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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 14.07.2000
Aktenzeichen: V ZR 82/99
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 249 Ca
BGB § 387
BGB § 812
BGB § 818 Abs. 1
BGB §§ 249 Ca, 387, 812, 818 Abs. 1

a) Stellen sich die Parteien eines nichtigen Kaufs im Bereicherungsausgleich gegenseitig Saldoposten in Rechnung (hier: erzielter Mietzins des Käufers; ersparter Kreditzins des Verkäufers), ist die gegen einen anderen Anspruch (hier: Schadensersatz des Käufers wegen aufgewendeter Kreditzinsen) erklärte Aufrechnung mit einem Saldoposten erst beachtlich, wenn der Saldo feststeht; dies gilt auch dann, wenn Saldoposten nur hilfsweise geltend gemacht wurden.

b) Hat der Verkäufer dem Käufer die durch den rechtsgrundlos erlangten Kaufpreis erzielten oder ersparten Zinsen herausgegeben, so sind die Zinsen, die der Käufer für die Finanzierung des Kaufpreises aufgewendet hat, im gleichen Umfang abgegolten; ein Schadensersatzanspruch des Käufers ist insoweit erloschen. Dies gilt auch, wenn die Herausgabe durch Saldierung im Bereicherungsausgleich erfolgt.

BGH, Urt. v. 14. Juli 2000 - V ZR 82/99 - OLG Hamm LG Münster


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

V ZR 82/99

Verkündet am: 14. Juli 2000

Kanik, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 14. Juli 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die Richter Dr. Lambert-Lang, Tropf, Dr. Klein und Dr. Lemke

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 22. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 10. Dezember 1998 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Rechtsvorgängerin der Beklagten (Erblasserin) kaufte am 15. Februar 1993 von der Klägerin ein Mietwohngrundstück. Sie erwirkte ein rechtskräftiges Urteil des Kammergerichts vom 12. Dezember 1995, wonach die Klägerin den Kaufpreis von 1.240.000 DM nebst 4 v.H. Zinsen seit 15. April 1994 Zug um Zug gegen Rückauflassung des Grundstücks zurückzuzahlen habe. Das Kammergericht stellte fest, daß die Klägerin der Erblasserin arglistig verschwiegen hatte, daß die Dachgeschosse ohne die erforderliche Genehmigung zu Wohnzwecken ausgebaut worden waren. Die von der Erblasserin erklärte Vertragsanfechtung wegen arglistiger Täuschung habe deshalb durchgegriffen. Den Anspruch auf Zahlung weiterer Zinsen auf den Kaufpreis wies das Kammergericht mit der Begründung ab, der Vortrag, die Erblasserin nehme Bankkredit zu 8 v.H. Zinsen in Anspruch, sei zu pauschal, um einen Schadensersatzanspruch nach §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB zusprechen zu können. Mit notariellem Vertrag vom 12. Juli 1996 erklärten die Parteien die Rückauflassung des Grundstücks. Am 1. August 1996 zahlte die Klägerin den Kaufpreis zurück und entrichtete die ausgeurteilten Zinsen ab 15. April 1994 (113.667 DM). Der Besitz und die Nutzungen des Grundstücks gingen an diesem Tage auf die Klägerin über.

Die Klägerin hat die Mieteinnahmen der Beklagten und der Erblasserin von 1993 bis 31. Juli 1996 in Höhe von 409.648,13 DM (richtig: 409.657,13 DM) herausverlangt. Hierauf hat sie sich Aufwendungen in Höhe von 102.220,06 DM anrechnen lassen und unter Aufrechnung gegen einen Kostenerstattungsanspruch der Beklagten aus dem Vorprozeß von 53.505,43 DM die Zahlung von 253.922,64 DM nebst Zinsen beantragt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

