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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 30.04.2004
Aktenzeichen: V ZR 343/02 (1)
Rechtsgebiete: DÜG, ZPO, BGB


Vorschriften:

DÜG § 1
ZPO § 268
ZPO § 308 Abs. 1 Satz 2
ZPO § 321
ZPO § 321 Abs. 1
ZPO § 555 Satz 1
ZPO § 557 Abs. 2
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
BGB § 288 a.F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

V ZR 343/02

Verkündet am: 30. April 2004

in dem Rechtsstreit

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 30. April 2004 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes Dr. Wenzel, die Richter Tropf, Dr. Lemke, Dr. Schmidt-Räntsch und die Richterin Dr. Stresemann

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 12. September 2002 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der auf die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Verzugszinsen auf den Kaufpreis in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungsgesetzes vom 9. Juni 1998 für die Zeit vom 4. Juli 2000 bis zum 31. Dezember 2001 gerichtete Hilfsantrag der Klägerin zurückgewiesen worden ist.

Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin 29.606,84 € zu zahlen.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin 42 % und die Beklagte 58 %.

Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt die Beklagte.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 26. Juni 1999 erwarb die Klägerin von der Beklagten ein als "Wassergrundstück" bezeichnetes Grundstück, das jedoch nicht an eine Wasserfläche angrenzt und auch keinen Zugang zum Wasser hat. Sie hat deshalb die Rückabwicklung des Kaufvertrags verlangt. Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 64.316,11 DM sowie weiter verurteilt, den Urkundsnotar anzuweisen, den auf einem Notaranderkonto hinterlegten Kaufpreis von 430.000 DM an die Klägerin auszukehren; die auf die Feststellung der Nichtigkeit des Kaufvertrags und der Verpflichtung zum Ersatz weiteren Schadens gerichteten Klageanträge hat es zurückgewiesen. Die Berufung der Beklagten und die Anschlußberufung der Klägerin, mit der sie ihren auf die Feststellung der Nichtigkeit des Kaufvertrags gerichteten Antrag weiter verfolgt und darüber hinaus die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 197.451,02 €, hilfsweise zur Zahlung von Verzugszinsen auf den Kaufpreis in gesetzlicher Höhe für die Zeit vom 4. Juli 2000 bis zum 31. Dezember 2001, und die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz weiteren Verzugsschadens beantragt hat, sind erfolglos geblieben.

Mit der von dem Senat - beschränkt auf die Abweisung des Hilfsantrags - zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Hilfsantrag weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:

I.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist der Hilfsantrag darauf gerichtet, den mit dem Hauptantrag geltend gemachten Betrag mit einem Zinsschaden aufzufüllen. Das bleibe jedoch ohne Erfolg, weil die Höhe des Zinsanspruchs in dem Antrag nicht beziffert ist.

Das hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

II.

1. Mit dem Berufungsgericht ist davon auszugehen, daß der von der Klägerin in der Berufungsinstanz vorgenommene Übergang von der erstinstanzlich erhobenen Feststellungsklage betreffend die Schadensersatzpflicht der Beklagten zu der Leistungsklage mit einem Haupt- und Hilfsantrag zulässig war, §§ 557 Abs. 2, 555 Satz 1, 268 ZPO.

2. Mit Erfolg rügt die Revision jedoch, daß das Berufungsgericht den Inhalt und die rechtliche Tragweite des Hilfsantrags verkannt hat.

a) Zutreffend hat es allerdings den von der Klägerin wegen der von ihr vermißten Entscheidung über den Hilfsantrag gestellten Antrag auf Ergänzung des Berufungsurteils zurückgewiesen, weil die Voraussetzungen für eine Urteilsergänzung nach § 321 ZPO nicht vorliegen.

Ein im Sinne von § 321 Abs. 1 ZPO von einer Partei geltend gemachter Haupt- oder Nebenanspruch ist übergangen, wenn das von der Partei mit einem bestimmten Antrag in den Prozeß eingeführte Verlangen, also ein Anspruch im prozessualen Sinn, über den es von Amts wegen oder wegen des gestellten Antrags einer Entscheidung bedurfte, versehentlich nicht beschieden worden ist; § 321 ZPO setzt somit eine Entscheidungslücke voraus und dient nicht der Richtigstellung eines falschen Urteils (BGH, Urt. v. 25. Juni 1996, VI ZR 300/95, NJW-RR 1996, 1238 m.w.N.; Urt. v. 5. Februar 2003, IV ZR 149/02, WM 2003, 1396, 1397). Hier hat das Berufungsgericht den Hilfsantrag jedoch - wenn auch fehlerhaft (siehe die nachstehenden Ausführungen unter b) und 3.) - beschieden. In einem solchen Fall kann die beschwerte Partei das Urteil nur mit einem zulässigen Rechtsmittel angreifen (BGH, Urt. v. 5. Februar 2003, aaO).

b) Rechtlich nicht haltbar ist aber die Auffassung des Berufungsgerichts, daß die Klägerin mit ihrem Hilfsantrag lediglich den mit dem Hauptantrag verlangten Schadensbetrag mit dem gesetzlichen Zinsanspruch "auffüllen" wollte. Dafür gibt es weder in dem Prozeßvortrag der Klägerin noch in der Antragsstellung irgendwelche Anhaltspunkte. Vielmehr liegt hier ein Fall der eventuellen Klagenhäufung vor.

