstwirtschaft durch Gesetz vom 22. Juli 1970 (BGBl. I S. 1118) an die damals rückläufige Reinertragsentwicklung angepaßt und später durch das Vermögenssteuerreformgesetz vom 17. April 1974 (BGBl. I S. 949, 961) pauschal um 40 % in den Bereichen angehoben worden, in denen eine Erhöhung der Ertrags- und Verkehrswerte festgestellt worden war (vgl. hierzu BT-Drucks. 6/3418, S. 49, 50).

dd) Dadurch, daß entgegen dieser begründeten Erwartung eine Neubewertung der landwirtschaftlichen Einheitswerte auf unbestimmte Zeit vollständig unterblieb, bildete sich eine Regelungslücke mit der Folge, daß die bis dahin sachgerechte Abfindungsregelung dem Gesetzeszweck nicht mehr entspricht. Die Anwendung der auf dem Wertniveau 1964 verharrenden Einheitswerte kann angesichts der in der land- und forstwirtschaftlichen Ertragsfähigkeit eingetretenen Entwicklung zu nicht mehr hinnehmbaren Wertverzerrungen führen (vgl. BT-Drucks. 13/4839, S. 44), die durch eine bloße Fortschreibung nach § 22 BewG nicht aufgefangen werden können, da nach § 27 BewG Veränderungen der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse bei Fortschreibungen nicht berücksichtigt werden (vgl. Rösser/Troll, Bewertungsgesetz und Vermögenssteuergesetz, 2. Aufl., § 27 BewG Rdn. 7 ff; Moench/Glier/Knobel/Viskorf, Bewertungs- und Vermögenssteuergesetz, 2. Aufl., § 27 BewG Rdn. 1 f). So ergab sich im Erhebungszeitraum 1988 in den alten Bundesländern ein nicht der Realität entsprechender bundesdurchschnittlicher Einheitswert eines landund forstwirtschaftlichen Betriebes von 8.836,93 DM (Jakob, Vereinfachung der Bewertung des Grundbesitzes, 1993, S. 30, 31).

Hinweise dafür, daß der Gesetzgeber diese Entwicklung später dadurch gebilligt hätte, daß er trotz dieser zwischenzeitlich eingetretenen Diskrepanz von Einheits- und Ertragswert von einer Korrektur der höferechtlichen Abfindungsregelung abgesehen hat, gibt es nicht. Sein Untätigbleiben allein läßt einen solchen Schluß nicht zu. Bei der Einführung eines vereinfachten Bewertungsverfahrens im Bereich der Erbschafts- und Grundsteuer ist ebenfalls nicht zum Ausdruck gekommen, daß es der Gesetzgeber im Höferecht bei dem eingetretenen Rechtszustand belassen wolle (BT-Drucks. 13/4839, S.38; BT-Drucks. 13/5359, S. 24).

b) Der vom Gesetzgeber mit der Regelung des § 12 Abs. 2 HöfeO angestrebte Interessenausgleich macht eine Anpassung des Abfindungsbetrages an die aktuellen Ertragsverhältnisse in der Landwirtschaft notwendig. Grundlage dafür ist eine entsprechende Anwendung des § 12 Abs. 2 Satz 3 HöfeO in Verbindung mit den durch Gesetz vom 20. Dezember 1996 (BGBl. I S. 2049) eingeführten Vorschriften der §§ 138 ff BewG. Ob eine solche Analogie auch von Verfassungs wegen geboten ist (vgl. BVerfGE 98, 1, 15, 16) - wie die Revision meint -, erscheint zweifelhaft. Denn bei einer vertraglichen Hofübergabe beruht eine damit verbundene Benachteiligung der weichenden Miterben auf der privatautonomen Entscheidung des Hofeigentümers (BVerfGE 67, 329, 343, 345 zu § 12 HöfeO aF), so daß die dann eingreifende Abfindungsbestimmung grundsätzlich keine durch Art. 14 Abs. 1, Art. 3 GG geschützte Rechtsposition der weichenden Erben berührt (BVerfGE 67, 329, 343 ff, auch zu der Frage, ob etwas anderes gilt, wenn weitergehende Pflichtteilsergänzungsansprüche nach §§ 2325 ff BGB durch die höferechtliche Sonderregelung verdrängt würden). Dies bedarf jedoch nicht der Entscheidung, da die Analogie schon zur Verwirklichung des vom Gesetzgeber verfolgten Interessenausgleichs in dem einfach gesetzlich vorgegebenen Rahmen geboten ist.

