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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 22.10.1999
Aktenzeichen: V ZR 398/98
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 157 Ge
BGB § 157 (Ge)

Vereinbaren die Parteien in einem Kaufvertrag über eine Eigentumswohnung, daß geringfügige Änderungen der berechneten Wohnfläche nicht zu einer Ermäßigung oder Erhöhung des Kaufpreises berechtigen sollen, und ergibt sich bei der endgültigen Berechnung eine deutliche Abweichung nach unten (hier: statt 102,5 qm nur 90,48 qm), so ergibt die Auslegung der Vertragsbestimmung, daß die dann berechtigte Herabsetzung des Kaufpreises nicht um einen "Geringfügigkeitszuschlag" von 3 % gekürzt werden darf.

BGH, Urt. v. 22. Oktober 1999 - V ZR 398/98 - OLG Stuttgart LG Tübingen


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

V ZR 398/98

Verkündet am: 22. Oktober 1999

Kanik, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 22. Oktober 1999 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die Richter Dr. Lambert-Lang, Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein und Dr. Lemke

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision gegen das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 24. September 1998 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Mit notariellem Vertrag vom 15. Oktober 1993 erwarb der Kläger von der Beklagten in dem von ihr ausgebauten und sanierten U. Sch. F. in Ö. eine Eigentumswohnung zum Preis von 405.700 DM zuzüglich 20.000 DM für einen Garagenstellplatz. In dem Vertrag heißt es u.a.: "Geringfügige Änderungen der berechneten Wohnflächen nach oben oder unten können sich ergeben. Die endgültige Wohnfläche mindert weder den Kaufpreis noch rechtfertigt sie einen Zuschlag."

Im Verkaufsprospekt war die Wohnfläche mit 102,5 qm angegeben worden, tatsächlich beträgt sie nur 90,48 qm. Mit Rücksicht auf diese Abweichung ermäßigte die Beklagte mit Schreiben vom 19. Juni 1995 den Kaufpreis der Wohnung von 405.700 DM auf 369.700 DM, wobei sie die tatsächliche Fläche von 90,48 qm um einen "Geringfügigkeitszuschlag" von 3 % auf 93,5 qm erhöhte und diese mit dem der Kaufpreisberechnung zugrundeliegenden Quadratmeterpreis von 3.958 DM berechnete.

Der Kläger hält die Berücksichtigung eines Geringfügigkeitszuschlages nicht für berechtigt und hat Rückzahlung des darauf entfallenden Kaufpreisanteils von 11.953,16 DM nebst Zinsen verlangt. Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 11.580,16 DM nebst Zinsen unter Abzug eines bereits gewährten Nachlasses von 373 DM stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Mit der - zugelassenen - Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht versteht die - als Teil allgemeiner Geschäftsbedingungen der Beklagten gewertete - Klausel, wonach geringfügige Änderungen der Wohnfläche weder zu einer Minderung noch zu einer Erhöhung des Kaufpreises berechtigen, als Wiederholung der Regelung in § 459 Abs. 1 Satz 2 BGB und als eine auf das Minderungsrecht erweiterte Regelung des § 634 Abs. 3 BGB. Es zieht daraus den Schluß, daß bei einer Überschreitung der Geringfügigkeitsgrenze die gesamte Minderfläche bei der Berechnung der Minderung zu berücksichtigen sei und nicht nur der jenseits der Geringfügigkeitsgrenze liegende Teil.

II.

Dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg.

1. a) Wie das Berufungsgericht gehen die Parteien übereinstimmend davon aus, daß die streitige Klausel in dem notariellen Vertrag Bestandteil allgemeiner Geschäftsbedingungen der Beklagten ist. Anhaltspunkte dafür, daß dies auf Rechtsirrtum beruht, sind nicht erkennbar. Die Klausel ist damit in vollem Umfang nur revisibel, wenn es sich um eine typische Klausel handelt, die nicht nur in einem Oberlandesgerichtsbezirk (vgl. § 549 Abs. 1 ZPO) im geschäftlichen Verkehr häufig vereinbart wird. Nur solche Klauseln kann das Revisionsgericht selbständig auslegen (BGH, Urt. v. 17. November 1969, VII ZR 83/67, NJW 1970, 321; BGHZ 112, 204, 210). Feststellungen hat das Berufungsgericht dazu nicht getroffen. Auch die Revision verweist nicht auf Sachvortrag, der den Schluß darauf zuläßt, daß die Klausel nicht nur in einem Oberlandesgerichtsbezirk Verwendung findet.

