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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 30.10.1998
Aktenzeichen: V ZR 367/97
Rechtsgebiete: BGB, BNotO, ZPO


Vorschriften:

BGB § 326 Abs. 1 Satz 3
BGB § 325 Abs. 1 Satz 2
BGB § 433 Abs. 1
BNotO § 15
ZPO § 565 Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

V ZR 367/97

Verkündet am: 30. Oktober 1998

Kanik, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 30. Oktober 1998 durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Hagen und die Richter Dr. Vogt, Dr. Lambert-Lang, Schneider und Dr. Klein

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 24. Oktober 1997 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an den 7. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Den Klägern stand ein Restitutionsanspruch auf Rückübertragung eines mit einem vermieteten Mehrfamilienhaus bebauten Grundstücks in R. zu. Durch Vertrag vom 30. Juni 1992 verkauften sie das Grundstück für 280.000 DM an die Beklagten. Besitzerin des Grundstücks war zu diesem Zeitpunkt die Firma "W. R. GmbH", im folgenden WIRO, deren Vorgängerin das Grundstück verwaltet hatte, solange es in Volkseigentum stand. Die Beurkundung des Kaufvertrages erfolgte durch einen Notar in L., der auch mit der Abwicklung des Geschäfts beauftragt wurde.

Nach § 3 des Kaufvertrages wurde der Kaufpreis 14 Tage nach der Anzeige des Urkundsnotars fällig, daß eine von den Klägern im Vertrag bewilligte Vormerkung zur Sicherung des Auflassungsanspruches der Beklagten in das Grundbuch eingetragen, das Grundstück von nicht übernommenen Lasten freigestellt sei und sämtliche zur vertragsgemäßen Umschreibung erforderlichen Unterlagen vorlägen.

Unabhängig von der Fälligkeit des Kaufpreises hatten die Beklagten am 1. August 1992 bis zur vollständigen Zahlung des Kaufpreises eine selbstschuldnerische Bürgschaft eines Kreditinstitutes in Höhe von 50.000 DM zu stellen. Durch diese sollte ein etwaiger Anspruch der Kläger auf Ersatz von Schäden gesichert werden, die ihnen aus der Nichtdurchführung des Vertrages aus Verschulden der Beklagten entstehen konnten. Besitz, Nutzungen und Lasten gingen nach § 5 Abs. 1 des Kaufvertrages am 1. desjenigen Monats auf die Beklagten über, der auf die Freigabe des Hauses durch die WIRO folgte. Von dem für die Übergabe vereinbarten Stichtag an hatten die Beklagten nach § 5 Abs. 2 des Vertrages bis zum 1. des Monats, der auf die Zahlung des Kaufpreises folgte, eine Nutzungsentschädigung von monatlich 1.750 DM an die Kläger zu zahlen.

Die Bürgschaftsgestellung durch die Beklagten erfolgte nicht bis zum 1. August 1992. Aus diesem Grunde erklärten die Kläger mit Schreiben vom 1. und 25. August 1992 den Rücktritt vom Vertrag und strengten mit dem Ziel, seine Durchführung durch den Urkundsnotar zu verhindern, ein Verfahren nach § 15 BNotO an. Darüber hinaus bewilligten sie die Belastung des Grundstücks mit einer Eigentümergrundschuld und einer Fremdgrundschuld in Höhe von je 150.000 DM und einer Auflassungsvormerkung zugunsten einer Frau S..

Am 24. Februar 1993 stellten die Beklagten eine Bankbürgschaft über 25.000 DM, am 5. März 1993 die Bürgschaft einer Sparkasse über weitere 25.000 DM. Am 20. Oktober 1993 übergab die WIRO das Grundstück den Beklagten. Sie vereinnahmten fortan die Mieten. Die vereinbarte Nutzungsentschädigung bezahlten sie nicht. Sie behaupten, die Lasten des Grundstücks getragen zu haben.

Am 1. Dezember 1993 wurden die beiden Grundschulden, am 2. Dezember 1993 die Auflassungsvormerkung für Frau S. in das Grundbuch eingetragen. Mit Schreiben vom 24. Februar 1994 forderte die WIRO auf Verlangen der Kläger von den Beklagten die Herausgabe des Grundstücks. Durch Beschluß des OLG Celle vom 2. September 1994 wurde das von den Klägern angestrengte Verfahren nach § 15 BNotO zum Nachteil der Kläger abgeschlossen.

