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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 12.05.2000
Aktenzeichen: V ZR 470/98
Rechtsgebiete: DDR/ZGB


Vorschriften:

DDR/ZGB § 56 Abs. 3
DDR:ZGB § 56 Abs. 3

Die Zustimmung des Vertretenen muß sich nicht auf ein konkret vorgenommenes Insichgeschäft des Vertreters beziehen, sondern kann auch vorab für einen bestimmten Kreis von Geschäften erteilt werden.

BGH, Urt. v. 12. Mai 2000 - V ZR 470/98 - OLG Naumburg LG Stendal


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

V ZR 470/98

Verkündet am: 12. Mai 2000

Kanik, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 12. Mai 2000 durch die Richter Dr. Vogt, Schneider, Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein und Dr. Lemke

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 8. Dezember 1998 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der in Baden-Württemberg lebende Kläger ist Alleinerbe seiner am 16. September 1987 verstorbenen Tante C. H. , in deren Nachlaß das streitgegenständliche Hausgrundstück in Arendsee fiel. Am 21. März 1989 erteilte der Kläger der in Sachsen-Anhalt lebenden Beklagten eine notarielle Vollmacht "zur vollständigen Regelung des Nachlasses", in der es u.a. heißt:

"Frau ... (Bekl.) ... ist insbesondere ermächtigt, alles zu tun, was zur vollständigen Regelung des Nachlasses und seiner Verwertung nötig ist. Namentlich darf die Bevollmächtigte Nachlaßgegenstände jeder Art in Besitz nehmen, veräußern oder erwerben, die Erbschaft in Empfang nehmen, ... das Nachlaßgrundstück verwerten und mich - im Falle einer Zwangsversteigerung - vertreten, auch für mich bieten. ... Sie ist von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit."

Unter Berufung auf diese Vollmacht übertrug die Beklagte mit notariellem Vertrag vom 10. Oktober 1989 den Nachlaß unentgeltlich auf sich. Sie wurde als Eigentümerin des Grundstücks in das Grundbuch eingetragen. Ob sie davon dem Kläger alsbald danach Mitteilung machte, ist zwischen den Parteien streitig. Jedenfalls teilte sie ihm mit Schreiben vom 26. Januar 1992 mit, daß er das Haus in Arendsee nicht in seiner Steuererklärung aufzuführen brauche, da es auf ihren Namen geführt werde und von ihr die anfallenden Steuern entrichtet würden. In der Folgezeit berichtete sie auch über verschiedene das Haus betreffende Umstände (Mietangelegenheiten, Reparaturmaßnahmen).

Der Kläger behauptet, die Beklagte habe die ihr im Innenverhältnis auferlegten Beschränkungen mißachtet und die Vollmacht mißbraucht. Es habe ihr nämlich nur das Recht zugestanden, den Nachlaß für ihn zu verwalten.

Das Landgericht hat seine auf Grundbuchberichtigung, hilfsweise auf Rückübertragung, gerichtete Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat dem Hauptantrag stattgegeben. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Der Kläger beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht läßt es dahinstehen, ob der Kläger als Alleinerbe nach § 401 ZGB wirksam über den Nachlaß verfügen konnte, ob die der Beklagten erteilte Vollmacht die unentgeltliche Verfügung deckt und ob die Beklagte von der Vollmacht unter Verstoß gegen die ihr im Innenverhältnis gezogenen Grenzen Gebrauch gemacht hat. Es hält die Übertragung jedenfalls deswegen für unwirksam, weil es an der nach § 56 Abs. 3 ZGB erforderlichen Zustimmung des Klägers fehle.

II.

Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.

1. Frei von Rechtsfehlern, und von der Revision auch nicht bekämpft, geht das Berufungsgericht davon aus, daß sich die Frage der Wirksamkeit des notariellen Übertragungsvertrages vom 10. Oktober 1989 nach DDR-Recht beurteilt.

Unbedenklich ist danach, daß der Kläger, vertreten durch die Beklagte, über die Erbschaft als solche verfügt hat. Zwar regelt § 401 ZGB nur die Verfügung eines Miterben über seinen Erbteil. Der Gesetzgeber hat aber als selbstverständlich vorausgesetzt, daß auch ein Alleinerbe über seinen "Erbteil", also über die Erbschaft als Ganzes, verfügen kann. Das folgt aus § 400 Abs. 1 Satz 2 ZGB, wonach eine Erbengemeinschaft durch gemeinschaftliches Handeln aller Miterben über die Erbschaft verfügen kann. Wenn dies einer Erbengemeinschaft möglich ist, gibt es keinen sachlichen Grund für die Annahme, einem Alleinerben sei die Verfügung über die Erbschaft versagt. Auch der vom Ministerium der Justiz herausgegebene Kommentar zum Zivilgesetzbuch der DDR geht von einer solchen Möglichkeit aus (vgl. § 401 Anm. 1).

