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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 21.07.2000
Aktenzeichen: V ZR 393/99
Rechtsgebiete: BGB, EGBGB


Vorschriften:

BGB § 894
EGBGB Art. 237 § 2 Abs. 2
BGB § 894

Der Nachlaßpfleger kann als Vertreter nur eines Miterben und zugleich im eigenen Namen Grundbuchberichtigung verlangen.

EGBGB Art. 237 § 2 Abs. 2

Art. 237 § 2 Abs. 2 EGBGB gilt nicht, wenn Eigentum des Volkes nach dem 2. Oktober 1990 eingetragen worden ist.

BGH, Urt. v. 21. Juli 2000 - V ZR 393/99 - OLG Dresden LG Leipzig


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES VERSÄUMNISURTEIL

V ZR 393/99

Verkündet am: 21. Juli 2000

Kanik,

Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 21. Juli 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die Richter Dr. Lambert-Lang, Tropf, Schneider und Dr. Lemke

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 8. September 1999 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger zu 1 ist Nachlaßpfleger für die unbekannten Erben der am 12. Oktober 1988 verstorbenen M. J. W. (nachfolgend Erblasserin). Die Erblasserin war Mitglied einer Erbengemeinschaft, in deren Eigentum das im Streit befindliche unbebaute Grundstück stand. Als Mitglieder der Erbengemeinschaft waren neben der Erblasserin drei weitere natürliche Personen und Volkseigentum (in Rechtsträgerschaft VEB Gebäudewirtschaft L. ) - anstelle einer 1980 verstorbenen weiteren Miterbin - eingetragen. Am 8. Dezember 1989 stellte das Staatliche Notariat einen Fiskus-Erbschein nach der Erblasserin aus, aufgrund dessen am 4. Dezember 1991 anstelle der Erblasserin ebenfalls Volkseigentum, in Rechtsträgerschaft VEB Gebäudewirtschaft L. , in das Grundbuch eingetragen wurde. Das Amtsgericht Leipzig zog mit Beschluß vom 7. Dezember 1995 den Erbschein vom 8. Dezember 1989 wieder ein und erteilte am 13. Oktober 1997 dem Kläger zu 2 als zwischenzeitlich festgestelltem (Mit-)Erben dritter Ordnung einen Teilmindesterbschein.

Der vom Nachlaßpfleger namens der unbekannten Miterben und namens des Klägers zu 2 am 29. September 1998 eingereichten und 16. Oktober 1998 zugestellten Klage gegen die Beklagte auf Zustimmung zur Grundbuchberichtigung, hinsichtlich des eingetragenen Volkseigentums, hat das Landgericht insgesamt stattgegeben. Auf Anregung des Berufungsgerichts hat der Nachlaßpfleger mit Zustimmung der Beklagten "klargestellt", daß er die Rechte der unbekannten Miterben im eigenen Namen geltend mache. Das Berufungsgericht hat den Klagen nur noch hinsichtlich der auf Ableben der Erblasserin erfolgten Eintragung von Volkseigentum entsprochen und sie im übrigen abgewiesen. Mit der - zugelassenen - Revision verfolgt die Beklagte ihren Klagabweisungsantrag in vollem Umfang weiter.

Entscheidungsgründe:

Das Berufungsgericht meint, der Nachlaßpfleger habe zulässigerweise aus eigenem Recht Klage für die unbekannten Erben erhoben; für den Kläger zu 2 sei er als Nachlaßpfleger zur Vertretung berechtigt. Unrichtig sei das Grundbuch jedoch nur hinsichtlich des Miterbenanteils der Erblasserin; nur insoweit bestehe ein Anspruch nach § 894 BGB. Unstreitig sei nicht die DDR, sondern zumindest der Kläger zu 2 gesetzlicher Erbe geworden. Ein Eigentumsverlust des Klägers zu 2 und möglicher weiterer Miterben sei auch nicht gemäß Art. 237 § 2 Abs. 2 EGBGB mit Ablauf des 30. September 1998 eingetreten. Denn die am 29. September 1998 eingereichten Klagen hätten nach der hier anwendbaren Vorschrift des § 270 Abs. 3 ZPO den Lauf dieser Frist unterbrochen. Die - sowohl nach § 894 BGB als auch nach Art. 237 § 2 Abs. 2 EGBGB zu beurteilende - Passivlegitimation der Beklagten ergebe sich zwar - mangels Verfügungsbefugnis der Beklagten - nicht aus § 8 VZOG, wohl aber aus ihrer in Art. 22 EV geregelten, Abwicklungsberechtigung. Dem stehe nicht entgegen, daß ein Zuordnungsbescheid nach § 2 VZOG noch nicht ergangen sei.

II.

Im Ergebnis bleibt die Revision ohne Erfolg.

1. Die Kläger waren trotz ordnungsgemäßer Ladung im Verhandlungstermin nicht vertreten. Deshalb ist über die Revision durch Versäumnisurteil zu entscheiden, obwohl das Urteil inhaltlich nicht auf der Säumnisfolge beruht (vgl. BGHZ 37, 79, 81 ff; Senatsurt. v. 6. Juni 1986, V ZR 96/85, NJW 1986, 3086).