aa) Die Vorschrift des § 12 Abs. 2 Satz 3. HöfeO ist analogiefähig (zur alten Fassung vgl. OLG Hamm, RdL 1957; 264, 265; Schardey, FamRZ 1963, 265, 268; Rötelmann, NJW 1958. 139, 140; AgrarR 1972, 405, 406). Sie ist Ausdruck des Bestrebens, die starre Abfindungsregelung des Absatzes 2 Satz 2 aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit flexibler zu gestalten (vgl. Becker, AgrarR 1976, 181, 186; Rinck, ArgarR 1997, 399), und ermöglicht eine Annäherung an den individuell zu bestimmenden Ertragswert, wie er der Vorschrift des § 2049 Abs. 2 BGB zugrunde liegt, der der Gesetzgeber auch für das Höferecht eine Vorbildfunktion zugewiesen hatte (BT-Drucks. 7/1443; S. 23). Zwar hat die Norm in erster Linie die Korrektur einer pauschalen Bewertung aus Gründen im Auge, die sich aus den konkreten Umständen des einzelnen Falles ergeben (s.o.). Doch ist der dahinterstehende Gedanke der Annäherung an den Ertragswert verallgemeinerungsfähig. Zudem fließen auch bei der Beurteilung der Frage, ob durch die unterbliebene Einheitswertanpassung erhebliche Wertabweichungen ausgelöst wurden, neben ansonsten eher allgemeinen den Ertragswert bestimmenden Faktoren in gewissem Maße auch konkrete Umstände des jeweils betroffenen Hofes (Bewirtschaftungsart, Größe, Bodenbedingungen etc.) in die Bewertung ein.

bb) § 12 Abs. 2 Satz 3 HöfeO liefert allerdings allein noch nicht den erforderlichen Bewertungsmaßstab, um festlegen zu können, inwieweit der eineinhalbfache Einheitswert durch Zu- oder Abschläge zu korrigieren ist. Das billige Ermessen, das die Norm eröffnet, bedarf der Konkretisierung: Dazu bietet sich ein Rückgriff auf die für den Bereich der Erbschafts- und Grundsteuer eingeführten Bewertungsmaßstäbe (§§ 138 ff BewG) an (vgl. auch Rinck, AgrarR 1997, 399; Faßbender, AgrarR 1998, 188, 191).

c) Bei der entsprechenden Anwendung dieser Normen sind zudem die folgenden Grundsätze zu beachten:

a) Die Lückenausfüllung kann nur unter Berücksichtigung der vom Gesetzgeber bei der Neufassung der Höfeordnung im Jahre 1976 zum Ausdruck gekommenen Grundvorstellungen vorgenommen werden. Sie können nicht durch eine autark getroffene richterliche Interessenabwägung ersetzt werden (BVerfGE 82, 6, 12, 13; vgl. auch Senat, BGHZ 25, 287, 293). Daher ist die seinerzeit als gerecht bewertete Relation von eineinhalbfachem Einheitswert und tatsächlichem Ertragswert auch bei einer Anpassung des Einheitswertes an die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung beizubehalten, und zwar auch unter Fortschreibung einer möglicherweise damals bestehenden Wertdifferenz.