b) Infolgedessen kann der Senat die Auslegung der Klausel durch das Berufungsgericht nur in demselben Umfang nachprüfen wie bei Individualverträgen (BGH, Urt. v. 18. September 1963, V ZR 169/61, NJW 1963, 2227). Dieser Nachprüfung hält die Auslegung stand.

Fehl geht die Annahme der Revision, das Berufungsgericht habe eine Auslegung unterlassen und allein die Unklarheitenregel des § 5 AGBG angewendet. Das Berufungsgericht hat vielmehr unter zwei Gesichtspunkten eine Auslegung vorgenommen. Einerseits hat es die entsprechende gesetzliche Regelung (§ 459 Abs. 1 Satz 2 BGB) herangezogen und die Rechtsfolgen dieser Regelung auf die Klausel übertragen. Zum anderen hat es auf den von ihm ermittelten Vertragszweck abgehoben und daraus Schlüsse auf den Inhalt der Klausel gezogen. Daß diese Auslegung rechtsfehlerhaft ist, etwa gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt, zeigt die Revision nicht auf. Auch ihre Rüge, das Verständnis des Berufungsgerichts führe zu einem widersinnigen Ergebnis, weil bis zur Geringfügigkeitsgrenze gar nicht gemindert werden könne, während bei schon geringer Überschreitung dieser Grenze ein volles Minderungsrecht bestehe, läßt die Auslegung nicht interessewidrig und damit rechtsfehlerhaft erscheinen. Dies entspricht vielmehr der gesetzlichen Regelung des § 459 Abs. 1 Satz 2 BGB, an die die Klausel angelehnt ist. Was der Gesetzgeber für interessegerecht gehalten hat, kann als vertragliche Gestaltung nicht "widersinnig" werden. Soweit die Revision schließlich meint, das Berufungsgericht habe der Klausel entnehmen müssen, daß auch bei geringfügig geänderter Wohnfläche von einer vertragsgemäßen Leistung auszugehen sei, so daß eine Minderung erst bei Überschreiten dieser Grenze in Betracht komme, weist sie keinen Rechtsfehler nach, sondern setzt nur ihr Verständnis der Klausel dem des Berufungsgerichts entgegen. Darauf kann eine Revision nicht gestützt werden.

c) Angesichts der vorgenommenen Auslegung kommt es auf § 5 AGBG nicht an. Wenn man darin eine Hilfserwägung erblickt, so ist der Hinweis auf diese Norm indes nicht falsch. Im Ansatz verfehlt ist dazu die Rüge der Revision, der Begriff der Geringfügigkeit stelle keine Unklarheit im Sinne des § 5 AGBG dar. Das ist auch nicht die Auffassung des Berufungsgerichts. Die Unklarheit hat es vielmehr darin gesehen, daß das Verständnis der Klausel im Sinne der Beklagten dem Wortlaut nach nicht ausgeschlossen erscheint, daß ein so verstandenes - vom Gesetz abweichendes - Minderungsrecht aber nicht deutlich genug zum Ausdruck gekommen sei, so daß sich die Beklagte § 5 AGBG entgegenhalten lassen müsse. In diesem Kontext begegnen die Ausführungen keinen Bedenken.

2. Der Rechtsstreit wäre nicht anders zu entscheiden, wenn die Klausel der vollen Überprüfung durch den Senat unterläge. Eine eigene Auslegung führte nämlich mit Rücksicht auf die an das Gesetz angelehnten Formulierung (§§ 459 Abs. 1 Satz 2, 634 Abs. 3 BGB) zum selben Ergebnis.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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