aa) Die Klägerin hat den von ihr mit 197.451,02 € bezifferten Hauptanspruch auf Ersatz des entgangenen Gewinns (§ 252 BGB) sowohl auf ein Verschulden der Beklagten bei den Vertragsverhandlungen als auch - in Höhe von 78.155,87 € - auf den Verzug der Beklagten wegen der nicht fristgemäßen Freigabe des auf dem Notaranderkonto hinterlegten Kaufpreises gestützt. Zusätzlich hat sie, "soweit das Gericht den soeben ... erläuterten Schaden aus entgangenem Gewinn nicht für nachgewiesen hält", hilfsweise den gesetzlichen Verzugszins auf den Kaufpreis in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungsgesetzes vom 9. Juni 1998 ab dem 4. Juli 2000, spätestens jedoch ab Rechtshängigkeit der Klage vor dem Landgericht, bis zum 31. Dezember 2001 geltend gemacht. Bereits dieses Vorbringen in der Begründung der Anschlußberufung schließt die Annahme des Berufungsgerichts aus, daß die Klägerin ihren bezifferten Anspruch sowohl mit entgangenem Gewinn als auch mit Verzugszinsen auf den Kaufpreis begründet hat. Vielmehr zielt der Vortrag darauf ab, daß die Klägerin zwei verschiedene Ansprüche mit unterschiedlichem Inhalt geltend machen wollte.

bb) Das kommt auch in der Antragsstellung deutlich zum Ausdruck. Der Hauptantrag betrifft den bezifferten Ersatzanspruch, der Hilfsantrag die Zahlung von Verzugszinsen auf den Kaufpreis. Es liegen somit verschiedene Streitgegenstände im Verhältnis einer zulässigen Eventualklagenhäufung vor. Hätte die Klägerin, wie das Berufungsgericht gemeint hat, den bezifferten Schadensbetrag mit dem Zinsanspruch "auffüllen" wollen, wäre der Hilfsantrag gegenstandslos geworden. In diesem Fall hätte die Klägerin ausschließlich den bezifferten Hauptantrag stellen dürfen und den Anspruch auch auf die gesetzlichen Zinsen stützen müssen.

3. Ebenfalls mit Erfolg rügt die Revision, daß das Berufungsgericht die Klägerin nicht auf die nach seiner Auffassung erforderliche Bezifferung des Hilfsantrags hingewiesen hat. Dieser Hinweis wäre aber zur Vermeidung einer Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) notwendig gewesen.

a) Zahlungsklagen sind grundsätzlich zu beziffern. Die Berechnung darf jedoch u.a. dann offen bleiben, wenn sie dem Kläger unmöglich ist (BGH, Urt. v. 13. März 1967, III ZR 8/66, NJW 1967, 1420, 1421). Für einen Zinsantrag genügt deshalb die Angabe des Prozentsatzes und des Zinsbeginns, wenn - wie regelmäßig bei Zinsanträgen im Sinne des § 308 Abs. 1 Satz 2 ZPO - das Ende des Zinslaufes nicht feststeht. Ob Zinsen, die für einen begrenzten Zeitraum verlangt werden, in dem Klageantrag beziffert werden müssen, weil der Kläger sie berechnen kann (vgl. BGH, Urt. v. 13. März 1967, aaO; MünchKomm-ZPO/Lüke, 2. Aufl., § 253 Rdn. 131), oder ob es für die in § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO vorausgesetzte Bestimmtheit des Klageantrags genügt, daß sie bezifferbar sind (BAG, AP § 253 ZPO Nr. 2), bedarf hier keiner Entscheidung, weil es hierauf nicht ankommt. Denn die Klägerin brauchte aufgrund ihres Vortrags und der Antragstellung nicht damit zu rechnen, daß das Berufungsgericht den Zinsanspruch nicht als eigenständigen prozessualen Anspruch, sondern nur als unselbständigen Faktor des Hauptanspruchs werten und die Bezifferung verlangen würde. Es war daher zur Vermeidung einer Gehörsverletzung zu einem Hinweis auf seine Rechtsauffassung verpflichtet (BVerfG NJW 1996, 45, 46).

b) Auf dem Verstoß beruht das angefochtene Urteil. Die Revision führt aus, daß die Klägerin nach einem Hinweis des Berufungsgerichts die Selbständigkeit des Anspruchs betont und den gesetzlichen Zinssatz von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz-Über-leitungsgesetzes für die Zeit vom 4. Juli 2000 bis zum 31. Dezember 2001 berechnet hätte. Sie hätte dazu vorgetragen, daß der Basiszinssatz im Juli und August 2000 3,42 %, von September 2000 bis August 2001 4,26 % und von September 2001 bis Dezember 2001 3,62 % betragen habe. Daraus hätte die Klägerin Verzugszinsen von 58.313,02 DM (29.814,97 €) errechnet und den Hilfsantrag dahingehend formuliert, daß die Beklagte zur Zahlung von Verzugszinsen gem. § 288 BGB a.F. in dieser Höhe zu verurteilen sei.

4. Nach alledem hat das Berufungsurteil insoweit keinen Bestand, als der auf die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Verzugszinsen gerichtete Hilfsantrag der Klägerin abgewiesen worden ist. Da wegen der beschränkten Revisionszulassung rechtskräftig feststeht, daß die Beklagte zur Freigabe des auf dem Notaranderkonto hinterlegten Kaufpreises von 430.000 DM verpflichtet war, das Berufungsgericht fehlerfrei weiter festgestellt hat, daß sich die Beklagte ab dem 4. Juli 2000 in Verzug befand und die von der Klägerin in der Revisionsbegründung dargelegten Zinssätze richtig sind, bedarf es für die Entscheidung über den Hilfsantrag keiner weiteren Feststellungen. Der Senat kann deshalb in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Das führt zu der Verurteilung der Beklagten zur Zahlung weiterer 29.606,84 € an die Klägerin.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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