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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 31.10.2006
Aktenzeichen: VI ZB 20/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 85 Abs. 2
ZPO § 233 Fe
Der beim OLG nicht zugelassene Rechtsanwalt, der als Vertreter eines dort zugelassenen Anwalts tätig wird, muss selbst sicherstellen, dass seine Postulationsfähigkeit gewährleistet ist.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

VI ZB 20/06

vom 31. Oktober 2006

in dem Rechtsstreit

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 31. Oktober 2006 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller, den Richter Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen und die Richter Pauge und Zoll

beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 8. Februar 2006 wird auf Kosten des Klägers als unzulässig verworfen.

Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens: 14.191,00 €.

Gründe:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht auf Ersatz materieller und immaterieller Schäden in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 21. September 2005 abgewiesen. Dieses Urteil ist den Prozessbevollmächtigten des Klägers am selben Tag zugestellt worden. Am 21. Oktober 2005 hat der Kläger Berufung eingelegt. Die Rechtsmittelschrift trägt den Briefkopf der Kanzlei "W. H. & Kollegen" und ist von dem beim Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsanwalt W. unterzeichnet. Die innerhalb der verlängerten Frist am 21. Dezember 2005 beim Oberlandesgericht eingegangene Berufungsbegründung trägt denselben Briefkopf und enthält am Ende des Textes eine maschinenschriftliche Unterschriftszeile mit dem Text "K. E. W. Rechtsanwalt". Unterschrieben ist der Schriftsatz über dieser Zeile mit dem Schriftzug "C.". Rechtsanwalt C. ist beim Oberlandesgericht nicht zugelassen. Mit Schriftsatz vom 2. Januar 2006 hat Rechtsanwalt C. mitgeteilt, er sei bei Unterzeichnung der von ihm als Sachbearbeiter gefertigten Berufungsbegründung irrtümlich davon ausgegangen, seit dem 20. Dezember 2005 amtlich bestellter Vertreter für Rechtsanwalt W. zu sein. Der Kläger hat Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung der Rechtsanwalts- und Notargehilfin L. und einer Kopie eines Schreibens der Rechtsanwaltskammer F. vom 27. Dezember 2005 geltend gemacht, Rechtsanwalt C. habe am 19. Dezember 2005 einen an die Rechtsanwaltskammer gerichteten Schriftsatz unterzeichnet, in dem er seine Bestellung zum amtlichen Vertreter für den durch einen Klinikaufenthalt verhinderten Rechtsanwalt W. beantragt habe. Dieser Schriftsatz sei entgegen seiner Weisung aufgrund eines Versehens von Frau L. nicht versandt worden. Dies habe Rechtsanwalt C. erst am 23. Dezember 2005 bemerkt. Auf den an diesem Tag eingereichten Antrag sei er am 27. Dezember 2005 für die Zeit bis zum 2. Januar 2006 zum amtlichen Vertreter bestellt worden.

Mit Beschluss vom 8. Februar 2006 hat das Oberlandesgericht die Berufung als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, das Rechtsmittel sei unzulässig. Die Berufungsbegründung sei unabhängig von der Frage einer Wiedereinsetzung im Hinblick auf die noch nicht vorliegende amtliche Vertreterbestellung nicht formgerecht begründet worden, weil dem Schriftsatz nicht zu entnehmen sei, ob Rechtsanwalt C. ihn in eigener Verantwortung unterschrieben habe. Auch bei Annahme einer wirksamen Unterzeichnung sei die Berufung als unzulässig zu verwerfen, weil die Berufungsbegründung von dem seinerzeit nicht postulationsfähigen Rechtsanwalt C. unterzeichnet worden sei. Der Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei zurückzuweisen. Rechtsanwalt C. treffe ein eigenes Verschulden an der nicht ordnungsgemäßen Bestellung eines amtlichen Vertreters. Gegen diesen Beschluss wendet sich der Kläger mit der Rechtsbeschwerde.

II.

1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Sie ist jedoch nicht zulässig, da es an den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO fehlt, insbesondere eine Zulassung nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers zu Recht als unzulässig verworfen.

a) Ob der Auffassung des Berufungsgerichts zu folgen ist, die Berufungsbegründung lasse nicht erkennen, dass Rechtsanwalt C. sie in eigener Verantwortung unterschrieben habe, kann dahinstehen. Ein zulässiges Rechtsmittel liegt jedenfalls deshalb nicht vor, weil er bei Einreichung des Schriftsatzes nicht postulationsfähig war. Unerheblich ist, dass Rechtsanwalt C. nach dem glaubhaft gemachten Vortrag des Klägers später zum amtlich bestellten Vertreter für Rechtsanwalt W. bestellt worden ist. Die von einem nicht postulationsfähigen Rechtsanwalt vorgenommene Prozesshandlung kann zwar durch einen postulationsfähigen Bevollmächtigten heilend genehmigt werden (OLG Karlsruhe, NJW-RR 2000, 1519, 1520; OLG Frankfurt, OLG-Report 1998, 125), doch muss die Genehmigung, für die auch eine Bezugnahme auf den Schriftsatz des nicht postulationsfähigen Anwalts genügen kann, bei fristgebundenen Prozesshandlungen vor Fristablauf erfolgen (BGHZ 111, 342, 343 f.). Daran fehlt es hier, weil die Berufungsbegründungsfrist bei Eingang des Schriftsatzes vom 2. Januar 2006 bereits abgelaufen war.

b) Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat das Berufungsgericht mit Recht abgelehnt. Dabei ist unschädlich, dass die Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag nicht ausdrücklich in der Beschlussformel, sondern allein in den Gründen der Hauptsacheentscheidung erfolgt ist (RGZ 67, 186, 190). Das Wiedereinsetzungsgesuch ist jedenfalls unbegründet. Der Kläger war nämlich nicht ohne sein Verschulden verhindert, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten (vgl. § 233 ZPO). Rechtsanwalt C. trifft ein eigenes Verschulden an der Fristversäumung. Dieses muss sich der Kläger - unabhängig von einem Versehen der Büroangestellten L. - gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen.

Rechtsanwalt C. hat es bei Einreichung der Berufungsbegründung schuldhaft versäumt, seine Postulationsfähigkeit zu prüfen. Nach ständiger Rechtsprechung gehört die Prüfung dieser Prozesshandlungsvoraussetzung zu den wesentlichen Aufgaben eines Rechtsanwalts. Ist er nicht beim Oberlandesgericht zugelassen, sondern wird er dort nur als Vertreter eines zugelassenen Anwalts tätig, so muss er selbst sicherstellen, dass seine Postulationsfähigkeit als Vertreter gewährleistet ist. Er muss selbst prüfen, ob die Bestellung zum Vertreter erfolgt ist (Senatsbeschluss vom 6. Oktober 1992 - VI ZB 20/92 - VersR 1993, 124 f.; BGH, Beschluss vom 18. Mai 1982 - VI ZB 1/82 - VersR 1982, 848; BGH, Urteil vom 9. Januar 2003 - VII ZR 103/02 - VersR 2004, 353). Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde kommt es nicht darauf an, ob Rechtsanwalt C. darauf vertrauen durfte, dass die Büroangestellte L. die ihr erteilte Einzelanweisung ordnungsgemäß ausführen werde. Da ihn ein eigenes Verschulden trifft, ist es ohne Bedeutung, ob daneben auch ein Verschulden von Frau L. vorliegt (vgl. BGH, Urteil vom 9. Januar 2003 - VII ZR 103/02 - aaO).

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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