Im Berufungsrechtszug hat die Klägerin Zinsaufwendungen der Beklagten aus der Finanzierung des Kaufpreises für die Zeit von 1993 bis 15. April 1994 in Höhe von 86.933,11 DM in ihre Rechnung eingestellt. Unter Berücksichtigung nunmehr unstreitiger weiterer Aufwendungen von 181.149,90 DM und des Kostenerstattungsanspruchs der Beklagten hat sie die Zahlung von 88.068,69 DM nebst 4 v.H. Zinsen ab Rechtshängigkeit beantragt. Die Beklagte hat der Klägerin für die Zeit vom 15. April 1994 bis 31. Juli 1996 weitere Zinsen aus der Finanzierung des Kaufpreises in Höhe von 210.045,17 DM in Rechnung gestellt. Hilfsweise hat sie die Aufrechnung mit Ansprüchen auf Erstattung von Steuerberatungskosten in Höhe von 3.294,41 DM und auf Herausgabe von Zinsen in Höhe von 330.666,66 DM erklärt, die die Klägerin von März 1993 bis Juni 1996 dadurch erspart habe, daß sie mit dem Kaufpreis einen eigenen Kredit getilgt habe. Das Oberlandesgericht hat die Beklagte unter Abzug der Steuerberatungskosten zur Zahlung von 84.774,28 DM nebst den geforderten Zinsen verurteilt.

Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie die volle Abweisung der Klage anstrebt. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht ist der Ansicht, der Anspruch auf Erstattung weiterer Finanzierungszinsen der Beklagten sei durch das Urteil des Kammergerichts rechtskräftig aberkannt. Ein Anspruch auf Herausgabe der von der Klägerin ersparten Zinsen bestehe nicht. Wäre dem Anspruch der Beklagten auf Erstattung eigener Zinsaufwendungen im Vorprozeß stattgegeben worden, wäre es offensichtlich, daß die Klägerin nicht obendrein verpflichtet sei, der Beklagten den Vorteil des Gebrauchs des Kaufpreises zu erstatten. Daß der Anspruch aberkannt wurde, stehe (mithin) dem Herausgabeanspruch entgegen.

II.

Die Revision hat Erfolg.

1. Bei der Abwicklung eines nichtigen gegenseitigen Vertrags, hier des von der Erblasserin angefochtenen Kaufvertrags vom 15. Februar 1993, nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung (§ 812 Abs. 1 Satz 1, § 818 Abs. 1 bis 3 BGB) begründen die beiderseitigen Vermögensverschiebungen (grundsätzlich) keine eigenständigen Herausgabeansprüche. Es besteht vielmehr von vornherein nur ein einheitlicher Anspruch auf Herausgabe des Überschusses der Aktiv- über die Passivposten, der dem Teil zusteht, zu dessen Gunsten sich ein Saldo errechnet (Senat, BGHZ 116, 251, zugleich zu den Grenzen der Saldierung; Urt. v. 11. November 1994, V ZR 116/93, NJW 1995, 454; v. 14. Juli 1995, V ZR 45/94, NJW 1995, 2627; v. 14. Juli 2000, V ZR 320/98, zur Veröff. bestimmt). Nur dieser Anspruch, nicht aber die einzelne Position, die in den Saldo eingeht, kann Gegenstand einer Aufrechnung gegen einen anderen Anspruch des Bereicherungsschuldners sein. Der Aufrechnung des Anspruchs auf Herausgabe der von der Beklagten/der Erblasserin aus der Kaufsache gezogenen Nutzungen (Mietzins; Senat, BGHZ 138, 160) gegen einen Anspruch der Beklagten auf Schadensersatz wegen Zinsaufwendungen zur Finanzierung des Kaufpreises (86.933,11 DM für die Zeit von 1993 bis 15. April 1994) geht daher die Saldierung mit dem Anspruch der Beklagten auf Herausgabe der von der Klägerin ersparten Zinsen (330.666,66 DM) vor. Nur ein bereicherungsrechtlicher Saldo ergäbe einen eigenständigen Anspruch, der von der Klägerin gegen einen Schadensersatzanspruch der Beklagten aufgerechnet werden könnte. Umgekehrt war es unzulässig, die in erster Linie erklärte Aufrechnung der Beklagten mit einem Schadensersatzanspruch wegen weiterer Finanzierungskosten (210.045,17 DM für die Zeit vom 15. April 1994 bis 31. Juli 1996) vor der Saldierung der von der Beklagten gezogenen Nutzungen (Mietzinsen) mit den Zinsersparnissen der Klägerin (Tilgung von Verbindlichkeiten mit Kaufpreismitteln) zu berücksichtigen. Daß die Beklagte die Zinsersparnis der Klägerin mit der "Hilfsaufrechnung" geltend gemacht hat, steht dem nicht entgegen. Denn die Aufnahme eines Saldopostens in den Bereicherungsausgleich ist der Aufrechnung nicht zugänglich. Das Berufungsgericht hätte daher den ersparten Darlehenszins der Klägerin, der zu einem Teilbetrag von 178.666,66 DM (8 v.H. Zinsen aus einem Darlehen über 670.000 DM für die Zeit von März 1993 bis Juni 1996) unstreitig, im übrigen von der Beklagten unter Beweis gestellt ist, vorweg berücksichtigen müssen.