Es ist auch nicht ersichtlich, daß der Übertragungsvertrag wegen fehlender staatlicher Genehmigungen nicht wirksam geworden wäre. Soweit der Kläger mit Nichtwissen bestreitet, daß die erforderlichen Genehmigungen erteilt worden sind, ist dies im Hinblick auf die Vermutungswirkung des § 891 BGB unerheblich.

2. Keinen Bestand hat hingegen die Auffassung des Berufungsgerichts, der Übertragungsvertrag sei wegen fehlender Zustimmung des Klägers nach §§ 56 Abs. 3, 469 ZGB unwirksam.

Allerdings verlangt § 56 Abs. 3 ZGB die Zustimmung des Vertretenen zu einem Rechtsgeschäft, das der Vertreter - wie hier - mit sich selbst abschließt. Hintergrund dieser Regelung ist, daß das Zivilgesetzbuch der DDR - anders als das Bürgerliche Gesetzbuch in § 181 - ein Insichgeschäft des Vertreters nicht grundsätzlich verbot. Die Interessen des Vertretenen wurden statt dessen durch das Erfordernis seiner Zustimmung gewahrt. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann dem Gesetz aber nicht entnommen werden, daß die Zustimmung stets in bezug auf das konkrete Insichgeschäft abgegeben werden muß. Das wird zwar im Regelfall so sein. Der Normzweck, dem Vertretenen die Möglichkeit der Prüfung zu geben, ob seine Interessen mit denen des Vertreters kollidieren (vgl. Kommentar zum Zivilgesetzbuch der DDR, herausgegeben vom Ministerium der Justiz, § 56 Anm. 3), erfordert dies aber nicht. Der Vertretene kann seine Interessen auch von vornherein hintanstellen und, wenn er dem Vertreter volles Vertrauen entgegenbringt, seine Zustimmung zu einem Insichgeschäft für einen bestimmten Kreis von Geschäften vorab erteilen. Dabei kann der Kreis - wie hier - auch sehr weit gezogen werden, so wie auch die Vollmacht umfassend erteilt werden kann. Zwar ist es richtig, daß sich zumindest aus den Umständen ergeben muß, ob das vorgenommene Geschäft von der Zustimmung erfaßt ist. Das ist hier aber - entgegen der Meinung des Berufungsgerichts - der Fall. Die Zustimmung, ein Insichgeschäft vorzunehmen, bezog sich u.a. auf den Erwerb von Nachlaßgegenständen. Ein solcher steht hier in Rede. Erteilt der Vertretene eine derart generelle Zustimmung, verzichtet er auf einen weitergehenden Schutz. Daran hindert ihn das Gesetz nicht.

III.

Mit der gegebenen Begründung kann das angefochtene Urteil daher nicht bestehen bleiben. Es kommt vielmehr darauf an, ob der Übertragungsvertrag durch die Vollmacht gedeckt war und wie sich der vom Kläger behauptete Verstoß gegen die Abmachungen im Innenverhältnis auswirkt.

1. Vom Wortlaut der Vollmacht her ist die unentgeltliche Übertragung des Nachlaßgrundstücks auf die Beklagte inhaltlich erfaßt. Es gibt auch ansonsten keinen Anhaltspunkt dafür, daß unentgeltliche Verfügungen ausgeschlossen sein sollten. Dagegen spricht nicht etwa die wirtschaftliche Bedeutung der Grundstücksübertragung. Das Grundstück hatte seinerzeit nur einen geringen Wert, dem erhebliche Unterhaltungskosten gegenüber standen.

2. Nach dem Vortrag des Klägers war die Vollmacht im Innenverhältnis auf reine Verwaltungsmaßnahmen beschränkt. Erweist sich dies als zutreffend, führt das im Verhältnis der Parteien zueinander auch zu einer inhaltlichen Begrenzung der Vollmacht selbst. Denn es entsprach dann - entgegen dem objektiven Erklärungswert - dem übereinstimmenden Willen der Parteien, daß die Beklagte nur das Recht haben sollte, den Nachlaß für den Kläger zu verwalten. Der Schutz des Rechtsverkehrs, den Vollmachtgeber an den objektiven Erklärungswert der erteilten Vollmacht zu binden, tritt beim Insichgeschäft des Bevollmächtigten zurück (Senat, Urt. v. 13. November 1998, V ZR 216/97, NJW 1999, 486). Die Übertragung des Grundstücks auf die Beklagte war unter diesen Umständen, weil von der Vollmacht nicht gedeckt, unwirksam. Der Grundbuchberichtigungsanspruch besteht dann. Dies wird das Berufungsgericht unter Würdigung aller Umstände, auch des Verhaltens der Beklagten nach der Übertragung, aufzuklären haben.

Ende der Entscheidung

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