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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 12.12.1997
Aktenzeichen: V ZR 81/97
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 988
BGB § 818 Abs. 3
BGB § 994
BGB §§ 988, 818 Abs. 3, 994

Der Anspruch aus § 988 BGB ist gemäß § 818 Abs. 3 BGB durch Aufwendungen beschränkt, die der Besitzer auf die Sache gemacht hat, solange er das Fehlen seiner Berechtigung zum Besitz nicht gekannt hat. Die Beschränkung hängt nicht davon ab, ob seine Aufwendungen Verwendungen im Sinne der §§ 994 ff BGB bedeuten.

BGH, Urt. v. 12. Dezember 1997 - V ZR 81/97 OLG Naumburg LG Magdeburg


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

V ZR 81/97

Verkündet am: 12. Dezember 1997 K a n i k Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 12. Dezember 1997 durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Hagen und die Richter Dr. Vogt, Dr. Wenzel, Schneider und Dr. Klein

für Recht erkannt:

Auf die Revision des Beklagten wird das Grundurteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 24. Januar 1997 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Die Parteien streiten um Entgelt für die Nutzung eines ehemals volkseigenen Grundstücks durch den Beklagten.

Das mit einer Villa und einem Stall bebaute Grundstück Flur , Flurstück , der Gemarkung A. stand bei Ablauf des 2. Oktober 1990 in Volkseigentum. Eingetragener Rechtsträger war seit 1954 der Bezirksausschuß des D. H. - Kreisausschuß A. (im folgenden: Kreisausschuß). Der Kreisausschuß benutzte die Villa als Verwaltungsgebäude, das Stallgebäude zu Aufenthalts- und Schulungszwecken und zum Einstellen von Fahrzeugen. 1959/1960 errichtete er auf dem rückwärtigen Teil des Grundstücks sechs Garagen.

Seit dem 3. Oktober nutzt der beklagte Kreisverband A. e.V. des D. Grundstück und Gebäude. Mit der Klage begehrt die B. (im folgenden: Klägerin) vom Beklagten Erstattung der von ihm durch die Nutzung von Villa und Stallgebäude 1991 gezogenen Gebrauchsvorteile in behaupteter Höhe von 26.81.9,46 DM. Der Beklagte nimmt ein Recht zum Besitz der Gebäude in Anspruch. Er macht geltend, der Kreisausschuß habe ihm seine Rechte im Hinblick auf das Grundstück übertragen. Hilfsweise rechnet er mit einer Gegenforderung auf, die er aus Verwendungen des Kreisausschusses auf die Villa bis zum 2. Oktober 1990 in Höhe von 132.G28,72 Mark und eigenen Verwendungen seit dem 3. Oktober 1990 in Höhe von 78.435,57 DM herleitet.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht der Klage dem Grunde nach stattgegeben und den Rechtsstreit zur Entscheidung über die Höhe des Anspruchs an das Landgericht zurückverwiesen. Mit der zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Das Grundstück stehe als Finanzvermögen im Sinne von Art. 22 Abs. 1 EV in der Treuhandverwaltung der Klägerin. Dies berechtige die Klägerin unabhängig vom Erlaß eines Vermögenszuordnungsbescheides zur Geltendmachung der Ansprüche aus dem Eigentum an dem Grundstück. Mit der Aufhebung des Volkseigentums seien die Rechte des Kreisausschusses zum Besitz des Grundstücks entfallen. Seine Baumaßnahmen hätten nicht zu einem Besitzrecht nach Art. 233 § 2 a Abs. 1 EGBGB geführt. Ob dem Beklagten Rechte und Ansprüche des Kreisausschusses im Hinblick auf das Grundstück übertragen worden seien, könne daher unentschieden bleiben. Als unentgeltlicher gutgläubiger nichtberechtigter Besitzer habe der Beklagte die durch die Nutzung von Villa und Stallgebäude gezogenen Vorteile der Klägerin zu erstatten. Die Vielfalt der im Zusammenhang mit dem Übergang der ehemals volkseigenen Grundstücke verbundenen Aufgaben auf die Klägerin lasse die erstmals im November 1995 erhobene Forderung der Klägerin nicht treuwidrig erscheinen. Die behaupteten Aufwendungen des Kreisausschusses und des Beklagten seien schon mangels Genehmigung nicht geeignet, einen fälligen Gegenanspruch auf Ersatz von Verwendungen zu begründen.

Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung teilweise nicht stand.

II.

Die von der Revision gegen die Befugnis der Klägerin erhobenen Bedenken, ohne förmlichen Zuordnungsbescheid die klagegegenständlichen Ansprüche geltend machen zu können, können für die Entscheidung des Rechtsstreits dahingestellt bleiben. Durch den Bescheid der Oberfinanzdirektion M. vom 3. Januar 1997 ist die Zuordnung des Grundstücks an die Klägerin zwischenzeitlich erfolgt. Als bestandskräftiger Verwaltungsakt ist dieser Bescheid vom Senat als neue Tatsache zu beachten (BGHZ 3, 365, 367 f; 53, 128, 131; Senatsurt. v. 12. Oktober 1984, V ZR 31/83, MDR 1985, 394).

III.

Der Beklagte ist nicht zum Besitz des Grundstücks berechtigt. Gemäß §§ 988, 818 BGB schuldet er der Klägerin die Erstattung der Gebrauchsvorteile, die ihm durch die Nutzung von Villa und Stall im Jahr 1991 zugeflossen sind. Seine Zahlungspflicht ist gemäß § 818 Abs. 3 BGB grundsätzlich auf die Vorteile begrenzt, die insgesamt noch in seinem Vermögen vorhanden sind.

1. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Verneinung eines Besitzrechts des Beklagten an Villa und Stallgebäude aus Art. 233 § 2 a Abs. 1 EGBGB.

Soweit der Kreisausschuß in früherer Zeit als Rechtsträger zu ihrem Besitz berechtigt war, endete dieses Recht mit Ablauf des 2. Oktober 1990, weil das Rechtsinstitut des Volkseigentums, mit dem die Rechtsträgerschaft verbunden war, vom Einigungsvertrag nicht übernommen wurde (Papier, VerwArch 83 (1992) S. 299, 311 ff; Schmidt-Räntsch, Eigentumszuordnung, Rechtsträgerschaft und Nutzungsrechte an Grundstücken, 2. Aufl., S. 19).

Ein Besitzrecht des Kreisausschusses nach dem 3. Oktober 1990 kommt auch nach dem Moratorium nicht in Betracht. Die vom Beklagten behaupteten Baumaßnahmen des Kreisausschusses sind nicht geeignet, zu einem solchen Recht zu führen. Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 1 Buchst. a EGBGB dient dem Schutz baulicher Investitionen des Nutzers. Er setzt damit grundsätzlich eine Bebauung des Grundstücks durch den Nutzer voraus. Maßnahmen zur Wiederherstellung eines Gebäudes können im Rahmen der Sachenrechtsbereinigung einer Bebauung gleichzusetzen sein, sofern sie nach Art und Umfang einer Neuerstellung entsprechen. Auch soweit dieses Maß nicht erreicht wird, konnte im Einzelfall das Moratorium dem Besitzer bis zum Ablauf des 31. Dezember 1994 ein Recht zum Besitz gewähren, sofern durch die Maßnahmen des Besitzers die Nutzbarkeit des Gebäudes wiederhergestellt wurde (vgl. Senatsurt. v. 24. Januar 1997, V ZR 172/95, WM 1997, 779, 780). So verhält es sich mit den vom Beklagten behaupteten Maßnahmen des Kreisausschusses jedoch nicht. Diese sind auf den Zeitraum der mehr als dreißigjährigen Nutzung der Villa durch den Ausschuß verteilt. Die Neueindeckung des Daches, der Einbau einer Heizungsanlage, der Bau eines Schornsteines, das Wechseln der Fenster und die vorgenommenen Elektroarbeiten bedeuten nicht mehr als die Vornahme von Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die mit langjähriger Nutzung eines Gebäudes üblicherweise verbunden sind.