2. Dem steht die rechtskräftige Abweisung des über 113.667 DM hinausgehenden Anspruchs der Beklagten auf Erstattung eigener Kreditzinsen durch das Kammergericht nicht entgegen. Der Anspruch auf Ersatz eigener Kreditaufwendungen hat, gleichviel aus welchem Rechtsgrund er geltend gemacht wird, nicht den von der Gegenseite ersparten Zins zum Gegenstand.

3. Die in den Saldo einzustellende Zinsersparnis der Klägerin ist allerdings in Höhe von 113.667 DM bereits abgegolten.

a) Für die Saldierung beim Bereicherungsausgleich hat der Senat entschieden, daß der Käufer dem Verkäufer nicht die von diesem gezogenen Nutzungen nach § 818 Abs. 1 BGB und seine eigenen Zinsaufwendungen nach § 818 Abs. 3 BGB in Rechnung stellen kann; letzteres ist ihm nach der für den Kauf typischen Risikolage versagt (BGHZ 116, 251, 256 f). Hieraus kann allerdings nicht der Schluß gezogen werden, daß dem Käufer auch ein Schadensersatzanspruch, der ihm aus einem weiterem Grunde erwachsen ist, verschlossen wäre, soweit er den eigenen Zinsaufwand zum Gegenstand hat. Ungerechtfertigte Bereicherung und Schadensersatz sind nach Voraussetzungen und Anspruchsinhalt verschieden. Eine Verdrängung des einen Anspruchs durch den anderen im Sinne einer Gesetzeskonkurrenz findet nicht statt. Die aus dem rechtsgrundlos empfangenen Kaufpreis gezogenen Nutzungen sind vom Verkäufer herauszugeben, weil ihm der Vermögenswert, aus dem sie geflossen sind, nach der Rechtsordnung nicht zusteht (§ 818 Abs. 1 BGB). Die zur Finanzierung des Kaufpreises aufgebrachten Zinsen hat er dem Käufer zu erstatten, weil er diesem in zurechenbarer Weise einen Schaden zugefügt hat. Die Ersatzpflicht besteht unabhängig davon, ob der Verkäufer aus der empfangenen Leistung eine Nutzung gezogen hat; die Nutzungen sind herauszugeben, auch wenn dem Käufer kein Schaden entstanden ist.

Unbeschadet dessen können in den Bereicherungssaldo aufgenommene Posten, wenn sie die Herausgabepflicht des Schuldners verkürzen, zugleich Schadenspositionen, für die dieser an sich Ersatz verlangen könnte, zum Ausgleich bringen (vgl. BGH, Urt. v. 12. Mai 1998, XI ZR 79/97, NJW 1998, 2529, 2531). Ein solches Verhältnis besteht zwischen den vom Verkäufer gezogenen Nutzungen und den Zinsaufwendungen des Käufers insoweit, als der Kaufpreis mit Fremdmitteln beschafft wurde. In diesem Umfang stellen die Kreditzinsen des Käufers das wirtschaftliche Äquivalent zu den Nutzungen des Verkäufers dar. Sind die Nutzungen durch den Bereicherungsausgleich in das Vermögen des Käufers zurückgeflossen, ist der Zinsschaden in gleichem Umfang behoben. Anderes gilt, soweit der Kaufpreis aus Eigenmitteln des Käufers aufgebracht wurde. Hier bleibt es beim grundsätzlichen Verhältnis der beiden Ansprüche. Es besteht kein innerer Grund dafür, Nutzungen, die der Verkäufer aus rechtsgrundlos empfangenen Eigenmitteln des Käufers gezogen hat, im Falle ihrer Herausgabe auf Kreditzinsen anzurechnen, die der Käufer für weitere Teile des Kaufpreises (oder anderweit) aufwenden mußte (zutreffend für den Käufer im Bereicherungsausgleich: Canaris, JZ 1992, 1114, 1118, Bespr. zu BGHZ 116, 251). Vom Vorteilsausgleich nicht erfaßt ist zudem der die gezogenen Nutzungen übersteigende Mehraufwand des Käufers (übersteigende Kreditzinsen).