Am 19. Dezember 1994 wurde die Auflassungsvormerkung zugunsten der Beklagten in das Grundbuch eingetragen. Zu Beginn des Jahres 1995 verlangten die Kläger die Bezahlung des Kaufpreises für das Grundstück an einen Notar in B.. Mit Schreiben vom 10. März 1995 setzten sie Nachfrist. Mit Schreiben vom 21. März 1995 erklärten sie, "unwiderruflich" vom Vertrag zurückzutreten.

Im Januar 1996 erklärten die Beklagten, die Erfüllung des Kaufvertrages abzulehnen und Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen.

Mit Schreiben vom 16. Februar 1996 teilte der Urkundsnotar den Eintritt der für die Fälligkeit des Kaufpreises vereinbarten Voraussetzungen mit. Nunmehr setzten die Kläger den Beklagten erneut Nachfrist zur Bezahlung des Kaufpreises bis zum 14. März 1996. Nach Verstreichen dieser Frist erklärten sie, Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen.

Bis März 1995 vereinnahmten die Beklagten von den Mietern insgesamt 23.539,55 DM. Weitere Zahlungen wurden von den Mietern beim Amtsgericht R. hinterlegt.

Mit der Klage haben die Kläger 35.000 DM aus der im Vertrag vereinbarten Nutzungsentschädigung für den Zeitraum von November 1993 bis Mai 1995, hilfsweise für den Zeitraum von Juli bis Dezember 1995, verlangt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat den geltend gemachten Anspruch auf Nutzungsentschädigung für teilweise begründet, jedoch durch die von den Beklagten hilfsweise erklärte Aufrechnung mit Gegenforderungen als erloschen angesehen. Dieses Urteil haben beide Parteien angefochten. Mit ihrer Berufung haben die Beklagten die Abweisung der Klage ohne Berücksichtigung ihrer Gegenforderungen erstrebt. Die Kläger haben sich gegen die Kürzung ihres Anspruchs durch das Landgericht gewandt, das Bestehen von zur Aufrechnung geeigneten Gegenforderungen der Beklagten im wesentlichen in Abrede gestellt und die Klage auf Ansprüche auf Nutzungsentschädigung für den Zeitraum bis Juni 1995, hilfsweise die bis März 1996 verstrichenen Monate und höchst hilfsweise die Erstattung der von den Beklagten vereinnahmten Mieten gestützt.

Das Oberlandesgericht hat die von den Beklagten zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen in Höhe von 7.328,25 DM für begründet erachtet, der Klage jedoch im Hinblick auf die hilfsweise bis Oktober 1995 einbezogenen Raten der Nutzungsentschädigung in Höhe des verlangten Betrages von 35.000 DM zuzüglich gestaffelter Zinsen Zug um Zug gegen Freigabe der von den Mietern hinterlegten Zahlungen stattgegeben. Hiergegen wendet sich die Revision der Beklagten. Sie beantragen die Abweisung der Klage ohne eine Éntscheidung über die von ihnen hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen.

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der Anspruch der Kläger auf die im Vertrag vom 30. Juni 1992 vereinbarte Nutzungsentschädigung bestehe unabhängig von der Frage, ob der Vertrag weiterhin zu erfüllen sei oder ob die Erklärung der Kläger oder diejenige der Beklagten zum Erlöschen der Erfüllungsansprüche aus dem Vertrag geführt hätten. Habe die Erklärung der Kläger zum Erlöschen der Erfüllungsansprüche geführt, sei der Anspruch auf Nutzungsentschädigung von ihrem Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 326 Abs. 1 BGB umfaßt. Ein Erlöschen der Erfüllungsansprüche aus dem Vertrag aufgrund der Erklärung der Beklagten lasse den Anspruch der Kläger auf die vereinbarte Nutzungsentschädigung bis Januar 1996 unberührt. Durch die Überlassung des Besitzes an dem Grundstück hätten die Kläger ihre Pflichten aus dem Vertragsverhältnis teilweise erfüllt. Die Erklärung der Beklagten vom Januar 1996 habe nur den noch nicht erfüllten Anspruch auf Verschaffung des Eigentums zum Erlöschen bringen können. Daß die zeitweilige Überlassung des Besitzes bei einem Erlöschen des Anspruchs auf Verschaffung des Eigentums für die Beklagten ohne Interesse gewesen sei, sei weder ersichtlich noch geltend gemacht.

Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

II.

Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts kann nicht dahingestellt bleiben, ob die Erfüllungsansprüche aus dem Vertrag vom 30. Juni 1992 erloschen sind und ob dies durch die Erklärung der Kläger oder der Beklagten geschehen ist. Eine wirksame Erklärung des Käufers, die Erfüllung des Vertrages gemäß § 326 Abs. 1 BGB abzulehnen, läßt sämtliche Leistungsansprüche des Verkäufers aus dem Vertragsverhältnis entfallen und somit auch den Anspruch auf Bezahlung einer für den Zeitraum bis zur Erfüllung der Kaufpreisschuld für die Überlassung des Besitzes vereinbarten Entschädigung.

Die vertragsbestimmenden Pflichten des Kaufvertrages sind die Verpflichtung des Verkäufers, dem Käufer die verkaufte Sache zu übergeben und ihm das Eigentum an dieser zu verschaffen, sowie die Pflicht des Käufers, den vereinbarten Kaufpreis zu bezahlen (§ 433 Abs. 1 BGB). Die Verpflichtung des Käufers ist Gegenleistung für beide Pflichten des Verkäufers. Für eine Aufspaltung der Zahlungspflicht des Käufers in eine Gegenleistung für die Verschaffung des Besitzes und eine solche für die Verschaffung des Eigentums ist kein Raum.

Hieran ändert sich nicht dadurch etwas, daß der Verkäufer nach dem Kaufvertrag den Besitz vor Fälligkeit des Kaufpreises zu übertragen und der Käufer bis zur Zahlung des Kaufpreises eine Gegenleistung hierfür zu erbringen hat. Grundlage des Besitzes des Käufers ist auch bei Vereinbarung derartiger Pflichten der Kaufvertrag, nicht ein Miet-, Pacht- oder sonstiges Nutzungsverhältnis. Ist der Verkäufer nicht bereit oder in der Lage, dem Käufer das Eigentum an der übergebenen Sache zu verschaffen, so bedeutet die Verschaffung des Besitzes keine Teilleistung, vielmehr scheitert die Erfüllung des Kaufvertrags insgesamt (Palandt/Putzo, BGB, 57. Aufl., § 433 Rdn. 6; ferner Senatsurt. v. 7. Februar 1969, V ZR 112/65, NJW 1969, 837). Der Kaufvertrag ist ein einheitliches Rechtsgeschäft, dessen Vereinbarungen miteinander stehen und fallen. Das im Vorgriff auf den Eigentumserwerb des Käufers begründete Besitzübertagungsverhältnis kann nicht aufrecht erhalten werden (Erman/Battes, BGB, 9. Aufl., § 326 Rdn. 44; MünchKomm-BGB/Emmerich, 3. Aufl., § 326 Rdn. 133; MünchKomm-BGB/Westermann, § 433 Rdn. 51; RGRK/Ballhaus, BGB, 12. Aufl., § 326 Rdn. 53, 72; Soergel/Wiedemann, BGB, 12. Aufl., § 326 Rdn. 79; Staudinger/Otto, BGB, 1995, § 326 Rdn. 176; Staudinger/Köhler, § 433 BGB Rdn. 85). Nimmt der Käufer den Verzug des Verkäufers mit der Verschaffung des Eigentums zum Anlaß, das Vertragsverhältnis gemäß § 326 Abs. 1 BGB zu liquidieren, bedarf es daher mangels Teilbarkeit der Leistungspflicht des Verkäufers keiner Darlegung des Käufers gemäß § 326 Abs. 1 Satz 3, § 325 Abs. 1 Satz 2 BGB, an der zeitweiligen Überlassung des Besitzes im Hinblick auf das Ausbleiben der vereinbarten Eigentumsübertragung kein Interesse zu haben (vgl. BGH, Urt. v. 27. Juni 1990, VIII ZR 72/89, NJW-RR 1990, 1462, 1464).

III.

Da weitere Feststellungen erforderlich sind, ob die vertraglichen Erfüllungsansprüche fortbestehen oder durch die Erklärung der Kläger oder der Beklagten aufgehoben worden sind, und der Streitfall nicht abschließend geklärt ist, ist der Senat an einer abschließenden Entscheidung des Rechtsstreits gehindert. Die Sache ist zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgerichts zurückzuverweisen. Auf die weiteren Rügen der Revision gegen das Berufungsurteil kommmt es nicht an.

Der Senat hat von der Möglichkeit des § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht.



Ende der Entscheidung

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