Ebensowenig wurde durch die Errichtung der Garagen ein Besitzrecht des Kreisausschusses an Villa und Stallgebäude begründet. Der Bau der Garagen auf dem Grundstück bedeutete die Errichtung eines untergeordneten Nebengebäudes. Der nach Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 6 EGBGB zu bestimmende Umfang des durch ihre Errichtung begründeten Rechts zum Besitz des Grundstücks erstreckte sich nicht auf Villa und Stallgebäude (vgl. Senatsurt. v. 27. September 1996, V ZR 115/95, WM 1997, 121, 122; MünchKomm-BGB/Wendtland, 3. Aufl., Art. 233 § 2 a EGBGB Rdn. 13). Zur Nutzung der Garagen bedurfte es nicht der Nutzung von Villa und Stallgebäude. Vielmehr dienten die Garagen der Nutzung der Villa.

Da es an einem Besitzrecht des Kreisausschusses an Villa und Stallgebäude fehlt, kann dahingestellt bleiben, ob die vom Beklagten für den 22. Juni 1993 rückwirkend auf den 1. Januar 1991 behauptete Übertragung der Rechte des Kreisausschusses an dem Grundstück geeignet ist, ein Recht des Beklagten zu dessen Besitz zu begründen (vgl. Senatsurt. v. 7. Juli 1995, V ZR 46/94, DtZ 1995, 360, 364).

2. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht die vom Beklagten für den Zeitraum seit dem 3. Oktober 1990 behaupteten Aufwendungen auf das Grundstück nur unter dem Gesichtspunkt eines Anspruchs auf Verwendungsersatz geprüft. Aufwendungen des Besitzers auf die Sache sind unabhängig von der Frage, ob sie Verwendungen im Sinne von § 994 BGB bedeuten, gemäß § 818 Abs. 3 BGB geeignet, den Anspruch auf Nutzungsersatz aus § 988 BGB zu mindern.

Soweit in der juristischen Literatur gegenüber dem Anspruch aus § 988 BGB die Geltendmachung des Wegfalls der Bereicherung nur insoweit zugelassen wird, als es sich bei dem vom Besitzer geltend gemachten Aufwand um Fruchtziehungskosten oder Verwendungen im Sinne von §§ 994 ff BGB handelt (Erman/Hefermehl, BGB, 9. Aufl., § 988 Rdn. 4; Palandt/Bassenge, BGB, 57. Aufl., § 988 Rdn. 6; Staudinger/Gursky, BGB (1993) § 988 Rdn. 10), schließt sich der Senat dem nicht an.

§§ 985 ff BGB regeln die unterschiedliche Situation eines Besitzers, der das Fehlen seiner Berechtigung zum Besitz kennt oder grob fahrlässig nicht kennt, und eines Besitzers, der sich ohne grobe Fahrlässigkeit zum Besitz berechtigt glaubt, durch unterschiedliche Ausgestaltung der Rechtsfolgen. Gemäß § 993 Abs. 1 BGB schuldet der gutgläubige Besitzer den Ersatz von ihm gezogener Nutzungen grundsätzlich nicht. Hiervon macht § 988 BGB eine Ausnahme, sofern er den Besitz unentgeltlich erlangt hat. Die Zuordnung von Nutzungen an einen Besitzer, der keinen Aufwand hatte, den Besitz zu erlangen, zu Lasten des Eigentümers ist unangemessen (Protokolle der Kommission für die zweite Lesung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, S. 3984). Wer den Besitz in dieser Weise erlangt hat, hat die von ihm gezogenen Nutzungen daher herauszugeben, auch wenn er sich ohne grobe Fahrlässigkeit zum Besitz berechtigt glaubt. Sein Schutz erfolgt durch die Beschränkung des Herausgabeanspruchs nach den Vorschriften der §§ 818 ff BGB (MünchKomm-BGB/Medicus, 3. Aufl., § 988 Rdn. 11; Staudinger/Gursky, § 988 BGB Rdn. 9).