b) Der der Erblasserin rechtskräftig zugesprochene Anspruch auf Ersatz von Kreditzinsen über 113.667 DM stand dieser danach nicht zu. Denn nach dem Vorbringen der Beklagten war der Kaufpreis in voller Höhe mit Kreditmitteln aufgebracht worden, für die Zinsen zu entrichten waren, die den Ersparnissen der Klägerin gleichkamen. Die Rechtskraft der Entscheidung des Kammergerichts hat indessen zur Folge, daß im Verhältnis der Parteien vom Bestehen des Schadensersatzanspruchs auszugehen ist, der Vorrang der Saldierung der beiderseits gezogenen Nutzungen mithin nicht zum Tragen kommt. Durch die Tilgung der zuerkannten Schadensersatzforderung ist wegen des Äquivalenzverhältnisses des Kreditzinses mit den Zinsersparnissen der Klägerin deren Bereicherung in das Vermögen der Beklagten zurückgeführt; im gleichen Umfang ist die Entreicherung der Beklagten entfallen. Danach ist die Summe von 113.667 DM von den Nutzungen der Klägerin, revisionsrechtlich 330.666,66 DM, abzusetzen. Deren Anspruch auf Herausgabe des Mietzinses ist im Höchstfalle mit aus dem Kaufpreis gezogenen Nutzungen in Höhe von 216.999,66 DM zu saldieren.

4. Aus Vorstehendem folgt, daß die beiderseits erklärten Aufrechnungen mit Schadensersatzansprüchen der Beklagten (Beklagte: 210.045,17 DM) und gegen solche (Klägerin: 86.933,11 DM) - aus revisionsrechtlicher Sicht - ins Leere gehen. Für die Ansprüche ist neben der Saldierung, die kraft Gesetzes erfolgt, kein Raum. Sollten nach der tatrichterlichen Beurteilung des Berufungsgerichts die Zinsersparnisse der Klägerin hinter dem Schaden der Beklagten zurückbleiben, wird zu prüfen sein, inwieweit die in Frage kommenden Schadensersatzansprüche der Beklagten, einmal wegen Verzugs der Klägerin mit der Rückzahlung des Kaufpreises, zum anderen wegen Verschuldens bei Vertragsschluß (Verschweigen der Mängel), durch das Urteil des Kammergerichts aberkannt sind. Hierbei wird sich das Berufungsgericht an die Reihenfolge der beiderseits erklärten Aufrechnungen und deren jeweiligen Gegenstand zu halten haben.

5. Sollte das Berufungsgericht wegen der Kenntnis der einen oder der anderen Seite von der Anfechtbarkeit des Kaufs (von bestimmten Zeitpunkten an) von einer Haftung nach den allgemeinen Vorschriften auszugehen haben (§ 819 Abs. 1 i.V.m. § 142 Abs. 2 BGB), bliebe dies auf das Streitverhältnis im Grundsatz ohne Auswirkungen. Schuldhaft unterlassene Nutzungen, die nach §§ 292, 987 Abs. 2 BGB zu ersetzen sind, kommen nicht in Betracht. Allerdings scheidet nach dem Eintritt der verschärften Haftung die Berufung auf den Wegfall der Bereicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) aus (BGHZ 55, 128; 72, 246, 254 ff). Sie führte indessen im Verhältnis der Parteien zu keinen, über die Saldierung der beiderseitigen Vermögensverschiebungen hinausgehenden, Auswirkungen (zum Anwendungsbereich des § 818 Abs. 3 BGB bei der Gesamtabrechnung vgl. Staudinger/Lorenz [1999] § 818 Rdn. 41). Einer der Fälle, in denen die Saldierung hinter die Interessen des Getäuschten zurücktritt (BGHZ 53, 144; 57, 137, 146 f: Unvermögen des Getäuschten, die empfangene Leistung herauszugeben), liegt schließlich nicht vor.

Ende der Entscheidung

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