2. Zutreffend bejaht das Berufungsgericht die Zulässigkeit beider Klagen. Die von der Revision erhobenen Angriffe gegen den in der Berufungsinstanz auf Klägerseite erfolgten teilweisen Austausch der Parteirollen sind unbegründet:

a) Ein Nachlaßpfleger kann zur Sicherung und Erhaltung des Nachlasses von jedem, der Nachlaßgegenstände in Besitz hat, deren Herausgabe verlangen (BGH, Urt. v. 21. Juni 1972, IV ZR 110/71, NJW 1972, 1752; Urt. v. 22. Januar 1981, IVa ZR 97/80, NJW 1981, 2299, 2300; Urt. v. 6. Oktober 1982, IVa ZR 166/81, NJW 1983, 226). Auch der Anspruch auf Zustimmung zur Grundbuchberichtigung ist ein solcher auf Herausgabe eines Gegenstandes gerichteter Anspruch (Senat, BGHZ 41, 30, 34 ff). Prozessual stehen einem Nachlaßpfleger grundsätzlich mehrere Möglichkeiten zur Verfügung, einen solchen Rechtsstreit zu führen. Er kann in seiner Eigenschaft als gesetzlicher Vertreter des oder der Erben (BGHZ 49, 1, 5; BGH, Urt. v. 21. Juni 1972, IV ZR 110/71, aaO; BGHZ 94, 312, 314; Urt. v. 21. Dezember 1988, VIII ZR 277/87, NJW 1989, 2133, 2134) die den Erben zustehenden Herausgabeansprüchen in deren Namen geltend machen. Er kann aber auch persönlich die Rolle der Prozeßpartei wahrnehmen (vgl. § 780 Abs. 2 ZPO, § 40 Abs. 1 GBO) und als Kläger zum Nachlaß gehörige Rechte einklagen (BGH, Urt. v. 22. Januar 1981, IVa ZR 97/80, NJW 1981, 2299, 2300; Urt. v. 6. Oktober 1982, IVa ZR 166/81, NJW 1983, 226). Dieser Anspruch leitet sich nicht von den Erben ab, sondern folgt unmittelbar aus der Stellung als Nachlaßpfleger; ohne ihn könnte er die ihm übertragenen Aufgaben nicht erfüllen (BGH, Urt. v. 21. Juni 1972, IV ZR 110/71, NJW 1972, 1752; v. 6. Oktober 1982, IVa ZR 186/81, aaO m.zahlr.N.).

b) Entgegen der Ansicht der Revision ist es dem auf Grundbuchberichtigung klagenden Nachlaßpfleger nicht verwehrt, die beiden Klagemöglichkeiten zu kombinieren und den Rechtsstreit - wie hier - teilweise als gesetzlicher Vertreter und im übrigen im eigenen Namen zu betreiben. Ein Anspruch auf Grundbuchberichtigung braucht nicht von allen Miterben gemeinsam erhoben zu werden. Vielmehr ist gemäß § 2039 BGB jeder einzelne Miterbe zur Geltendmachung dieses Anspruchs befugt (Senat, BGHZ 44, 367, 370/371, 372; MünchKomm-BGB/Dütz, 3. Aufl., § 2039 Rdn. 6 m.w.N.; Palandt/Edenhofer, BGB, 59. Aufl., § 2039 Rdn. 2). Gleiches gilt gemäß Art. 235 § 1 EGBGB, § 400 Abs. 3 ZGB-DDR für die im Streitfall nach dem Recht der DDR berufenen Miterben. Dementsprechend kann auch ein Nachlaßpfleger nicht genötigt sein, eine Grundbuchberichtigungsklage als gesetzlicher Vertreter aller Miterben zu erheben, sondern muß sich auf die Vertretung eines einzelnen (bekannten) Miterben - hier des Klägers zu 2 - beschränken und in dessen Namen auf Leistung an alle Erben klagen können. Schon deshalb ist die Klage auf Grundbuchberichtigung zulässig.