bb) Des weiteren hat der Gesetzgeber in Kauf genommen, daß die Anpassung der Einheitswerte verzögert und in Abständen vorgenommen wird, also nicht in zeitlicher Kontinuität der Entwicklung des Ertragswertes folgt. § 21 BewG sieht eine Neubewertung nur alle sechs Jahre vor. Zudem war diese Frist schon bei Verabschiedung der neuen Höfeordnung nicht eingehalten und ein konkreter Termin für die Neubewertung nicht festgelegt worden. Daraus wird deutlich, daß nicht jede Veränderung der allgemeinen wirtschaftlichen Bedingungen in der Landwirtschaft in engen zeitlichen Abständen zu einer Korrektur der Einheitswerte führen sollte. Angesichts dessen kommt eine Lückenschließung durch Analogie nur in Betracht, wenn sich bei einem Vergleich des auf der Basis 1964 festgestellten Einheitswertes des betroffenen Betriebs mit dessen aktuellem Wert gravierende Abweichungen ergeben.

cc) Da die Bewertungsvorschriften auf die Wertverhältnisse zum 1. Januar 1996 abstellen, ist bei Abfindungsfällen, die vor diesem Stichtag liegen, eine Rückrechnung vorzunehmen, wobei den in § 21 BewG vorgegebenen Zeitabständen Rechnung zu tragen ist.

III.

Für den konkreten Streitfall bedeutet dies folgendes:

1. Da die Übertragung der Hofgrundstücke an den Beklagten im Verlaufe des Jahres 1988 vorgenommen wurde, wäre bei Beachtung der in § 21 BewG geregelten Zeitabstände die letzte Hauptfeststellung zum 1. Januar 1988 durchgeführt worden. Das Berufungsgericht wird daher - unter Beachtung der vorstehenden Grundsätze - Feststellungen zum Wert des Hofes zum 1. Januar 1988 zu treffen haben. Ergibt sich dabei aus tatrichterlicher Sicht ein erheblich höherer Wert gegenüber dem auf der Basis 1964 festgesetzten Einheitswert, so ist die Wertdifferenz durch einen Zuschlag zum Hofeswert auszugleichen.

2. Das Berufungsgericht wird ferner zu prüfen haben, welcher Anteil der Klägerin an dem an die allgemeinen Verhältnisse angeglichenen Hofeswert tatsächlich gebührt. Bislang billigt es der Klägerin nur eine Pflichtteilsberechtigung zu und bemißt deren Quote gemäß § 12 Abs. 3, Abs. 10 HöfeO in Verbindung mit § 2303 Abs. 1 BGB mit 1/16. Es sind aber nur Feststellungen darüber getroffen worden, daß die Klägerin von ihrem Vater zum Zeitpunkt der Hofübertragung auf den Pflichtteil gesetzt worden war. Gemäß § 17 Abs. 2 HöfeO gilt der Erbfall aber hinsichtlich beider Eltern als eingetreten, weshalb zu klären ist, ob zum Zeitpunkt der Grundstücksübertragung auch eine letztwillige Verfügung der Mutter vorhanden war, in der ebenfalls eine Enterbung der Klägerin vorgesehen war. Ergibt sich, daß dies nicht der Fall ist, so ist die Klägerin hinsichtlich der von ihrer Mutter übertragenen Grundbesitzanteile mit einer Miterbenquote von 1/8 und bezüglich des vom Vater übertragenen Grundvermögens mit einer Quote von 1/16 zu beteiligen. In diesem Falle wären auch Feststellungen darüber zu treffen, welcher Anteil an dem - gegebenenfalls durch Zuschläge korrigierten - Hofeswert auf die Mutter entfiel, und in weicher Höhe die vom Beklagten übernommenen Verpflichtungen von dem auf die Mutter entfallenden Hofeswert in Abzug zu bringen sind. Dabei ist insbesondere zu beachten, daß bei der Berechnung des Abfindungsanspruchs eines Miterben Verbindlichkeiten aus Altenteilsrechten abzusetzen sind, während dies bei der Bemessung des Abfindungsanspruchs eines Pflichtteilsberechtigten unterbleibt (BGHZ 8, 213; Wöhrmann/Stöcker, Landwirtschaftserbrecht, 9. Aufl., § 12 HöfeO Rdn.37).

Ende der Entscheidung

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