§§ 994 ff BGB bestimmen Voraussetzungen, Umfang und Fälligkeit des Anspruchs des Besitzers gegen den Eigentümer auf Ersatz seiner Aufwendungen auf die Sache. Insoweit ist die Frage zu beantworten, ob und in welchem Umfang der Eigentümer Aufwendungen zu ersetzen hat, die ohne seinen Willen auf die Sache gemacht worden sind. Die Beschränkung der Ansprüche des Besitzers dient dem Schutz des Eigentümers. Bei der Bestimmung des Umfangs der Herausgabepflicht aus § 988 BGB kommt diesem Ziel dagegen keine Bedeutung zu. Die Beschränkung der Verpflichtung des Besitzers durch § 818 Abs. 3 BGB soll verhindern, daß er trotz guten Glaubens an sein Recht zum Besitz Nutzungen zu erstatten hat, die in seinem Vermögen nicht mehr vorhanden sind. Soweit er den Wegfall seiner Bereicherung durch Aufwendungen geltend macht, ist daher entscheidend, ob diese Aufwendungen in innerem Zusammenhang mit den durch die Nutzung der Sache gezogenen Vorteilen stehen. Das ist bei Aufwendungen des Besitzers auf die Sache grundsätzlich der Fall (MünchKomm-BGB/Lieb, § 818 Rdn. 64; Staudinger/Lorenz, BGB (1994) § 818 Rdn. 37, 38; Palandt/Thomas § 818 BGB Rdn. 41). Ob er nach §§ 994 ff BGB vom Eigentümer Erstattung verlangen kann, ist für die Frage der Bestimmung des Umfangs seiner Verpflichtung zur Herausgabe von Nutzungen nach § 988 BGB ohne Bedeutung. Unerheblich ist daher auch, ob der Anspruch des Besitzers auf Ersatz seiner Verwendungen fällig ist.

§ 1001 BGB beschränkt allein die Verteidigung des aus §§ 987, 990 Abs. 1 BGB dem Eigentümer verantwortlichen Besitzers. Nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Herausgabeanspruchs vom Besitzer gezogene Nutzungen haben ihm nicht zu verbleiben. Dem Besitzer Schutz nach den Regeln des Bereicherungsrechts zukommen zu lassen, besteht in dieser Situation kein Grund, weil er damit zu rechnen hat, die Sache herausgeben zu müssen. Soweit er sich gegen den Anspruch des Eigentümers mit einem Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen auf die Sache verteidigen will, kann das nur im Wege der Aufrechnung mit einem Verwendungsersatzanspruch geschehen. Voraussetzung hierfür ist die Fälligkeit eines solchen Anspruchs (§ 387 BGB). Diese tritt nicht ein, solange der Eigentümer die Sache nicht wiedererlangt oder die Verwendungen des Besitzers genehmigt hat (§ 1001 BGB). Dasselbe gilt gemäß § 990 Abs. 1 BGB für die Verantwortlichkeit des bösgläubigen Besitzers.

Der Beklagte hat behauptet, Verwendungen auf Villa und Stall im Gesamtbetrag von 78.435,57 DM gemacht zu haben. Durch Aufrechnung mit der so begründeten - und einer weiteren aus Verwendungen des Kreisausschusses hergeleiteten abgetretenen - Forderung hat er sich gegen die Klage verteidigt. Soweit er sich auf eigene Aufwendungen gegenüber der Klageforderung beruft, ist seine Verteidigung auch unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls seiner Bereicherung zu prüfen. Zu einer abschließenden Entscheidung ist der Senat nicht in der Lage, weil es an Feststellungen zur Höhe dieser Aufwendungen und zur Gutgläubigkeit des Beklagten im jeweiligen Zeitpunkt seiner Aufwendungen fehlt.

Hagen Vogt Wenzel Schneider Klein

Ende der Entscheidung

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