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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 17.11.2006
Aktenzeichen: V ZR 71/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 258
Die Vereinbarung einer Wertsicherungsklausel steht der Verurteilung zur Zahlung von künftigem Erbbauzins nicht entgegen.
BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

V ZR 71/06

Verkündet am: 17. November 2006

in dem Rechtsstreit

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 17. November 2006 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, den Richter Dr. Klein, die Richterin Dr. Stresemann und die Richter Dr. Czub und Dr. Roth

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Rechtsmittel der Klägerin wird das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Arnsberg vom 31. Januar 2006 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Klägerin erkannt worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird das Urteil der Zivilabteilung 4 des Amtsgerichts Werl vom 6. Oktober 2005 abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin halbjährlich, beginnend mit dem 30. Juni 2006, für das Ladenlokal Nr. 3 zusätzlich zu dem von ihr gezahlten Erbbauzins von 571,66 € weitere 91,47 € sowie für das Ladenlokal Nr. 2 zusätzlich zu dem gezahlten Erbbauzins von 487,21 € weitere 77,95 € zu zahlen.

Von den Kosten des ersten Rechtszugs tragen die Klägerin 1/6 und die Beklagte 5/6. Die Kosten der Rechtsmittelverfahren trägt die Beklagte.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin ist Eigentümerin eines Grundstücks in W. . Das Grundstück ist mit einem Erbbaurecht belastet, das nach § 30 WEG geteilt ist. Der Beklagten steht das Teilerbbaurecht an zwei als Ladenlokale genutzten Einheiten zu. Der für die Einheiten halbjährlich geschuldete Erbbauzins von 571,66 € bzw. 487,21 € wird von der Beklagten bezahlt. Zur Höhe des Erbbauzinses heißt es in der hierzu getroffenen Vereinbarung weiter:

"Sollte der ... Erbbauzins nicht mehr zeitgemäß sein, so kann jede Partei eine Angleichung an die dann gegebenen Wirtschafts- und Währungsverhältnisse verlangen.

Der Abänderungsanspruch ist frühestens 3 Jahre nach Vertragsschluss ohne weiteren Nachweis und ausschließlich dann gegeben, wenn sich der vom Statistischen Bundesamt in Wi. für einen 4-Personen-Haushalt von Angestellten und Arbeitern mittleren Einkommens ermittelte Lebenshaltungskostenindex gegenüber dem Monatsindex zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses um 10 Punkte oder mehr ändert (1985 = 100). Der dann geschuldete Erbbauzins erhöht bzw. ermäßigt sich um soviel vom Hundert, wie der Lebenshaltungskostenindex zum Zeitpunkt der Geltendmachung des Abänderungsanspruchs des Monatsindexes zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses übersteigt bzw. unterschreitet.

Der beiderseitige Abänderungsanspruch ist auch in jedem weiteren Falle der Änderung des Lebenshaltungskostenindexes um 10 Punkte oder mehr gegenüber dem jeweils geltenden Stand wiederum gegeben, frühestens jedoch nach drei Jahren.

Der neue Erbbauzins gilt von dem auf die Geltendmachung folgenden 01. Januar an. ..."

Gestützt hierauf verlangte die Klägerin mit Schreiben vom 28. Dezember 2001 von der Beklagten, den Erbbauzins für ihre Teileinheiten ab dem 1. Januar 2002 zu erhöhen und die Regelung zu dessen Anpassung zu ändern, weil das Statistische Bundesamt seit Beginn des Jahres 2002 anstelle des vereinbarten Indexes nur noch den Verbraucherpreisindex ermittelt.

Die Klägerin hat vor dem Amtsgericht zuletzt beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie halbjährlich zum 1. Januar bzw. 30. Juni eines jeden Jahres, beginnend mit dem 30. Juni 2005, zusätzlich zu dem für das Ladenlokal Nr. 3 gezahlten Erbbauzins von 571,66 € weitere 91,47 € sowie zusätzlich zu dem für das Ladenlokal Nr. 2 gezahlten Erbbauzins von 487,21 € weitere 77,95 € zu zahlen, und festzustellen, dass die Änderung des Erbbauzinses künftig nach dem Verbraucherpreisindex zu bestimmen sei. Die Beklagte hat den Feststellungsantrag anerkannt. Das Amtsgericht hat sie gemäß ihrem Anerkenntnis verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das Landgericht hat der Klage wegen der während des Berufungsverfahrens am 30. Juni 2005 und 1. Januar 2006 fällig gewordenen Erhöhungsbeträge von insgesamt 338,84 € stattgegeben und die weitergehende Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die von dem Landgericht zugelassene Revision, mit der die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von halbjährlich weiteren 91,47 € bzw. 77,95 € über die freiwillig gezahlten Beträge hinaus für den Zeitraum ab dem 30. Juni 2006 erstrebt.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht hält die Klage für unzulässig, soweit die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zu künftigen Zahlungen beantragt. Es meint, der Anspruch auf künftigen Erbbauzins sei zwar auf eine wiederkehrende Leistung im Sinne von § 258 ZPO gerichtet. Einer Titulierung stehe jedoch entgegen, dass die Höhe der künftigen Zahlungsverpflichtungen der Beklagten im Hinblick auf die vereinbarte Wertsicherungsklausel nicht mit hinreichender Sicherheit bestimmt werden könne.

Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

II.

Die Beklagte schuldet der Klägerin die für die Zukunft verlangten Erhöhungsbeträge. Die Abänderbarkeit des Erbbauzinses auf Grund der vereinbarten Wertsicherungsklausel steht der beantragten Verurteilung der Beklagten nicht entgegen.

1. Ziel der Leistungsklage ist die Schaffung eines Titels zur Durchsetzung eines geltend gemachten Anspruchs. Eine Klage kann daher grundsätzlich nur erfolgreich sein, wenn die von dem Kläger zur Entscheidung gestellte Forderung fällig ist (Stein/Jonas/Schumann, ZPO, 21. Aufl., § 257 Rdn. 1). Fehlt es hieran, ist die Klage als zur Zeit unbegründet abzuweisen (Musielak/Foerste, ZPO, 4. Aufl. § 257 Rdn. 1; Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 257 Rdn. 1). Dieser Grundsatz wird in den von § 257 bis 259 ZPO bestimmten Fällen zu Gunsten des Klägers durchbrochen. Nach § 258 ZPO sind wiederkehrende Leistungen schon vor Eintritt der Fälligkeit des jeweiligen Teilanspruches der Titulierung zugänglich. Dadurch wird es dem Gläubiger erspart, über jede Rate auf der Grundlage sich stets wiederholenden Vortrags immer wieder einen Titel erwirken zu müssen (Musielak/Foerste, aaO, § 258 Rdn. 1; Stein/Jonas/Schumann, aaO, § 258 Rdn. 1).

Voraussetzung der Titulierung nach § 258 ZPO ist ein Anspruch auf eine "wiederkehrende Leistung". Wiederkehrend im Sinne der Vorschrift sind Ansprüche, die sich als einheitliche Folgen aus einem Rechtsverhältnis ergeben, so dass die einzelne Leistung in ihrer Entstehung nur noch vom Zeitablauf abhängig ist (BGH, Urt. v. 10. Juli 1986, IX ZR 138/85, WM 1986, 1397, 1399). So verhält es sich u. a. mit nach Zeitabschnitten fällig werdenden Rentenansprüchen, vgl. §§ 759, 843 Abs. 2, 844 Abs. 2, 912 ff. BGB, Unterhaltsansprüchen, vgl. §§ 1361 Abs. 4, 1612 BGB, und auch dem Anspruch auf den Erbbauzins gemäß § 9 ErbbauVO (Musielak/Foerste, aaO, § 258 Rdn. 2).

Die Titulierung der künftig fällig werdenden Beträge aus einer Verpflichtung zu einer wiederkehrenden Leistung kann jedoch nur auf der Grundlage des im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung festgestellten Sachverhaltes erfolgen. Das steht der Verurteilung für einen Zeitraum entgegen, für den die Grundlage der Leistungspflicht nach Grund und Höhe nicht mit ausreichender Sicherheit festgestellt werden kann (BGHZ 76, 259, 273; BGH, Urt. v. 15. März 1983, VI ZR 187/81, NJW 1983, 2197; RGZ 145, 196, 198; MünchKomm-ZPO/Lüke, 2. Aufl., § 258 Rdn. 10). Die Unzulässigkeit der Verurteilung dient dem Schutz des Schuldners. Er darf nicht zu einer Leistung verurteilt werden, von der nicht angenommen werden kann, dass sie tatsächlich geschuldet sein wird.

So verhält es sich nicht bei Rentenleistungen, deren Höhe von einem Lebenshaltungskosten- oder Verbraucherpreisindex abhängig ist. Die Bindung der Leistungspflicht an einen solchen Index führt nicht dazu, dass die Höhe der Leistungsverpflichtung einem ständigen Wechsel unterworfen wäre. Tatsächlich hat sie das Gegenteil zum Ziel, nämlich das wirtschaftliche Äquivalent der Zahlungsverpflichtung konstant zu halten. Der Lebenshaltungskosten- und der Verbraucherpreisindex ändern sich nicht abrupt oder unabsehbar, sondern stetig, und zwar nach aller Erfahrung nach oben. Dass der Index auf einen Betrag sinken könnte, der eine Angleichung des Erbbauzinses nach unten rechtfertigt, ist unwahrscheinlich. Seit der Feststellung des jeweiligen Index durch das Statistische Bundesamt sind weder der Lebenshaltungskostenindex eines 4-Personen-Haushalts von Arbeitern und Angestellten mittleren Einkommens noch der Verbraucherpreisindex jemals nennenswert gesunken. Es besteht daher kein Anlass, den Schuldner einer hiernach zu bestimmenden Leistungspflicht vor der Titulierung einer aus diesem Grunde überhöhten Leistungsverpflichtung zu schützen. Eine Zahlungsverpflichtung der Beklagten, die hinter der von der Klägerin beantragten Verurteilung zurückbliebe, bedeutet vielmehr eine allenfalls theoretische Möglichkeit und steht auch schon deshalb der beantragten Entscheidung nicht entgegen (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 258 Rdn. 1 b).

2. Gegen die Höhe der von der Klägerin geltend gemachten Verpflichtung erhebt die Beklagte keine Einwendungen. Rechtsfehler sind insoweit auch nicht ersichtlich.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 269 Abs. 3 ZPO.



Ende der Entscheidung

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