Mit dieser als gesetzlicher Vertreter für den bekannten Miterben (Kläger zu 2) erhobenen eigenständigen Klage durfte der Nachlaßpfleger gemäß § 60 ZPO eine Klage aus eigenem Recht zur Wahrung der Rechtsstellung der unbekannten Miterben verbinden. Dabei war der Nachlaßpfleger nicht gezwungen, von seinem originären Herausgabeanspruch insgesamt, also hinsichtlich aller Miterben, Gebrauch zu machen. Denn dieser Anspruch ist Ausdruck der Sicherungsfunktion der Nachlaßpflegschaft und kann dementsprechend bei unterschiedlichen Sicherungsbedürfnissen auch nur zum Schutz bestimmter Miterben erhoben werden. Ein solch abgestufter Sicherungsbedarf besteht insbesondere, wie hier, im Falle unbekannter und bekannt gewordener Miterben. Zur Wahrung der Rechte bereits ermittelter Erben braucht der Nachlaßpfleger nämlich in der Regel nicht auf seinen eigenen Herausgabeanspruch zurückzugreifen, da diese entweder ihre Rechte selbst geltend machen (MünchKomm-ZPO/Lindacher, § 53 Rdn. 3; Blomeyer, Zivilprozeßrecht, 2. Aufl., § 8 II 3) oder, wie hier, vom Nachlaßpfleger vertreten werden können, ohne die Gefahr eines unzulässigen Insichprozesses heraufzubeschwören. Demgegenüber ist bei einer Klageerhebung in Vertretung der noch unbekannten Erben ein solches Prozeßhindernis nicht immer auszuschließen, weswegen ein auf Sicherheit bedachter Nachlaßpfleger auf seine Berechtigung zur Prozeßführung im eigenen Namen zurückgreifen wird. Dabei kommt es nicht darauf an, daß eine Prozeßführung in Vertretung der unbekannten Erben tatsächlich die Gefahr eines Insichprozesses in sich birgt, denn es ist einem Nachlaßpfleger nicht zuzumuten, auch nur ein abstrakt bestehendes Risiko einzugehen.

3. Ebenfalls ohne Erfolg zieht die Revision die Aktivlegitimation der Kläger in Zweifel.

Die Erben haben ihre Rechte nicht gemäß Art. 237 § 2 Abs. 2 EGBGB eingebüßt. Denn die Voraussetzungen für den dort angeordneten Eigentumserwerb der zur Abwicklung des Volkseigentums berechtigten juristischen Person liegen nicht vor. Dabei ist unerheblich, ob § 270 ZPO auch für die Ausschlußfrist des Art. 237 § 2 Abs. 2 EGBGB gilt. Denn die fehlerhafte Eintragung als Erbe nach der Erblasserin ist nicht vor dem in Art. 237 § 2 Abs. 2 EGBGB genannten Termin, dem 3. Oktober 1990, sondern erst am 4. Dezember 1991 erfolgt.

Für eine - von der Revision befürwortete - analoge Anwendung der Vorschrift des Art. 237 § 2 Abs. 2 EGBGB auf später bewirkte, sich jedoch auf Rechtsvorgänge vor dem 3. Oktober 1990 beziehende, deklaratorische Eintragungen ist kein Raum. Eine solche Ausdehnung des Anwendungsbereichs dieser Regelung verbietet sich schon angesichts des eindeutigen, erkennbar abschließend gefaßten Wortlauts der Vorschrift, mit der der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung getragen hat, daß seit dem 3. Oktober 1990 gemäß Art. 233 § 1 Abs. 1 EGBGB kein - eintragungsfähiges - Volkseigentum mehr besteht (BT-Drucks. 13/7275, S. 34). Auch die mit der Bestimmung des Art. 237 § 2 Abs. 2 EGBGB verfolgte Zielsetzung, dem wahren Rechtsinhaber die - im Interesse des Rechtsfriedens zeitlich begrenzte - Möglichkeit einzuräumen, eine aufgrund der Rechtspraxis der DDR ohne materiell-rechtliche Grundlage geschaffene Grundbuchposition zu beseitigen (vgl. MünchKomm-BGB/Busche, aaO, Art. 237 § 2 EGBGB Rdn. 1; Schmidt-Räntsch, aaO, 453), steht einer Erweiterung des Regelungsgehalts dieser Vorschrift entgegen, denn nach dem 3. Oktober 1990 vorgenommene Grundbucheintragungen sind nicht mehr den rechtsstaatlichen Defiziten in der DDR zuzurechnen.

Damit braucht weder die vom Berufungsgericht erörterte Problematik der Erstreckung des § 270 Abs. 3 ZPO auf die in Art. 237 § 2 Abs. 2 EGBGB geregelte Ausschlußfrist noch die von ihm angesprochene Frage, ob eine Klage zur Verhinderung des in dieser Vorschrift vorgesehenen gesetzlichen Eigentumsübergangs auch gegen den nicht eingetragenen Abwicklungsberechtigten gerichtet werden kann, geklärt zu werden.

4. Rechtsfehlerfrei bejaht das Berufungsgericht schließlich die Passivlegitimation. Der Beklagte ist, was auch die Revision nicht verkennt, die Buchberechtigung an dem unbebauten Grundstück als Inhaberin des Finanzvermögens gemäß Art. 22 Abs. 1 EV zugefallen; sie hat danach die Eintragung der wahren Erben nach M. J. W. zu bewilligen (vgl. Senat, Urt. v. 13. Juni 1997, V ZR 40/96, WM 1997, 1857, 1858), ohne daß es auf einen, bisher nicht vorliegenden (unanfechtbaren) Zuordnungsbescheid ankäme (vgl. Senat, Urt. v. 20. September 1996, V ZR 283/94, WM 1996, 2349 und Urt. v. 14. Juli 1995, V ZR 39/94, WM 1995, 1726).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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